weise führt, nicht allein was die Wahl des Aufenthaltsortes anlangt, sondern auch rücksichtlich seiner größeren oder geringeren Thätigkeit, seines Betragens anderen Geschöpfen gegenüber u. s. w. Daß die Verschiedenheiten der Lebensweise unter den Meerfischen noch erheblicher sein müssen als unter jenen, läßt sich mit vollster Bestimmtheit annehmen, so wenig wir auch über sie urtheilen können, weil wir gerade von ihnen nur eine höchst dürftige Kenntniß haben. Jeder einzelne Fisch wendet ebensogut wie jedes andere Thier die ihm gewordenen Begabungen seines Leibes in zweckentsprechender Weise an, es lassen sich also von diesen Anlagen aus mehr oder weniger richtige Schlüsse auf die Lebensweise ziehen; damit aber gewinnen wir leider kein Bild der letzteren, dürfen somit nicht wagen, das uns wahrscheinlich Dünkende als Wahrheit auszugeben.
Jm Allgemeinen freilich ist das Leben der Fische viel einfacher als das der Säugethiere, Vögel, Kriechthiere und Lurche: es beschränkt sich beinahe auf Schwimmen, Fressen und Sichfortpflanzen. Die Thätigkeit, welche die Ernährung beansprucht, überwiegt unzweifelhaft jede andere; ihr widmen alle Fische weitaus den größten Theil ihres Lebens. Von einem regelmäßigen Tageslaufe kann man bei ihnen nicht sprechen, obgleich man, und gewiß mit Recht, annimmt, daß sie zwischen Tag und Nacht einen Unterschied machen. Aber noch weiß man nicht, ob oder wie sie schlafen; denn die wenigen Beobachtungen, welche an Gefangenen gerade hierüber gemacht worden sind, reichen zur Feststellung dieser Angelegenheit bei Weitem nicht aus. Solange der Fisch umherschwimmt, solange jagt er auch: selbst während seines Spielens oder derjenigen Thätigkeit, welche wir für Spielen ansehen, läßt er keine sich ihm bietende Beute vorüberschwimmen.
Einen Wechsel seiner Lebensweise ruft bei uns zu Lande nur die Fortpflanzungszeit hervor, welche ihn bewegt, Wanderungen zu unternehmen, vom Meere aus in die Flüsse zu steigen oder von den Flüssen nach dem Meere sich zu begeben, welche Mutterliebe und Bausinn in ihm weckt, ihn gegen die Außenwelt mehr oder minder empfänglich erscheinen läßt, also gleichsam sein ganzes Wesen umgestaltet. Jn den Gleicherländern kann noch ein anderer Wechsel der Lebensweise stattfinden: der Fisch kann dort gezwungen werden, zeitweilig eine gleichsam unnatürliche Lebensweise zu führen, sich wie das winterschlafende Säugethier in die Tiefe der Erde zurückzuziehen, um hier das Leben zu fristen, welches sonst gefährdet sein würde. Schon gegenwärtig kennt man eine nicht unbedeutende Anzahl von Fischen, welche wirklich Winterschlaf halten, d. h. beim Vertrocknen ihrer Gewässer sich in den Schlamm einwühlen, hier in eine gewisse Erstarrung verfallen und in dieser verweilen, bis der wiederkehrende, regenreiche Frühling ihre früheren Wohnplätze von Neuem mit Wasser füllt und sie ins Leben zurückruft. Auch bei uns zu Lande kann etwas Aehnliches geschehen: im Jnnern Afrikas und in Jndien ist solches Winterschlafen der Fische durchaus nichts Ungewöhnliches; denn es findet hier in allen Binnengewässern statt, welche nicht mit Flüssen zusammenhängen und zeitweilig gänzlich vertrocknen, beschränkt sich auch keineswegs allein auf Angehörige der ersten Ordnung und Reihe, welche wir Lungenfische nennen. Viele von jenen vor anderen in gewisser Hinsicht bevorzugten Fischen gehören zu denen, welche unter Umständen auch eine Wanderung über Land antreten, in der Absicht, ein noch wasserhaltiges Becken zu erlangen, also eine Reise ausführen, welche entfernt mit dem Streichen der Vögel verglichen werden kann. An letzteres erinnern ebenso gewisse Ortsver- änderungen unserer Süßwasser- und Meerfische, von denen viele je nach der Jahreszeit oder in Folge gewisser Zufälle ihren Aufenthaltsort wechseln, beispielsweise aus den Seen in Flüsse empor- schwimmen oder nach jenen zurückkehren u. s. w. Dagegen lassen die sogenannten Wanderungen der Fische durchaus keinen Vergleich zu mit Zug und Wanderschaft der Vögel, weil sie einzig und allein bedingt werden durch den Fortpflanzungstrieb.
Weniger als alle übrigen Wirbelthiere hängen die Fische ab vom Wechsel des Jahres. Für Säugethiere, Vögel, Kriechthiere und Lurche ist der Frühling die Zeit, wenn nicht der Liebe, sodoch der Erzeugung, der Geburt der Jungen; wenige aus der Gesammtzahl dieser vier Klassen machen hiervon eine Ausnahme. Nicht Dasselbe kann man von den Fischen sagen. Allerdings fällt auch bei den meisten unter ihnen die Fortpflanzungszeit in den günstigeren Abschnitt des Jahres, bei uns zu
Lebensweiſe.
weiſe führt, nicht allein was die Wahl des Aufenthaltsortes anlangt, ſondern auch rückſichtlich ſeiner größeren oder geringeren Thätigkeit, ſeines Betragens anderen Geſchöpfen gegenüber u. ſ. w. Daß die Verſchiedenheiten der Lebensweiſe unter den Meerfiſchen noch erheblicher ſein müſſen als unter jenen, läßt ſich mit vollſter Beſtimmtheit annehmen, ſo wenig wir auch über ſie urtheilen können, weil wir gerade von ihnen nur eine höchſt dürftige Kenntniß haben. Jeder einzelne Fiſch wendet ebenſogut wie jedes andere Thier die ihm gewordenen Begabungen ſeines Leibes in zweckentſprechender Weiſe an, es laſſen ſich alſo von dieſen Anlagen aus mehr oder weniger richtige Schlüſſe auf die Lebensweiſe ziehen; damit aber gewinnen wir leider kein Bild der letzteren, dürfen ſomit nicht wagen, das uns wahrſcheinlich Dünkende als Wahrheit auszugeben.
Jm Allgemeinen freilich iſt das Leben der Fiſche viel einfacher als das der Säugethiere, Vögel, Kriechthiere und Lurche: es beſchränkt ſich beinahe auf Schwimmen, Freſſen und Sichfortpflanzen. Die Thätigkeit, welche die Ernährung beanſprucht, überwiegt unzweifelhaft jede andere; ihr widmen alle Fiſche weitaus den größten Theil ihres Lebens. Von einem regelmäßigen Tageslaufe kann man bei ihnen nicht ſprechen, obgleich man, und gewiß mit Recht, annimmt, daß ſie zwiſchen Tag und Nacht einen Unterſchied machen. Aber noch weiß man nicht, ob oder wie ſie ſchlafen; denn die wenigen Beobachtungen, welche an Gefangenen gerade hierüber gemacht worden ſind, reichen zur Feſtſtellung dieſer Angelegenheit bei Weitem nicht aus. Solange der Fiſch umherſchwimmt, ſolange jagt er auch: ſelbſt während ſeines Spielens oder derjenigen Thätigkeit, welche wir für Spielen anſehen, läßt er keine ſich ihm bietende Beute vorüberſchwimmen.
Einen Wechſel ſeiner Lebensweiſe ruft bei uns zu Lande nur die Fortpflanzungszeit hervor, welche ihn bewegt, Wanderungen zu unternehmen, vom Meere aus in die Flüſſe zu ſteigen oder von den Flüſſen nach dem Meere ſich zu begeben, welche Mutterliebe und Bauſinn in ihm weckt, ihn gegen die Außenwelt mehr oder minder empfänglich erſcheinen läßt, alſo gleichſam ſein ganzes Weſen umgeſtaltet. Jn den Gleicherländern kann noch ein anderer Wechſel der Lebensweiſe ſtattfinden: der Fiſch kann dort gezwungen werden, zeitweilig eine gleichſam unnatürliche Lebensweiſe zu führen, ſich wie das winterſchlafende Säugethier in die Tiefe der Erde zurückzuziehen, um hier das Leben zu friſten, welches ſonſt gefährdet ſein würde. Schon gegenwärtig kennt man eine nicht unbedeutende Anzahl von Fiſchen, welche wirklich Winterſchlaf halten, d. h. beim Vertrocknen ihrer Gewäſſer ſich in den Schlamm einwühlen, hier in eine gewiſſe Erſtarrung verfallen und in dieſer verweilen, bis der wiederkehrende, regenreiche Frühling ihre früheren Wohnplätze von Neuem mit Waſſer füllt und ſie ins Leben zurückruft. Auch bei uns zu Lande kann etwas Aehnliches geſchehen: im Jnnern Afrikas und in Jndien iſt ſolches Winterſchlafen der Fiſche durchaus nichts Ungewöhnliches; denn es findet hier in allen Binnengewäſſern ſtatt, welche nicht mit Flüſſen zuſammenhängen und zeitweilig gänzlich vertrocknen, beſchränkt ſich auch keineswegs allein auf Angehörige der erſten Ordnung und Reihe, welche wir Lungenfiſche nennen. Viele von jenen vor anderen in gewiſſer Hinſicht bevorzugten Fiſchen gehören zu denen, welche unter Umſtänden auch eine Wanderung über Land antreten, in der Abſicht, ein noch waſſerhaltiges Becken zu erlangen, alſo eine Reiſe ausführen, welche entfernt mit dem Streichen der Vögel verglichen werden kann. An letzteres erinnern ebenſo gewiſſe Ortsver- änderungen unſerer Süßwaſſer- und Meerfiſche, von denen viele je nach der Jahreszeit oder in Folge gewiſſer Zufälle ihren Aufenthaltsort wechſeln, beiſpielsweiſe aus den Seen in Flüſſe empor- ſchwimmen oder nach jenen zurückkehren u. ſ. w. Dagegen laſſen die ſogenannten Wanderungen der Fiſche durchaus keinen Vergleich zu mit Zug und Wanderſchaft der Vögel, weil ſie einzig und allein bedingt werden durch den Fortpflanzungstrieb.
Weniger als alle übrigen Wirbelthiere hängen die Fiſche ab vom Wechſel des Jahres. Für Säugethiere, Vögel, Kriechthiere und Lurche iſt der Frühling die Zeit, wenn nicht der Liebe, ſodoch der Erzeugung, der Geburt der Jungen; wenige aus der Geſammtzahl dieſer vier Klaſſen machen hiervon eine Ausnahme. Nicht Daſſelbe kann man von den Fiſchen ſagen. Allerdings fällt auch bei den meiſten unter ihnen die Fortpflanzungszeit in den günſtigeren Abſchnitt des Jahres, bei uns zu
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Lebensweiſe.
weiſe führt, nicht allein was die Wahl des Aufenthaltsortes anlangt, ſondern auch rückſichtlich ſeiner
größeren oder geringeren Thätigkeit, ſeines Betragens anderen Geſchöpfen gegenüber u. ſ. w. Daß
die Verſchiedenheiten der Lebensweiſe unter den Meerfiſchen noch erheblicher ſein müſſen als unter
jenen, läßt ſich mit vollſter Beſtimmtheit annehmen, ſo wenig wir auch über ſie urtheilen können,
weil wir gerade von ihnen nur eine höchſt dürftige Kenntniß haben. Jeder einzelne Fiſch wendet
ebenſogut wie jedes andere Thier die ihm gewordenen Begabungen ſeines Leibes in zweckentſprechender
Weiſe an, es laſſen ſich alſo von dieſen Anlagen aus mehr oder weniger richtige Schlüſſe auf die
Lebensweiſe ziehen; damit aber gewinnen wir leider kein Bild der letzteren, dürfen ſomit nicht
wagen, das uns wahrſcheinlich Dünkende als Wahrheit auszugeben.
Jm Allgemeinen freilich iſt das Leben der Fiſche viel einfacher als das der Säugethiere, Vögel,
Kriechthiere und Lurche: es beſchränkt ſich beinahe auf Schwimmen, Freſſen und Sichfortpflanzen.
Die Thätigkeit, welche die Ernährung beanſprucht, überwiegt unzweifelhaft jede andere; ihr widmen
alle Fiſche weitaus den größten Theil ihres Lebens. Von einem regelmäßigen Tageslaufe kann man
bei ihnen nicht ſprechen, obgleich man, und gewiß mit Recht, annimmt, daß ſie zwiſchen Tag und
Nacht einen Unterſchied machen. Aber noch weiß man nicht, ob oder wie ſie ſchlafen; denn die
wenigen Beobachtungen, welche an Gefangenen gerade hierüber gemacht worden ſind, reichen zur
Feſtſtellung dieſer Angelegenheit bei Weitem nicht aus. Solange der Fiſch umherſchwimmt, ſolange
jagt er auch: ſelbſt während ſeines Spielens oder derjenigen Thätigkeit, welche wir für Spielen
anſehen, läßt er keine ſich ihm bietende Beute vorüberſchwimmen.
Einen Wechſel ſeiner Lebensweiſe ruft bei uns zu Lande nur die Fortpflanzungszeit hervor,
welche ihn bewegt, Wanderungen zu unternehmen, vom Meere aus in die Flüſſe zu ſteigen oder von
den Flüſſen nach dem Meere ſich zu begeben, welche Mutterliebe und Bauſinn in ihm weckt, ihn
gegen die Außenwelt mehr oder minder empfänglich erſcheinen läßt, alſo gleichſam ſein ganzes Weſen
umgeſtaltet. Jn den Gleicherländern kann noch ein anderer Wechſel der Lebensweiſe ſtattfinden:
der Fiſch kann dort gezwungen werden, zeitweilig eine gleichſam unnatürliche Lebensweiſe zu führen,
ſich wie das winterſchlafende Säugethier in die Tiefe der Erde zurückzuziehen, um hier das Leben zu
friſten, welches ſonſt gefährdet ſein würde. Schon gegenwärtig kennt man eine nicht unbedeutende
Anzahl von Fiſchen, welche wirklich Winterſchlaf halten, d. h. beim Vertrocknen ihrer Gewäſſer ſich
in den Schlamm einwühlen, hier in eine gewiſſe Erſtarrung verfallen und in dieſer verweilen, bis der
wiederkehrende, regenreiche Frühling ihre früheren Wohnplätze von Neuem mit Waſſer füllt und ſie
ins Leben zurückruft. Auch bei uns zu Lande kann etwas Aehnliches geſchehen: im Jnnern Afrikas
und in Jndien iſt ſolches Winterſchlafen der Fiſche durchaus nichts Ungewöhnliches; denn es findet
hier in allen Binnengewäſſern ſtatt, welche nicht mit Flüſſen zuſammenhängen und zeitweilig gänzlich
vertrocknen, beſchränkt ſich auch keineswegs allein auf Angehörige der erſten Ordnung und Reihe,
welche wir Lungenfiſche nennen. Viele von jenen vor anderen in gewiſſer Hinſicht bevorzugten
Fiſchen gehören zu denen, welche unter Umſtänden auch eine Wanderung über Land antreten, in der
Abſicht, ein noch waſſerhaltiges Becken zu erlangen, alſo eine Reiſe ausführen, welche entfernt mit
dem Streichen der Vögel verglichen werden kann. An letzteres erinnern ebenſo gewiſſe Ortsver-
änderungen unſerer Süßwaſſer- und Meerfiſche, von denen viele je nach der Jahreszeit oder in Folge
gewiſſer Zufälle ihren Aufenthaltsort wechſeln, beiſpielsweiſe aus den Seen in Flüſſe empor-
ſchwimmen oder nach jenen zurückkehren u. ſ. w. Dagegen laſſen die ſogenannten Wanderungen der
Fiſche durchaus keinen Vergleich zu mit Zug und Wanderſchaft der Vögel, weil ſie einzig und allein
bedingt werden durch den Fortpflanzungstrieb.
Weniger als alle übrigen Wirbelthiere hängen die Fiſche ab vom Wechſel des Jahres. Für
Säugethiere, Vögel, Kriechthiere und Lurche iſt der Frühling die Zeit, wenn nicht der Liebe, ſodoch der
Erzeugung, der Geburt der Jungen; wenige aus der Geſammtzahl dieſer vier Klaſſen machen hiervon
eine Ausnahme. Nicht Daſſelbe kann man von den Fiſchen ſagen. Allerdings fällt auch bei den
meiſten unter ihnen die Fortpflanzungszeit in den günſtigeren Abſchnitt des Jahres, bei uns zu
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 459. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/489>, abgerufen am 01.11.2024.
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