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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

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Feuersalamander.
erhalten zu können, daß sie das arme Thier auf ein Schmelzfeuer setzten und nach geraumer Zeit
Quecksilber auf den verkohlenden Giftwurm träufeln ließen, sahen aber diese Vornahme als äußerst
gefährlich an. Ebenso wurde das Thier bei Feuersbrünsten zum Märtyrer des Wahnes: man warf
es in die Flamme, vermeinend, dadurch dem Unheil zu begegnen. Wer sich erfrechte, derartigen
Unsinn zu bestreiten, wurde in der allen schwachgeistigen Menschen eigenen Weise bedeutet, d. h. mit
Grobheiten und Rohheiten bedacht. "Wer solche Dinge für Fabeln und Lügen hält", sagt ein
Dr. Scheffers, erbost über das verständige Urtheil anderer Leute, "beweist sein mittelmäßiges,
dummes und dünnes Gehirn und gibt zu erkennen, daß er nicht weit in der Welt umhergekommen
und mit gelehrten und gereisten Personen niemals Umgang gepflogen hat." Der Wunderglaube
erklärt auch die Fabelei über den Salamander: wer den einen Unsinn für möglich hält, ist auch des
anderen fähig; wer an übernatürliche Kräfte glaubt, fragt nie nach Dem, was Beobachtung und
[Abbildung] Der Feuersalamander (Salamandra maculosa). 2/3 der nat. Größe.
gesunder Menschenverstand ihn lehren. Ueber den Salamander nun und sein Wesen, seine Giftigkeit
und seine Lebensweise wird das Nachstehende Auskunft gewähren.

Der Salamander oder Feuersalamander (Salamandra maculosa), für uns Urbild einer
nach ihm benannten Familie, erreicht eine Länge von 5 bis 6 Zoll und ist auf schwarzem Grunde
mit großen, unregelmäßigen Flecken von prachtvoller, goldgelber Färbung gezeichnet. Die Drüsen-
gruppen am Hinterkopfe und die Warzenreihen zu beiden Seiten, aus denen bei Druck oder auch
bei Berührung weißer Saft hervorquillt, sind bei ihm besonders entwickelt.

Die Heimat des Feuersalamanders erstreckt sich über ganz Europa, von Südschweden bis
Spanien, Jtalien und Griechenland, reicht auch bis Nordwestafrika hinüber und wird sich möglicher-
weise über ein gutes Stück von Asien ausdehnen. Eigentlich selten ist er wohl nirgends innerhalb
der Grenzen dieses Verbreitungskreises, häufig jedoch nur in einzelnen, ihm besonders zusagenden
Theilen desselben. Feuchte, düstere Orte, z. B. tiefe Thäler oder dunkle Wälder geben ihm Herberge,
Höhlungen unter Gewurzel, Steinen, Bauten verschiedener Thiere u. dergl. die erwünschte Wohnung.
Uebertages verläßt er dieselbe nur nach einem Negen; denn auch seine Arbeitszeit ist die Nacht.
Trockene Wärme oder die Einwirkung der Sonne entzieht seinem Leibe rasch soviel von der ihm
unentbehrlichen Feuchtigkeit, daß er dadurch gefährdet wird; schon wenn es tagelang nicht geregnet
hat, erscheint er, obgleich seine Haut mit dem Thau in Berührung kommt, mager und hinfällig,
während er nach gefallenem Regen den Anschein von Wohlbeleibtheit, Glätte und strotzender Gesund-
heit erhält. Seine Bewegungen sind langsam und schwerfällig. Der Gang ist ein Kriechen mit
seitlichen Biegungen, das Schwimmen, streng genommen, auch nur ein Gehen im Wasser, bei

Feuerſalamander.
erhalten zu können, daß ſie das arme Thier auf ein Schmelzfeuer ſetzten und nach geraumer Zeit
Queckſilber auf den verkohlenden Giftwurm träufeln ließen, ſahen aber dieſe Vornahme als äußerſt
gefährlich an. Ebenſo wurde das Thier bei Feuersbrünſten zum Märtyrer des Wahnes: man warf
es in die Flamme, vermeinend, dadurch dem Unheil zu begegnen. Wer ſich erfrechte, derartigen
Unſinn zu beſtreiten, wurde in der allen ſchwachgeiſtigen Menſchen eigenen Weiſe bedeutet, d. h. mit
Grobheiten und Rohheiten bedacht. „Wer ſolche Dinge für Fabeln und Lügen hält“, ſagt ein
Dr. Scheffers, erboſt über das verſtändige Urtheil anderer Leute, „beweiſt ſein mittelmäßiges,
dummes und dünnes Gehirn und gibt zu erkennen, daß er nicht weit in der Welt umhergekommen
und mit gelehrten und gereiſten Perſonen niemals Umgang gepflogen hat.“ Der Wunderglaube
erklärt auch die Fabelei über den Salamander: wer den einen Unſinn für möglich hält, iſt auch des
anderen fähig; wer an übernatürliche Kräfte glaubt, fragt nie nach Dem, was Beobachtung und
[Abbildung] Der Feuerſalamander (Salamandra maculosa). ⅔ der nat. Größe.
geſunder Menſchenverſtand ihn lehren. Ueber den Salamander nun und ſein Weſen, ſeine Giftigkeit
und ſeine Lebensweiſe wird das Nachſtehende Auskunft gewähren.

Der Salamander oder Feuerſalamander (Salamandra maculosa), für uns Urbild einer
nach ihm benannten Familie, erreicht eine Länge von 5 bis 6 Zoll und iſt auf ſchwarzem Grunde
mit großen, unregelmäßigen Flecken von prachtvoller, goldgelber Färbung gezeichnet. Die Drüſen-
gruppen am Hinterkopfe und die Warzenreihen zu beiden Seiten, aus denen bei Druck oder auch
bei Berührung weißer Saft hervorquillt, ſind bei ihm beſonders entwickelt.

Die Heimat des Feuerſalamanders erſtreckt ſich über ganz Europa, von Südſchweden bis
Spanien, Jtalien und Griechenland, reicht auch bis Nordweſtafrika hinüber und wird ſich möglicher-
weiſe über ein gutes Stück von Aſien ausdehnen. Eigentlich ſelten iſt er wohl nirgends innerhalb
der Grenzen dieſes Verbreitungskreiſes, häufig jedoch nur in einzelnen, ihm beſonders zuſagenden
Theilen deſſelben. Feuchte, düſtere Orte, z. B. tiefe Thäler oder dunkle Wälder geben ihm Herberge,
Höhlungen unter Gewurzel, Steinen, Bauten verſchiedener Thiere u. dergl. die erwünſchte Wohnung.
Uebertages verläßt er dieſelbe nur nach einem Negen; denn auch ſeine Arbeitszeit iſt die Nacht.
Trockene Wärme oder die Einwirkung der Sonne entzieht ſeinem Leibe raſch ſoviel von der ihm
unentbehrlichen Feuchtigkeit, daß er dadurch gefährdet wird; ſchon wenn es tagelang nicht geregnet
hat, erſcheint er, obgleich ſeine Haut mit dem Thau in Berührung kommt, mager und hinfällig,
während er nach gefallenem Regen den Anſchein von Wohlbeleibtheit, Glätte und ſtrotzender Geſund-
heit erhält. Seine Bewegungen ſind langſam und ſchwerfällig. Der Gang iſt ein Kriechen mit
ſeitlichen Biegungen, das Schwimmen, ſtreng genommen, auch nur ein Gehen im Waſſer, bei

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[413/0441] Feuerſalamander. erhalten zu können, daß ſie das arme Thier auf ein Schmelzfeuer ſetzten und nach geraumer Zeit Queckſilber auf den verkohlenden Giftwurm träufeln ließen, ſahen aber dieſe Vornahme als äußerſt gefährlich an. Ebenſo wurde das Thier bei Feuersbrünſten zum Märtyrer des Wahnes: man warf es in die Flamme, vermeinend, dadurch dem Unheil zu begegnen. Wer ſich erfrechte, derartigen Unſinn zu beſtreiten, wurde in der allen ſchwachgeiſtigen Menſchen eigenen Weiſe bedeutet, d. h. mit Grobheiten und Rohheiten bedacht. „Wer ſolche Dinge für Fabeln und Lügen hält“, ſagt ein Dr. Scheffers, erboſt über das verſtändige Urtheil anderer Leute, „beweiſt ſein mittelmäßiges, dummes und dünnes Gehirn und gibt zu erkennen, daß er nicht weit in der Welt umhergekommen und mit gelehrten und gereiſten Perſonen niemals Umgang gepflogen hat.“ Der Wunderglaube erklärt auch die Fabelei über den Salamander: wer den einen Unſinn für möglich hält, iſt auch des anderen fähig; wer an übernatürliche Kräfte glaubt, fragt nie nach Dem, was Beobachtung und [Abbildung Der Feuerſalamander (Salamandra maculosa). ⅔ der nat. Größe.] geſunder Menſchenverſtand ihn lehren. Ueber den Salamander nun und ſein Weſen, ſeine Giftigkeit und ſeine Lebensweiſe wird das Nachſtehende Auskunft gewähren. Der Salamander oder Feuerſalamander (Salamandra maculosa), für uns Urbild einer nach ihm benannten Familie, erreicht eine Länge von 5 bis 6 Zoll und iſt auf ſchwarzem Grunde mit großen, unregelmäßigen Flecken von prachtvoller, goldgelber Färbung gezeichnet. Die Drüſen- gruppen am Hinterkopfe und die Warzenreihen zu beiden Seiten, aus denen bei Druck oder auch bei Berührung weißer Saft hervorquillt, ſind bei ihm beſonders entwickelt. Die Heimat des Feuerſalamanders erſtreckt ſich über ganz Europa, von Südſchweden bis Spanien, Jtalien und Griechenland, reicht auch bis Nordweſtafrika hinüber und wird ſich möglicher- weiſe über ein gutes Stück von Aſien ausdehnen. Eigentlich ſelten iſt er wohl nirgends innerhalb der Grenzen dieſes Verbreitungskreiſes, häufig jedoch nur in einzelnen, ihm beſonders zuſagenden Theilen deſſelben. Feuchte, düſtere Orte, z. B. tiefe Thäler oder dunkle Wälder geben ihm Herberge, Höhlungen unter Gewurzel, Steinen, Bauten verſchiedener Thiere u. dergl. die erwünſchte Wohnung. Uebertages verläßt er dieſelbe nur nach einem Negen; denn auch ſeine Arbeitszeit iſt die Nacht. Trockene Wärme oder die Einwirkung der Sonne entzieht ſeinem Leibe raſch ſoviel von der ihm unentbehrlichen Feuchtigkeit, daß er dadurch gefährdet wird; ſchon wenn es tagelang nicht geregnet hat, erſcheint er, obgleich ſeine Haut mit dem Thau in Berührung kommt, mager und hinfällig, während er nach gefallenem Regen den Anſchein von Wohlbeleibtheit, Glätte und ſtrotzender Geſund- heit erhält. Seine Bewegungen ſind langſam und ſchwerfällig. Der Gang iſt ein Kriechen mit ſeitlichen Biegungen, das Schwimmen, ſtreng genommen, auch nur ein Gehen im Waſſer, bei

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 413. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/441>, abgerufen am 18.05.2024.