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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

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Die Schlangen. Grubenottern. Parzen.
Menschen geheilt, wenn man bald zur Kur schritt; es ist jedoch schwer, die Wahrheit von der
Unwahrheit zu sondern, da man sich mit einer Menge von Sagen umherträgt."

Jm Anschluß an diese von ihm selbst gesammelten Erfahrungen gibt der Prinz den Bericht
eines holländischen Pflanzers über den Buschmeister wieder. "Zum Glück", sagt dieser, "ist diese
Schlange nicht sehr häufig in der Nähe der Pflanzungen, sondern lebt mehr in den hohen Waldungen.
Da sich hier einige Sägemühlen befinden und viele Holzhändler aufhalten, so büßt zuweilen der eine
oder der andere das Leben durch ihren Biß ein. Ein Arrowacken-Jndianer hatte sich bei einem
Herrn Moll als Jäger vermiethet und ging eines Morgens in den Wald, um Wildpret zu schießen.
Nach einer Weile wurde sein Hund laut und begann zu heulen, -- ein sicheres Zeichen, daß
eine Schlange in der Nähe. Der Jndianer, besorgt für das Leben seines guten Hundes, eilt, die
Flinte in der Hand, darauf zu; aber die Schlange thut schon, bevor er sie gesehen, einen Sprung
nach ihm, bringt ihm einen derben Biß in den entblößten Arm oberhalb des Ellbogens bei und
entsernt sich dann. Der Jndianer, welcher noch keinen Schmerz fühlte, verfolgte und erlegte die
Schlange, schnitt ihr den Bauch auf und rieb sich die Galle als Gegengift auf die Wunde, hob hierauf
seine Beute auf und eilte nach Hause; da er aber weit entfernt war, wandelte ihm auf halbem Wege
schon Ohnmacht und Kälte an, sodaß ihm alle Glieder erstarrten und er kraftlos zu Boden sank.
Der Hund lief, als er bemerkte, daß sein Herr für todt dalag, schnell nach Hause und machte einen
solchen Lärm, daß man vermuthete, es müsse dem Jäger Etwas zugestoßen sein. Moll nahm einen
seiner Leute mit und folgte dem jetzt vor Freude aufspringenden Wegweiser. Nach einer halben
Stunde fand man den Jndianer, gänzlich erstarrt, auf der Erde ausgestreckt, aber noch bei völliger
Besinnung. Nachdem man sein Unglück vernommen, brachte man ihn rasch nach Hause; alle ange-
wandten Mittel erwiesen sich jedoch als fruchtlos: das Gift war schon in das Blutsystem getreten,
und da seit der Zeit des Bisses schon einige Stunden verflossen waren, der Tod unvermeidlich.

"So gefährlich auch der Biß der Schlange ist, so kann man dennoch durch Anwendung der
weiter unten angeführten Mittel den Leidenden retten, wenn gedachte Mittel im Verlaufe der ersten
Stunde nach dem Bisse angewendet werden. Man läßt den Kranken sogleich ein oder zwei Flaschen
Milch mit etwa vier bis sechs Löffeln Baumöl vermischt nach und nach trinken und, wenn es zu haben
ist, rohes Zuckerrohr essen, auch als Ersatzmittel die bittere Pomeranze gebrauchen, schneidet die
Wunde tief aus und legt ein Zugpflaster von eingeweichten Tabaksblättern mit der in Westindien
sehr häufig wachsenden und allgemein bekannten Distelwurzel (wahrscheinlich Argemone mexicana),
angefeuchtet mit Benzoin und Kampfertinktur, auf, erneuert aller Viertelstunden diesen Umschlag,
und fügt, wenn die Wunde einen schwarzen Rand bekommt, Laudanum hinzu. Jnnerlich läßt man
den Kranken abführende und brechenerregende Arzeneimittel nehmen, hält aber die Wunde einige
Tage lang künstlich offen." Ob diese Mittel wirklichen Nutzen gewähren, bleibt zweifelhaft, zumal
der Behauptung Schomburgk's gegenüber. Letzterer theilt eine merkwürdige Geschichte mit,
welche, wie er sagt, auf eigener Erfahrung beruht. "Bei meinem ersten Aufenthalte in Bartika-
Grove fand ich dort einen Farbigen, dessen Sohn einige Wochen vor meiner Ankunft von dem heim-
tückischen Buschmeister in die linke Backe gebissen worden war. Besinnungslos wird der Sohn
vom Vater gefunden, und die Wunde von letzterem ausgesogen. Schon nach Verlauf einer Viertel-
stunde fühlt der Mann die unsäglichsten Schmerzen; der Kopf schwillt zu einer unförmlichen Größe
an und es treten alle Anzeichen der Vergiftung ein, welche, wie sich ergeben, durch einen hohlen Zahn
stattgefunden hatte, in welchen etwas von dem ausgesogenen Gifte eingedrungen sein mußte. Der
Knabe starb, und der Vater schleppte sich noch bei meiner jüngsten Anwesenheit siechen Leibes umher.

"Die Jndianer und Neger", schließt der Prinz noch, "essen zuweilen den Sururuku, nachdem
sie ihm schnell den Kopf abgehauen haben. Gewöhnlich gibt man ihm im Falle der Begegnung einen
Flintenschuß; denn als ein höchst gefürchtetes, verabschentes, vermöge seiner Größe und gefährlichen
Eigenschaften imponirendes Thier, schenkt man ihm nie das Leben. Jn den Schlagfallen fängt er sich
zuweilen und bleibt alsdann gewöhnlich lange am Leben."

Die Schlangen. Grubenottern. Parzen.
Menſchen geheilt, wenn man bald zur Kur ſchritt; es iſt jedoch ſchwer, die Wahrheit von der
Unwahrheit zu ſondern, da man ſich mit einer Menge von Sagen umherträgt.“

Jm Anſchluß an dieſe von ihm ſelbſt geſammelten Erfahrungen gibt der Prinz den Bericht
eines holländiſchen Pflanzers über den Buſchmeiſter wieder. „Zum Glück“, ſagt dieſer, „iſt dieſe
Schlange nicht ſehr häufig in der Nähe der Pflanzungen, ſondern lebt mehr in den hohen Waldungen.
Da ſich hier einige Sägemühlen befinden und viele Holzhändler aufhalten, ſo büßt zuweilen der eine
oder der andere das Leben durch ihren Biß ein. Ein Arrowacken-Jndianer hatte ſich bei einem
Herrn Moll als Jäger vermiethet und ging eines Morgens in den Wald, um Wildpret zu ſchießen.
Nach einer Weile wurde ſein Hund laut und begann zu heulen, — ein ſicheres Zeichen, daß
eine Schlange in der Nähe. Der Jndianer, beſorgt für das Leben ſeines guten Hundes, eilt, die
Flinte in der Hand, darauf zu; aber die Schlange thut ſchon, bevor er ſie geſehen, einen Sprung
nach ihm, bringt ihm einen derben Biß in den entblößten Arm oberhalb des Ellbogens bei und
entſernt ſich dann. Der Jndianer, welcher noch keinen Schmerz fühlte, verfolgte und erlegte die
Schlange, ſchnitt ihr den Bauch auf und rieb ſich die Galle als Gegengift auf die Wunde, hob hierauf
ſeine Beute auf und eilte nach Hauſe; da er aber weit entfernt war, wandelte ihm auf halbem Wege
ſchon Ohnmacht und Kälte an, ſodaß ihm alle Glieder erſtarrten und er kraftlos zu Boden ſank.
Der Hund lief, als er bemerkte, daß ſein Herr für todt dalag, ſchnell nach Hauſe und machte einen
ſolchen Lärm, daß man vermuthete, es müſſe dem Jäger Etwas zugeſtoßen ſein. Moll nahm einen
ſeiner Leute mit und folgte dem jetzt vor Freude aufſpringenden Wegweiſer. Nach einer halben
Stunde fand man den Jndianer, gänzlich erſtarrt, auf der Erde ausgeſtreckt, aber noch bei völliger
Beſinnung. Nachdem man ſein Unglück vernommen, brachte man ihn raſch nach Hauſe; alle ange-
wandten Mittel erwieſen ſich jedoch als fruchtlos: das Gift war ſchon in das Blutſyſtem getreten,
und da ſeit der Zeit des Biſſes ſchon einige Stunden verfloſſen waren, der Tod unvermeidlich.

„So gefährlich auch der Biß der Schlange iſt, ſo kann man dennoch durch Anwendung der
weiter unten angeführten Mittel den Leidenden retten, wenn gedachte Mittel im Verlaufe der erſten
Stunde nach dem Biſſe angewendet werden. Man läßt den Kranken ſogleich ein oder zwei Flaſchen
Milch mit etwa vier bis ſechs Löffeln Baumöl vermiſcht nach und nach trinken und, wenn es zu haben
iſt, rohes Zuckerrohr eſſen, auch als Erſatzmittel die bittere Pomeranze gebrauchen, ſchneidet die
Wunde tief aus und legt ein Zugpflaſter von eingeweichten Tabaksblättern mit der in Weſtindien
ſehr häufig wachſenden und allgemein bekannten Diſtelwurzel (wahrſcheinlich Argemone mexicana),
angefeuchtet mit Benzoin und Kampfertinktur, auf, erneuert aller Viertelſtunden dieſen Umſchlag,
und fügt, wenn die Wunde einen ſchwarzen Rand bekommt, Laudanum hinzu. Jnnerlich läßt man
den Kranken abführende und brechenerregende Arzeneimittel nehmen, hält aber die Wunde einige
Tage lang künſtlich offen.“ Ob dieſe Mittel wirklichen Nutzen gewähren, bleibt zweifelhaft, zumal
der Behauptung Schomburgk’s gegenüber. Letzterer theilt eine merkwürdige Geſchichte mit,
welche, wie er ſagt, auf eigener Erfahrung beruht. „Bei meinem erſten Aufenthalte in Bartika-
Grove fand ich dort einen Farbigen, deſſen Sohn einige Wochen vor meiner Ankunft von dem heim-
tückiſchen Buſchmeiſter in die linke Backe gebiſſen worden war. Beſinnungslos wird der Sohn
vom Vater gefunden, und die Wunde von letzterem ausgeſogen. Schon nach Verlauf einer Viertel-
ſtunde fühlt der Mann die unſäglichſten Schmerzen; der Kopf ſchwillt zu einer unförmlichen Größe
an und es treten alle Anzeichen der Vergiftung ein, welche, wie ſich ergeben, durch einen hohlen Zahn
ſtattgefunden hatte, in welchen etwas von dem ausgeſogenen Gifte eingedrungen ſein mußte. Der
Knabe ſtarb, und der Vater ſchleppte ſich noch bei meiner jüngſten Anweſenheit ſiechen Leibes umher.

„Die Jndianer und Neger“, ſchließt der Prinz noch, „eſſen zuweilen den Sururuku, nachdem
ſie ihm ſchnell den Kopf abgehauen haben. Gewöhnlich gibt man ihm im Falle der Begegnung einen
Flintenſchuß; denn als ein höchſt gefürchtetes, verabſchentes, vermöge ſeiner Größe und gefährlichen
Eigenſchaften imponirendes Thier, ſchenkt man ihm nie das Leben. Jn den Schlagfallen fängt er ſich
zuweilen und bleibt alsdann gewöhnlich lange am Leben.“

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[336/0362] Die Schlangen. Grubenottern. Parzen. Menſchen geheilt, wenn man bald zur Kur ſchritt; es iſt jedoch ſchwer, die Wahrheit von der Unwahrheit zu ſondern, da man ſich mit einer Menge von Sagen umherträgt.“ Jm Anſchluß an dieſe von ihm ſelbſt geſammelten Erfahrungen gibt der Prinz den Bericht eines holländiſchen Pflanzers über den Buſchmeiſter wieder. „Zum Glück“, ſagt dieſer, „iſt dieſe Schlange nicht ſehr häufig in der Nähe der Pflanzungen, ſondern lebt mehr in den hohen Waldungen. Da ſich hier einige Sägemühlen befinden und viele Holzhändler aufhalten, ſo büßt zuweilen der eine oder der andere das Leben durch ihren Biß ein. Ein Arrowacken-Jndianer hatte ſich bei einem Herrn Moll als Jäger vermiethet und ging eines Morgens in den Wald, um Wildpret zu ſchießen. Nach einer Weile wurde ſein Hund laut und begann zu heulen, — ein ſicheres Zeichen, daß eine Schlange in der Nähe. Der Jndianer, beſorgt für das Leben ſeines guten Hundes, eilt, die Flinte in der Hand, darauf zu; aber die Schlange thut ſchon, bevor er ſie geſehen, einen Sprung nach ihm, bringt ihm einen derben Biß in den entblößten Arm oberhalb des Ellbogens bei und entſernt ſich dann. Der Jndianer, welcher noch keinen Schmerz fühlte, verfolgte und erlegte die Schlange, ſchnitt ihr den Bauch auf und rieb ſich die Galle als Gegengift auf die Wunde, hob hierauf ſeine Beute auf und eilte nach Hauſe; da er aber weit entfernt war, wandelte ihm auf halbem Wege ſchon Ohnmacht und Kälte an, ſodaß ihm alle Glieder erſtarrten und er kraftlos zu Boden ſank. Der Hund lief, als er bemerkte, daß ſein Herr für todt dalag, ſchnell nach Hauſe und machte einen ſolchen Lärm, daß man vermuthete, es müſſe dem Jäger Etwas zugeſtoßen ſein. Moll nahm einen ſeiner Leute mit und folgte dem jetzt vor Freude aufſpringenden Wegweiſer. Nach einer halben Stunde fand man den Jndianer, gänzlich erſtarrt, auf der Erde ausgeſtreckt, aber noch bei völliger Beſinnung. Nachdem man ſein Unglück vernommen, brachte man ihn raſch nach Hauſe; alle ange- wandten Mittel erwieſen ſich jedoch als fruchtlos: das Gift war ſchon in das Blutſyſtem getreten, und da ſeit der Zeit des Biſſes ſchon einige Stunden verfloſſen waren, der Tod unvermeidlich. „So gefährlich auch der Biß der Schlange iſt, ſo kann man dennoch durch Anwendung der weiter unten angeführten Mittel den Leidenden retten, wenn gedachte Mittel im Verlaufe der erſten Stunde nach dem Biſſe angewendet werden. Man läßt den Kranken ſogleich ein oder zwei Flaſchen Milch mit etwa vier bis ſechs Löffeln Baumöl vermiſcht nach und nach trinken und, wenn es zu haben iſt, rohes Zuckerrohr eſſen, auch als Erſatzmittel die bittere Pomeranze gebrauchen, ſchneidet die Wunde tief aus und legt ein Zugpflaſter von eingeweichten Tabaksblättern mit der in Weſtindien ſehr häufig wachſenden und allgemein bekannten Diſtelwurzel (wahrſcheinlich Argemone mexicana), angefeuchtet mit Benzoin und Kampfertinktur, auf, erneuert aller Viertelſtunden dieſen Umſchlag, und fügt, wenn die Wunde einen ſchwarzen Rand bekommt, Laudanum hinzu. Jnnerlich läßt man den Kranken abführende und brechenerregende Arzeneimittel nehmen, hält aber die Wunde einige Tage lang künſtlich offen.“ Ob dieſe Mittel wirklichen Nutzen gewähren, bleibt zweifelhaft, zumal der Behauptung Schomburgk’s gegenüber. Letzterer theilt eine merkwürdige Geſchichte mit, welche, wie er ſagt, auf eigener Erfahrung beruht. „Bei meinem erſten Aufenthalte in Bartika- Grove fand ich dort einen Farbigen, deſſen Sohn einige Wochen vor meiner Ankunft von dem heim- tückiſchen Buſchmeiſter in die linke Backe gebiſſen worden war. Beſinnungslos wird der Sohn vom Vater gefunden, und die Wunde von letzterem ausgeſogen. Schon nach Verlauf einer Viertel- ſtunde fühlt der Mann die unſäglichſten Schmerzen; der Kopf ſchwillt zu einer unförmlichen Größe an und es treten alle Anzeichen der Vergiftung ein, welche, wie ſich ergeben, durch einen hohlen Zahn ſtattgefunden hatte, in welchen etwas von dem ausgeſogenen Gifte eingedrungen ſein mußte. Der Knabe ſtarb, und der Vater ſchleppte ſich noch bei meiner jüngſten Anweſenheit ſiechen Leibes umher. „Die Jndianer und Neger“, ſchließt der Prinz noch, „eſſen zuweilen den Sururuku, nachdem ſie ihm ſchnell den Kopf abgehauen haben. Gewöhnlich gibt man ihm im Falle der Begegnung einen Flintenſchuß; denn als ein höchſt gefürchtetes, verabſchentes, vermöge ſeiner Größe und gefährlichen Eigenſchaften imponirendes Thier, ſchenkt man ihm nie das Leben. Jn den Schlagfallen fängt er ſich zuweilen und bleibt alsdann gewöhnlich lange am Leben.“

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 336. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/362>, abgerufen am 21.12.2024.