Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

Bild:
<< vorherige Seite
Buschmeister.

"Sie ist eine große, nett gezeichnete, träge Schlange, welche, wie man sagt, die Dicke eines
Mannesschenkels erreicht, und liebt zu ihrem Aufenthalte kühle, schattenreiche Wälder, in denen man
sie gewöhnlich zusammengerollt auf dem Boden ruhend findet. Auf die Bäume steigt sie nicht.
Jhre Lebensart und Sitten scheinen denen der Klapperschlange sehr zu gleichen.... Man hat
behauptet, daß sie nachts auf die Feuer zukrieche; daher machen die Brasilianer, wenn sie im Walde
übernachten müssen, öfters kein Feuer an. Ferner sagt man, daß sie da Gift von sich speie, wenn
sie trinken wolle und dergleichen mehr. Einige Portugiesen glauben auch, daß sie mit dem Dorne
ihres Schwanzes verwunde; die Wilden und Neger aber, welche ich über diesen Gegenstand fragte,
zeigten mir immer den Sitz des Giftes und die Durchbohrung der furchtbaren Waffe.

[Abbildung] Der Buschmeister (Lachesis rhombeata).

"Ueber Nahrung und Fortpflanzung dieser schönen Schlange habe ich nicht Gelegenheit gehabt,
Beobachtungen anzustellen; doch dürfte sie in dieser Hinsicht wohl mit der Klapperschlange überein-
stimmen. Der Größe und Stärke ihres Körpers, sowie der Mächtigkeit ihrer Waffen zu Folge kann
sie schon ein ziemlich bedeutendes Thier bezwingen.

"Es scheint, daß die Zeit des Häutens mit der Mauserzeit der Vögel in Brasilien übereinstimmt;
denn ich habe in dem Urwalde zu Morro d'Arara im Monat März eine ganz frisch abgestreifte Haut
gefunden, in welcher noch alle knotigen Schuppenabdrücke sichtbar waren.

"Jhr Biß soll schnell tödten. Bei Rio de Janeiro starb ein Neger binnen sechs, ein anderer
binnen zwölf Stunden an den Folgen desselben, und man erzählt viele ähnliche Beispiele. Das
Blut soll den Gebissenen aus Mund, Nase und Ohren hervordringen. Oefters werden solche

Buſchmeiſter.

„Sie iſt eine große, nett gezeichnete, träge Schlange, welche, wie man ſagt, die Dicke eines
Mannesſchenkels erreicht, und liebt zu ihrem Aufenthalte kühle, ſchattenreiche Wälder, in denen man
ſie gewöhnlich zuſammengerollt auf dem Boden ruhend findet. Auf die Bäume ſteigt ſie nicht.
Jhre Lebensart und Sitten ſcheinen denen der Klapperſchlange ſehr zu gleichen.... Man hat
behauptet, daß ſie nachts auf die Feuer zukrieche; daher machen die Braſilianer, wenn ſie im Walde
übernachten müſſen, öfters kein Feuer an. Ferner ſagt man, daß ſie da Gift von ſich ſpeie, wenn
ſie trinken wolle und dergleichen mehr. Einige Portugieſen glauben auch, daß ſie mit dem Dorne
ihres Schwanzes verwunde; die Wilden und Neger aber, welche ich über dieſen Gegenſtand fragte,
zeigten mir immer den Sitz des Giftes und die Durchbohrung der furchtbaren Waffe.

[Abbildung] Der Buſchmeiſter (Lachesis rhombeata).

„Ueber Nahrung und Fortpflanzung dieſer ſchönen Schlange habe ich nicht Gelegenheit gehabt,
Beobachtungen anzuſtellen; doch dürfte ſie in dieſer Hinſicht wohl mit der Klapperſchlange überein-
ſtimmen. Der Größe und Stärke ihres Körpers, ſowie der Mächtigkeit ihrer Waffen zu Folge kann
ſie ſchon ein ziemlich bedeutendes Thier bezwingen.

„Es ſcheint, daß die Zeit des Häutens mit der Mauſerzeit der Vögel in Braſilien übereinſtimmt;
denn ich habe in dem Urwalde zu Morro d’Arara im Monat März eine ganz friſch abgeſtreifte Haut
gefunden, in welcher noch alle knotigen Schuppenabdrücke ſichtbar waren.

„Jhr Biß ſoll ſchnell tödten. Bei Rio de Janeiro ſtarb ein Neger binnen ſechs, ein anderer
binnen zwölf Stunden an den Folgen deſſelben, und man erzählt viele ähnliche Beiſpiele. Das
Blut ſoll den Gebiſſenen aus Mund, Naſe und Ohren hervordringen. Oefters werden ſolche

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0361" n="335"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#g">Bu&#x017F;chmei&#x017F;ter.</hi> </fw><lb/>
          <p>&#x201E;Sie i&#x017F;t eine große, nett gezeichnete, träge Schlange, welche, wie man &#x017F;agt, die Dicke eines<lb/>
Mannes&#x017F;chenkels erreicht, und liebt zu ihrem Aufenthalte kühle, &#x017F;chattenreiche Wälder, in denen man<lb/>
&#x017F;ie gewöhnlich zu&#x017F;ammengerollt auf dem Boden ruhend findet. Auf die Bäume &#x017F;teigt &#x017F;ie nicht.<lb/>
Jhre Lebensart und Sitten &#x017F;cheinen denen der Klapper&#x017F;chlange &#x017F;ehr zu gleichen.... Man hat<lb/>
behauptet, daß &#x017F;ie nachts auf die Feuer zukrieche; daher machen die Bra&#x017F;ilianer, wenn &#x017F;ie im Walde<lb/>
übernachten mü&#x017F;&#x017F;en, öfters kein Feuer an. Ferner &#x017F;agt man, daß &#x017F;ie da Gift von &#x017F;ich &#x017F;peie, wenn<lb/>
&#x017F;ie trinken wolle und dergleichen mehr. Einige Portugie&#x017F;en glauben auch, daß &#x017F;ie mit dem Dorne<lb/>
ihres Schwanzes verwunde; die Wilden und Neger aber, welche ich über die&#x017F;en Gegen&#x017F;tand fragte,<lb/>
zeigten mir immer den Sitz des Giftes und die Durchbohrung der furchtbaren Waffe.</p><lb/>
          <figure>
            <head> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Der Bu&#x017F;chmei&#x017F;ter</hi> (<hi rendition="#aq">Lachesis rhombeata</hi>).</hi> </head>
          </figure><lb/>
          <p>&#x201E;Ueber Nahrung und Fortpflanzung die&#x017F;er &#x017F;chönen Schlange habe ich nicht Gelegenheit gehabt,<lb/>
Beobachtungen anzu&#x017F;tellen; doch dürfte &#x017F;ie in die&#x017F;er Hin&#x017F;icht wohl mit der Klapper&#x017F;chlange überein-<lb/>
&#x017F;timmen. Der Größe und Stärke ihres Körpers, &#x017F;owie der Mächtigkeit ihrer Waffen zu Folge kann<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;chon ein ziemlich bedeutendes Thier bezwingen.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Es &#x017F;cheint, daß die Zeit des Häutens mit der Mau&#x017F;erzeit der Vögel in Bra&#x017F;ilien überein&#x017F;timmt;<lb/>
denn ich habe in dem Urwalde zu Morro d&#x2019;Arara im Monat März eine ganz fri&#x017F;ch abge&#x017F;treifte Haut<lb/>
gefunden, in welcher noch alle knotigen Schuppenabdrücke &#x017F;ichtbar waren.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Jhr Biß &#x017F;oll &#x017F;chnell tödten. Bei Rio de Janeiro &#x017F;tarb ein Neger binnen &#x017F;echs, ein anderer<lb/>
binnen zwölf Stunden an den Folgen de&#x017F;&#x017F;elben, und man erzählt viele ähnliche Bei&#x017F;piele. Das<lb/>
Blut &#x017F;oll den Gebi&#x017F;&#x017F;enen aus Mund, Na&#x017F;e und Ohren hervordringen. Oefters werden &#x017F;olche<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[335/0361] Buſchmeiſter. „Sie iſt eine große, nett gezeichnete, träge Schlange, welche, wie man ſagt, die Dicke eines Mannesſchenkels erreicht, und liebt zu ihrem Aufenthalte kühle, ſchattenreiche Wälder, in denen man ſie gewöhnlich zuſammengerollt auf dem Boden ruhend findet. Auf die Bäume ſteigt ſie nicht. Jhre Lebensart und Sitten ſcheinen denen der Klapperſchlange ſehr zu gleichen.... Man hat behauptet, daß ſie nachts auf die Feuer zukrieche; daher machen die Braſilianer, wenn ſie im Walde übernachten müſſen, öfters kein Feuer an. Ferner ſagt man, daß ſie da Gift von ſich ſpeie, wenn ſie trinken wolle und dergleichen mehr. Einige Portugieſen glauben auch, daß ſie mit dem Dorne ihres Schwanzes verwunde; die Wilden und Neger aber, welche ich über dieſen Gegenſtand fragte, zeigten mir immer den Sitz des Giftes und die Durchbohrung der furchtbaren Waffe. [Abbildung Der Buſchmeiſter (Lachesis rhombeata).] „Ueber Nahrung und Fortpflanzung dieſer ſchönen Schlange habe ich nicht Gelegenheit gehabt, Beobachtungen anzuſtellen; doch dürfte ſie in dieſer Hinſicht wohl mit der Klapperſchlange überein- ſtimmen. Der Größe und Stärke ihres Körpers, ſowie der Mächtigkeit ihrer Waffen zu Folge kann ſie ſchon ein ziemlich bedeutendes Thier bezwingen. „Es ſcheint, daß die Zeit des Häutens mit der Mauſerzeit der Vögel in Braſilien übereinſtimmt; denn ich habe in dem Urwalde zu Morro d’Arara im Monat März eine ganz friſch abgeſtreifte Haut gefunden, in welcher noch alle knotigen Schuppenabdrücke ſichtbar waren. „Jhr Biß ſoll ſchnell tödten. Bei Rio de Janeiro ſtarb ein Neger binnen ſechs, ein anderer binnen zwölf Stunden an den Folgen deſſelben, und man erzählt viele ähnliche Beiſpiele. Das Blut ſoll den Gebiſſenen aus Mund, Naſe und Ohren hervordringen. Oefters werden ſolche

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/361
Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 335. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/361>, abgerufen am 15.05.2024.