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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

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Aeskulapschlange.
Tüpfel, welche bei einzelnen, unklaren Stücken sehr rein und deutlich sind. Die Färbung ändert
übrigens vielfach ab: es gibt sehr lichte und fast schwarze Aeskulapschlangen. Als eigenthümlich
hebt Lenz noch hervor, daß die Bauchschilder auf beiden Seiten gleichsam umgeknickt sind, der flache
Bauch also jederseits einen Rand hat, welcher durch Anstemmen der Rippen scharfeckig gemacht werden
kann. Die Länge beträgt 5 bis 6 Fuß; letzteres Maß erreichen jedoch nur die in Südeuropa
lebenden Schlangen dieser Art.

Alle Beobachter, welche die Aeskulapschlange im Freien sahen oder in der Gefangenschaft hielten,
vereinigen sich zu ihrem Lobe. "Jhre Leibesgestalt und ihre Bewegungen", meint Linck, "haben etwas
ungemein Anmuthiges, Gelecktes, Hofmäßiges. Da ist nichts Rauhes, Ruppiges auf der ganzen
Hautfläche, nichts Eckiges, Plötzliches in dem Wechsel der Form zu schauen: Alles ist glatt, abge-
schlissen, vermittelt." Das Wesen der Schlange entspricht der äußeren Gestalt: sie ist anziehend in
jeder Hinsicht.

Bei Schlangenbad lebt die Aeskulapschlange gern an altem Gemäuer, vorzüglich an dem
verfallener Burgen, regelmäßig auf trockenen Stellen; in Südeuropa hält sie sich hauptsächlich in
gebirgigen Gegenden auf. Jn das Wasser geht sie nicht freiwillig, schwimmt aber wie ihre Ver-
wandten auch, wenn sie gewaltsam in dasselbe gebracht wurde, sehr rasch und geschickt dem Ufer zu.
Jhre Bewegungen auf ebenem Boden sind nicht besonders ausgezeichnet: -- die Schnelligkeit ihres
Laufes steht vielleicht hinter der anderer Nattern sogar zurück; um so vortrefflicher aber versteht sie
zu klettern. Jn dieser Hinsicht übertrifft sie alle übrigen deutschen Schlangen und kommt hierin
beinah den eigentlichen Baumschlangen gleich, welche den größten Theil ihres Lebens im Gezweige
verbringen. Wer sie beim Klettern beobachtet, kann deutlich sehen, wie sie ihre Rippen dabei zu
gebrauchen weiß. "Wenn ich mir eine drei Fuß lange", sagt Lenz, "welche ich mir zahm gemacht
hatte, stehend an meine Brust legte, nachdem ich den Rock zugeknöpft, wußte sie sich doch daran zu
halten, indem sie sich da, wo ein Knopf war, so fest anstemmte, daß ihr Leib eine scharfe Kante
bildete, welche sie so fest unter den Knopf schob, daß sie im Stande war, an einem einzelnen Knopfe
oder an zweien sich festzuhängen, obgleich sie bedeutend schwer war. Wollte sie höher klettern, so stemmte
sie ihren Leib dann unter die folgenden Knöpfe. Auf solche Weise können diese Thiere auch an
dicken, senkrechten Kieferstämmen hinaufkommen; sie schieben dann immer die Kante, welche sie bilden,
in die Spalten der Borke."

Gewöhnlich sucht sich die Aeskulapschlange übrigens an dünnen Baumstämmen, welche sie
umschlingen kann, emporzuwinden, bis sie die Aeste erreicht hat und nun zwischen und auf ihnen
weiter ziehen kann. Jn einem dichten Walde geht sie so von Baum zu Baum über und setzt in
dieser Weise ihren Weg auf große Strecken hin fort. An einer Wand klettert sie mit unbegreiflicher
Fertigkeit empor, da ihr jeder, auch der geringste Vorsprung zu einer genügenden Stütze wird, und
sie mit wirklicher Kunstfertigkeit jede Unebenheit des Gesteines zu benutzen weiß.

Die Nahrung scheint vorzugsweise in Mäusen zu bestehen; nebenbei stellt sie aber auch den
Eidechsen nach, und wenn es sich gerade trifft, verschmäht sie es keineswegs, einen Vogel wegzunehmen
oder ein Nest auszuplündern. Doch mögen ihre Freunde wohl Recht haben, wenn sie wegen ihrer
Mäusejagd sie zu den nützlichsten Arten der Ordnung rechnen.

"Unter allen deutschen Schlangen", sagt Linck, "erzielt die Schwalbachernatter die spärlichste
Nachkommenschaft. Jhre Begattung geht in der üblichen Weise, doch erst spät vor sich, da sie gegen
Frost noch weit empfindlicher ist als irgend eine ihrer heimischen Sippen, und ihre Winterherberge
selten vor Aufang Juni, also nach Umständen einen bis zwei Monate später als die anderen verläßt.
Sie ist neben ihrer Base, der Ringelnatter, die einzige deutsche Schlange, deren Eier erst eine Nach-
reise von mehreren Wochen zu überstehen haben, bevor das Junge zum Auskriechen fertig ist.
Gewöhnlich legt sie nur etwa fünf Eier und zwar in Mulm, auch wohl in tiefes, tröckenes Mos, und
überläßt sie sodann ihrem Schicksale. Die Eier sind länglich, doch weniger stark gebaucht als Tauben-
eier und gleichen etwa vergrößerten Ameisenpuppen."

Aeskulapſchlange.
Tüpfel, welche bei einzelnen, unklaren Stücken ſehr rein und deutlich ſind. Die Färbung ändert
übrigens vielfach ab: es gibt ſehr lichte und faſt ſchwarze Aeskulapſchlangen. Als eigenthümlich
hebt Lenz noch hervor, daß die Bauchſchilder auf beiden Seiten gleichſam umgeknickt ſind, der flache
Bauch alſo jederſeits einen Rand hat, welcher durch Anſtemmen der Rippen ſcharfeckig gemacht werden
kann. Die Länge beträgt 5 bis 6 Fuß; letzteres Maß erreichen jedoch nur die in Südeuropa
lebenden Schlangen dieſer Art.

Alle Beobachter, welche die Aeskulapſchlange im Freien ſahen oder in der Gefangenſchaft hielten,
vereinigen ſich zu ihrem Lobe. „Jhre Leibesgeſtalt und ihre Bewegungen“, meint Linck, „haben etwas
ungemein Anmuthiges, Gelecktes, Hofmäßiges. Da iſt nichts Rauhes, Ruppiges auf der ganzen
Hautfläche, nichts Eckiges, Plötzliches in dem Wechſel der Form zu ſchauen: Alles iſt glatt, abge-
ſchliſſen, vermittelt.“ Das Weſen der Schlange entſpricht der äußeren Geſtalt: ſie iſt anziehend in
jeder Hinſicht.

Bei Schlangenbad lebt die Aeskulapſchlange gern an altem Gemäuer, vorzüglich an dem
verfallener Burgen, regelmäßig auf trockenen Stellen; in Südeuropa hält ſie ſich hauptſächlich in
gebirgigen Gegenden auf. Jn das Waſſer geht ſie nicht freiwillig, ſchwimmt aber wie ihre Ver-
wandten auch, wenn ſie gewaltſam in daſſelbe gebracht wurde, ſehr raſch und geſchickt dem Ufer zu.
Jhre Bewegungen auf ebenem Boden ſind nicht beſonders ausgezeichnet: — die Schnelligkeit ihres
Laufes ſteht vielleicht hinter der anderer Nattern ſogar zurück; um ſo vortrefflicher aber verſteht ſie
zu klettern. Jn dieſer Hinſicht übertrifft ſie alle übrigen deutſchen Schlangen und kommt hierin
beinah den eigentlichen Baumſchlangen gleich, welche den größten Theil ihres Lebens im Gezweige
verbringen. Wer ſie beim Klettern beobachtet, kann deutlich ſehen, wie ſie ihre Rippen dabei zu
gebrauchen weiß. „Wenn ich mir eine drei Fuß lange“, ſagt Lenz, „welche ich mir zahm gemacht
hatte, ſtehend an meine Bruſt legte, nachdem ich den Rock zugeknöpft, wußte ſie ſich doch daran zu
halten, indem ſie ſich da, wo ein Knopf war, ſo feſt anſtemmte, daß ihr Leib eine ſcharfe Kante
bildete, welche ſie ſo feſt unter den Knopf ſchob, daß ſie im Stande war, an einem einzelnen Knopfe
oder an zweien ſich feſtzuhängen, obgleich ſie bedeutend ſchwer war. Wollte ſie höher klettern, ſo ſtemmte
ſie ihren Leib dann unter die folgenden Knöpfe. Auf ſolche Weiſe können dieſe Thiere auch an
dicken, ſenkrechten Kieferſtämmen hinaufkommen; ſie ſchieben dann immer die Kante, welche ſie bilden,
in die Spalten der Borke.“

Gewöhnlich ſucht ſich die Aeskulapſchlange übrigens an dünnen Baumſtämmen, welche ſie
umſchlingen kann, emporzuwinden, bis ſie die Aeſte erreicht hat und nun zwiſchen und auf ihnen
weiter ziehen kann. Jn einem dichten Walde geht ſie ſo von Baum zu Baum über und ſetzt in
dieſer Weiſe ihren Weg auf große Strecken hin fort. An einer Wand klettert ſie mit unbegreiflicher
Fertigkeit empor, da ihr jeder, auch der geringſte Vorſprung zu einer genügenden Stütze wird, und
ſie mit wirklicher Kunſtfertigkeit jede Unebenheit des Geſteines zu benutzen weiß.

Die Nahrung ſcheint vorzugsweiſe in Mäuſen zu beſtehen; nebenbei ſtellt ſie aber auch den
Eidechſen nach, und wenn es ſich gerade trifft, verſchmäht ſie es keineswegs, einen Vogel wegzunehmen
oder ein Neſt auszuplündern. Doch mögen ihre Freunde wohl Recht haben, wenn ſie wegen ihrer
Mäuſejagd ſie zu den nützlichſten Arten der Ordnung rechnen.

„Unter allen deutſchen Schlangen“, ſagt Linck, „erzielt die Schwalbachernatter die ſpärlichſte
Nachkommenſchaft. Jhre Begattung geht in der üblichen Weiſe, doch erſt ſpät vor ſich, da ſie gegen
Froſt noch weit empfindlicher iſt als irgend eine ihrer heimiſchen Sippen, und ihre Winterherberge
ſelten vor Aufang Juni, alſo nach Umſtänden einen bis zwei Monate ſpäter als die anderen verläßt.
Sie iſt neben ihrer Baſe, der Ringelnatter, die einzige deutſche Schlange, deren Eier erſt eine Nach-
reiſe von mehreren Wochen zu überſtehen haben, bevor das Junge zum Auskriechen fertig iſt.
Gewöhnlich legt ſie nur etwa fünf Eier und zwar in Mulm, auch wohl in tiefes, tröckenes Mos, und
überläßt ſie ſodann ihrem Schickſale. Die Eier ſind länglich, doch weniger ſtark gebaucht als Tauben-
eier und gleichen etwa vergrößerten Ameiſenpuppen.“

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[231/0253] Aeskulapſchlange. Tüpfel, welche bei einzelnen, unklaren Stücken ſehr rein und deutlich ſind. Die Färbung ändert übrigens vielfach ab: es gibt ſehr lichte und faſt ſchwarze Aeskulapſchlangen. Als eigenthümlich hebt Lenz noch hervor, daß die Bauchſchilder auf beiden Seiten gleichſam umgeknickt ſind, der flache Bauch alſo jederſeits einen Rand hat, welcher durch Anſtemmen der Rippen ſcharfeckig gemacht werden kann. Die Länge beträgt 5 bis 6 Fuß; letzteres Maß erreichen jedoch nur die in Südeuropa lebenden Schlangen dieſer Art. Alle Beobachter, welche die Aeskulapſchlange im Freien ſahen oder in der Gefangenſchaft hielten, vereinigen ſich zu ihrem Lobe. „Jhre Leibesgeſtalt und ihre Bewegungen“, meint Linck, „haben etwas ungemein Anmuthiges, Gelecktes, Hofmäßiges. Da iſt nichts Rauhes, Ruppiges auf der ganzen Hautfläche, nichts Eckiges, Plötzliches in dem Wechſel der Form zu ſchauen: Alles iſt glatt, abge- ſchliſſen, vermittelt.“ Das Weſen der Schlange entſpricht der äußeren Geſtalt: ſie iſt anziehend in jeder Hinſicht. Bei Schlangenbad lebt die Aeskulapſchlange gern an altem Gemäuer, vorzüglich an dem verfallener Burgen, regelmäßig auf trockenen Stellen; in Südeuropa hält ſie ſich hauptſächlich in gebirgigen Gegenden auf. Jn das Waſſer geht ſie nicht freiwillig, ſchwimmt aber wie ihre Ver- wandten auch, wenn ſie gewaltſam in daſſelbe gebracht wurde, ſehr raſch und geſchickt dem Ufer zu. Jhre Bewegungen auf ebenem Boden ſind nicht beſonders ausgezeichnet: — die Schnelligkeit ihres Laufes ſteht vielleicht hinter der anderer Nattern ſogar zurück; um ſo vortrefflicher aber verſteht ſie zu klettern. Jn dieſer Hinſicht übertrifft ſie alle übrigen deutſchen Schlangen und kommt hierin beinah den eigentlichen Baumſchlangen gleich, welche den größten Theil ihres Lebens im Gezweige verbringen. Wer ſie beim Klettern beobachtet, kann deutlich ſehen, wie ſie ihre Rippen dabei zu gebrauchen weiß. „Wenn ich mir eine drei Fuß lange“, ſagt Lenz, „welche ich mir zahm gemacht hatte, ſtehend an meine Bruſt legte, nachdem ich den Rock zugeknöpft, wußte ſie ſich doch daran zu halten, indem ſie ſich da, wo ein Knopf war, ſo feſt anſtemmte, daß ihr Leib eine ſcharfe Kante bildete, welche ſie ſo feſt unter den Knopf ſchob, daß ſie im Stande war, an einem einzelnen Knopfe oder an zweien ſich feſtzuhängen, obgleich ſie bedeutend ſchwer war. Wollte ſie höher klettern, ſo ſtemmte ſie ihren Leib dann unter die folgenden Knöpfe. Auf ſolche Weiſe können dieſe Thiere auch an dicken, ſenkrechten Kieferſtämmen hinaufkommen; ſie ſchieben dann immer die Kante, welche ſie bilden, in die Spalten der Borke.“ Gewöhnlich ſucht ſich die Aeskulapſchlange übrigens an dünnen Baumſtämmen, welche ſie umſchlingen kann, emporzuwinden, bis ſie die Aeſte erreicht hat und nun zwiſchen und auf ihnen weiter ziehen kann. Jn einem dichten Walde geht ſie ſo von Baum zu Baum über und ſetzt in dieſer Weiſe ihren Weg auf große Strecken hin fort. An einer Wand klettert ſie mit unbegreiflicher Fertigkeit empor, da ihr jeder, auch der geringſte Vorſprung zu einer genügenden Stütze wird, und ſie mit wirklicher Kunſtfertigkeit jede Unebenheit des Geſteines zu benutzen weiß. Die Nahrung ſcheint vorzugsweiſe in Mäuſen zu beſtehen; nebenbei ſtellt ſie aber auch den Eidechſen nach, und wenn es ſich gerade trifft, verſchmäht ſie es keineswegs, einen Vogel wegzunehmen oder ein Neſt auszuplündern. Doch mögen ihre Freunde wohl Recht haben, wenn ſie wegen ihrer Mäuſejagd ſie zu den nützlichſten Arten der Ordnung rechnen. „Unter allen deutſchen Schlangen“, ſagt Linck, „erzielt die Schwalbachernatter die ſpärlichſte Nachkommenſchaft. Jhre Begattung geht in der üblichen Weiſe, doch erſt ſpät vor ſich, da ſie gegen Froſt noch weit empfindlicher iſt als irgend eine ihrer heimiſchen Sippen, und ihre Winterherberge ſelten vor Aufang Juni, alſo nach Umſtänden einen bis zwei Monate ſpäter als die anderen verläßt. Sie iſt neben ihrer Baſe, der Ringelnatter, die einzige deutſche Schlange, deren Eier erſt eine Nach- reiſe von mehreren Wochen zu überſtehen haben, bevor das Junge zum Auskriechen fertig iſt. Gewöhnlich legt ſie nur etwa fünf Eier und zwar in Mulm, auch wohl in tiefes, tröckenes Mos, und überläßt ſie ſodann ihrem Schickſale. Die Eier ſind länglich, doch weniger ſtark gebaucht als Tauben- eier und gleichen etwa vergrößerten Ameiſenpuppen.“

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 231. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/253>, abgerufen am 21.12.2024.