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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

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Die Schlangen. Nattern. Kletternattern.

Asklepios, der Gott der Heilkunde, trägt bekanntlich zum Zeichen seiner Wirksamkeit einen
Stab in der Hand, um den sich eine Schlange windet. Welche Art der Ordnung die alten Griechen
und Römer gemeint, läßt sich gegenwärtig nicht entscheiden; ziemlich allgemein aber nimmt man an,
daß besagte Schlange ein Vertreter dieser Abtheilung gewesen und erst durch die Römer weiter
verbreitet worden sei. Als unter den Konsuln Fabius und Brutus eine Pest in Rom wüthete,
soll sie von Epidaurus aus herbeigeholt und auf einer Jnsel der Tiber verehrt worden sein, um der
Seuche zu steuern, auch soll man ihr Bild heutigentages in den Gärten eines dem "heiligen" Bartholo-
mäus geweihten Kloster sehen können. Von Rom aus, so nimmt man an, wurde die Schlange
allgemach weiter verbreitet, insbesondere in den Bädern von Ems und Schlangenbad angesiedelt.
Gewiß ist das Eine, daß die Natter, welche wir gegenwärtig Aeskulapschlange nennen (Elaphis

[Abbildung] Die Aeskulapschlange (Elaphis Aesculapii). 1/2 der nat. Größe.
flavescens oder Elaphis Aesculapii), noch heutigentages ziemlich häufig in der Nähe von Schlangenbad,
sonst aber nur noch an wenigen Stellen Deutschlands, beispielsweise in der Nähe Badens bei Wien
(also wiederum eines den Römern bekannten Bades) gefunden wird, da sie eigentlich dem Süden
Europas angehört.

Die Aeskulapschlange, gelbliche oder schwalbacher Natter, vertritt die Sippe der Kletter-
nattern
, als deren Merkmale gelten: der ziemlich kleine, wenig vom Halse abgesetzte, an der Schnauze
stumpf gerundete Kopf, der kräftige Rumpf, lange Hals und schlanke, lange Schwanz, sowie die
Bekleidung, welche auf dem Rücken und an den Seiten gekielte Schuppen zeigt. Die Oberseite des
Leibes und Kopfes ist gewöhnlich bräunlichgraugelb, die Unterseite weißlich; am Hinterkopfe steht
jederseits ein gelber Flecken, und auf dem Rücken und an den Seiten gewahrt man kleine, weißliche

Die Schlangen. Nattern. Kletternattern.

Asklepios, der Gott der Heilkunde, trägt bekanntlich zum Zeichen ſeiner Wirkſamkeit einen
Stab in der Hand, um den ſich eine Schlange windet. Welche Art der Ordnung die alten Griechen
und Römer gemeint, läßt ſich gegenwärtig nicht entſcheiden; ziemlich allgemein aber nimmt man an,
daß beſagte Schlange ein Vertreter dieſer Abtheilung geweſen und erſt durch die Römer weiter
verbreitet worden ſei. Als unter den Konſuln Fabius und Brutus eine Peſt in Rom wüthete,
ſoll ſie von Epidaurus aus herbeigeholt und auf einer Jnſel der Tiber verehrt worden ſein, um der
Seuche zu ſteuern, auch ſoll man ihr Bild heutigentages in den Gärten eines dem „heiligen“ Bartholo-
mäus geweihten Kloſter ſehen können. Von Rom aus, ſo nimmt man an, wurde die Schlange
allgemach weiter verbreitet, insbeſondere in den Bädern von Ems und Schlangenbad angeſiedelt.
Gewiß iſt das Eine, daß die Natter, welche wir gegenwärtig Aeskulapſchlange nennen (Elaphis

[Abbildung] Die Aeskulapſchlange (Elaphis Aesculapii). ½ der nat. Größe.
flavescens oder Elaphis Aesculapii), noch heutigentages ziemlich häufig in der Nähe von Schlangenbad,
ſonſt aber nur noch an wenigen Stellen Deutſchlands, beiſpielsweiſe in der Nähe Badens bei Wien
(alſo wiederum eines den Römern bekannten Bades) gefunden wird, da ſie eigentlich dem Süden
Europas angehört.

Die Aeskulapſchlange, gelbliche oder ſchwalbacher Natter, vertritt die Sippe der Kletter-
nattern
, als deren Merkmale gelten: der ziemlich kleine, wenig vom Halſe abgeſetzte, an der Schnauze
ſtumpf gerundete Kopf, der kräftige Rumpf, lange Hals und ſchlanke, lange Schwanz, ſowie die
Bekleidung, welche auf dem Rücken und an den Seiten gekielte Schuppen zeigt. Die Oberſeite des
Leibes und Kopfes iſt gewöhnlich bräunlichgraugelb, die Unterſeite weißlich; am Hinterkopfe ſteht
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[230/0252] Die Schlangen. Nattern. Kletternattern. Asklepios, der Gott der Heilkunde, trägt bekanntlich zum Zeichen ſeiner Wirkſamkeit einen Stab in der Hand, um den ſich eine Schlange windet. Welche Art der Ordnung die alten Griechen und Römer gemeint, läßt ſich gegenwärtig nicht entſcheiden; ziemlich allgemein aber nimmt man an, daß beſagte Schlange ein Vertreter dieſer Abtheilung geweſen und erſt durch die Römer weiter verbreitet worden ſei. Als unter den Konſuln Fabius und Brutus eine Peſt in Rom wüthete, ſoll ſie von Epidaurus aus herbeigeholt und auf einer Jnſel der Tiber verehrt worden ſein, um der Seuche zu ſteuern, auch ſoll man ihr Bild heutigentages in den Gärten eines dem „heiligen“ Bartholo- mäus geweihten Kloſter ſehen können. Von Rom aus, ſo nimmt man an, wurde die Schlange allgemach weiter verbreitet, insbeſondere in den Bädern von Ems und Schlangenbad angeſiedelt. Gewiß iſt das Eine, daß die Natter, welche wir gegenwärtig Aeskulapſchlange nennen (Elaphis [Abbildung Die Aeskulapſchlange (Elaphis Aesculapii). ½ der nat. Größe.] flavescens oder Elaphis Aesculapii), noch heutigentages ziemlich häufig in der Nähe von Schlangenbad, ſonſt aber nur noch an wenigen Stellen Deutſchlands, beiſpielsweiſe in der Nähe Badens bei Wien (alſo wiederum eines den Römern bekannten Bades) gefunden wird, da ſie eigentlich dem Süden Europas angehört. Die Aeskulapſchlange, gelbliche oder ſchwalbacher Natter, vertritt die Sippe der Kletter- nattern, als deren Merkmale gelten: der ziemlich kleine, wenig vom Halſe abgeſetzte, an der Schnauze ſtumpf gerundete Kopf, der kräftige Rumpf, lange Hals und ſchlanke, lange Schwanz, ſowie die Bekleidung, welche auf dem Rücken und an den Seiten gekielte Schuppen zeigt. Die Oberſeite des Leibes und Kopfes iſt gewöhnlich bräunlichgraugelb, die Unterſeite weißlich; am Hinterkopfe ſteht jederſeits ein gelber Flecken, und auf dem Rücken und an den Seiten gewahrt man kleine, weißliche

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/252>, abgerufen am 19.05.2024.