Wenn das Rohr doch sechs Zoll länger wäre! Als unser Chamäleon am Ende anlangt, bemerkt es nach minutenlangem Besinnen, daß jene sechs Zoll fehlen. Da sitzt die Fliege scheinbar in größter Gemüthsruhe, aber außer Schußweite; regungslos haften beide Augen auf ihr, lange, lange Zeit: die Fliege bleibt auf derselben Stelle und das Chamäleon auch. Möglich, daß sie im Verlaufe der Zeit sich um einige Zoll nähert, möglich, daß eine zweite herbeikommt. Jm entgegengesetzten Falle wird unser Chamäleon solange in der mühsam gewonnenen Lage verharren, bis die glücklich entdeckte Beute davon geflogen und eine neue anderswo aufgefunden worden ist.
Man hat wiederholt behauptet, daß das Chamäleon, auch wenn es wolle, im Verlaufe eines Tages nur wenige Schritte zurücklegen könne. Dies aber ist, wie aus meinen Beobachtungen hervor- geht, keineswegs der Fall. Wenn es will, kann es schon binnen einer Stunde eine verhältnißmäßig bedeutende Strecke durchmessen. Einige Forscher haben die Meinung ausgesprochen, daß es nicht schwimmen könne, weil nicht blos beide Augen, sondern beide Hirnhälften und in Folge dessen auch beide Leibeshälften von einander unabhängig seien. Jch glaube, daß es nicht oft in die Lage kommt, Flüsse zu übersetzen, bezweifle aber, daß es, zufällig in das Wasser gerathen, in demselben wirklich zu Grunde gehen sollte: es brauchte sich dann nur, wie es oft thut, einfach aufzublasen, um vor dem Untersinken gesichert zu sein.
Von dem Farbenwechsel der Haut macht man sich gewöhnlich eine falsche Vorstellung. Man glaubt, daß das Thier plötzlich die verschiedensten Schattirungen und Abstufungen aller nur denkbaren Farben auf seiner Haut zeige, daß es sein Aussehen den Gegenständen anpasse, auf welchen es sich gerade befinde, und dementsprechend im Stande wäre, jede beliebige Färbung anzunehmen, daß es überhaupt willkürlich sich verändern könne. Alles Dies ist mehr oder minder unrichtig. Allerdings sieht das Thier in der Regel graugrünlich aus, dem Astwerke ähnlich; es vermag seine Färbung jedoch keineswegs derjenigen eines jeden beliebigen Gegenstandes, auf welchen man es setzen könnte, anzupassen. Jn dieser Färbung kommen vor die Uebergänge von Orange durch Gelbgrün bis Blau- grün und die Schattirungen und Uebergänge jeder dieser Farben durch Grau oder Graubraun in Schwarz, Weiß, Fleischfarben, Rostbraun, Lila und Blaugrau, außerdem noch Schillerfarben, welche durch die über der Oberhaut liegenden dünnen, platten, sechseckigen Zellen hervorgebracht werden. Alle Farbenveränderungen nun geschehen mit einer gewissen Regelmäßigkeit, entweder in Folge äußerer Einflüsse oder aber in Folge von Gemüthsbewegungen oder Aeußerungen des Gemein- gefühls (Hunger, Durst, Bedürfniß nach Ruhe, Sättigung, Wollust etc.). Nicht alle Theile des Leibes sind dem Wechsel unterworfen: ein vom Kinne zum After verlaufender Streifen und die Jnnenseite der Hände und Füße verändern sich niemals; die Jnnenseite der Arme und Schenkel unterliegen auch nur geringen Veränderungen. Van der Hoeven hat sehr genaue Beobachtungen über den Wechsel angestellt und die Chamäleons in verschiedenen Farben malen lassen. Auf den Seiten bemerkt man zwei breite, helle Längsstreifen und dazwischen vom Kopfe bis zum Schwanze und vom Rücken bis zum Bauche verlaufende dunkle, runde Tüpfel, welche mehr als die anderen Stellen dem Wechsel unterworfen sind. Morgens, wenn sich das Thier ruhig hält, ist die Haut gewöhnlich gelblich, und die zwei Streifen sehen röthlich aus; auch bemerkt man die Tupfen wenig oder nicht. Später am Tage hat sich die Haut noch wenig verändert, die Streifen aber sind weißlich und die Tupfen dunkelgrün geworden; außerdem treten längs des Rückgrates dunklere Schatten hervor. Nimmt man das Thier am Morgen in die Hände, so erscheinen die grünen Flecken ebenfalls. Jm Zustande der Reizung wird die Haut grünlich, der Bauch bläulich, die Streifung weißlich, die Tüpfelung schwarz. Manchmal sieht das Thier röthlichbraun aus; die Streifen sind heller, die Tupfen und Schatten fast gänzlich verschwunden. Hiermit ist der Wechsel jedoch noch keineswegs erschöpft. Jch beobachtete, daß zwei Chamäleons während der Begattung eine milchweiße Färbung annahmen und ebenso, daß sie, wenn man sie ärgerte, fast ganz schwarz wurden. Andere Beobachter sahen solche, welche blaßroth und purpurfarben und lila getüpfelt waren. Jm allgemeinen sind Färbung und Zeichnung um so lebhafter, je gesünder und erregter das Thier. Aber auch diese Regel
Chamäleon.
Wenn das Rohr doch ſechs Zoll länger wäre! Als unſer Chamäleon am Ende anlangt, bemerkt es nach minutenlangem Beſinnen, daß jene ſechs Zoll fehlen. Da ſitzt die Fliege ſcheinbar in größter Gemüthsruhe, aber außer Schußweite; regungslos haften beide Augen auf ihr, lange, lange Zeit: die Fliege bleibt auf derſelben Stelle und das Chamäleon auch. Möglich, daß ſie im Verlaufe der Zeit ſich um einige Zoll nähert, möglich, daß eine zweite herbeikommt. Jm entgegengeſetzten Falle wird unſer Chamäleon ſolange in der mühſam gewonnenen Lage verharren, bis die glücklich entdeckte Beute davon geflogen und eine neue anderswo aufgefunden worden iſt.
Man hat wiederholt behauptet, daß das Chamäleon, auch wenn es wolle, im Verlaufe eines Tages nur wenige Schritte zurücklegen könne. Dies aber iſt, wie aus meinen Beobachtungen hervor- geht, keineswegs der Fall. Wenn es will, kann es ſchon binnen einer Stunde eine verhältnißmäßig bedeutende Strecke durchmeſſen. Einige Forſcher haben die Meinung ausgeſprochen, daß es nicht ſchwimmen könne, weil nicht blos beide Augen, ſondern beide Hirnhälften und in Folge deſſen auch beide Leibeshälften von einander unabhängig ſeien. Jch glaube, daß es nicht oft in die Lage kommt, Flüſſe zu überſetzen, bezweifle aber, daß es, zufällig in das Waſſer gerathen, in demſelben wirklich zu Grunde gehen ſollte: es brauchte ſich dann nur, wie es oft thut, einfach aufzublaſen, um vor dem Unterſinken geſichert zu ſein.
Von dem Farbenwechſel der Haut macht man ſich gewöhnlich eine falſche Vorſtellung. Man glaubt, daß das Thier plötzlich die verſchiedenſten Schattirungen und Abſtufungen aller nur denkbaren Farben auf ſeiner Haut zeige, daß es ſein Ausſehen den Gegenſtänden anpaſſe, auf welchen es ſich gerade befinde, und dementſprechend im Stande wäre, jede beliebige Färbung anzunehmen, daß es überhaupt willkürlich ſich verändern könne. Alles Dies iſt mehr oder minder unrichtig. Allerdings ſieht das Thier in der Regel graugrünlich aus, dem Aſtwerke ähnlich; es vermag ſeine Färbung jedoch keineswegs derjenigen eines jeden beliebigen Gegenſtandes, auf welchen man es ſetzen könnte, anzupaſſen. Jn dieſer Färbung kommen vor die Uebergänge von Orange durch Gelbgrün bis Blau- grün und die Schattirungen und Uebergänge jeder dieſer Farben durch Grau oder Graubraun in Schwarz, Weiß, Fleiſchfarben, Roſtbraun, Lila und Blaugrau, außerdem noch Schillerfarben, welche durch die über der Oberhaut liegenden dünnen, platten, ſechseckigen Zellen hervorgebracht werden. Alle Farbenveränderungen nun geſchehen mit einer gewiſſen Regelmäßigkeit, entweder in Folge äußerer Einflüſſe oder aber in Folge von Gemüthsbewegungen oder Aeußerungen des Gemein- gefühls (Hunger, Durſt, Bedürfniß nach Ruhe, Sättigung, Wolluſt ꝛc.). Nicht alle Theile des Leibes ſind dem Wechſel unterworfen: ein vom Kinne zum After verlaufender Streifen und die Jnnenſeite der Hände und Füße verändern ſich niemals; die Jnnenſeite der Arme und Schenkel unterliegen auch nur geringen Veränderungen. Van der Hoeven hat ſehr genaue Beobachtungen über den Wechſel angeſtellt und die Chamäleons in verſchiedenen Farben malen laſſen. Auf den Seiten bemerkt man zwei breite, helle Längsſtreifen und dazwiſchen vom Kopfe bis zum Schwanze und vom Rücken bis zum Bauche verlaufende dunkle, runde Tüpfel, welche mehr als die anderen Stellen dem Wechſel unterworfen ſind. Morgens, wenn ſich das Thier ruhig hält, iſt die Haut gewöhnlich gelblich, und die zwei Streifen ſehen röthlich aus; auch bemerkt man die Tupfen wenig oder nicht. Später am Tage hat ſich die Haut noch wenig verändert, die Streifen aber ſind weißlich und die Tupfen dunkelgrün geworden; außerdem treten längs des Rückgrates dunklere Schatten hervor. Nimmt man das Thier am Morgen in die Hände, ſo erſcheinen die grünen Flecken ebenfalls. Jm Zuſtande der Reizung wird die Haut grünlich, der Bauch bläulich, die Streifung weißlich, die Tüpfelung ſchwarz. Manchmal ſieht das Thier röthlichbraun aus; die Streifen ſind heller, die Tupfen und Schatten faſt gänzlich verſchwunden. Hiermit iſt der Wechſel jedoch noch keineswegs erſchöpft. Jch beobachtete, daß zwei Chamäleons während der Begattung eine milchweiße Färbung annahmen und ebenſo, daß ſie, wenn man ſie ärgerte, faſt ganz ſchwarz wurden. Andere Beobachter ſahen ſolche, welche blaßroth und purpurfarben und lila getüpfelt waren. Jm allgemeinen ſind Färbung und Zeichnung um ſo lebhafter, je geſünder und erregter das Thier. Aber auch dieſe Regel
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[121/0137]
Chamäleon.
Wenn das Rohr doch ſechs Zoll länger wäre! Als unſer Chamäleon am Ende anlangt, bemerkt es
nach minutenlangem Beſinnen, daß jene ſechs Zoll fehlen. Da ſitzt die Fliege ſcheinbar in größter
Gemüthsruhe, aber außer Schußweite; regungslos haften beide Augen auf ihr, lange, lange Zeit:
die Fliege bleibt auf derſelben Stelle und das Chamäleon auch. Möglich, daß ſie im Verlaufe der
Zeit ſich um einige Zoll nähert, möglich, daß eine zweite herbeikommt. Jm entgegengeſetzten Falle
wird unſer Chamäleon ſolange in der mühſam gewonnenen Lage verharren, bis die glücklich entdeckte
Beute davon geflogen und eine neue anderswo aufgefunden worden iſt.
Man hat wiederholt behauptet, daß das Chamäleon, auch wenn es wolle, im Verlaufe eines
Tages nur wenige Schritte zurücklegen könne. Dies aber iſt, wie aus meinen Beobachtungen hervor-
geht, keineswegs der Fall. Wenn es will, kann es ſchon binnen einer Stunde eine verhältnißmäßig
bedeutende Strecke durchmeſſen. Einige Forſcher haben die Meinung ausgeſprochen, daß es nicht
ſchwimmen könne, weil nicht blos beide Augen, ſondern beide Hirnhälften und in Folge deſſen auch
beide Leibeshälften von einander unabhängig ſeien. Jch glaube, daß es nicht oft in die Lage kommt,
Flüſſe zu überſetzen, bezweifle aber, daß es, zufällig in das Waſſer gerathen, in demſelben wirklich zu
Grunde gehen ſollte: es brauchte ſich dann nur, wie es oft thut, einfach aufzublaſen, um vor dem
Unterſinken geſichert zu ſein.
Von dem Farbenwechſel der Haut macht man ſich gewöhnlich eine falſche Vorſtellung. Man
glaubt, daß das Thier plötzlich die verſchiedenſten Schattirungen und Abſtufungen aller nur denkbaren
Farben auf ſeiner Haut zeige, daß es ſein Ausſehen den Gegenſtänden anpaſſe, auf welchen es ſich
gerade befinde, und dementſprechend im Stande wäre, jede beliebige Färbung anzunehmen, daß es
überhaupt willkürlich ſich verändern könne. Alles Dies iſt mehr oder minder unrichtig. Allerdings
ſieht das Thier in der Regel graugrünlich aus, dem Aſtwerke ähnlich; es vermag ſeine Färbung
jedoch keineswegs derjenigen eines jeden beliebigen Gegenſtandes, auf welchen man es ſetzen könnte,
anzupaſſen. Jn dieſer Färbung kommen vor die Uebergänge von Orange durch Gelbgrün bis Blau-
grün und die Schattirungen und Uebergänge jeder dieſer Farben durch Grau oder Graubraun in
Schwarz, Weiß, Fleiſchfarben, Roſtbraun, Lila und Blaugrau, außerdem noch Schillerfarben,
welche durch die über der Oberhaut liegenden dünnen, platten, ſechseckigen Zellen hervorgebracht
werden. Alle Farbenveränderungen nun geſchehen mit einer gewiſſen Regelmäßigkeit, entweder in
Folge äußerer Einflüſſe oder aber in Folge von Gemüthsbewegungen oder Aeußerungen des Gemein-
gefühls (Hunger, Durſt, Bedürfniß nach Ruhe, Sättigung, Wolluſt ꝛc.). Nicht alle Theile des
Leibes ſind dem Wechſel unterworfen: ein vom Kinne zum After verlaufender Streifen und die
Jnnenſeite der Hände und Füße verändern ſich niemals; die Jnnenſeite der Arme und Schenkel
unterliegen auch nur geringen Veränderungen. Van der Hoeven hat ſehr genaue Beobachtungen
über den Wechſel angeſtellt und die Chamäleons in verſchiedenen Farben malen laſſen. Auf den
Seiten bemerkt man zwei breite, helle Längsſtreifen und dazwiſchen vom Kopfe bis zum Schwanze
und vom Rücken bis zum Bauche verlaufende dunkle, runde Tüpfel, welche mehr als die anderen
Stellen dem Wechſel unterworfen ſind. Morgens, wenn ſich das Thier ruhig hält, iſt die Haut
gewöhnlich gelblich, und die zwei Streifen ſehen röthlich aus; auch bemerkt man die Tupfen wenig
oder nicht. Später am Tage hat ſich die Haut noch wenig verändert, die Streifen aber ſind weißlich
und die Tupfen dunkelgrün geworden; außerdem treten längs des Rückgrates dunklere Schatten
hervor. Nimmt man das Thier am Morgen in die Hände, ſo erſcheinen die grünen Flecken ebenfalls.
Jm Zuſtande der Reizung wird die Haut grünlich, der Bauch bläulich, die Streifung weißlich, die
Tüpfelung ſchwarz. Manchmal ſieht das Thier röthlichbraun aus; die Streifen ſind heller, die
Tupfen und Schatten faſt gänzlich verſchwunden. Hiermit iſt der Wechſel jedoch noch keineswegs
erſchöpft. Jch beobachtete, daß zwei Chamäleons während der Begattung eine milchweiße Färbung
annahmen und ebenſo, daß ſie, wenn man ſie ärgerte, faſt ganz ſchwarz wurden. Andere Beobachter
ſahen ſolche, welche blaßroth und purpurfarben und lila getüpfelt waren. Jm allgemeinen ſind
Färbung und Zeichnung um ſo lebhafter, je geſünder und erregter das Thier. Aber auch dieſe Regel
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/137>, abgerufen am 21.12.2024.
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