laden verursacht ein schauerliches Getöse; Ströme von Blut quellen aus dem Rachen der Raubthiere; die Nasenlöcher derselben dampfen wie Kamine, und der Kampf währt die ganze Nacht. Ein wahres Glück nur, daß der biedere Reisende entrinnen und seinen Bericht erstatten kann!
Mit aller Absicht habe ich Vorstehendes hier mitgetheilt; denn nicht die Lügen Bartram's wollte ich verspotten, sondern die Gläubigkeit der Leser und bezüglich der Verfasser von Natur- geschichten, welche besagte Lügen, ohne kräftigen Einspruch zu thun, weiter verbreiten helfen. Noch heutigentages krankt unsere naturwissenschaftliche Schriftstellerei an einer Urtheilslosigkeit der betreffen- den Schriftsteller, welcher man gar nicht scharf genug entgegentreten kann, weil sie der Verall- gemeinung der Wissenschaft auf das Empfindlichste schadet. Derartige Fabeln pflanzen sich fort von Buch zu Buch, von Geschlecht zu Geschlecht, als ob sie unausrottbar wären, und werden immer und immer wieder gekäut, anscheinend mit einer gewissen Befriedigung darüber, daß man in der Lebens- weise eines Thieres, welches sich von den anderen Verwandten kaum wesentlich unterscheidet, etwas Absonderliches entdeckt habe. Wir werden sehen, daß der Kaiman Nordamerikas ein zwar nicht ungefährliches, aber ebenso feiges und ebenso sicher zu bekämpfendes Krokodil ist wie alle übrigen.
Die Sippe der Alligatoren(Champsa), welche der Kaiman vertritt, kennzeichnet sich durch verhältnißmäßig gedrungenen Bau, eine breite, stumpfe Schnauze, ungleiche Zähne, von denen die vierten unteren in Löcher, aber nicht in Ausschnitte der Oberkinnlade treten, und die Behäutung der Füße, da die Zehen der hinteren nur durch halbe Schwimmhänte verbunden werden.
Der Kaiman oder, wie er in Nordamerika genannt wird, der Alligator, das Krokodil mit der Hechtschnauze(Champsa lucius), erreicht eine Länge von etwa 14 Fuß und unterscheidet sich von anderen Arten der Sippe außer seiner Hechtschnauze durch zwei Paar, in Vierecke stehende Hals- oder Nackenschilder. Die Färbung der Oberseite ist gewöhnlich ein schmuziges Oelgrün, welches hier und da dunklere Flecke zeigt, die der Unterseite ein unreines Lichtgelb.
Unter den reisenden Forschern, welche über den Kaiman geschrieben, befindet sich glücklicher Weise auch Audubon, und seine Schilderung ist es, welche ich dem Nachstehenden zu Grunde lege. Jn den Flüssen der Vereinigten Staaten sieht man an den schlammigen Ufern und auf den großen treibenden Baumstämmen die Alligatoren sich sonnen oder den Strom nach Nahrung durchschwimmen. Jn Louisiana sind alle Sümpfe, Buchten, Flüsse, Teiche, Seen voll von diesen Thieren; man findet sie überall, wo sie Wasser genug haben, um in ihm Nahrung zu finden und sich in ihm zu verbergen, so bis an die Mündung des Flusses Arkansas hinab, östlich bis Nordkarolina und westlich allerorten. Auf dem rothen Flusse waren sie, bevor derselbe mit Dampfbooten befahren wurde, so überaus häufig, daß man sie zu Hunderten längs der Ufer oder auf den ungeheuern Flößen von Treibholz bemerkte. Die kleinen lagen oder saßen auf dem Rücken der größeren, und zuweilen hörte man von ihnen ein Gebrüll, wie von tausend wüthenden Stieren, welche einen Kampf beginnen wollten. Sie waren, wie überhaupt in Nordamerika, so wenig menschenscheu, daß sie sich kaum um das Getreibe auf dem Flusse oder am Ufer bekümmerten, daß sie, wenn man nicht nach ihnen feuerte oder sie absichtlich verscheuchte, Boote in einer Entfernung von wenigen Ellen an sich vorüberfahren ließen, ohne die- selben im Geringsten zu beachten. Nur in brackigen Wässern zeigten oder zeigen sie sich seltener; denn abweichend von anderen Krokodilen scheinen sie das Meer zu meiden.
Auf dem Lande bewegt sich der Alligator gewöhnlich langsam und verdrossen. Sein Gang ist ein mühsames Gezappel; ein Bein um das andere wird schwerfällig vorwärts bewegt, der wuchtige Leib kommt fast in Berührung mit der Erde, und der lange Schwanz schleppt im Schlamme nach. So entsteigt er dem Wasser, so kriecht er auf Feldern oder in Wäldern umher, um einen anderen nahrungsversprechenden Wohnort oder einen tauglichen Platz für seine Eier zu suchen. Wie langsam er sich bewegt, geht aus folgender Beobachtung Audubon's hervor. Unser Forscher traf am Morgen einen etwa zwölf Fuß langen Alligator etwa dreißig Schritte von einem Teiche entfernt, anscheinend im Begriffe, einem anderen, im Gesichtskreise liegenden Gewässer zuzuwandern. Mit
Die Panzerechſen. Krokodile. Alligatoren.
laden verurſacht ein ſchauerliches Getöſe; Ströme von Blut quellen aus dem Rachen der Raubthiere; die Naſenlöcher derſelben dampfen wie Kamine, und der Kampf währt die ganze Nacht. Ein wahres Glück nur, daß der biedere Reiſende entrinnen und ſeinen Bericht erſtatten kann!
Mit aller Abſicht habe ich Vorſtehendes hier mitgetheilt; denn nicht die Lügen Bartram’s wollte ich verſpotten, ſondern die Gläubigkeit der Leſer und bezüglich der Verfaſſer von Natur- geſchichten, welche beſagte Lügen, ohne kräftigen Einſpruch zu thun, weiter verbreiten helfen. Noch heutigentages krankt unſere naturwiſſenſchaftliche Schriftſtellerei an einer Urtheilsloſigkeit der betreffen- den Schriftſteller, welcher man gar nicht ſcharf genug entgegentreten kann, weil ſie der Verall- gemeinung der Wiſſenſchaft auf das Empfindlichſte ſchadet. Derartige Fabeln pflanzen ſich fort von Buch zu Buch, von Geſchlecht zu Geſchlecht, als ob ſie unausrottbar wären, und werden immer und immer wieder gekäut, anſcheinend mit einer gewiſſen Befriedigung darüber, daß man in der Lebens- weiſe eines Thieres, welches ſich von den anderen Verwandten kaum weſentlich unterſcheidet, etwas Abſonderliches entdeckt habe. Wir werden ſehen, daß der Kaiman Nordamerikas ein zwar nicht ungefährliches, aber ebenſo feiges und ebenſo ſicher zu bekämpfendes Krokodil iſt wie alle übrigen.
Die Sippe der Alligatoren(Champsa), welche der Kaiman vertritt, kennzeichnet ſich durch verhältnißmäßig gedrungenen Bau, eine breite, ſtumpfe Schnauze, ungleiche Zähne, von denen die vierten unteren in Löcher, aber nicht in Ausſchnitte der Oberkinnlade treten, und die Behäutung der Füße, da die Zehen der hinteren nur durch halbe Schwimmhänte verbunden werden.
Der Kaiman oder, wie er in Nordamerika genannt wird, der Alligator, das Krokodil mit der Hechtſchnauze(Champsa lucius), erreicht eine Länge von etwa 14 Fuß und unterſcheidet ſich von anderen Arten der Sippe außer ſeiner Hechtſchnauze durch zwei Paar, in Vierecke ſtehende Hals- oder Nackenſchilder. Die Färbung der Oberſeite iſt gewöhnlich ein ſchmuziges Oelgrün, welches hier und da dunklere Flecke zeigt, die der Unterſeite ein unreines Lichtgelb.
Unter den reiſenden Forſchern, welche über den Kaiman geſchrieben, befindet ſich glücklicher Weiſe auch Audubon, und ſeine Schilderung iſt es, welche ich dem Nachſtehenden zu Grunde lege. Jn den Flüſſen der Vereinigten Staaten ſieht man an den ſchlammigen Ufern und auf den großen treibenden Baumſtämmen die Alligatoren ſich ſonnen oder den Strom nach Nahrung durchſchwimmen. Jn Louiſiana ſind alle Sümpfe, Buchten, Flüſſe, Teiche, Seen voll von dieſen Thieren; man findet ſie überall, wo ſie Waſſer genug haben, um in ihm Nahrung zu finden und ſich in ihm zu verbergen, ſo bis an die Mündung des Fluſſes Arkanſas hinab, öſtlich bis Nordkarolina und weſtlich allerorten. Auf dem rothen Fluſſe waren ſie, bevor derſelbe mit Dampfbooten befahren wurde, ſo überaus häufig, daß man ſie zu Hunderten längs der Ufer oder auf den ungeheuern Flößen von Treibholz bemerkte. Die kleinen lagen oder ſaßen auf dem Rücken der größeren, und zuweilen hörte man von ihnen ein Gebrüll, wie von tauſend wüthenden Stieren, welche einen Kampf beginnen wollten. Sie waren, wie überhaupt in Nordamerika, ſo wenig menſchenſcheu, daß ſie ſich kaum um das Getreibe auf dem Fluſſe oder am Ufer bekümmerten, daß ſie, wenn man nicht nach ihnen feuerte oder ſie abſichtlich verſcheuchte, Boote in einer Entfernung von wenigen Ellen an ſich vorüberfahren ließen, ohne die- ſelben im Geringſten zu beachten. Nur in brackigen Wäſſern zeigten oder zeigen ſie ſich ſeltener; denn abweichend von anderen Krokodilen ſcheinen ſie das Meer zu meiden.
Auf dem Lande bewegt ſich der Alligator gewöhnlich langſam und verdroſſen. Sein Gang iſt ein mühſames Gezappel; ein Bein um das andere wird ſchwerfällig vorwärts bewegt, der wuchtige Leib kommt faſt in Berührung mit der Erde, und der lange Schwanz ſchleppt im Schlamme nach. So entſteigt er dem Waſſer, ſo kriecht er auf Feldern oder in Wäldern umher, um einen anderen nahrungsverſprechenden Wohnort oder einen tauglichen Platz für ſeine Eier zu ſuchen. Wie langſam er ſich bewegt, geht aus folgender Beobachtung Audubon’s hervor. Unſer Forſcher traf am Morgen einen etwa zwölf Fuß langen Alligator etwa dreißig Schritte von einem Teiche entfernt, anſcheinend im Begriffe, einem anderen, im Geſichtskreiſe liegenden Gewäſſer zuzuwandern. Mit
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0100"n="84"/><fwplace="top"type="header">Die Panzerechſen. Krokodile. Alligatoren.</fw><lb/>
laden verurſacht ein ſchauerliches Getöſe; Ströme von Blut quellen aus dem Rachen der Raubthiere;<lb/>
die Naſenlöcher derſelben dampfen wie Kamine, und der Kampf währt die ganze Nacht. Ein wahres<lb/>
Glück nur, daß der biedere Reiſende entrinnen und ſeinen Bericht erſtatten kann!</p><lb/><p>Mit aller Abſicht habe ich Vorſtehendes hier mitgetheilt; denn nicht die Lügen <hirendition="#g">Bartram’s</hi><lb/>
wollte ich verſpotten, ſondern die Gläubigkeit der Leſer und bezüglich der Verfaſſer von Natur-<lb/>
geſchichten, welche beſagte Lügen, ohne kräftigen Einſpruch zu thun, weiter verbreiten helfen. Noch<lb/>
heutigentages krankt unſere naturwiſſenſchaftliche Schriftſtellerei an einer Urtheilsloſigkeit der betreffen-<lb/>
den Schriftſteller, welcher man gar nicht ſcharf genug entgegentreten kann, weil ſie der Verall-<lb/>
gemeinung der Wiſſenſchaft auf das Empfindlichſte ſchadet. Derartige Fabeln pflanzen ſich fort von<lb/>
Buch zu Buch, von Geſchlecht zu Geſchlecht, als ob ſie unausrottbar wären, und werden immer und<lb/>
immer wieder gekäut, anſcheinend mit einer gewiſſen Befriedigung darüber, daß man in der Lebens-<lb/>
weiſe eines Thieres, welches ſich von den anderen Verwandten kaum weſentlich unterſcheidet, etwas<lb/>
Abſonderliches entdeckt habe. Wir werden ſehen, daß der Kaiman Nordamerikas ein zwar nicht<lb/>
ungefährliches, aber ebenſo feiges und ebenſo ſicher zu bekämpfendes Krokodil iſt wie alle übrigen.</p><lb/><p>Die Sippe der <hirendition="#g">Alligatoren</hi><hirendition="#aq">(Champsa),</hi> welche der Kaiman vertritt, kennzeichnet ſich<lb/>
durch verhältnißmäßig gedrungenen Bau, eine breite, ſtumpfe Schnauze, ungleiche Zähne, von denen<lb/>
die vierten unteren in Löcher, aber nicht in Ausſchnitte der Oberkinnlade treten, und die Behäutung<lb/>
der Füße, da die Zehen der hinteren nur durch halbe Schwimmhänte verbunden werden.</p><lb/><p>Der <hirendition="#g">Kaiman</hi> oder, wie er in Nordamerika genannt wird, der <hirendition="#g">Alligator,</hi> das <hirendition="#g">Krokodil<lb/>
mit der Hechtſchnauze</hi><hirendition="#aq">(Champsa lucius),</hi> erreicht eine Länge von etwa 14 Fuß und unterſcheidet<lb/>ſich von anderen Arten der Sippe außer ſeiner Hechtſchnauze durch zwei Paar, in Vierecke ſtehende<lb/>
Hals- oder Nackenſchilder. Die Färbung der Oberſeite iſt gewöhnlich ein ſchmuziges Oelgrün,<lb/>
welches hier und da dunklere Flecke zeigt, die der Unterſeite ein unreines Lichtgelb.</p><lb/><p>Unter den reiſenden Forſchern, welche über den Kaiman geſchrieben, befindet ſich glücklicher<lb/>
Weiſe auch <hirendition="#g">Audubon,</hi> und ſeine Schilderung iſt es, welche ich dem Nachſtehenden zu Grunde lege.<lb/>
Jn den Flüſſen der Vereinigten Staaten ſieht man an den ſchlammigen Ufern und auf den großen<lb/>
treibenden Baumſtämmen die Alligatoren ſich ſonnen oder den Strom nach Nahrung durchſchwimmen.<lb/>
Jn Louiſiana ſind alle Sümpfe, Buchten, Flüſſe, Teiche, Seen voll von dieſen Thieren; man findet<lb/>ſie überall, wo ſie Waſſer genug haben, um in ihm Nahrung zu finden und ſich in ihm zu verbergen,<lb/>ſo bis an die Mündung des Fluſſes Arkanſas hinab, öſtlich bis Nordkarolina und weſtlich allerorten.<lb/>
Auf dem rothen Fluſſe waren ſie, bevor derſelbe mit Dampfbooten befahren wurde, ſo überaus häufig,<lb/>
daß man ſie zu Hunderten längs der Ufer oder auf den ungeheuern Flößen von Treibholz bemerkte.<lb/>
Die kleinen lagen oder ſaßen auf dem Rücken der größeren, und zuweilen hörte man von ihnen ein<lb/>
Gebrüll, wie von tauſend wüthenden Stieren, welche einen Kampf beginnen wollten. Sie waren,<lb/>
wie überhaupt in Nordamerika, ſo wenig menſchenſcheu, daß ſie ſich kaum um das Getreibe auf dem<lb/>
Fluſſe oder am Ufer bekümmerten, daß ſie, wenn man nicht nach ihnen feuerte oder ſie abſichtlich<lb/>
verſcheuchte, Boote in einer Entfernung von wenigen Ellen an ſich vorüberfahren ließen, ohne die-<lb/>ſelben im Geringſten zu beachten. Nur in brackigen Wäſſern zeigten oder zeigen ſie ſich ſeltener;<lb/>
denn abweichend von anderen Krokodilen ſcheinen ſie das Meer zu meiden.</p><lb/><p>Auf dem Lande bewegt ſich der Alligator gewöhnlich langſam und verdroſſen. Sein Gang iſt<lb/>
ein mühſames Gezappel; ein Bein um das andere wird ſchwerfällig vorwärts bewegt, der wuchtige<lb/>
Leib kommt faſt in Berührung mit der Erde, und der lange Schwanz ſchleppt im Schlamme nach. So<lb/>
entſteigt er dem Waſſer, ſo kriecht er auf Feldern oder in Wäldern umher, um einen anderen<lb/>
nahrungsverſprechenden Wohnort oder einen tauglichen Platz für ſeine Eier zu ſuchen. Wie langſam<lb/>
er ſich bewegt, geht aus folgender Beobachtung <hirendition="#g">Audubon’s</hi> hervor. Unſer Forſcher traf am<lb/>
Morgen einen etwa zwölf Fuß langen Alligator etwa dreißig Schritte von einem Teiche entfernt,<lb/>
anſcheinend im Begriffe, einem anderen, im Geſichtskreiſe liegenden Gewäſſer zuzuwandern. Mit<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[84/0100]
Die Panzerechſen. Krokodile. Alligatoren.
laden verurſacht ein ſchauerliches Getöſe; Ströme von Blut quellen aus dem Rachen der Raubthiere;
die Naſenlöcher derſelben dampfen wie Kamine, und der Kampf währt die ganze Nacht. Ein wahres
Glück nur, daß der biedere Reiſende entrinnen und ſeinen Bericht erſtatten kann!
Mit aller Abſicht habe ich Vorſtehendes hier mitgetheilt; denn nicht die Lügen Bartram’s
wollte ich verſpotten, ſondern die Gläubigkeit der Leſer und bezüglich der Verfaſſer von Natur-
geſchichten, welche beſagte Lügen, ohne kräftigen Einſpruch zu thun, weiter verbreiten helfen. Noch
heutigentages krankt unſere naturwiſſenſchaftliche Schriftſtellerei an einer Urtheilsloſigkeit der betreffen-
den Schriftſteller, welcher man gar nicht ſcharf genug entgegentreten kann, weil ſie der Verall-
gemeinung der Wiſſenſchaft auf das Empfindlichſte ſchadet. Derartige Fabeln pflanzen ſich fort von
Buch zu Buch, von Geſchlecht zu Geſchlecht, als ob ſie unausrottbar wären, und werden immer und
immer wieder gekäut, anſcheinend mit einer gewiſſen Befriedigung darüber, daß man in der Lebens-
weiſe eines Thieres, welches ſich von den anderen Verwandten kaum weſentlich unterſcheidet, etwas
Abſonderliches entdeckt habe. Wir werden ſehen, daß der Kaiman Nordamerikas ein zwar nicht
ungefährliches, aber ebenſo feiges und ebenſo ſicher zu bekämpfendes Krokodil iſt wie alle übrigen.
Die Sippe der Alligatoren (Champsa), welche der Kaiman vertritt, kennzeichnet ſich
durch verhältnißmäßig gedrungenen Bau, eine breite, ſtumpfe Schnauze, ungleiche Zähne, von denen
die vierten unteren in Löcher, aber nicht in Ausſchnitte der Oberkinnlade treten, und die Behäutung
der Füße, da die Zehen der hinteren nur durch halbe Schwimmhänte verbunden werden.
Der Kaiman oder, wie er in Nordamerika genannt wird, der Alligator, das Krokodil
mit der Hechtſchnauze (Champsa lucius), erreicht eine Länge von etwa 14 Fuß und unterſcheidet
ſich von anderen Arten der Sippe außer ſeiner Hechtſchnauze durch zwei Paar, in Vierecke ſtehende
Hals- oder Nackenſchilder. Die Färbung der Oberſeite iſt gewöhnlich ein ſchmuziges Oelgrün,
welches hier und da dunklere Flecke zeigt, die der Unterſeite ein unreines Lichtgelb.
Unter den reiſenden Forſchern, welche über den Kaiman geſchrieben, befindet ſich glücklicher
Weiſe auch Audubon, und ſeine Schilderung iſt es, welche ich dem Nachſtehenden zu Grunde lege.
Jn den Flüſſen der Vereinigten Staaten ſieht man an den ſchlammigen Ufern und auf den großen
treibenden Baumſtämmen die Alligatoren ſich ſonnen oder den Strom nach Nahrung durchſchwimmen.
Jn Louiſiana ſind alle Sümpfe, Buchten, Flüſſe, Teiche, Seen voll von dieſen Thieren; man findet
ſie überall, wo ſie Waſſer genug haben, um in ihm Nahrung zu finden und ſich in ihm zu verbergen,
ſo bis an die Mündung des Fluſſes Arkanſas hinab, öſtlich bis Nordkarolina und weſtlich allerorten.
Auf dem rothen Fluſſe waren ſie, bevor derſelbe mit Dampfbooten befahren wurde, ſo überaus häufig,
daß man ſie zu Hunderten längs der Ufer oder auf den ungeheuern Flößen von Treibholz bemerkte.
Die kleinen lagen oder ſaßen auf dem Rücken der größeren, und zuweilen hörte man von ihnen ein
Gebrüll, wie von tauſend wüthenden Stieren, welche einen Kampf beginnen wollten. Sie waren,
wie überhaupt in Nordamerika, ſo wenig menſchenſcheu, daß ſie ſich kaum um das Getreibe auf dem
Fluſſe oder am Ufer bekümmerten, daß ſie, wenn man nicht nach ihnen feuerte oder ſie abſichtlich
verſcheuchte, Boote in einer Entfernung von wenigen Ellen an ſich vorüberfahren ließen, ohne die-
ſelben im Geringſten zu beachten. Nur in brackigen Wäſſern zeigten oder zeigen ſie ſich ſeltener;
denn abweichend von anderen Krokodilen ſcheinen ſie das Meer zu meiden.
Auf dem Lande bewegt ſich der Alligator gewöhnlich langſam und verdroſſen. Sein Gang iſt
ein mühſames Gezappel; ein Bein um das andere wird ſchwerfällig vorwärts bewegt, der wuchtige
Leib kommt faſt in Berührung mit der Erde, und der lange Schwanz ſchleppt im Schlamme nach. So
entſteigt er dem Waſſer, ſo kriecht er auf Feldern oder in Wäldern umher, um einen anderen
nahrungsverſprechenden Wohnort oder einen tauglichen Platz für ſeine Eier zu ſuchen. Wie langſam
er ſich bewegt, geht aus folgender Beobachtung Audubon’s hervor. Unſer Forſcher traf am
Morgen einen etwa zwölf Fuß langen Alligator etwa dreißig Schritte von einem Teiche entfernt,
anſcheinend im Begriffe, einem anderen, im Geſichtskreiſe liegenden Gewäſſer zuzuwandern. Mit
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/100>, abgerufen am 21.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.