eintrocknen, um so tiefer graben sich sich in den Schlamm ein, der Feuchtigkeit, welche bei ihnen Haut und Decken schmiegsam erhält, nachgehend. Jn diesem Zustande der Ruhe kommt die Erstarrung über sie; sie werden dabei von der äußeren Luft wohl nicht gänzlich abgesperrt, und so gering auch der Zutritt derselben sein mag, so reicht er doch hin, den Athmungshergang zu unterhalten bei einer Echse, welche ausnehmend große Lungensäcke hat, keine Muskelbewegung vornimmt, und bei welcher fast alle Lebensverrichtungen stocken."
Nordamerika scheint für das Unkraut der Lüge ein äußerst fruchtbarer Boden zu sein. Dies beweisen nicht blos die unglaublichen Geschichten, welche von einem Gerstäcker der gläubigen Lese- welt aufgetischt werden, sondern auch ältere Erzählungen, wie beispielsweise die eines gewissen Bartram, welcher vorgibt, mit den dortigen Krokodilen oder Kaimans den innigsten Umgang gepflogen zu haben. Wollte man Bartram glauben, so müßte man sich wundern, daß die Ströme Floridas oder der südlichen Staaten Nordamerikas überhaupt heutigentages noch bewohnt sein können. Bartram erzählt von einer Schifffahrt auf dem Johannisflusse und seinem Zusammentreffen mit den Kaimans ungefähr Folgendes: Er fährt in einem kleinen Boote den Fluß hinunter. Die Sonne will untergehen. Krokodile wimmeln von allen Seiten herbei. Er beeilt sich seine Fischerei zu beenden und bewaffnet sich, weil er fürchtet, daß sein Gewehr ins Wasser fallen könnte, nur mit einem Knüppel. Die erste Schlachtlinie der Krokodile, welcher er sich nähert, zertheilt sich; die stärksten Recken verfolgen ihn; er rudert mit allen Kräften, hofft der Gefahr zu entrinnen, erreicht jedoch kaum die Hälfte des Weges, als er von allen Seiten angefallen wird. Seine Feinde bestreben sich, das Boot umzuwerfen; zwei der größten heben den Kopf und einen Theil des Leibes aus dem Wasser, brüllen fürchterlich und speien, wenn auch nicht Feuer, nach Art der Drachen, sodoch Wasser in Strömen auf den bedauernswürdigen Abenteurer, dessen Lage nunmehr äußerst gefährlich wird. Er fürchtet jeden Augenblick aus dem Schiffe gerissen und verschlungen zu werden, schlägt auf das Gerathewohl mit seinem Knüppel um sich, und ist so glücklich, die fürchterlichen Thiere zu verscheuchen. Die Feinde bilden eine neue Angriffslinie; er rettet sich aus Ufer; die Kaimans entfernen sich; es wird ruhiger. Er eilt dem Ende des Gewässers zu, beweist seinen erhabenen Muth dadurch, daß er unterwegs Forellen fängt, landet an einer anderen Stelle, wird dabei von einem uralten Kaiman grimmig angeblickt, will ihn dafür mit einem Schusse strafen und geht, um seine Flinte zu holen, sieht aber zu seinem Entsetzen den Kaiman mit Verzehren seiner Fische beschäftigt und sich nochmals furcht- los und wüthend angeblickt, schießt ihm in den Kopf und tödtet ihn wahrscheinlich. Nun will er seine Fische bereiten und begibt sich aus Ufer, um sie abzuschuppen, schaut aber glücklicherweise noch einmal auf und erblickt im hellen Wasser den Kopf und die Schultern eines anderen großen Kaimans, welcher seitwärts auf ihn zukommt, sodaß er kaum Zeit hat zurückzutreten, mit äußerst geschickter Schwanz- bewegung seine Fische ins Wasser schleudert und ihm dadurch einen Beweis liefert, daß das Scheusal auch ihn selbst hätte verschlingen können. Er entrinnt glücklich, denkt an Feuermachen, Baum- besteigen und andere Sicherungsmittel, da ihm nunmehr vom Wasser aus die Kaimans, vom Lande her Wölfe und Bären bedrohen, wird aber, ehe er seine Anstalten beendet, durch ein neues Geräusch erschreckt, welches in der Nähe seines Landungsplatzes zu entstehen scheint. Nun nähert er sich vor- sichtig und sieht, daß besagtes Geräusch von einer ganz unglaublichen Menge von Kaimans entsteht. Letztere bedecken die ganze Breite des Flusses, "sodaß man auf ihren Köpfen denselben hätte über- schreiten können" und treiben die Fische derartig zusammen, daß diese einen festen Damm zu bilden scheinen. Zu den Tausenden von Kaimans drängen sich andere Tausende herbei, Millionen von Fischen werden verschlungen. Der feinsinnige Reisende sieht trotz der Dunkelheit mehrere Krokodile große Fische in die Luft werfen, mit dem Munde auffangen und mit den Zähnen zerquetschen, während die armen Geschöpfe mit den Schwänzen um sich schlagen. Dies und das Zusammenklappen der Kinn-
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Spitzkrokodil.
eintrocknen, um ſo tiefer graben ſich ſich in den Schlamm ein, der Feuchtigkeit, welche bei ihnen Haut und Decken ſchmiegſam erhält, nachgehend. Jn dieſem Zuſtande der Ruhe kommt die Erſtarrung über ſie; ſie werden dabei von der äußeren Luft wohl nicht gänzlich abgeſperrt, und ſo gering auch der Zutritt derſelben ſein mag, ſo reicht er doch hin, den Athmungshergang zu unterhalten bei einer Echſe, welche ausnehmend große Lungenſäcke hat, keine Muskelbewegung vornimmt, und bei welcher faſt alle Lebensverrichtungen ſtocken.“
Nordamerika ſcheint für das Unkraut der Lüge ein äußerſt fruchtbarer Boden zu ſein. Dies beweiſen nicht blos die unglaublichen Geſchichten, welche von einem Gerſtäcker der gläubigen Leſe- welt aufgetiſcht werden, ſondern auch ältere Erzählungen, wie beiſpielsweiſe die eines gewiſſen Bartram, welcher vorgibt, mit den dortigen Krokodilen oder Kaimans den innigſten Umgang gepflogen zu haben. Wollte man Bartram glauben, ſo müßte man ſich wundern, daß die Ströme Floridas oder der ſüdlichen Staaten Nordamerikas überhaupt heutigentages noch bewohnt ſein können. Bartram erzählt von einer Schifffahrt auf dem Johannisfluſſe und ſeinem Zuſammentreffen mit den Kaimans ungefähr Folgendes: Er fährt in einem kleinen Boote den Fluß hinunter. Die Sonne will untergehen. Krokodile wimmeln von allen Seiten herbei. Er beeilt ſich ſeine Fiſcherei zu beenden und bewaffnet ſich, weil er fürchtet, daß ſein Gewehr ins Waſſer fallen könnte, nur mit einem Knüppel. Die erſte Schlachtlinie der Krokodile, welcher er ſich nähert, zertheilt ſich; die ſtärkſten Recken verfolgen ihn; er rudert mit allen Kräften, hofft der Gefahr zu entrinnen, erreicht jedoch kaum die Hälfte des Weges, als er von allen Seiten angefallen wird. Seine Feinde beſtreben ſich, das Boot umzuwerfen; zwei der größten heben den Kopf und einen Theil des Leibes aus dem Waſſer, brüllen fürchterlich und ſpeien, wenn auch nicht Feuer, nach Art der Drachen, ſodoch Waſſer in Strömen auf den bedauernswürdigen Abenteurer, deſſen Lage nunmehr äußerſt gefährlich wird. Er fürchtet jeden Augenblick aus dem Schiffe geriſſen und verſchlungen zu werden, ſchlägt auf das Gerathewohl mit ſeinem Knüppel um ſich, und iſt ſo glücklich, die fürchterlichen Thiere zu verſcheuchen. Die Feinde bilden eine neue Angriffslinie; er rettet ſich aus Ufer; die Kaimans entfernen ſich; es wird ruhiger. Er eilt dem Ende des Gewäſſers zu, beweiſt ſeinen erhabenen Muth dadurch, daß er unterwegs Forellen fängt, landet an einer anderen Stelle, wird dabei von einem uralten Kaiman grimmig angeblickt, will ihn dafür mit einem Schuſſe ſtrafen und geht, um ſeine Flinte zu holen, ſieht aber zu ſeinem Entſetzen den Kaiman mit Verzehren ſeiner Fiſche beſchäftigt und ſich nochmals furcht- los und wüthend angeblickt, ſchießt ihm in den Kopf und tödtet ihn wahrſcheinlich. Nun will er ſeine Fiſche bereiten und begibt ſich aus Ufer, um ſie abzuſchuppen, ſchaut aber glücklicherweiſe noch einmal auf und erblickt im hellen Waſſer den Kopf und die Schultern eines anderen großen Kaimans, welcher ſeitwärts auf ihn zukommt, ſodaß er kaum Zeit hat zurückzutreten, mit äußerſt geſchickter Schwanz- bewegung ſeine Fiſche ins Waſſer ſchleudert und ihm dadurch einen Beweis liefert, daß das Scheuſal auch ihn ſelbſt hätte verſchlingen können. Er entrinnt glücklich, denkt an Feuermachen, Baum- beſteigen und andere Sicherungsmittel, da ihm nunmehr vom Waſſer aus die Kaimans, vom Lande her Wölfe und Bären bedrohen, wird aber, ehe er ſeine Anſtalten beendet, durch ein neues Geräuſch erſchreckt, welches in der Nähe ſeines Landungsplatzes zu entſtehen ſcheint. Nun nähert er ſich vor- ſichtig und ſieht, daß beſagtes Geräuſch von einer ganz unglaublichen Menge von Kaimans entſteht. Letztere bedecken die ganze Breite des Fluſſes, „ſodaß man auf ihren Köpfen denſelben hätte über- ſchreiten können“ und treiben die Fiſche derartig zuſammen, daß dieſe einen feſten Damm zu bilden ſcheinen. Zu den Tauſenden von Kaimans drängen ſich andere Tauſende herbei, Millionen von Fiſchen werden verſchlungen. Der feinſinnige Reiſende ſieht trotz der Dunkelheit mehrere Krokodile große Fiſche in die Luft werfen, mit dem Munde auffangen und mit den Zähnen zerquetſchen, während die armen Geſchöpfe mit den Schwänzen um ſich ſchlagen. Dies und das Zuſammenklappen der Kinn-
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Spitzkrokodil.
eintrocknen, um ſo tiefer graben ſich ſich in den Schlamm ein, der Feuchtigkeit, welche bei ihnen Haut
und Decken ſchmiegſam erhält, nachgehend. Jn dieſem Zuſtande der Ruhe kommt die Erſtarrung
über ſie; ſie werden dabei von der äußeren Luft wohl nicht gänzlich abgeſperrt, und ſo gering auch
der Zutritt derſelben ſein mag, ſo reicht er doch hin, den Athmungshergang zu unterhalten bei einer
Echſe, welche ausnehmend große Lungenſäcke hat, keine Muskelbewegung vornimmt, und bei welcher
faſt alle Lebensverrichtungen ſtocken.“
Nordamerika ſcheint für das Unkraut der Lüge ein äußerſt fruchtbarer Boden zu ſein. Dies
beweiſen nicht blos die unglaublichen Geſchichten, welche von einem Gerſtäcker der gläubigen Leſe-
welt aufgetiſcht werden, ſondern auch ältere Erzählungen, wie beiſpielsweiſe die eines gewiſſen
Bartram, welcher vorgibt, mit den dortigen Krokodilen oder Kaimans den innigſten Umgang
gepflogen zu haben. Wollte man Bartram glauben, ſo müßte man ſich wundern, daß die Ströme
Floridas oder der ſüdlichen Staaten Nordamerikas überhaupt heutigentages noch bewohnt ſein können.
Bartram erzählt von einer Schifffahrt auf dem Johannisfluſſe und ſeinem Zuſammentreffen mit
den Kaimans ungefähr Folgendes: Er fährt in einem kleinen Boote den Fluß hinunter. Die Sonne
will untergehen. Krokodile wimmeln von allen Seiten herbei. Er beeilt ſich ſeine Fiſcherei zu
beenden und bewaffnet ſich, weil er fürchtet, daß ſein Gewehr ins Waſſer fallen könnte, nur mit
einem Knüppel. Die erſte Schlachtlinie der Krokodile, welcher er ſich nähert, zertheilt ſich; die
ſtärkſten Recken verfolgen ihn; er rudert mit allen Kräften, hofft der Gefahr zu entrinnen, erreicht
jedoch kaum die Hälfte des Weges, als er von allen Seiten angefallen wird. Seine Feinde beſtreben
ſich, das Boot umzuwerfen; zwei der größten heben den Kopf und einen Theil des Leibes aus dem
Waſſer, brüllen fürchterlich und ſpeien, wenn auch nicht Feuer, nach Art der Drachen, ſodoch Waſſer
in Strömen auf den bedauernswürdigen Abenteurer, deſſen Lage nunmehr äußerſt gefährlich wird.
Er fürchtet jeden Augenblick aus dem Schiffe geriſſen und verſchlungen zu werden, ſchlägt auf das
Gerathewohl mit ſeinem Knüppel um ſich, und iſt ſo glücklich, die fürchterlichen Thiere zu verſcheuchen.
Die Feinde bilden eine neue Angriffslinie; er rettet ſich aus Ufer; die Kaimans entfernen ſich; es
wird ruhiger. Er eilt dem Ende des Gewäſſers zu, beweiſt ſeinen erhabenen Muth dadurch, daß er
unterwegs Forellen fängt, landet an einer anderen Stelle, wird dabei von einem uralten Kaiman
grimmig angeblickt, will ihn dafür mit einem Schuſſe ſtrafen und geht, um ſeine Flinte zu holen, ſieht
aber zu ſeinem Entſetzen den Kaiman mit Verzehren ſeiner Fiſche beſchäftigt und ſich nochmals furcht-
los und wüthend angeblickt, ſchießt ihm in den Kopf und tödtet ihn wahrſcheinlich. Nun will er ſeine
Fiſche bereiten und begibt ſich aus Ufer, um ſie abzuſchuppen, ſchaut aber glücklicherweiſe noch einmal
auf und erblickt im hellen Waſſer den Kopf und die Schultern eines anderen großen Kaimans, welcher
ſeitwärts auf ihn zukommt, ſodaß er kaum Zeit hat zurückzutreten, mit äußerſt geſchickter Schwanz-
bewegung ſeine Fiſche ins Waſſer ſchleudert und ihm dadurch einen Beweis liefert, daß das Scheuſal
auch ihn ſelbſt hätte verſchlingen können. Er entrinnt glücklich, denkt an Feuermachen, Baum-
beſteigen und andere Sicherungsmittel, da ihm nunmehr vom Waſſer aus die Kaimans, vom Lande
her Wölfe und Bären bedrohen, wird aber, ehe er ſeine Anſtalten beendet, durch ein neues Geräuſch
erſchreckt, welches in der Nähe ſeines Landungsplatzes zu entſtehen ſcheint. Nun nähert er ſich vor-
ſichtig und ſieht, daß beſagtes Geräuſch von einer ganz unglaublichen Menge von Kaimans entſteht.
Letztere bedecken die ganze Breite des Fluſſes, „ſodaß man auf ihren Köpfen denſelben hätte über-
ſchreiten können“ und treiben die Fiſche derartig zuſammen, daß dieſe einen feſten Damm zu bilden
ſcheinen. Zu den Tauſenden von Kaimans drängen ſich andere Tauſende herbei, Millionen von
Fiſchen werden verſchlungen. Der feinſinnige Reiſende ſieht trotz der Dunkelheit mehrere Krokodile
große Fiſche in die Luft werfen, mit dem Munde auffangen und mit den Zähnen zerquetſchen, während
die armen Geſchöpfe mit den Schwänzen um ſich ſchlagen. Dies und das Zuſammenklappen der Kinn-
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/99>, abgerufen am 20.12.2024.
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