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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Die Schwimmer. Ruderfüßler. Scharben.

Alle Schlangenhalsvögel brüten, wenn sie irgend können, auf Bäumen, im Nothfalle jedoch auch
auf felsigen Jnseln, stets möglichst nah am Wasser. Das Nest der Anhinga wird, laut Audubon,
auf verschiedenen Oertlichkeiten angelegt, zuweilen im niederen Gebüsch, kaum mehr als acht oder zehn
Fuß über dem Wasser, zuweilen auch auf dem Wipfel eines der hohen Bäume, in der Nähe oder
inmitten eines Gewässers. Jn Louisiana und Mississippi stehen die meisten Nester auf großen und
hohen Cypressen, welche ringsum vom Wasser umgeben werden oder hart an demselben sich erheben.
Oft findet man nur ein einziges Nest auf einem Baume; zuweilen aber dasselbe unter hunderten oder
tausenden von Reiherhorsten. Es mißt ungefähr zwei Fuß im Durchmesser, ist sehr flach, dem der
Scharben ähnlich und besteht aus einer Unterlage von trockenen Reisern, grünen Zweigen mit
Blättern und einer Ausfütterung von sogenanntem spanischen Mos, zarten Wurzeln und dergleichen.
Die Brutzeit scheint nicht an bestimmte Monate des Jahres gebunden zu sein; Bachman fand noch
Eier im Juni und Audubon bereits zu Ende Februars. Ein Gelege enthält drei bis vier Eier,
welche ebenfalls denen der Scharben ähneln, länglich eiförmig sind und trübweiß aussehen, weil der
kalkige Ueberzug das tiefer unten liegende Lichtblau der Schale verdeckt. Die Jungen erhalten in
den ersten vierzehn Tagen ihres Lebens ein bräunliches Dunenkleid und sehen jungen Kormoranen
sehr ähnlich. Jhre Eltern würgen ihnen die Nahrung vor und werden bei ihrem Erscheinen mit
einem leisen, pfeifenden Rufe begrüßt. Naht sich ihnen ein Feind, so drücken sie sich fest im Neste
nieder, denn nur im äußersten Nothfalle springen sie ins Wasser hinab. Jm Alter von drei Wochen
sprossen die Schwingen und Schwanzfedern hervor, aber erst, wenn diese fast ausgebildet sind, brechen
die der Brust und des Unterleibes überhaupt durch die Dunen. Erst wenn sie vollständig fliegen
gelernt haben, gehen sie zu Wasser.

Die Gefangenschaft ertragen die Schlangenhalsvögel bei einiger Pflege ebensogut als wie die
Scharben; sie werden auch sehr bald in gewissem Grade zahm und zeigen, wenn sie jung aufgezogen
wurden, innige Anhänglichkeit an den Menschen. Audubon sah zwei, welche ihrem Gebieter auf
dem Fuße folgten und später die Erlaubniß erhalten durften, nach Belieben die benachbarten Gewässer
zu besuchen, da sie stets rechtzeitig wieder zurückkehrten. Von zwei Jungen, welche Bachman dem
Neste enthoben hatte, mußte der stärkere Pflegeelternstelle bei seinem jüngeren Geschwister vertreten
und schien die ihm zugemuthete Mühe auch sehr gern zu übernehmen, ließ sich wenigstens gefallen, daß
der kleine mit seinem Schnabel ihm in den Rachen fuhr und verschlungene Fische wieder aus der
Gurgel herausholte. Beide waren so zahm und ihrem Pfleger so anhänglich, daß sie diesen förmlich
belästigten. Anfänglich trug Bachman seinen Gefangenen oft zu einem Teiche und warf ihn hier in
das Wasser, mußte aber zu seinem Erstaunen bemerken, daß der Schlangenhalsvogel stets so eilig
als möglich dem Lande zuschwamm, gleichsam als ob er sein Element fürchte; später verlor sich diese
Scheu. Schon in frühester Jugend benahm sich die Anhinga angesichts anderer Thiere muthig und
furchtlos; die Hähne und Truthühner auf dem Hofe wichen ihr bald ehrfurchtsvoll aus, und auch die
Hunde wagten sich nicht gern in ihre Nähe, weil sie nie verfehlte, ihnen gelegener Zeit einen scharfen
Hieb zu versetzen. Als der Vogel erwachsen war, ging er tagtäglich zu den nächsten Teichen, um dort
zu fischen, kehrte hierauf zurück, flog auf die hohen Spitzen des Zaunes und blieb hier sitzen, entweder
um sich zu sonnen oder um zu schlafen. Kälte schien ihm höchst unangenehm zu sein und um ihr zu
entgehen, ging er in die Küche und stellte sich in die Nähe des Feuers, kämpfte auch mit dem Hunde
oder selbst mit dem Koche um den behaglichsten Platz an dem Herde. Jm Sonnenschein hingegen
breitete er Schwingen und Flügel, blähte alle Federn und schien beglückt von der Wärme zu sein.
Gelegentlich wurde er ein paar Tage lang nicht gefüttert, nahm Dies aber sehr übel und rannte dann
kreischend im Hofe umher oder hieb nach den Dienern, welche sich in seine Nähe wagten, gleichsam
als wolle er sie an ihre Nachlässigkeit erinnern.

Jn abgelegenen, von den Menschen wenig besuchten Gegenden sind die Schlangenhalsvögel so
wenig scheu, daß ihre Jagd kaum Mühe verursacht. Man versucht, die Schlafbäume zu erkunden,
stellt sich unter diesen nachmittags an und erwartet die Ankunft der Vögel. Nach dem Schusse

Die Schwimmer. Ruderfüßler. Scharben.

Alle Schlangenhalsvögel brüten, wenn ſie irgend können, auf Bäumen, im Nothfalle jedoch auch
auf felſigen Jnſeln, ſtets möglichſt nah am Waſſer. Das Neſt der Anhinga wird, laut Audubon,
auf verſchiedenen Oertlichkeiten angelegt, zuweilen im niederen Gebüſch, kaum mehr als acht oder zehn
Fuß über dem Waſſer, zuweilen auch auf dem Wipfel eines der hohen Bäume, in der Nähe oder
inmitten eines Gewäſſers. Jn Louiſiana und Miſſiſſippi ſtehen die meiſten Neſter auf großen und
hohen Cypreſſen, welche ringsum vom Waſſer umgeben werden oder hart an demſelben ſich erheben.
Oft findet man nur ein einziges Neſt auf einem Baume; zuweilen aber daſſelbe unter hunderten oder
tauſenden von Reiherhorſten. Es mißt ungefähr zwei Fuß im Durchmeſſer, iſt ſehr flach, dem der
Scharben ähnlich und beſteht aus einer Unterlage von trockenen Reiſern, grünen Zweigen mit
Blättern und einer Ausfütterung von ſogenanntem ſpaniſchen Mos, zarten Wurzeln und dergleichen.
Die Brutzeit ſcheint nicht an beſtimmte Monate des Jahres gebunden zu ſein; Bachman fand noch
Eier im Juni und Audubon bereits zu Ende Februars. Ein Gelege enthält drei bis vier Eier,
welche ebenfalls denen der Scharben ähneln, länglich eiförmig ſind und trübweiß ausſehen, weil der
kalkige Ueberzug das tiefer unten liegende Lichtblau der Schale verdeckt. Die Jungen erhalten in
den erſten vierzehn Tagen ihres Lebens ein bräunliches Dunenkleid und ſehen jungen Kormoranen
ſehr ähnlich. Jhre Eltern würgen ihnen die Nahrung vor und werden bei ihrem Erſcheinen mit
einem leiſen, pfeifenden Rufe begrüßt. Naht ſich ihnen ein Feind, ſo drücken ſie ſich feſt im Neſte
nieder, denn nur im äußerſten Nothfalle ſpringen ſie ins Waſſer hinab. Jm Alter von drei Wochen
ſproſſen die Schwingen und Schwanzfedern hervor, aber erſt, wenn dieſe faſt ausgebildet ſind, brechen
die der Bruſt und des Unterleibes überhaupt durch die Dunen. Erſt wenn ſie vollſtändig fliegen
gelernt haben, gehen ſie zu Waſſer.

Die Gefangenſchaft ertragen die Schlangenhalsvögel bei einiger Pflege ebenſogut als wie die
Scharben; ſie werden auch ſehr bald in gewiſſem Grade zahm und zeigen, wenn ſie jung aufgezogen
wurden, innige Anhänglichkeit an den Menſchen. Audubon ſah zwei, welche ihrem Gebieter auf
dem Fuße folgten und ſpäter die Erlaubniß erhalten durften, nach Belieben die benachbarten Gewäſſer
zu beſuchen, da ſie ſtets rechtzeitig wieder zurückkehrten. Von zwei Jungen, welche Bachman dem
Neſte enthoben hatte, mußte der ſtärkere Pflegeelternſtelle bei ſeinem jüngeren Geſchwiſter vertreten
und ſchien die ihm zugemuthete Mühe auch ſehr gern zu übernehmen, ließ ſich wenigſtens gefallen, daß
der kleine mit ſeinem Schnabel ihm in den Rachen fuhr und verſchlungene Fiſche wieder aus der
Gurgel herausholte. Beide waren ſo zahm und ihrem Pfleger ſo anhänglich, daß ſie dieſen förmlich
beläſtigten. Anfänglich trug Bachman ſeinen Gefangenen oft zu einem Teiche und warf ihn hier in
das Waſſer, mußte aber zu ſeinem Erſtaunen bemerken, daß der Schlangenhalsvogel ſtets ſo eilig
als möglich dem Lande zuſchwamm, gleichſam als ob er ſein Element fürchte; ſpäter verlor ſich dieſe
Scheu. Schon in früheſter Jugend benahm ſich die Anhinga angeſichts anderer Thiere muthig und
furchtlos; die Hähne und Truthühner auf dem Hofe wichen ihr bald ehrfurchtsvoll aus, und auch die
Hunde wagten ſich nicht gern in ihre Nähe, weil ſie nie verfehlte, ihnen gelegener Zeit einen ſcharfen
Hieb zu verſetzen. Als der Vogel erwachſen war, ging er tagtäglich zu den nächſten Teichen, um dort
zu fiſchen, kehrte hierauf zurück, flog auf die hohen Spitzen des Zaunes und blieb hier ſitzen, entweder
um ſich zu ſonnen oder um zu ſchlafen. Kälte ſchien ihm höchſt unangenehm zu ſein und um ihr zu
entgehen, ging er in die Küche und ſtellte ſich in die Nähe des Feuers, kämpfte auch mit dem Hunde
oder ſelbſt mit dem Koche um den behaglichſten Platz an dem Herde. Jm Sonnenſchein hingegen
breitete er Schwingen und Flügel, blähte alle Federn und ſchien beglückt von der Wärme zu ſein.
Gelegentlich wurde er ein paar Tage lang nicht gefüttert, nahm Dies aber ſehr übel und rannte dann
kreiſchend im Hofe umher oder hieb nach den Dienern, welche ſich in ſeine Nähe wagten, gleichſam
als wolle er ſie an ihre Nachläſſigkeit erinnern.

Jn abgelegenen, von den Menſchen wenig beſuchten Gegenden ſind die Schlangenhalsvögel ſo
wenig ſcheu, daß ihre Jagd kaum Mühe verurſacht. Man verſucht, die Schlafbäume zu erkunden,
ſtellt ſich unter dieſen nachmittags an und erwartet die Ankunft der Vögel. Nach dem Schuſſe

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[922/0974] Die Schwimmer. Ruderfüßler. Scharben. Alle Schlangenhalsvögel brüten, wenn ſie irgend können, auf Bäumen, im Nothfalle jedoch auch auf felſigen Jnſeln, ſtets möglichſt nah am Waſſer. Das Neſt der Anhinga wird, laut Audubon, auf verſchiedenen Oertlichkeiten angelegt, zuweilen im niederen Gebüſch, kaum mehr als acht oder zehn Fuß über dem Waſſer, zuweilen auch auf dem Wipfel eines der hohen Bäume, in der Nähe oder inmitten eines Gewäſſers. Jn Louiſiana und Miſſiſſippi ſtehen die meiſten Neſter auf großen und hohen Cypreſſen, welche ringsum vom Waſſer umgeben werden oder hart an demſelben ſich erheben. Oft findet man nur ein einziges Neſt auf einem Baume; zuweilen aber daſſelbe unter hunderten oder tauſenden von Reiherhorſten. Es mißt ungefähr zwei Fuß im Durchmeſſer, iſt ſehr flach, dem der Scharben ähnlich und beſteht aus einer Unterlage von trockenen Reiſern, grünen Zweigen mit Blättern und einer Ausfütterung von ſogenanntem ſpaniſchen Mos, zarten Wurzeln und dergleichen. Die Brutzeit ſcheint nicht an beſtimmte Monate des Jahres gebunden zu ſein; Bachman fand noch Eier im Juni und Audubon bereits zu Ende Februars. Ein Gelege enthält drei bis vier Eier, welche ebenfalls denen der Scharben ähneln, länglich eiförmig ſind und trübweiß ausſehen, weil der kalkige Ueberzug das tiefer unten liegende Lichtblau der Schale verdeckt. Die Jungen erhalten in den erſten vierzehn Tagen ihres Lebens ein bräunliches Dunenkleid und ſehen jungen Kormoranen ſehr ähnlich. Jhre Eltern würgen ihnen die Nahrung vor und werden bei ihrem Erſcheinen mit einem leiſen, pfeifenden Rufe begrüßt. Naht ſich ihnen ein Feind, ſo drücken ſie ſich feſt im Neſte nieder, denn nur im äußerſten Nothfalle ſpringen ſie ins Waſſer hinab. Jm Alter von drei Wochen ſproſſen die Schwingen und Schwanzfedern hervor, aber erſt, wenn dieſe faſt ausgebildet ſind, brechen die der Bruſt und des Unterleibes überhaupt durch die Dunen. Erſt wenn ſie vollſtändig fliegen gelernt haben, gehen ſie zu Waſſer. Die Gefangenſchaft ertragen die Schlangenhalsvögel bei einiger Pflege ebenſogut als wie die Scharben; ſie werden auch ſehr bald in gewiſſem Grade zahm und zeigen, wenn ſie jung aufgezogen wurden, innige Anhänglichkeit an den Menſchen. Audubon ſah zwei, welche ihrem Gebieter auf dem Fuße folgten und ſpäter die Erlaubniß erhalten durften, nach Belieben die benachbarten Gewäſſer zu beſuchen, da ſie ſtets rechtzeitig wieder zurückkehrten. Von zwei Jungen, welche Bachman dem Neſte enthoben hatte, mußte der ſtärkere Pflegeelternſtelle bei ſeinem jüngeren Geſchwiſter vertreten und ſchien die ihm zugemuthete Mühe auch ſehr gern zu übernehmen, ließ ſich wenigſtens gefallen, daß der kleine mit ſeinem Schnabel ihm in den Rachen fuhr und verſchlungene Fiſche wieder aus der Gurgel herausholte. Beide waren ſo zahm und ihrem Pfleger ſo anhänglich, daß ſie dieſen förmlich beläſtigten. Anfänglich trug Bachman ſeinen Gefangenen oft zu einem Teiche und warf ihn hier in das Waſſer, mußte aber zu ſeinem Erſtaunen bemerken, daß der Schlangenhalsvogel ſtets ſo eilig als möglich dem Lande zuſchwamm, gleichſam als ob er ſein Element fürchte; ſpäter verlor ſich dieſe Scheu. Schon in früheſter Jugend benahm ſich die Anhinga angeſichts anderer Thiere muthig und furchtlos; die Hähne und Truthühner auf dem Hofe wichen ihr bald ehrfurchtsvoll aus, und auch die Hunde wagten ſich nicht gern in ihre Nähe, weil ſie nie verfehlte, ihnen gelegener Zeit einen ſcharfen Hieb zu verſetzen. Als der Vogel erwachſen war, ging er tagtäglich zu den nächſten Teichen, um dort zu fiſchen, kehrte hierauf zurück, flog auf die hohen Spitzen des Zaunes und blieb hier ſitzen, entweder um ſich zu ſonnen oder um zu ſchlafen. Kälte ſchien ihm höchſt unangenehm zu ſein und um ihr zu entgehen, ging er in die Küche und ſtellte ſich in die Nähe des Feuers, kämpfte auch mit dem Hunde oder ſelbſt mit dem Koche um den behaglichſten Platz an dem Herde. Jm Sonnenſchein hingegen breitete er Schwingen und Flügel, blähte alle Federn und ſchien beglückt von der Wärme zu ſein. Gelegentlich wurde er ein paar Tage lang nicht gefüttert, nahm Dies aber ſehr übel und rannte dann kreiſchend im Hofe umher oder hieb nach den Dienern, welche ſich in ſeine Nähe wagten, gleichſam als wolle er ſie an ihre Nachläſſigkeit erinnern. Jn abgelegenen, von den Menſchen wenig beſuchten Gegenden ſind die Schlangenhalsvögel ſo wenig ſcheu, daß ihre Jagd kaum Mühe verurſacht. Man verſucht, die Schlafbäume zu erkunden, ſtellt ſich unter dieſen nachmittags an und erwartet die Ankunft der Vögel. Nach dem Schuſſe

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 922. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/974>, abgerufen am 23.11.2024.