daß die Anhinga auf allen ruhigen Baien der Westküste von Südamerika sehr gemein sei, nicht wider- legen soll, beweist sie doch soviel, daß unser Vogel das süße Wasser entschieden bevorzugt. Hierin stimmen alle Forscher überein.
Bei meinen Reisen auf dem weißen und blauen Nile habe ich den Schlangenhalsvogel oft gesehen und manche Stunde, manchen Tag seiner Jagd gewidmet: so genau aber, wie Audubon die Anhinga, habe ich ihn freilich nicht beobachten können. Jch werde mich deshalb im Nachfolgenden wesentlich mit auf die Mittheilungen des letztgenannten Forschers stützen, soweit sie meinen eigenen Wahr- nehmungen entsprechen.
Die Schlangenhalsvögel bewohnen Ströme, Seen und Sümpfe, in deren Nähe Bäume stehen, am liebsten solche, welche baumreiche Jnseln umschließen. Von den Bäumen fliegen sie am Morgen aus, um ihre Jagd zu beginnen, und zu den Bäumen kehren sie zurück, um zu schlafen oder um sich auszuruhen; auf den Bäumen steht auch in der Regel ihr Nest. Allerdings ruhen und brüten sie wie die Scharben unter Umständen auch auf Felsen, gewiß aber nur, wenn es ihnen an Bäumen fehlt. Jene wunderbaren, an Thieren so unendlich reichen Sümpfe im Süden der Vereinigten Staaten oder die Ströme und Regenseen Jnnerafrikas, Südasiens und Neuhollands bieten ihnen alle Erfordernisse zum Leben und beherbergen sie deshalb in ziemlicher Anzahl. So gesellig wie die Scharben kann man sie freilich nicht nennen; denn mehr als zehn bis zwanzig von ihnen steht man kaum jemals vereinigt; gern aber halten sich fünf bis acht zusammen auf einem und demselben See-, Teich- oder Flußtheile auf, und gern vereinigen sich mehrere solche Trupps abends auf den beliebten Schlafbäumen. Während der Brutzeit mögen an günstigen Stellen noch zahlreichere Vereinigungen stattfinden.
Es gibt kaum einen Namen, welcher besser gewählt sein könnte als der von den Hottentotten unserem Vogel verliehene. Der Hals erinnert wirklich an eine Schlange: er ist nicht blos ähnlich gezeichnet, sondern wird auch in ähnlicher Weise bewegt. Wenn der Vogel tauchend zwischen der Oberfläche und dem Grunde des Wassers dahinschwimmt, wird er selbst zur Schlange, und wenn er sich zur Wehre setzen muß oder einen Feind angreifen will, wirft er diesen Hals mit einer so blitz- artigen Schnelligkeit vor, daß man wiederum an einen Angriff der Viper denken muß.
Alle Schlangenhalsvögel bekunden die Meisterschaft ihrer Bewegung im Wasser. Sie sind vollendete Schwimmer, noch vollendetere Taucher. Eine Scharbe erscheint ihnen gegenüber als Stümper. Jhnen gebührt zum Mindesten innerhalb ihrer Ordnung in dieser Fertigkeit der Preis; sie werden aber wohl auch kaum von einem anderen Schwimmer oder Taucher überhaupt übertroffen. Da, wo sie ihrem Fischfange behaglich nachgehen können und sich vollständig sicher fühlen, schwimmen sie mit bis zur Hälfte eingetauchtem Leibe auf der Oberfläche des Wassers dahin; sowie sie aber einen Menschen oder ein gefährliches Thier gewahren, senken sie sich so tief ein, daß nur noch der dünne Hals hervorragt. Durch dieses Mittel entzieht sich der Schlangenhalsvogel den Blicken außerordentlich leicht: man kann nah bei ihm vorübergehen, ohne ihn zu gewahren, selbst wenn er sich auf ganz freiem Wasser bewegt, während er zwischen Schilf, Buschwerk und dergleichen, wenn er es will, auch dem schärfsten Auge verschwindet. Sieht er sich verfolgt, so beginnt er sofort nach dem Versenken seines Leibes unter das Wasser auch zu tauchen und führt Dies mit einer ans Wunderbare grenzenden Meisterschaft aus. Er gebraucht die Flügel nicht zur Mithilfe, obgleich er sie etwas vom Körper abhält, sondern rudert nur mit den Beinen und steuert mit dem Schwanze, bewegt sich aber mit einer Schnelligkeit, Gewandtheit und Sicherheit, daß er selbst den schnellsten Fisch noch übertrifft. Strecken von mehr als zweihundert Fuß durchmißt er in weniger als einer Minute Zeit: es scheint, daß er unter Wasser sich viel schneller fördert als auf der Oberfläche schwimmend. Auf dem Lande bewegt sich der Schlangenhalsvogel zwar scheinbar sehr schwerfällig, watschelnd und wackelnd, aber doch verhältnißmäßig rasch; im Gezweig der Bäume bekundet er eine Geschicklichkeit, welche man nicht vermuthen möchte, da er sich nicht blos auf Aesten festzuhalten vermag, sondern auch hin- und herzugehen weiß, obgleich er dann freilich sich mit ausgebreiteten Flügeln im Gleichgewichte halten
Die Schwimmer. Ruderfüßler. Scharben.
daß die Anhinga auf allen ruhigen Baien der Weſtküſte von Südamerika ſehr gemein ſei, nicht wider- legen ſoll, beweiſt ſie doch ſoviel, daß unſer Vogel das ſüße Waſſer entſchieden bevorzugt. Hierin ſtimmen alle Forſcher überein.
Bei meinen Reiſen auf dem weißen und blauen Nile habe ich den Schlangenhalsvogel oft geſehen und manche Stunde, manchen Tag ſeiner Jagd gewidmet: ſo genau aber, wie Audubon die Anhinga, habe ich ihn freilich nicht beobachten können. Jch werde mich deshalb im Nachfolgenden weſentlich mit auf die Mittheilungen des letztgenannten Forſchers ſtützen, ſoweit ſie meinen eigenen Wahr- nehmungen entſprechen.
Die Schlangenhalsvögel bewohnen Ströme, Seen und Sümpfe, in deren Nähe Bäume ſtehen, am liebſten ſolche, welche baumreiche Jnſeln umſchließen. Von den Bäumen fliegen ſie am Morgen aus, um ihre Jagd zu beginnen, und zu den Bäumen kehren ſie zurück, um zu ſchlafen oder um ſich auszuruhen; auf den Bäumen ſteht auch in der Regel ihr Neſt. Allerdings ruhen und brüten ſie wie die Scharben unter Umſtänden auch auf Felſen, gewiß aber nur, wenn es ihnen an Bäumen fehlt. Jene wunderbaren, an Thieren ſo unendlich reichen Sümpfe im Süden der Vereinigten Staaten oder die Ströme und Regenſeen Jnnerafrikas, Südaſiens und Neuhollands bieten ihnen alle Erforderniſſe zum Leben und beherbergen ſie deshalb in ziemlicher Anzahl. So geſellig wie die Scharben kann man ſie freilich nicht nennen; denn mehr als zehn bis zwanzig von ihnen ſteht man kaum jemals vereinigt; gern aber halten ſich fünf bis acht zuſammen auf einem und demſelben See-, Teich- oder Flußtheile auf, und gern vereinigen ſich mehrere ſolche Trupps abends auf den beliebten Schlafbäumen. Während der Brutzeit mögen an günſtigen Stellen noch zahlreichere Vereinigungen ſtattfinden.
Es gibt kaum einen Namen, welcher beſſer gewählt ſein könnte als der von den Hottentotten unſerem Vogel verliehene. Der Hals erinnert wirklich an eine Schlange: er iſt nicht blos ähnlich gezeichnet, ſondern wird auch in ähnlicher Weiſe bewegt. Wenn der Vogel tauchend zwiſchen der Oberfläche und dem Grunde des Waſſers dahinſchwimmt, wird er ſelbſt zur Schlange, und wenn er ſich zur Wehre ſetzen muß oder einen Feind angreifen will, wirft er dieſen Hals mit einer ſo blitz- artigen Schnelligkeit vor, daß man wiederum an einen Angriff der Viper denken muß.
Alle Schlangenhalsvögel bekunden die Meiſterſchaft ihrer Bewegung im Waſſer. Sie ſind vollendete Schwimmer, noch vollendetere Taucher. Eine Scharbe erſcheint ihnen gegenüber als Stümper. Jhnen gebührt zum Mindeſten innerhalb ihrer Ordnung in dieſer Fertigkeit der Preis; ſie werden aber wohl auch kaum von einem anderen Schwimmer oder Taucher überhaupt übertroffen. Da, wo ſie ihrem Fiſchfange behaglich nachgehen können und ſich vollſtändig ſicher fühlen, ſchwimmen ſie mit bis zur Hälfte eingetauchtem Leibe auf der Oberfläche des Waſſers dahin; ſowie ſie aber einen Menſchen oder ein gefährliches Thier gewahren, ſenken ſie ſich ſo tief ein, daß nur noch der dünne Hals hervorragt. Durch dieſes Mittel entzieht ſich der Schlangenhalsvogel den Blicken außerordentlich leicht: man kann nah bei ihm vorübergehen, ohne ihn zu gewahren, ſelbſt wenn er ſich auf ganz freiem Waſſer bewegt, während er zwiſchen Schilf, Buſchwerk und dergleichen, wenn er es will, auch dem ſchärfſten Auge verſchwindet. Sieht er ſich verfolgt, ſo beginnt er ſofort nach dem Verſenken ſeines Leibes unter das Waſſer auch zu tauchen und führt Dies mit einer ans Wunderbare grenzenden Meiſterſchaft aus. Er gebraucht die Flügel nicht zur Mithilfe, obgleich er ſie etwas vom Körper abhält, ſondern rudert nur mit den Beinen und ſteuert mit dem Schwanze, bewegt ſich aber mit einer Schnelligkeit, Gewandtheit und Sicherheit, daß er ſelbſt den ſchnellſten Fiſch noch übertrifft. Strecken von mehr als zweihundert Fuß durchmißt er in weniger als einer Minute Zeit: es ſcheint, daß er unter Waſſer ſich viel ſchneller fördert als auf der Oberfläche ſchwimmend. Auf dem Lande bewegt ſich der Schlangenhalsvogel zwar ſcheinbar ſehr ſchwerfällig, watſchelnd und wackelnd, aber doch verhältnißmäßig raſch; im Gezweig der Bäume bekundet er eine Geſchicklichkeit, welche man nicht vermuthen möchte, da er ſich nicht blos auf Aeſten feſtzuhalten vermag, ſondern auch hin- und herzugehen weiß, obgleich er dann freilich ſich mit ausgebreiteten Flügeln im Gleichgewichte halten
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0972"n="920"/><fwplace="top"type="header">Die Schwimmer. Ruderfüßler. Scharben.</fw><lb/>
daß die Anhinga auf allen ruhigen Baien der Weſtküſte von Südamerika ſehr gemein ſei, nicht wider-<lb/>
legen ſoll, beweiſt ſie doch ſoviel, daß unſer Vogel das ſüße Waſſer entſchieden bevorzugt. Hierin<lb/>ſtimmen alle Forſcher überein.</p><lb/><p>Bei meinen Reiſen auf dem weißen und blauen Nile habe ich den Schlangenhalsvogel oft geſehen<lb/>
und manche Stunde, manchen Tag ſeiner Jagd gewidmet: ſo genau aber, wie <hirendition="#g">Audubon</hi> die Anhinga,<lb/>
habe ich ihn freilich nicht beobachten können. Jch werde mich deshalb im Nachfolgenden weſentlich<lb/>
mit auf die Mittheilungen des letztgenannten Forſchers ſtützen, ſoweit ſie meinen eigenen Wahr-<lb/>
nehmungen entſprechen.</p><lb/><p>Die Schlangenhalsvögel bewohnen Ströme, Seen und Sümpfe, in deren Nähe Bäume ſtehen,<lb/>
am liebſten ſolche, welche baumreiche Jnſeln umſchließen. Von den Bäumen fliegen ſie am Morgen<lb/>
aus, um ihre Jagd zu beginnen, und zu den Bäumen kehren ſie zurück, um zu ſchlafen oder um ſich<lb/>
auszuruhen; auf den Bäumen ſteht auch in der Regel ihr Neſt. Allerdings ruhen und brüten ſie<lb/>
wie die Scharben unter Umſtänden auch auf Felſen, gewiß aber nur, wenn es ihnen an Bäumen<lb/>
fehlt. Jene wunderbaren, an Thieren ſo unendlich reichen Sümpfe im Süden der Vereinigten<lb/>
Staaten oder die Ströme und Regenſeen Jnnerafrikas, Südaſiens und Neuhollands bieten ihnen alle<lb/>
Erforderniſſe zum Leben und beherbergen ſie deshalb in ziemlicher Anzahl. So geſellig wie die<lb/>
Scharben kann man ſie freilich nicht nennen; denn mehr als zehn bis zwanzig von ihnen ſteht man<lb/>
kaum jemals vereinigt; gern aber halten ſich fünf bis acht zuſammen auf einem und demſelben See-,<lb/>
Teich- oder Flußtheile auf, und gern vereinigen ſich mehrere ſolche Trupps abends auf den beliebten<lb/>
Schlafbäumen. Während der Brutzeit mögen an günſtigen Stellen noch zahlreichere Vereinigungen<lb/>ſtattfinden.</p><lb/><p>Es gibt kaum einen Namen, welcher beſſer gewählt ſein könnte als der von den Hottentotten<lb/>
unſerem Vogel verliehene. Der Hals erinnert wirklich an eine Schlange: er iſt nicht blos ähnlich<lb/>
gezeichnet, ſondern wird auch in ähnlicher Weiſe bewegt. Wenn der Vogel tauchend zwiſchen der<lb/>
Oberfläche und dem Grunde des Waſſers dahinſchwimmt, wird er ſelbſt zur Schlange, und wenn er<lb/>ſich zur Wehre ſetzen muß oder einen Feind angreifen will, wirft er dieſen Hals mit einer ſo blitz-<lb/>
artigen Schnelligkeit vor, daß man wiederum an einen Angriff der Viper denken muß.</p><lb/><p>Alle Schlangenhalsvögel bekunden die Meiſterſchaft ihrer Bewegung im Waſſer. Sie ſind<lb/>
vollendete Schwimmer, noch vollendetere Taucher. Eine Scharbe erſcheint ihnen gegenüber als<lb/>
Stümper. Jhnen gebührt zum Mindeſten innerhalb ihrer Ordnung in dieſer Fertigkeit der Preis;<lb/>ſie werden aber wohl auch kaum von einem anderen Schwimmer oder Taucher überhaupt übertroffen.<lb/>
Da, wo ſie ihrem Fiſchfange behaglich nachgehen können und ſich vollſtändig ſicher fühlen, ſchwimmen<lb/>ſie mit bis zur Hälfte eingetauchtem Leibe auf der Oberfläche des Waſſers dahin; ſowie ſie aber einen<lb/>
Menſchen oder ein gefährliches Thier gewahren, ſenken ſie ſich ſo tief ein, daß nur noch der dünne<lb/>
Hals hervorragt. Durch dieſes Mittel entzieht ſich der Schlangenhalsvogel den Blicken außerordentlich<lb/>
leicht: man kann nah bei ihm vorübergehen, ohne ihn zu gewahren, ſelbſt wenn er ſich auf ganz freiem<lb/>
Waſſer bewegt, während er zwiſchen Schilf, Buſchwerk und dergleichen, wenn er es will, auch dem<lb/>ſchärfſten Auge verſchwindet. Sieht er ſich verfolgt, ſo beginnt er ſofort nach dem Verſenken ſeines<lb/>
Leibes unter das Waſſer auch zu tauchen und führt Dies mit einer ans Wunderbare grenzenden<lb/>
Meiſterſchaft aus. Er gebraucht die Flügel nicht zur Mithilfe, obgleich er ſie etwas vom Körper<lb/>
abhält, ſondern rudert nur mit den Beinen und ſteuert mit dem Schwanze, bewegt ſich aber mit<lb/>
einer Schnelligkeit, Gewandtheit und Sicherheit, daß er ſelbſt den ſchnellſten Fiſch noch übertrifft.<lb/>
Strecken von mehr als zweihundert Fuß durchmißt er in weniger als einer Minute Zeit: es ſcheint,<lb/>
daß er unter Waſſer ſich viel ſchneller fördert als auf der Oberfläche ſchwimmend. Auf dem Lande<lb/>
bewegt ſich der Schlangenhalsvogel zwar ſcheinbar ſehr ſchwerfällig, watſchelnd und wackelnd, aber<lb/>
doch verhältnißmäßig raſch; im Gezweig der Bäume bekundet er eine Geſchicklichkeit, welche man<lb/>
nicht vermuthen möchte, da er ſich nicht blos auf Aeſten feſtzuhalten vermag, ſondern auch hin- und<lb/>
herzugehen weiß, obgleich er dann freilich ſich mit ausgebreiteten Flügeln im Gleichgewichte halten<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[920/0972]
Die Schwimmer. Ruderfüßler. Scharben.
daß die Anhinga auf allen ruhigen Baien der Weſtküſte von Südamerika ſehr gemein ſei, nicht wider-
legen ſoll, beweiſt ſie doch ſoviel, daß unſer Vogel das ſüße Waſſer entſchieden bevorzugt. Hierin
ſtimmen alle Forſcher überein.
Bei meinen Reiſen auf dem weißen und blauen Nile habe ich den Schlangenhalsvogel oft geſehen
und manche Stunde, manchen Tag ſeiner Jagd gewidmet: ſo genau aber, wie Audubon die Anhinga,
habe ich ihn freilich nicht beobachten können. Jch werde mich deshalb im Nachfolgenden weſentlich
mit auf die Mittheilungen des letztgenannten Forſchers ſtützen, ſoweit ſie meinen eigenen Wahr-
nehmungen entſprechen.
Die Schlangenhalsvögel bewohnen Ströme, Seen und Sümpfe, in deren Nähe Bäume ſtehen,
am liebſten ſolche, welche baumreiche Jnſeln umſchließen. Von den Bäumen fliegen ſie am Morgen
aus, um ihre Jagd zu beginnen, und zu den Bäumen kehren ſie zurück, um zu ſchlafen oder um ſich
auszuruhen; auf den Bäumen ſteht auch in der Regel ihr Neſt. Allerdings ruhen und brüten ſie
wie die Scharben unter Umſtänden auch auf Felſen, gewiß aber nur, wenn es ihnen an Bäumen
fehlt. Jene wunderbaren, an Thieren ſo unendlich reichen Sümpfe im Süden der Vereinigten
Staaten oder die Ströme und Regenſeen Jnnerafrikas, Südaſiens und Neuhollands bieten ihnen alle
Erforderniſſe zum Leben und beherbergen ſie deshalb in ziemlicher Anzahl. So geſellig wie die
Scharben kann man ſie freilich nicht nennen; denn mehr als zehn bis zwanzig von ihnen ſteht man
kaum jemals vereinigt; gern aber halten ſich fünf bis acht zuſammen auf einem und demſelben See-,
Teich- oder Flußtheile auf, und gern vereinigen ſich mehrere ſolche Trupps abends auf den beliebten
Schlafbäumen. Während der Brutzeit mögen an günſtigen Stellen noch zahlreichere Vereinigungen
ſtattfinden.
Es gibt kaum einen Namen, welcher beſſer gewählt ſein könnte als der von den Hottentotten
unſerem Vogel verliehene. Der Hals erinnert wirklich an eine Schlange: er iſt nicht blos ähnlich
gezeichnet, ſondern wird auch in ähnlicher Weiſe bewegt. Wenn der Vogel tauchend zwiſchen der
Oberfläche und dem Grunde des Waſſers dahinſchwimmt, wird er ſelbſt zur Schlange, und wenn er
ſich zur Wehre ſetzen muß oder einen Feind angreifen will, wirft er dieſen Hals mit einer ſo blitz-
artigen Schnelligkeit vor, daß man wiederum an einen Angriff der Viper denken muß.
Alle Schlangenhalsvögel bekunden die Meiſterſchaft ihrer Bewegung im Waſſer. Sie ſind
vollendete Schwimmer, noch vollendetere Taucher. Eine Scharbe erſcheint ihnen gegenüber als
Stümper. Jhnen gebührt zum Mindeſten innerhalb ihrer Ordnung in dieſer Fertigkeit der Preis;
ſie werden aber wohl auch kaum von einem anderen Schwimmer oder Taucher überhaupt übertroffen.
Da, wo ſie ihrem Fiſchfange behaglich nachgehen können und ſich vollſtändig ſicher fühlen, ſchwimmen
ſie mit bis zur Hälfte eingetauchtem Leibe auf der Oberfläche des Waſſers dahin; ſowie ſie aber einen
Menſchen oder ein gefährliches Thier gewahren, ſenken ſie ſich ſo tief ein, daß nur noch der dünne
Hals hervorragt. Durch dieſes Mittel entzieht ſich der Schlangenhalsvogel den Blicken außerordentlich
leicht: man kann nah bei ihm vorübergehen, ohne ihn zu gewahren, ſelbſt wenn er ſich auf ganz freiem
Waſſer bewegt, während er zwiſchen Schilf, Buſchwerk und dergleichen, wenn er es will, auch dem
ſchärfſten Auge verſchwindet. Sieht er ſich verfolgt, ſo beginnt er ſofort nach dem Verſenken ſeines
Leibes unter das Waſſer auch zu tauchen und führt Dies mit einer ans Wunderbare grenzenden
Meiſterſchaft aus. Er gebraucht die Flügel nicht zur Mithilfe, obgleich er ſie etwas vom Körper
abhält, ſondern rudert nur mit den Beinen und ſteuert mit dem Schwanze, bewegt ſich aber mit
einer Schnelligkeit, Gewandtheit und Sicherheit, daß er ſelbſt den ſchnellſten Fiſch noch übertrifft.
Strecken von mehr als zweihundert Fuß durchmißt er in weniger als einer Minute Zeit: es ſcheint,
daß er unter Waſſer ſich viel ſchneller fördert als auf der Oberfläche ſchwimmend. Auf dem Lande
bewegt ſich der Schlangenhalsvogel zwar ſcheinbar ſehr ſchwerfällig, watſchelnd und wackelnd, aber
doch verhältnißmäßig raſch; im Gezweig der Bäume bekundet er eine Geſchicklichkeit, welche man
nicht vermuthen möchte, da er ſich nicht blos auf Aeſten feſtzuhalten vermag, ſondern auch hin- und
herzugehen weiß, obgleich er dann freilich ſich mit ausgebreiteten Flügeln im Gleichgewichte halten
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 920. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/972>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.