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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Die Schwimmer. Seeflieger. Sturmschwalben.
nehmen ihre alte Stellung wieder an. Wenn sie eine Beute erspähen, eilen sie laufend auf dieselbe
zu und nehmen sie mit dem Schnabel auf, worauf sie wiederum weiter schweben. Zum Schwimmen
entschließen sie sich so selten, daß sogar die sorgfältigsten Beobachter behauptet haben, sie thäten es
nie; es scheint auch, als ob sie sich wirklich blos zum Ausruhen auf das Wasser setzen, nicht aber
rudernd auf ihm sich weiter bewegen. Jhre Flugkraft ist außerordentlich groß. Sie fliegen buch-
stäblich tagelang, ohne sich auszuruhen, oder sie ruhen sich aus, indem sie eine andere Stellung
annehmen, beispielsweise aus dem schwebenden Laufe in wirklichen Flug übergehen und umgekehrt.
Nur längerwährende Stürme sind im Stande, sie zu entkräften, aber nicht weil der Kampf gegen den
Wind sie ermüdet, sondern weil der Sturm auch ihre Ernährung erschwert und sie in Folge von
Hunger ermatten. Gerade der Wind erleichtert ihnen das Fliegen: sie stellen sich ihm einfach entgegen
und werden von ihm getragen und gehalten, solange sie ihre Segelflügel in entsprechender Weise
richten. Während ihres Fluges vernimmt man selten eine Stimme von ihnen: am schweigsamsten
sind sie bei Tage, welcher für sie die Zeit der Ruhe zu sein scheint; am muntersten zeigen sie sich gegen
Abend und kurz nach Sonnenuntergang. Dann hört man, wenn der Wind Dies zuläßt, ihren
Lockton, welcher wie "Uib, uib, uib, uäh, uäh" und ähnlich klingt. Jhr Wesen scheint ungemein
harmlos zu sein. Mit Jhresgleichen leben sie im tiefsten Frieden, um andere Vögel bekümmern
sie sich nicht. Jhrem Elemente entrückt verlieren sie gleichsam die Besinnung und wissen sich in keiner
Weise zu helfen; deshalb gelten sie, gewiß aber mit Unrecht, für die dümmsten aller Vögel.

Weichthiere der verschiedensten Art, kleine Krebse, vielleicht auch Fischchen, bilden die Nahrung,
fettige Stoffe, Oel und dergleichen, welche auf dem Meere schwimmen, werden ebenfalls von ihnen auf-
genommen. Mehr läßt sich nicht sagen, da man in dem Magen der Getödteten immer nur
thranige Flüssigkeit, niemals aber eine Spur von Thieren findet.

Höchst anziehend wird die Sturmschwalbe während ihrer Fortpflanzung. Der erste ausführliche
Bericht über diese, welche wir Graba verdanken, ist noch nicht übertroffen worden und soll deshalb
von mir, soviel als möglich dem Wortlaute nach, wiedergegeben werden. "Als ich unserem Wirthe,
John Dalsgaard, den Wunsch geäußert hatte, womöglich einen Drunquiti (Sturmschwalbe) zu
erhalten, wurden die Leute befragt, ob sie ein Nest wüßten. Ein Knabe hatte eins entdeckt und führte
uns zur dicken Steinwand eines etwas vom Hause entfernt liegenden Stalles, wo es sich zwischen den
Steinen befinden sollte; er wußte jedoch die Stelle nicht genau, entdeckte sie aber bald auf eine
wunderbare Weise. Er hielt nämlich den Mund gegen mehrere Nitzen der Wand und rief: "Klürr",
worauf sich sogleich ein feines "Kekereki" vernahm, welches sich bei jedem ausgestoßenen Klürr
wiederholte. Hier wurde nun mit Spaten und Brecheisen wohl eine halbe Stunde gearbeitet, da der
Stein nicht weichen wollte, wobei die feine Stimme der kleinen Geängsteten verstummte. Endlich
zeigte sich das aus einigen Grashalmen bestehende Nest; aber der Drunquiti war nicht zu finden: er
hatte sich höher hinauf zwischen die losen Steine verkrochen, wurde jedoch endlich entdeckt und an das
Tageslicht befördert. Sobald er herausgezogen war, spie er mit einer Seitenbewegung des Kopfes
und Halses dreimal einen Strahl von gelbem Thrane aus, von denen der erste der stärkste, die folgenden
dünner waren. Die nachherigen Versuche zu speien, mißlangen, indessen floß ihm noch immer
einiger Thran aus dem Halse ...."

"Er ist der harmloseste Vogel, welchen es geben kann und macht nicht einmal Versuche, sich zu
wehren oder den Angreifenden zu beißen, sobald er erst seinen Thran von sich gespieen hat. Auf
meinem Zimmer war er so zahm, daß ich ihn anfassen und herumtragen, streicheln und forttreiben
konnte, wie es mir beliebte. Die tiefste Niedergeschlagenheit drückte sich in seiner Stellung aus. Er
saß unbeweglich auf den Fußwurzeln, ohne daß die Bauchfedern die Erde berührten, ließ den Kopf
hängen und verfiel gleich wieder in diese Stellung, wenn man ihn in Ruhe ließ. Nie machte er einen
Versuch, im Zimmer seine Flugwerkzeuge zu gebrauchen, sondern ging nur einige Schritte schwerfällig
vorwärts, wobei ihm oft die Fersen einknickten, sobald er aufgejagt wurde. Wenn er stand, was ihm
schwer zu werden schien, glich er in Stellung und Haltung des Körpers der Skua; der Körper wurde

Die Schwimmer. Seeflieger. Sturmſchwalben.
nehmen ihre alte Stellung wieder an. Wenn ſie eine Beute erſpähen, eilen ſie laufend auf dieſelbe
zu und nehmen ſie mit dem Schnabel auf, worauf ſie wiederum weiter ſchweben. Zum Schwimmen
entſchließen ſie ſich ſo ſelten, daß ſogar die ſorgfältigſten Beobachter behauptet haben, ſie thäten es
nie; es ſcheint auch, als ob ſie ſich wirklich blos zum Ausruhen auf das Waſſer ſetzen, nicht aber
rudernd auf ihm ſich weiter bewegen. Jhre Flugkraft iſt außerordentlich groß. Sie fliegen buch-
ſtäblich tagelang, ohne ſich auszuruhen, oder ſie ruhen ſich aus, indem ſie eine andere Stellung
annehmen, beiſpielsweiſe aus dem ſchwebenden Laufe in wirklichen Flug übergehen und umgekehrt.
Nur längerwährende Stürme ſind im Stande, ſie zu entkräften, aber nicht weil der Kampf gegen den
Wind ſie ermüdet, ſondern weil der Sturm auch ihre Ernährung erſchwert und ſie in Folge von
Hunger ermatten. Gerade der Wind erleichtert ihnen das Fliegen: ſie ſtellen ſich ihm einfach entgegen
und werden von ihm getragen und gehalten, ſolange ſie ihre Segelflügel in entſprechender Weiſe
richten. Während ihres Fluges vernimmt man ſelten eine Stimme von ihnen: am ſchweigſamſten
ſind ſie bei Tage, welcher für ſie die Zeit der Ruhe zu ſein ſcheint; am munterſten zeigen ſie ſich gegen
Abend und kurz nach Sonnenuntergang. Dann hört man, wenn der Wind Dies zuläßt, ihren
Lockton, welcher wie „Uib, uib, uib, uäh, uäh“ und ähnlich klingt. Jhr Weſen ſcheint ungemein
harmlos zu ſein. Mit Jhresgleichen leben ſie im tiefſten Frieden, um andere Vögel bekümmern
ſie ſich nicht. Jhrem Elemente entrückt verlieren ſie gleichſam die Beſinnung und wiſſen ſich in keiner
Weiſe zu helfen; deshalb gelten ſie, gewiß aber mit Unrecht, für die dümmſten aller Vögel.

Weichthiere der verſchiedenſten Art, kleine Krebſe, vielleicht auch Fiſchchen, bilden die Nahrung,
fettige Stoffe, Oel und dergleichen, welche auf dem Meere ſchwimmen, werden ebenfalls von ihnen auf-
genommen. Mehr läßt ſich nicht ſagen, da man in dem Magen der Getödteten immer nur
thranige Flüſſigkeit, niemals aber eine Spur von Thieren findet.

Höchſt anziehend wird die Sturmſchwalbe während ihrer Fortpflanzung. Der erſte ausführliche
Bericht über dieſe, welche wir Graba verdanken, iſt noch nicht übertroffen worden und ſoll deshalb
von mir, ſoviel als möglich dem Wortlaute nach, wiedergegeben werden. „Als ich unſerem Wirthe,
John Dalsgaard, den Wunſch geäußert hatte, womöglich einen Drunquiti (Sturmſchwalbe) zu
erhalten, wurden die Leute befragt, ob ſie ein Neſt wüßten. Ein Knabe hatte eins entdeckt und führte
uns zur dicken Steinwand eines etwas vom Hauſe entfernt liegenden Stalles, wo es ſich zwiſchen den
Steinen befinden ſollte; er wußte jedoch die Stelle nicht genau, entdeckte ſie aber bald auf eine
wunderbare Weiſe. Er hielt nämlich den Mund gegen mehrere Nitzen der Wand und rief: „Klürr“,
worauf ſich ſogleich ein feines „Kekereki“ vernahm, welches ſich bei jedem ausgeſtoßenen Klürr
wiederholte. Hier wurde nun mit Spaten und Brecheiſen wohl eine halbe Stunde gearbeitet, da der
Stein nicht weichen wollte, wobei die feine Stimme der kleinen Geängſteten verſtummte. Endlich
zeigte ſich das aus einigen Grashalmen beſtehende Neſt; aber der Drunquiti war nicht zu finden: er
hatte ſich höher hinauf zwiſchen die loſen Steine verkrochen, wurde jedoch endlich entdeckt und an das
Tageslicht befördert. Sobald er herausgezogen war, ſpie er mit einer Seitenbewegung des Kopfes
und Halſes dreimal einen Strahl von gelbem Thrane aus, von denen der erſte der ſtärkſte, die folgenden
dünner waren. Die nachherigen Verſuche zu ſpeien, mißlangen, indeſſen floß ihm noch immer
einiger Thran aus dem Halſe ....“

„Er iſt der harmloſeſte Vogel, welchen es geben kann und macht nicht einmal Verſuche, ſich zu
wehren oder den Angreifenden zu beißen, ſobald er erſt ſeinen Thran von ſich geſpieen hat. Auf
meinem Zimmer war er ſo zahm, daß ich ihn anfaſſen und herumtragen, ſtreicheln und forttreiben
konnte, wie es mir beliebte. Die tiefſte Niedergeſchlagenheit drückte ſich in ſeiner Stellung aus. Er
ſaß unbeweglich auf den Fußwurzeln, ohne daß die Bauchfedern die Erde berührten, ließ den Kopf
hängen und verfiel gleich wieder in dieſe Stellung, wenn man ihn in Ruhe ließ. Nie machte er einen
Verſuch, im Zimmer ſeine Flugwerkzeuge zu gebrauchen, ſondern ging nur einige Schritte ſchwerfällig
vorwärts, wobei ihm oft die Ferſen einknickten, ſobald er aufgejagt wurde. Wenn er ſtand, was ihm
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[902/0954] Die Schwimmer. Seeflieger. Sturmſchwalben. nehmen ihre alte Stellung wieder an. Wenn ſie eine Beute erſpähen, eilen ſie laufend auf dieſelbe zu und nehmen ſie mit dem Schnabel auf, worauf ſie wiederum weiter ſchweben. Zum Schwimmen entſchließen ſie ſich ſo ſelten, daß ſogar die ſorgfältigſten Beobachter behauptet haben, ſie thäten es nie; es ſcheint auch, als ob ſie ſich wirklich blos zum Ausruhen auf das Waſſer ſetzen, nicht aber rudernd auf ihm ſich weiter bewegen. Jhre Flugkraft iſt außerordentlich groß. Sie fliegen buch- ſtäblich tagelang, ohne ſich auszuruhen, oder ſie ruhen ſich aus, indem ſie eine andere Stellung annehmen, beiſpielsweiſe aus dem ſchwebenden Laufe in wirklichen Flug übergehen und umgekehrt. Nur längerwährende Stürme ſind im Stande, ſie zu entkräften, aber nicht weil der Kampf gegen den Wind ſie ermüdet, ſondern weil der Sturm auch ihre Ernährung erſchwert und ſie in Folge von Hunger ermatten. Gerade der Wind erleichtert ihnen das Fliegen: ſie ſtellen ſich ihm einfach entgegen und werden von ihm getragen und gehalten, ſolange ſie ihre Segelflügel in entſprechender Weiſe richten. Während ihres Fluges vernimmt man ſelten eine Stimme von ihnen: am ſchweigſamſten ſind ſie bei Tage, welcher für ſie die Zeit der Ruhe zu ſein ſcheint; am munterſten zeigen ſie ſich gegen Abend und kurz nach Sonnenuntergang. Dann hört man, wenn der Wind Dies zuläßt, ihren Lockton, welcher wie „Uib, uib, uib, uäh, uäh“ und ähnlich klingt. Jhr Weſen ſcheint ungemein harmlos zu ſein. Mit Jhresgleichen leben ſie im tiefſten Frieden, um andere Vögel bekümmern ſie ſich nicht. Jhrem Elemente entrückt verlieren ſie gleichſam die Beſinnung und wiſſen ſich in keiner Weiſe zu helfen; deshalb gelten ſie, gewiß aber mit Unrecht, für die dümmſten aller Vögel. Weichthiere der verſchiedenſten Art, kleine Krebſe, vielleicht auch Fiſchchen, bilden die Nahrung, fettige Stoffe, Oel und dergleichen, welche auf dem Meere ſchwimmen, werden ebenfalls von ihnen auf- genommen. Mehr läßt ſich nicht ſagen, da man in dem Magen der Getödteten immer nur thranige Flüſſigkeit, niemals aber eine Spur von Thieren findet. Höchſt anziehend wird die Sturmſchwalbe während ihrer Fortpflanzung. Der erſte ausführliche Bericht über dieſe, welche wir Graba verdanken, iſt noch nicht übertroffen worden und ſoll deshalb von mir, ſoviel als möglich dem Wortlaute nach, wiedergegeben werden. „Als ich unſerem Wirthe, John Dalsgaard, den Wunſch geäußert hatte, womöglich einen Drunquiti (Sturmſchwalbe) zu erhalten, wurden die Leute befragt, ob ſie ein Neſt wüßten. Ein Knabe hatte eins entdeckt und führte uns zur dicken Steinwand eines etwas vom Hauſe entfernt liegenden Stalles, wo es ſich zwiſchen den Steinen befinden ſollte; er wußte jedoch die Stelle nicht genau, entdeckte ſie aber bald auf eine wunderbare Weiſe. Er hielt nämlich den Mund gegen mehrere Nitzen der Wand und rief: „Klürr“, worauf ſich ſogleich ein feines „Kekereki“ vernahm, welches ſich bei jedem ausgeſtoßenen Klürr wiederholte. Hier wurde nun mit Spaten und Brecheiſen wohl eine halbe Stunde gearbeitet, da der Stein nicht weichen wollte, wobei die feine Stimme der kleinen Geängſteten verſtummte. Endlich zeigte ſich das aus einigen Grashalmen beſtehende Neſt; aber der Drunquiti war nicht zu finden: er hatte ſich höher hinauf zwiſchen die loſen Steine verkrochen, wurde jedoch endlich entdeckt und an das Tageslicht befördert. Sobald er herausgezogen war, ſpie er mit einer Seitenbewegung des Kopfes und Halſes dreimal einen Strahl von gelbem Thrane aus, von denen der erſte der ſtärkſte, die folgenden dünner waren. Die nachherigen Verſuche zu ſpeien, mißlangen, indeſſen floß ihm noch immer einiger Thran aus dem Halſe ....“ „Er iſt der harmloſeſte Vogel, welchen es geben kann und macht nicht einmal Verſuche, ſich zu wehren oder den Angreifenden zu beißen, ſobald er erſt ſeinen Thran von ſich geſpieen hat. Auf meinem Zimmer war er ſo zahm, daß ich ihn anfaſſen und herumtragen, ſtreicheln und forttreiben konnte, wie es mir beliebte. Die tiefſte Niedergeſchlagenheit drückte ſich in ſeiner Stellung aus. Er ſaß unbeweglich auf den Fußwurzeln, ohne daß die Bauchfedern die Erde berührten, ließ den Kopf hängen und verfiel gleich wieder in dieſe Stellung, wenn man ihn in Ruhe ließ. Nie machte er einen Verſuch, im Zimmer ſeine Flugwerkzeuge zu gebrauchen, ſondern ging nur einige Schritte ſchwerfällig vorwärts, wobei ihm oft die Ferſen einknickten, ſobald er aufgejagt wurde. Wenn er ſtand, was ihm ſchwer zu werden ſchien, glich er in Stellung und Haltung des Körpers der Skua; der Körper wurde

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 902. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/954>, abgerufen am 23.11.2024.