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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Skua. Schmarotzerraubmöve.
sie hören ließen, waren unverhältnißmäßig schwach; sie bestanden nämlich nur in einem leisen
Pfeifen.



Die Schmarotzerraubmöve (Lestris-Stercorarius-parasitica) ist beträchtlich kleiner und
schlanker gebaut als die Skua, auch durch die bedeutend über die anderen verlängerten, zugespitzten
mittleren Schwanzfedern ausgezeichnet und von Farbe entweder gleichmäßig rußbraun, einen weißen
oder gelblichweißen Stirnflecken und die ebenso gefärbte Kehle ausgenommen, oder auf der Oberseite
rußbraun, an der Kehle gilblich, auf der Unterseite grauweiß, am Kropfe grau, ohne daß hinsichtlich
dieser verschiedenen Färbung Alter oder Geschlecht in Frage kommen. Das Auge ist braun, der
Schnabel schwarz, die Wachshaut dunkelbleigrau, der Fuß blauschwarz. Die Länge beträgt 18 bis
19, die Breite 39 bis 42, die Fittiglänge 12, die Schwanzlänge 7 Zoll.

Soweit unsere Beobachtungen reichen, dürfen wir die Schmarotzerraubmöve als die gemeinste Art
ihrer Familie erklären. Auch sie bewohnt den Norden beider Welten, von Spitzbergen und Grönland
an bis zum mittleren Norwegen herab, ist hier auf Jsland, den Faröern, den im Norden Schott-
lands liegenden Jnseln oder auf Labrador, in Neufundland, ebenso im Behrings- und Ochotskischen
Meere gemein, und streicht im Winter regelmäßig nach der südlichsten Küste der Nordsee herab, verirrt
sich auch ins Binnenland. Mit Ausnahme der Brutzeit lebt sie nur auf dem Meere und keineswegs
immer in der Nähe von Jnseln und Schären, sondern auch, und wie es scheint wochenlang, weit vom
Festlande entfernt.

Selbst der ungeübte Beobachter wird die Schmarotzerraubmöve augenblicklich von jedem anderen
ihm bekannten Vogel unterscheiden, am ersten, wenn er sie fliegen sieht. Jhr Gang ist zwar sehr
hurtig, hat aber nichts Besonderes, und schwimmend ähnelt sie, abgesehen von der dunkleren Färbung,
den kleineren Möven sehr; im Fluge aber unterscheidet sie sich nicht nur von diesen, sondern in
gewisser Hinsicht auch von ihren Verwandten. Naumann sagt mit Recht, daß ihr Flug einer der
merkwürdigsten und veränderlichsten in der ganzen Vogelwelt sei. Oft fliegt sie längere Zeit wie ein
Falk dahin, bald langsam die Flügel bewegend, bald wieder auf größere Strecken hin schwebend, sodaß
man sie, von fern gesehen, wohl mit einem Weih verwechseln kann; plötzlich aber zittert oder wedelt sie
ungemein hastig mit den Flügeln, stürzt sich in einen Bogen hernieder, steigt wieder aufwärts, bildet
eine schlängelnde Linie, welche aus größeren und kleineren Bogen zusammengesetzt wird, schießt mit
rasender Eile nach unten, fliegt langsam wieder nach oben, erscheint in dem einen Augenblick matt
und schlaff, in dem anderen "wie vom bösen Geist besessen": dreht und wendet sich, zappelt und
flattert, kurz führt die wechselvollsten und manchfachsten Bewegungen aus. Jhr Geschrei klingt dem
des Pfaues ähnlich, also etwa wie ein "Mau", laut und gellend; während der Liebeszeit aber ver-
nimmt man sonderbare Töne, welche man fast einen Gesang nennen möchte, obgleich sie nur aus der
einfachen, obschon sehr verschieden betonten Silbe "Je, je" bestehen. Das geistige Wesen kommt mit
dem der Skua in vieler Hinsicht überein: im Verhältniß zu ihrer Größe ist die Schmarotzerraubmöve
ebenso dreist, zudringlich, muthig, neidisch, hab- und raubgierig wie jene. Nur in einer Hinsicht
scheint sie sich zu unterscheiden: sie liebt die Geselligkeit mit anderen ihrer Art, wenn auch blos bis
zu einem gewissen Grade. Außer der Brutzeit sieht man sie öfters zu kleinen Gesellschaften vereinigt,
während derselben, im Gegensatze zu Verwandten, paarweise so getrennt, daß jedes einzelne Pärchen
ein gewisses Gebiet bewohnt. Von den kleineren Möven wird sie ebenso gefürchtet wie die Skua
von größeren Seefliegern; auffallender Weise aber nisten Brachvögel, Schnepfen und Austernfischer
oder Sturmmöven regelmäßig mit ihr auf einer und derselben Meerfläche.

Auf den Lofodden habe ich die Schmarotzerraubmöve wochenlang tagtäglich beobachtet und dabei
bemerkt, daß sie während des Hochsommers in der Nacht ebenso thätig ist als bei Tage. Oft schien
es mir, als ob sie sich stundenlang mit Kerbthierfangen beschäftigte; trotzdem fand ich in dem Magen

56*

Skua. Schmarotzerraubmöve.
ſie hören ließen, waren unverhältnißmäßig ſchwach; ſie beſtanden nämlich nur in einem leiſen
Pfeifen.



Die Schmarotzerraubmöve (Lestris-Stercorarius-parasitica) iſt beträchtlich kleiner und
ſchlanker gebaut als die Skua, auch durch die bedeutend über die anderen verlängerten, zugeſpitzten
mittleren Schwanzfedern ausgezeichnet und von Farbe entweder gleichmäßig rußbraun, einen weißen
oder gelblichweißen Stirnflecken und die ebenſo gefärbte Kehle ausgenommen, oder auf der Oberſeite
rußbraun, an der Kehle gilblich, auf der Unterſeite grauweiß, am Kropfe grau, ohne daß hinſichtlich
dieſer verſchiedenen Färbung Alter oder Geſchlecht in Frage kommen. Das Auge iſt braun, der
Schnabel ſchwarz, die Wachshaut dunkelbleigrau, der Fuß blauſchwarz. Die Länge beträgt 18 bis
19, die Breite 39 bis 42, die Fittiglänge 12, die Schwanzlänge 7 Zoll.

Soweit unſere Beobachtungen reichen, dürfen wir die Schmarotzerraubmöve als die gemeinſte Art
ihrer Familie erklären. Auch ſie bewohnt den Norden beider Welten, von Spitzbergen und Grönland
an bis zum mittleren Norwegen herab, iſt hier auf Jsland, den Faröern, den im Norden Schott-
lands liegenden Jnſeln oder auf Labrador, in Neufundland, ebenſo im Behrings- und Ochotskiſchen
Meere gemein, und ſtreicht im Winter regelmäßig nach der ſüdlichſten Küſte der Nordſee herab, verirrt
ſich auch ins Binnenland. Mit Ausnahme der Brutzeit lebt ſie nur auf dem Meere und keineswegs
immer in der Nähe von Jnſeln und Schären, ſondern auch, und wie es ſcheint wochenlang, weit vom
Feſtlande entfernt.

Selbſt der ungeübte Beobachter wird die Schmarotzerraubmöve augenblicklich von jedem anderen
ihm bekannten Vogel unterſcheiden, am erſten, wenn er ſie fliegen ſieht. Jhr Gang iſt zwar ſehr
hurtig, hat aber nichts Beſonderes, und ſchwimmend ähnelt ſie, abgeſehen von der dunkleren Färbung,
den kleineren Möven ſehr; im Fluge aber unterſcheidet ſie ſich nicht nur von dieſen, ſondern in
gewiſſer Hinſicht auch von ihren Verwandten. Naumann ſagt mit Recht, daß ihr Flug einer der
merkwürdigſten und veränderlichſten in der ganzen Vogelwelt ſei. Oft fliegt ſie längere Zeit wie ein
Falk dahin, bald langſam die Flügel bewegend, bald wieder auf größere Strecken hin ſchwebend, ſodaß
man ſie, von fern geſehen, wohl mit einem Weih verwechſeln kann; plötzlich aber zittert oder wedelt ſie
ungemein haſtig mit den Flügeln, ſtürzt ſich in einen Bogen hernieder, ſteigt wieder aufwärts, bildet
eine ſchlängelnde Linie, welche aus größeren und kleineren Bogen zuſammengeſetzt wird, ſchießt mit
raſender Eile nach unten, fliegt langſam wieder nach oben, erſcheint in dem einen Augenblick matt
und ſchlaff, in dem anderen „wie vom böſen Geiſt beſeſſen“: dreht und wendet ſich, zappelt und
flattert, kurz führt die wechſelvollſten und manchfachſten Bewegungen aus. Jhr Geſchrei klingt dem
des Pfaues ähnlich, alſo etwa wie ein „Mau“, laut und gellend; während der Liebeszeit aber ver-
nimmt man ſonderbare Töne, welche man faſt einen Geſang nennen möchte, obgleich ſie nur aus der
einfachen, obſchon ſehr verſchieden betonten Silbe „Je, je“ beſtehen. Das geiſtige Weſen kommt mit
dem der Skua in vieler Hinſicht überein: im Verhältniß zu ihrer Größe iſt die Schmarotzerraubmöve
ebenſo dreiſt, zudringlich, muthig, neidiſch, hab- und raubgierig wie jene. Nur in einer Hinſicht
ſcheint ſie ſich zu unterſcheiden: ſie liebt die Geſelligkeit mit anderen ihrer Art, wenn auch blos bis
zu einem gewiſſen Grade. Außer der Brutzeit ſieht man ſie öfters zu kleinen Geſellſchaften vereinigt,
während derſelben, im Gegenſatze zu Verwandten, paarweiſe ſo getrennt, daß jedes einzelne Pärchen
ein gewiſſes Gebiet bewohnt. Von den kleineren Möven wird ſie ebenſo gefürchtet wie die Skua
von größeren Seefliegern; auffallender Weiſe aber niſten Brachvögel, Schnepfen und Auſternfiſcher
oder Sturmmöven regelmäßig mit ihr auf einer und derſelben Meerfläche.

Auf den Lofodden habe ich die Schmarotzerraubmöve wochenlang tagtäglich beobachtet und dabei
bemerkt, daß ſie während des Hochſommers in der Nacht ebenſo thätig iſt als bei Tage. Oft ſchien
es mir, als ob ſie ſich ſtundenlang mit Kerbthierfangen beſchäftigte; trotzdem fand ich in dem Magen

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[883/0935] Skua. Schmarotzerraubmöve. ſie hören ließen, waren unverhältnißmäßig ſchwach; ſie beſtanden nämlich nur in einem leiſen Pfeifen. Die Schmarotzerraubmöve (Lestris-Stercorarius-parasitica) iſt beträchtlich kleiner und ſchlanker gebaut als die Skua, auch durch die bedeutend über die anderen verlängerten, zugeſpitzten mittleren Schwanzfedern ausgezeichnet und von Farbe entweder gleichmäßig rußbraun, einen weißen oder gelblichweißen Stirnflecken und die ebenſo gefärbte Kehle ausgenommen, oder auf der Oberſeite rußbraun, an der Kehle gilblich, auf der Unterſeite grauweiß, am Kropfe grau, ohne daß hinſichtlich dieſer verſchiedenen Färbung Alter oder Geſchlecht in Frage kommen. Das Auge iſt braun, der Schnabel ſchwarz, die Wachshaut dunkelbleigrau, der Fuß blauſchwarz. Die Länge beträgt 18 bis 19, die Breite 39 bis 42, die Fittiglänge 12, die Schwanzlänge 7 Zoll. Soweit unſere Beobachtungen reichen, dürfen wir die Schmarotzerraubmöve als die gemeinſte Art ihrer Familie erklären. Auch ſie bewohnt den Norden beider Welten, von Spitzbergen und Grönland an bis zum mittleren Norwegen herab, iſt hier auf Jsland, den Faröern, den im Norden Schott- lands liegenden Jnſeln oder auf Labrador, in Neufundland, ebenſo im Behrings- und Ochotskiſchen Meere gemein, und ſtreicht im Winter regelmäßig nach der ſüdlichſten Küſte der Nordſee herab, verirrt ſich auch ins Binnenland. Mit Ausnahme der Brutzeit lebt ſie nur auf dem Meere und keineswegs immer in der Nähe von Jnſeln und Schären, ſondern auch, und wie es ſcheint wochenlang, weit vom Feſtlande entfernt. Selbſt der ungeübte Beobachter wird die Schmarotzerraubmöve augenblicklich von jedem anderen ihm bekannten Vogel unterſcheiden, am erſten, wenn er ſie fliegen ſieht. Jhr Gang iſt zwar ſehr hurtig, hat aber nichts Beſonderes, und ſchwimmend ähnelt ſie, abgeſehen von der dunkleren Färbung, den kleineren Möven ſehr; im Fluge aber unterſcheidet ſie ſich nicht nur von dieſen, ſondern in gewiſſer Hinſicht auch von ihren Verwandten. Naumann ſagt mit Recht, daß ihr Flug einer der merkwürdigſten und veränderlichſten in der ganzen Vogelwelt ſei. Oft fliegt ſie längere Zeit wie ein Falk dahin, bald langſam die Flügel bewegend, bald wieder auf größere Strecken hin ſchwebend, ſodaß man ſie, von fern geſehen, wohl mit einem Weih verwechſeln kann; plötzlich aber zittert oder wedelt ſie ungemein haſtig mit den Flügeln, ſtürzt ſich in einen Bogen hernieder, ſteigt wieder aufwärts, bildet eine ſchlängelnde Linie, welche aus größeren und kleineren Bogen zuſammengeſetzt wird, ſchießt mit raſender Eile nach unten, fliegt langſam wieder nach oben, erſcheint in dem einen Augenblick matt und ſchlaff, in dem anderen „wie vom böſen Geiſt beſeſſen“: dreht und wendet ſich, zappelt und flattert, kurz führt die wechſelvollſten und manchfachſten Bewegungen aus. Jhr Geſchrei klingt dem des Pfaues ähnlich, alſo etwa wie ein „Mau“, laut und gellend; während der Liebeszeit aber ver- nimmt man ſonderbare Töne, welche man faſt einen Geſang nennen möchte, obgleich ſie nur aus der einfachen, obſchon ſehr verſchieden betonten Silbe „Je, je“ beſtehen. Das geiſtige Weſen kommt mit dem der Skua in vieler Hinſicht überein: im Verhältniß zu ihrer Größe iſt die Schmarotzerraubmöve ebenſo dreiſt, zudringlich, muthig, neidiſch, hab- und raubgierig wie jene. Nur in einer Hinſicht ſcheint ſie ſich zu unterſcheiden: ſie liebt die Geſelligkeit mit anderen ihrer Art, wenn auch blos bis zu einem gewiſſen Grade. Außer der Brutzeit ſieht man ſie öfters zu kleinen Geſellſchaften vereinigt, während derſelben, im Gegenſatze zu Verwandten, paarweiſe ſo getrennt, daß jedes einzelne Pärchen ein gewiſſes Gebiet bewohnt. Von den kleineren Möven wird ſie ebenſo gefürchtet wie die Skua von größeren Seefliegern; auffallender Weiſe aber niſten Brachvögel, Schnepfen und Auſternfiſcher oder Sturmmöven regelmäßig mit ihr auf einer und derſelben Meerfläche. Auf den Lofodden habe ich die Schmarotzerraubmöve wochenlang tagtäglich beobachtet und dabei bemerkt, daß ſie während des Hochſommers in der Nacht ebenſo thätig iſt als bei Tage. Oft ſchien es mir, als ob ſie ſich ſtundenlang mit Kerbthierfangen beſchäftigte; trotzdem fand ich in dem Magen 56*

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 883. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/935>, abgerufen am 23.11.2024.