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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Die Schwimmer. Seeflieger. Raubmöven.
auswarf, oder liest am Lande Würmer und Kerbthiere auf; sowie sie aber andere fleischfressende
Seevögel von weitem erblickt, eilt sie auf diese zu, beobachtet sie, wartet, bis sie Beute gemacht haben,
stürzt sich herbei und greift sie nun, wie ein gefiederter Räuber sein fliegendes Wild, mit ebenso viel
Kraft und Gewandtheit als Muth und Frechheit an, bis sie die eben erbeutete Nahrung von sich
speien. Gar nicht selten bemächtigt sie sich auch des Vogels selbst. Graba sah, daß sie mit einem
einzigen Stoße einem Papageitaucher den Schädel zerschmetterte, andere Beobachter, daß sie Möven
und Lummen abwürgte, die todt Herabstürzenden zerriß und stückweise verschlang. Todte oder kranke
Vögel, welche auf dem Meere treiben, werden ihr unfehlbar zur Beute, während sie gesunde aus dem
einfachen Grunde unbehelligt läßt, weil diese bei ihrem Erscheinen sich sofort durch Untertauchen zu
retten suchen. Auf den Vogelbergen plündert sie die Nester der dort brütenden Vögel in der rücksichts-
losesten Weise aus, indem sie Eier und Junge weg- und ihrer Brut zuschleppt. "Ein allgemeines
Angstgeschrei", sagt Naumann, "ertönt aus tausend Kehlen zugleich, wenn sich dieser kühne Räuber
einem solchen Nistplatze nähert; jedoch wagt es keiner der Geängstigten, seinem bösen Vorhaben
ernstlich sich zu widersetzen. Er packt das erste beste Junge, und dieses windet sich im Schnabel des
Forteilenden, während die unglückliche Mutter schreiend, aber ohne weiteren Erfolg, ihm ein Stück
nachfliegt. Sobald er sich ungestört sieht, läßt er sich auf das Wasser herab, tödtet die Beute und
verschlingt sie, fliegt dann seinen Jungen zu und würgt sie diesen vor." So wird die Skua zur
Geisel aller Bergvögel. Jhre Angriffe hat man sie stets nur mit dem Schnabel ausführen sehen; doch
mögen auch die scharfen Krallen zuweilen mit benutzt werden. Nach einer reichlichen Mahlzeit wird
sie träge, sucht sich dann eine ruhige Stelle und setzt sich auf dieser mit aufgeblähtem Gefieder nieder,
bis der bald wiederkehrende Hunger zu neuem Ausfluge mahnt.

Mitte Mai's begeben sich die Paare nach den Brutplätzen auf den Bergebenen oder nach den mit
Gras und Mos bedeckten Abhängen der Bergrücken, fertigen sich hier im Grase oder Mose durch
häufiges Herumdrehen ihres Körpers ein rundes Nest und belegen dasselbe in den ersten Tagen des
Juni mit zwei schmuzigölgrünen, braun gefleckten Eiern. Ein Brutplatz, welchen Graba besuchte,
wurde von ungefähr funfzig Paaren bevölkert. Kein anderer Vogel nistet in unmittelbarer Nähe der
Skua; denn jeder fürchtet die gefährliche Nachbarschaft. Männchen und Weibchen brüten abwechselnd
ungefähr vier Wochen lang; Anfangs Juli findet man in den meisten Nestern die in ein braungraues
Flaumenkleid gehüllten Jungen. Naht sich ein Mensch, so verlassen diese das Nest in möglichster
Eile, humpeln, laufen und rennen über dem Boden dahin und verbergen sich dann in der angegebenen
Weise. Die Alten erheben sich bei Ankunft des Feindes sofort in die Luft, schreien fürchterlich und
stoßen mit unvergleichlicher Kühnheit auf den Gegner herab, Menschen ebensowenig scheuend wie
Hunde. Ersteren bringen sie oft derbe Stöße auf den Kopf bei: die Fähringer halten, laut Graba,
zuweilen ein Messer über die Mütze, auf welchem sich die herabstoßenden Alten spießen. Je näher
man dem Neste kommt, um so dichter umkreisen die Alten den unwillkommenen Besucher und stürzen
zuletzt in schräger Linie auf ihn hernieder, sodaß man sich unwillkürlich bückt, um nicht ein Loch in den
Kopf zu erhalten. Die Jungen werden anfänglich mit Weichthieren, Würmern, Eiern und dergl.
aus dem Kropfe geäzt und erhalten später Fleisch- und Fischbrocken, junge Vögel etc. vorgelegt, fressen
auch, wenn sie bereits einigermaßen selbständig geworden, gern von den verschiedenen Beeren, welche
in der Nähe ihres Nestes wachsen. Ende Augusts haben sie ihre volle Größe erreicht, schwärmen nun
noch einige Zeit lang umher und fliegen um die Mitte des Septembers nach dem hohen Meere
hinaus.

Gefangene Skuas werden selten in unseren Thiersammlungen gesehen. Jch erhielt ein Paar
Junge durch Vermittelung dänischer Freunde und hatte Gelegenheit, sie einige Zeit lang zu beobachten.
Sie unterscheiden sich von den Möven kaum durch etwas größere Gier und Freßsucht, zeigten sich
anderen Vögeln gegenüber sehr friedlich, auch durchaus nicht neidisch, wie ich wohl erwartet hätte,
schienen sich überhaupt nur mit sich selbst zu beschäftigen. Jhren Pfleger kannten sie bereits nach
wenigen Tagen genau und verfehlten nicht, ihn zu begrüßen, wenn er sich zeigte. Die Laute, welche

Die Schwimmer. Seeflieger. Raubmöven.
auswarf, oder lieſt am Lande Würmer und Kerbthiere auf; ſowie ſie aber andere fleiſchfreſſende
Seevögel von weitem erblickt, eilt ſie auf dieſe zu, beobachtet ſie, wartet, bis ſie Beute gemacht haben,
ſtürzt ſich herbei und greift ſie nun, wie ein gefiederter Räuber ſein fliegendes Wild, mit ebenſo viel
Kraft und Gewandtheit als Muth und Frechheit an, bis ſie die eben erbeutete Nahrung von ſich
ſpeien. Gar nicht ſelten bemächtigt ſie ſich auch des Vogels ſelbſt. Graba ſah, daß ſie mit einem
einzigen Stoße einem Papageitaucher den Schädel zerſchmetterte, andere Beobachter, daß ſie Möven
und Lummen abwürgte, die todt Herabſtürzenden zerriß und ſtückweiſe verſchlang. Todte oder kranke
Vögel, welche auf dem Meere treiben, werden ihr unfehlbar zur Beute, während ſie geſunde aus dem
einfachen Grunde unbehelligt läßt, weil dieſe bei ihrem Erſcheinen ſich ſofort durch Untertauchen zu
retten ſuchen. Auf den Vogelbergen plündert ſie die Neſter der dort brütenden Vögel in der rückſichts-
loſeſten Weiſe aus, indem ſie Eier und Junge weg- und ihrer Brut zuſchleppt. „Ein allgemeines
Angſtgeſchrei“, ſagt Naumann, „ertönt aus tauſend Kehlen zugleich, wenn ſich dieſer kühne Räuber
einem ſolchen Niſtplatze nähert; jedoch wagt es keiner der Geängſtigten, ſeinem böſen Vorhaben
ernſtlich ſich zu widerſetzen. Er packt das erſte beſte Junge, und dieſes windet ſich im Schnabel des
Forteilenden, während die unglückliche Mutter ſchreiend, aber ohne weiteren Erfolg, ihm ein Stück
nachfliegt. Sobald er ſich ungeſtört ſieht, läßt er ſich auf das Waſſer herab, tödtet die Beute und
verſchlingt ſie, fliegt dann ſeinen Jungen zu und würgt ſie dieſen vor.“ So wird die Skua zur
Geiſel aller Bergvögel. Jhre Angriffe hat man ſie ſtets nur mit dem Schnabel ausführen ſehen; doch
mögen auch die ſcharfen Krallen zuweilen mit benutzt werden. Nach einer reichlichen Mahlzeit wird
ſie träge, ſucht ſich dann eine ruhige Stelle und ſetzt ſich auf dieſer mit aufgeblähtem Gefieder nieder,
bis der bald wiederkehrende Hunger zu neuem Ausfluge mahnt.

Mitte Mai’s begeben ſich die Paare nach den Brutplätzen auf den Bergebenen oder nach den mit
Gras und Mos bedeckten Abhängen der Bergrücken, fertigen ſich hier im Graſe oder Moſe durch
häufiges Herumdrehen ihres Körpers ein rundes Neſt und belegen daſſelbe in den erſten Tagen des
Juni mit zwei ſchmuzigölgrünen, braun gefleckten Eiern. Ein Brutplatz, welchen Graba beſuchte,
wurde von ungefähr funfzig Paaren bevölkert. Kein anderer Vogel niſtet in unmittelbarer Nähe der
Skua; denn jeder fürchtet die gefährliche Nachbarſchaft. Männchen und Weibchen brüten abwechſelnd
ungefähr vier Wochen lang; Anfangs Juli findet man in den meiſten Neſtern die in ein braungraues
Flaumenkleid gehüllten Jungen. Naht ſich ein Menſch, ſo verlaſſen dieſe das Neſt in möglichſter
Eile, humpeln, laufen und rennen über dem Boden dahin und verbergen ſich dann in der angegebenen
Weiſe. Die Alten erheben ſich bei Ankunft des Feindes ſofort in die Luft, ſchreien fürchterlich und
ſtoßen mit unvergleichlicher Kühnheit auf den Gegner herab, Menſchen ebenſowenig ſcheuend wie
Hunde. Erſteren bringen ſie oft derbe Stöße auf den Kopf bei: die Fähringer halten, laut Graba,
zuweilen ein Meſſer über die Mütze, auf welchem ſich die herabſtoßenden Alten ſpießen. Je näher
man dem Neſte kommt, um ſo dichter umkreiſen die Alten den unwillkommenen Beſucher und ſtürzen
zuletzt in ſchräger Linie auf ihn hernieder, ſodaß man ſich unwillkürlich bückt, um nicht ein Loch in den
Kopf zu erhalten. Die Jungen werden anfänglich mit Weichthieren, Würmern, Eiern und dergl.
aus dem Kropfe geäzt und erhalten ſpäter Fleiſch- und Fiſchbrocken, junge Vögel ꝛc. vorgelegt, freſſen
auch, wenn ſie bereits einigermaßen ſelbſtändig geworden, gern von den verſchiedenen Beeren, welche
in der Nähe ihres Neſtes wachſen. Ende Auguſts haben ſie ihre volle Größe erreicht, ſchwärmen nun
noch einige Zeit lang umher und fliegen um die Mitte des Septembers nach dem hohen Meere
hinaus.

Gefangene Skuas werden ſelten in unſeren Thierſammlungen geſehen. Jch erhielt ein Paar
Junge durch Vermittelung däniſcher Freunde und hatte Gelegenheit, ſie einige Zeit lang zu beobachten.
Sie unterſcheiden ſich von den Möven kaum durch etwas größere Gier und Freßſucht, zeigten ſich
anderen Vögeln gegenüber ſehr friedlich, auch durchaus nicht neidiſch, wie ich wohl erwartet hätte,
ſchienen ſich überhaupt nur mit ſich ſelbſt zu beſchäftigen. Jhren Pfleger kannten ſie bereits nach
wenigen Tagen genau und verfehlten nicht, ihn zu begrüßen, wenn er ſich zeigte. Die Laute, welche

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[882/0934] Die Schwimmer. Seeflieger. Raubmöven. auswarf, oder lieſt am Lande Würmer und Kerbthiere auf; ſowie ſie aber andere fleiſchfreſſende Seevögel von weitem erblickt, eilt ſie auf dieſe zu, beobachtet ſie, wartet, bis ſie Beute gemacht haben, ſtürzt ſich herbei und greift ſie nun, wie ein gefiederter Räuber ſein fliegendes Wild, mit ebenſo viel Kraft und Gewandtheit als Muth und Frechheit an, bis ſie die eben erbeutete Nahrung von ſich ſpeien. Gar nicht ſelten bemächtigt ſie ſich auch des Vogels ſelbſt. Graba ſah, daß ſie mit einem einzigen Stoße einem Papageitaucher den Schädel zerſchmetterte, andere Beobachter, daß ſie Möven und Lummen abwürgte, die todt Herabſtürzenden zerriß und ſtückweiſe verſchlang. Todte oder kranke Vögel, welche auf dem Meere treiben, werden ihr unfehlbar zur Beute, während ſie geſunde aus dem einfachen Grunde unbehelligt läßt, weil dieſe bei ihrem Erſcheinen ſich ſofort durch Untertauchen zu retten ſuchen. Auf den Vogelbergen plündert ſie die Neſter der dort brütenden Vögel in der rückſichts- loſeſten Weiſe aus, indem ſie Eier und Junge weg- und ihrer Brut zuſchleppt. „Ein allgemeines Angſtgeſchrei“, ſagt Naumann, „ertönt aus tauſend Kehlen zugleich, wenn ſich dieſer kühne Räuber einem ſolchen Niſtplatze nähert; jedoch wagt es keiner der Geängſtigten, ſeinem böſen Vorhaben ernſtlich ſich zu widerſetzen. Er packt das erſte beſte Junge, und dieſes windet ſich im Schnabel des Forteilenden, während die unglückliche Mutter ſchreiend, aber ohne weiteren Erfolg, ihm ein Stück nachfliegt. Sobald er ſich ungeſtört ſieht, läßt er ſich auf das Waſſer herab, tödtet die Beute und verſchlingt ſie, fliegt dann ſeinen Jungen zu und würgt ſie dieſen vor.“ So wird die Skua zur Geiſel aller Bergvögel. Jhre Angriffe hat man ſie ſtets nur mit dem Schnabel ausführen ſehen; doch mögen auch die ſcharfen Krallen zuweilen mit benutzt werden. Nach einer reichlichen Mahlzeit wird ſie träge, ſucht ſich dann eine ruhige Stelle und ſetzt ſich auf dieſer mit aufgeblähtem Gefieder nieder, bis der bald wiederkehrende Hunger zu neuem Ausfluge mahnt. Mitte Mai’s begeben ſich die Paare nach den Brutplätzen auf den Bergebenen oder nach den mit Gras und Mos bedeckten Abhängen der Bergrücken, fertigen ſich hier im Graſe oder Moſe durch häufiges Herumdrehen ihres Körpers ein rundes Neſt und belegen daſſelbe in den erſten Tagen des Juni mit zwei ſchmuzigölgrünen, braun gefleckten Eiern. Ein Brutplatz, welchen Graba beſuchte, wurde von ungefähr funfzig Paaren bevölkert. Kein anderer Vogel niſtet in unmittelbarer Nähe der Skua; denn jeder fürchtet die gefährliche Nachbarſchaft. Männchen und Weibchen brüten abwechſelnd ungefähr vier Wochen lang; Anfangs Juli findet man in den meiſten Neſtern die in ein braungraues Flaumenkleid gehüllten Jungen. Naht ſich ein Menſch, ſo verlaſſen dieſe das Neſt in möglichſter Eile, humpeln, laufen und rennen über dem Boden dahin und verbergen ſich dann in der angegebenen Weiſe. Die Alten erheben ſich bei Ankunft des Feindes ſofort in die Luft, ſchreien fürchterlich und ſtoßen mit unvergleichlicher Kühnheit auf den Gegner herab, Menſchen ebenſowenig ſcheuend wie Hunde. Erſteren bringen ſie oft derbe Stöße auf den Kopf bei: die Fähringer halten, laut Graba, zuweilen ein Meſſer über die Mütze, auf welchem ſich die herabſtoßenden Alten ſpießen. Je näher man dem Neſte kommt, um ſo dichter umkreiſen die Alten den unwillkommenen Beſucher und ſtürzen zuletzt in ſchräger Linie auf ihn hernieder, ſodaß man ſich unwillkürlich bückt, um nicht ein Loch in den Kopf zu erhalten. Die Jungen werden anfänglich mit Weichthieren, Würmern, Eiern und dergl. aus dem Kropfe geäzt und erhalten ſpäter Fleiſch- und Fiſchbrocken, junge Vögel ꝛc. vorgelegt, freſſen auch, wenn ſie bereits einigermaßen ſelbſtändig geworden, gern von den verſchiedenen Beeren, welche in der Nähe ihres Neſtes wachſen. Ende Auguſts haben ſie ihre volle Größe erreicht, ſchwärmen nun noch einige Zeit lang umher und fliegen um die Mitte des Septembers nach dem hohen Meere hinaus. Gefangene Skuas werden ſelten in unſeren Thierſammlungen geſehen. Jch erhielt ein Paar Junge durch Vermittelung däniſcher Freunde und hatte Gelegenheit, ſie einige Zeit lang zu beobachten. Sie unterſcheiden ſich von den Möven kaum durch etwas größere Gier und Freßſucht, zeigten ſich anderen Vögeln gegenüber ſehr friedlich, auch durchaus nicht neidiſch, wie ich wohl erwartet hätte, ſchienen ſich überhaupt nur mit ſich ſelbſt zu beſchäftigen. Jhren Pfleger kannten ſie bereits nach wenigen Tagen genau und verfehlten nicht, ihn zu begrüßen, wenn er ſich zeigte. Die Laute, welche

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 882. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/934>, abgerufen am 23.11.2024.