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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Feenschwalbe. Noddy.

Die Sippe, welche der Noddy (Anous stolidus) vertritt, kennzeichnet sich durch etwas plumpen
Leibesbau, mehr als kopflangen, starken, fast geraden, seitlich zusammengedrückten, sehr spitzen
Schnabel, dessen Unterkiefer sich eckig vorbiegt, sehr kurze, aber kräftige Füße, mit langen, durch volle
Schwimmhäute verbundene Zehen, lange, schmal zugespitzte Flügel, deren Schwingenspitzen sich etwas
abrunden, und einen langen, keilförmigen, also nicht gegabelten Schwanz. Die Federn sind, mit
Ausnahme der grauweißen des Oberkopfes, rußbraun, ein Flecken vor und ein anderer hinter dem
Auge schwarz, die Schwingen und Steuerfedern schwarzbraun. Das Auge ist braun, der Schnabel
schwarz, der Fuß düsterbraunroth. Die Länge beträgt 16, die Breite 32, die Fittiglänge 11, die
Schwanzlänge 5 Zoll.

Unter den Seeschwalben ist diese Art eine der verbreitetsten; denn sie findet sich ebensowohl im
atlantischen wie im stillen Meere, hier besonders häufig. Audubon besuchte einen Brutplatz im
Golfe von Mejiko, Gilbert einen anderen an der australischen Küste. Ersterer fand die Nester,
welche aus Zweigen und dürrem Grase errichtet waren, regelmäßig auf Büschen und niederen Bäumen,
niemals auf dem Boden. "Als ich im Mai die Jnsel besuchte", sagt er, "war ich überrascht zu sehen,
daß manche von ihnen die alten Nester ausbesserten und vergrößerten, während andere sich mit dem
Neubau beschäftigten. Jene bildeten Haufen von fast zwei Fuß Höhe; aber alle hatten nur eine
seichte Mulde zur Aufnahme der Eier. Die Vögel unterbrachen ihre Arbeit nicht, als wir uns
nahten, obwohl neun oder zehn Mann unter den Büschen umhergingen. Als wir einige Ellen weit
in das Dickicht eingedrungen waren, flogen ihrer Tausend dicht über uns herum, einzelne so nah,
daß wir sie fast mit der Hand greifen konnten. Auf der einen Seite konnte man einen Noddy mit
Reisig im Schnabel oder bei der Arbeit beschäftigt sehen, auf der anderen Seite mehrere, welche
unbekümmert um die Gefahr auf den Eiern saßen, während wieder andere Futter herbeischleppten.
Der größte Theil flog auf, wenn wir uns nahten, setzte sich aber sofort wieder nieder, wenn wir
vorüber waren." Gilbert dagegen berichtet, daß der Noddy im November und Dezember ein
unregelmäßiges Nest aus Seegras von sechs Zoll im Durchmesser und vier Zoll Höhe errichtet,
dasselbe oben flach ausmuldet und nach und nach so mit seinem Kothe übertüncht, daß es auf den
ersten Blick aus diesem gebildet zu sein scheint. Die Nester stehen dort auf dem Boden oder auf der
Spitze eines dicken Strauches, nicht selten unter denen einer verwandten Art, welche beide in größter
Freundschaft leben: das Männchen der einen sitzt zuweilen dicht am Neste der anderen, ohne Störung
hervorzurufen. "Geht man unter den Nestern umher, so wird man überrascht durch die Ausdauer,
mit welcher die Vögel sie behaupten: sie entfernen sich kaum von den Eiern oder den Jungen und
lassen sich mit dem Fuße treten oder ergreifen. Die Nester stehen auch so dicht, daß man es nicht
vermeiden kann, bei jedem Schritte auf Eier oder Vögel zu treten." Erstere sind rundlich, in Gestalt
und Färbung verschieden, die meisten auf milchkaffeefarbigem Grunde kastanien- und dunkelbraun
gesprenkelt, am dicken Ende kranzartig gefleckt. Mitte Januars schlüpfen die Jungen aus, und zwar
in einem Dunenkleide, welches auf der Oberseite bleigrau, auf der Unterseite weiß, am Hinterkopfe
mit einer weißen Querbinde gezeichnet, an der Kehle schwärzlich ist. Jn Australien werden sie, laut
Gilbert, gefährdet durch eine kleine Eidechse, welche auf den Brutplätzen ungemein häufig vorkommt
und an den Jungen eine willkommene Beute findet. Gilbert meint, daß von zwanzig ausgekrochenen
Vögeln kaum einer groß werde.

Mehr als einmal ist der Noddy auch an den europäischen Küsten bemerkt und erlegt und dem-
gemäß in die Verzeichnisse der Vögel unseres Erdtheiles aufgenommen worden.



Ebenso wie die Eulen zu den Falken verhalten sich die Scherenschnäbel (Rhynchopes) zu den
Seeschwalben: sie sind Nachtvögel. Jhr Leib ist gestreckt, der Hals lang, der Kopf klein, der Flügel

Brehm, Thierleben. IV. 55
Feenſchwalbe. Noddy.

Die Sippe, welche der Noddy (Anous stolidus) vertritt, kennzeichnet ſich durch etwas plumpen
Leibesbau, mehr als kopflangen, ſtarken, faſt geraden, ſeitlich zuſammengedrückten, ſehr ſpitzen
Schnabel, deſſen Unterkiefer ſich eckig vorbiegt, ſehr kurze, aber kräftige Füße, mit langen, durch volle
Schwimmhäute verbundene Zehen, lange, ſchmal zugeſpitzte Flügel, deren Schwingenſpitzen ſich etwas
abrunden, und einen langen, keilförmigen, alſo nicht gegabelten Schwanz. Die Federn ſind, mit
Ausnahme der grauweißen des Oberkopfes, rußbraun, ein Flecken vor und ein anderer hinter dem
Auge ſchwarz, die Schwingen und Steuerfedern ſchwarzbraun. Das Auge iſt braun, der Schnabel
ſchwarz, der Fuß düſterbraunroth. Die Länge beträgt 16, die Breite 32, die Fittiglänge 11, die
Schwanzlänge 5 Zoll.

Unter den Seeſchwalben iſt dieſe Art eine der verbreitetſten; denn ſie findet ſich ebenſowohl im
atlantiſchen wie im ſtillen Meere, hier beſonders häufig. Audubon beſuchte einen Brutplatz im
Golfe von Mejiko, Gilbert einen anderen an der auſtraliſchen Küſte. Erſterer fand die Neſter,
welche aus Zweigen und dürrem Graſe errichtet waren, regelmäßig auf Büſchen und niederen Bäumen,
niemals auf dem Boden. „Als ich im Mai die Jnſel beſuchte“, ſagt er, „war ich überraſcht zu ſehen,
daß manche von ihnen die alten Neſter ausbeſſerten und vergrößerten, während andere ſich mit dem
Neubau beſchäftigten. Jene bildeten Haufen von faſt zwei Fuß Höhe; aber alle hatten nur eine
ſeichte Mulde zur Aufnahme der Eier. Die Vögel unterbrachen ihre Arbeit nicht, als wir uns
nahten, obwohl neun oder zehn Mann unter den Büſchen umhergingen. Als wir einige Ellen weit
in das Dickicht eingedrungen waren, flogen ihrer Tauſend dicht über uns herum, einzelne ſo nah,
daß wir ſie faſt mit der Hand greifen konnten. Auf der einen Seite konnte man einen Noddy mit
Reiſig im Schnabel oder bei der Arbeit beſchäftigt ſehen, auf der anderen Seite mehrere, welche
unbekümmert um die Gefahr auf den Eiern ſaßen, während wieder andere Futter herbeiſchleppten.
Der größte Theil flog auf, wenn wir uns nahten, ſetzte ſich aber ſofort wieder nieder, wenn wir
vorüber waren.“ Gilbert dagegen berichtet, daß der Noddy im November und Dezember ein
unregelmäßiges Neſt aus Seegras von ſechs Zoll im Durchmeſſer und vier Zoll Höhe errichtet,
daſſelbe oben flach ausmuldet und nach und nach ſo mit ſeinem Kothe übertüncht, daß es auf den
erſten Blick aus dieſem gebildet zu ſein ſcheint. Die Neſter ſtehen dort auf dem Boden oder auf der
Spitze eines dicken Strauches, nicht ſelten unter denen einer verwandten Art, welche beide in größter
Freundſchaft leben: das Männchen der einen ſitzt zuweilen dicht am Neſte der anderen, ohne Störung
hervorzurufen. „Geht man unter den Neſtern umher, ſo wird man überraſcht durch die Ausdauer,
mit welcher die Vögel ſie behaupten: ſie entfernen ſich kaum von den Eiern oder den Jungen und
laſſen ſich mit dem Fuße treten oder ergreifen. Die Neſter ſtehen auch ſo dicht, daß man es nicht
vermeiden kann, bei jedem Schritte auf Eier oder Vögel zu treten.“ Erſtere ſind rundlich, in Geſtalt
und Färbung verſchieden, die meiſten auf milchkaffeefarbigem Grunde kaſtanien- und dunkelbraun
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in einem Dunenkleide, welches auf der Oberſeite bleigrau, auf der Unterſeite weiß, am Hinterkopfe
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Gilbert, gefährdet durch eine kleine Eidechſe, welche auf den Brutplätzen ungemein häufig vorkommt
und an den Jungen eine willkommene Beute findet. Gilbert meint, daß von zwanzig ausgekrochenen
Vögeln kaum einer groß werde.

Mehr als einmal iſt der Noddy auch an den europäiſchen Küſten bemerkt und erlegt und dem-
gemäß in die Verzeichniſſe der Vögel unſeres Erdtheiles aufgenommen worden.



Ebenſo wie die Eulen zu den Falken verhalten ſich die Scherenſchnäbel (Rhynchopes) zu den
Seeſchwalben: ſie ſind Nachtvögel. Jhr Leib iſt geſtreckt, der Hals lang, der Kopf klein, der Flügel

Brehm, Thierleben. IV. 55
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[865/0915] Feenſchwalbe. Noddy. Die Sippe, welche der Noddy (Anous stolidus) vertritt, kennzeichnet ſich durch etwas plumpen Leibesbau, mehr als kopflangen, ſtarken, faſt geraden, ſeitlich zuſammengedrückten, ſehr ſpitzen Schnabel, deſſen Unterkiefer ſich eckig vorbiegt, ſehr kurze, aber kräftige Füße, mit langen, durch volle Schwimmhäute verbundene Zehen, lange, ſchmal zugeſpitzte Flügel, deren Schwingenſpitzen ſich etwas abrunden, und einen langen, keilförmigen, alſo nicht gegabelten Schwanz. Die Federn ſind, mit Ausnahme der grauweißen des Oberkopfes, rußbraun, ein Flecken vor und ein anderer hinter dem Auge ſchwarz, die Schwingen und Steuerfedern ſchwarzbraun. Das Auge iſt braun, der Schnabel ſchwarz, der Fuß düſterbraunroth. Die Länge beträgt 16, die Breite 32, die Fittiglänge 11, die Schwanzlänge 5 Zoll. Unter den Seeſchwalben iſt dieſe Art eine der verbreitetſten; denn ſie findet ſich ebenſowohl im atlantiſchen wie im ſtillen Meere, hier beſonders häufig. Audubon beſuchte einen Brutplatz im Golfe von Mejiko, Gilbert einen anderen an der auſtraliſchen Küſte. Erſterer fand die Neſter, welche aus Zweigen und dürrem Graſe errichtet waren, regelmäßig auf Büſchen und niederen Bäumen, niemals auf dem Boden. „Als ich im Mai die Jnſel beſuchte“, ſagt er, „war ich überraſcht zu ſehen, daß manche von ihnen die alten Neſter ausbeſſerten und vergrößerten, während andere ſich mit dem Neubau beſchäftigten. Jene bildeten Haufen von faſt zwei Fuß Höhe; aber alle hatten nur eine ſeichte Mulde zur Aufnahme der Eier. Die Vögel unterbrachen ihre Arbeit nicht, als wir uns nahten, obwohl neun oder zehn Mann unter den Büſchen umhergingen. Als wir einige Ellen weit in das Dickicht eingedrungen waren, flogen ihrer Tauſend dicht über uns herum, einzelne ſo nah, daß wir ſie faſt mit der Hand greifen konnten. Auf der einen Seite konnte man einen Noddy mit Reiſig im Schnabel oder bei der Arbeit beſchäftigt ſehen, auf der anderen Seite mehrere, welche unbekümmert um die Gefahr auf den Eiern ſaßen, während wieder andere Futter herbeiſchleppten. Der größte Theil flog auf, wenn wir uns nahten, ſetzte ſich aber ſofort wieder nieder, wenn wir vorüber waren.“ Gilbert dagegen berichtet, daß der Noddy im November und Dezember ein unregelmäßiges Neſt aus Seegras von ſechs Zoll im Durchmeſſer und vier Zoll Höhe errichtet, daſſelbe oben flach ausmuldet und nach und nach ſo mit ſeinem Kothe übertüncht, daß es auf den erſten Blick aus dieſem gebildet zu ſein ſcheint. Die Neſter ſtehen dort auf dem Boden oder auf der Spitze eines dicken Strauches, nicht ſelten unter denen einer verwandten Art, welche beide in größter Freundſchaft leben: das Männchen der einen ſitzt zuweilen dicht am Neſte der anderen, ohne Störung hervorzurufen. „Geht man unter den Neſtern umher, ſo wird man überraſcht durch die Ausdauer, mit welcher die Vögel ſie behaupten: ſie entfernen ſich kaum von den Eiern oder den Jungen und laſſen ſich mit dem Fuße treten oder ergreifen. Die Neſter ſtehen auch ſo dicht, daß man es nicht vermeiden kann, bei jedem Schritte auf Eier oder Vögel zu treten.“ Erſtere ſind rundlich, in Geſtalt und Färbung verſchieden, die meiſten auf milchkaffeefarbigem Grunde kaſtanien- und dunkelbraun geſprenkelt, am dicken Ende kranzartig gefleckt. Mitte Januars ſchlüpfen die Jungen aus, und zwar in einem Dunenkleide, welches auf der Oberſeite bleigrau, auf der Unterſeite weiß, am Hinterkopfe mit einer weißen Querbinde gezeichnet, an der Kehle ſchwärzlich iſt. Jn Auſtralien werden ſie, laut Gilbert, gefährdet durch eine kleine Eidechſe, welche auf den Brutplätzen ungemein häufig vorkommt und an den Jungen eine willkommene Beute findet. Gilbert meint, daß von zwanzig ausgekrochenen Vögeln kaum einer groß werde. Mehr als einmal iſt der Noddy auch an den europäiſchen Küſten bemerkt und erlegt und dem- gemäß in die Verzeichniſſe der Vögel unſeres Erdtheiles aufgenommen worden. Ebenſo wie die Eulen zu den Falken verhalten ſich die Scherenſchnäbel (Rhynchopes) zu den Seeſchwalben: ſie ſind Nachtvögel. Jhr Leib iſt geſtreckt, der Hals lang, der Kopf klein, der Flügel Brehm, Thierleben. IV. 55

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 865. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/915>, abgerufen am 23.11.2024.