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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Die Schwimmer. Seeflieger. Seeschwalben.
York. Sie hat die Aufmerksamkeit aller nicht ganz gleichgiltigen Reisenden auf sich gezogen, wenn
auch vielleicht nicht alle in derselben Weise denken mögen wie Darwin, welcher sagt, daß wenig
Einbildungskraft dazu gehöre, um anzunehmen, "in einem so leichten und zarten Leibe verberge sich
ein wandernder Feengeist". Die Reinheit ihres Gefieders und die Anmuth des Fluges mag die
Ursache zu solch' begeisterter Auslassung gewesen sein. Aber das Leben des Vogels bietet noch in
anderer Hinsicht der Beachtung Werthes. Unsere Feenschwalbe wählt sich nämlich zu Ruheplätzen
vorzugsweise tiefe, schattige Waldungen und läßt sich hier auf Bäumen nieder oder streicht, vom
Dunkelgrün des Waldes wundervoll abstechend, geschickt zwischen den Bäumen umher, den Ein-
dringling in ihr stilles Heiligthum hartnäckig verfolgend. Cumming, Peale und Pickering
wurden noch mehr als andere Reisende überrascht, wegen der sonderbaren Art des Nestbaues nämlich.
Ersterer fand gelegentlich seines Besuches der Elisabetinsel, welche weder menschliche Bewohner noch süßes
Wasser besitzt, eine Brutansiedelung dieser Seeschwalben auf. Die Eier lagen aber nicht wie bei den
Verwandten auf oder dicht über dem Boden, sondern auf wagerechten Aesten in einer Verflachung, welche
eben hinreichte, sie vor dem Herabwerfen durch Sturm zu schützen. Jedes Pärchen legt nur ein
einziges Ei, -- mehr würden auch gar nicht Platz haben. Dasselbe ist verhältnißmäßig groß für den
Vogel, rundlich und auf bräunlichweißem Grunde mit braunen Flecken, Punkten und Schnörkeln
gezeichnet. Beide Eltern widmen sich mit der innerhalb dieser Familie üblichen Hingabe und Zärt-
lichkeit ihrem Sprößlinge und umschwärmen den Menschen, welcher sich dem Nistplatze naht, unter
ängstlichem Schreien in großer Nähe. Die Jungen müssen solange, bis sie flattern gelernt haben, in
der für sie gefährlichen Wiege verweilen; viele verunglücken auch, wie Cumming bemerkte, indem
sie von oben herunter stürzen und sich zerschellen. Peale beobachtete, daß sie vorzugsweise mit
kleinen Fischen geäzt wurden, vermuthet aber, von den Bewegungen der Alten folgernd, daß diese
nebenbei Spinnen und Kerbthiere von den Baumwipfeln wegnehmen und vielleicht solche Kost ihren
Jungen auftischen. Die Stimme der Alten wird von Pickering ein leises, schwaches Geheul
genannt, soll aber nicht oft vernommen werden.



"Der freundliche Eindruck, den uns der Tropikvogel hinterließ", erzählt Tschudi, "wurde
durch das erste Auftreten des Noddy oder der dummen Seeschwalbe unangenehm gestört. Seine
ganze Haltung, sein unsteter, träger Flug, sein langer Schwanz, seine ziemlich breiten Flügel lassen
ihn schon von fern als Vertreter einer eigenen Sippe erkennen. Er hat nicht die leichten anmuthigen
Bewegungen anderer Seeschwalben, nicht den sicheren, flüchtigen Flug der Sturmvögel: sein ganzes
Wesen trägt das Gepräge eines Fremdlings auf hoher See. Und doch findet man ihn häufig in großer
Entfernung vom festen Lande! Wir können nicht, wie beim Tölpel, eine Lanze wegen Ungerechtig-
keit seines Namens brechen; denn dummdreist ist der Noddy im höchsten Grade. Nicht selten geschieht
es, daß er den Matrosen in die Hände fliegt oder doch so nahe bei ihnen vorüberstreicht, daß er mit
einer Mütze auf das Verdeck geschlagen werden kann. Wenn man bei Tage einen solchen Vogel in der
Nähe des Schiffes sieht, so darf man fast mit Gewißheit darauf rechnen, daß er sich abends auf eine
Raae setzt, um dort zu schlafen."

Mit dieser Schilderung stimmen die Berichte der übrigen Reisenden und Forscher vollständig
überein: alle bezeichnen diese Seeschwalbe als eine der dümmsten Arten; nur über die Bewegungen
spricht sich Audubon etwas günstiger aus. "Sein Flug", meint er, "hat große Aehnlichkeit mit dem
des Nachtschattens, wenn dieser niedrig über Wiesen und Flüsse dahinstreicht. Wenn er sich auf das
Wasser setzen will, hebt er seine ausgebreiteten Schwingen empor und berührt die Wellen zuerst mit
seinen Füßen. Er schwimmt mit Geschick und Anmuth und nimmt im Schwimmen Beute auf.
Seine Stimme ist ein rauher Schrei, welcher an den einer jungen Krähe entfernt erinnert.

Die Schwimmer. Seeflieger. Seeſchwalben.
York. Sie hat die Aufmerkſamkeit aller nicht ganz gleichgiltigen Reiſenden auf ſich gezogen, wenn
auch vielleicht nicht alle in derſelben Weiſe denken mögen wie Darwin, welcher ſagt, daß wenig
Einbildungskraft dazu gehöre, um anzunehmen, „in einem ſo leichten und zarten Leibe verberge ſich
ein wandernder Feengeiſt“. Die Reinheit ihres Gefieders und die Anmuth des Fluges mag die
Urſache zu ſolch’ begeiſterter Auslaſſung geweſen ſein. Aber das Leben des Vogels bietet noch in
anderer Hinſicht der Beachtung Werthes. Unſere Feenſchwalbe wählt ſich nämlich zu Ruheplätzen
vorzugsweiſe tiefe, ſchattige Waldungen und läßt ſich hier auf Bäumen nieder oder ſtreicht, vom
Dunkelgrün des Waldes wundervoll abſtechend, geſchickt zwiſchen den Bäumen umher, den Ein-
dringling in ihr ſtilles Heiligthum hartnäckig verfolgend. Cumming, Peale und Pickering
wurden noch mehr als andere Reiſende überraſcht, wegen der ſonderbaren Art des Neſtbaues nämlich.
Erſterer fand gelegentlich ſeines Beſuches der Eliſabetinſel, welche weder menſchliche Bewohner noch ſüßes
Waſſer beſitzt, eine Brutanſiedelung dieſer Seeſchwalben auf. Die Eier lagen aber nicht wie bei den
Verwandten auf oder dicht über dem Boden, ſondern auf wagerechten Aeſten in einer Verflachung, welche
eben hinreichte, ſie vor dem Herabwerfen durch Sturm zu ſchützen. Jedes Pärchen legt nur ein
einziges Ei, — mehr würden auch gar nicht Platz haben. Daſſelbe iſt verhältnißmäßig groß für den
Vogel, rundlich und auf bräunlichweißem Grunde mit braunen Flecken, Punkten und Schnörkeln
gezeichnet. Beide Eltern widmen ſich mit der innerhalb dieſer Familie üblichen Hingabe und Zärt-
lichkeit ihrem Sprößlinge und umſchwärmen den Menſchen, welcher ſich dem Niſtplatze naht, unter
ängſtlichem Schreien in großer Nähe. Die Jungen müſſen ſolange, bis ſie flattern gelernt haben, in
der für ſie gefährlichen Wiege verweilen; viele verunglücken auch, wie Cumming bemerkte, indem
ſie von oben herunter ſtürzen und ſich zerſchellen. Peale beobachtete, daß ſie vorzugsweiſe mit
kleinen Fiſchen geäzt wurden, vermuthet aber, von den Bewegungen der Alten folgernd, daß dieſe
nebenbei Spinnen und Kerbthiere von den Baumwipfeln wegnehmen und vielleicht ſolche Koſt ihren
Jungen auftiſchen. Die Stimme der Alten wird von Pickering ein leiſes, ſchwaches Geheul
genannt, ſoll aber nicht oft vernommen werden.



„Der freundliche Eindruck, den uns der Tropikvogel hinterließ“, erzählt Tſchudi, „wurde
durch das erſte Auftreten des Noddy oder der dummen Seeſchwalbe unangenehm geſtört. Seine
ganze Haltung, ſein unſteter, träger Flug, ſein langer Schwanz, ſeine ziemlich breiten Flügel laſſen
ihn ſchon von fern als Vertreter einer eigenen Sippe erkennen. Er hat nicht die leichten anmuthigen
Bewegungen anderer Seeſchwalben, nicht den ſicheren, flüchtigen Flug der Sturmvögel: ſein ganzes
Weſen trägt das Gepräge eines Fremdlings auf hoher See. Und doch findet man ihn häufig in großer
Entfernung vom feſten Lande! Wir können nicht, wie beim Tölpel, eine Lanze wegen Ungerechtig-
keit ſeines Namens brechen; denn dummdreiſt iſt der Noddy im höchſten Grade. Nicht ſelten geſchieht
es, daß er den Matroſen in die Hände fliegt oder doch ſo nahe bei ihnen vorüberſtreicht, daß er mit
einer Mütze auf das Verdeck geſchlagen werden kann. Wenn man bei Tage einen ſolchen Vogel in der
Nähe des Schiffes ſieht, ſo darf man faſt mit Gewißheit darauf rechnen, daß er ſich abends auf eine
Raae ſetzt, um dort zu ſchlafen.“

Mit dieſer Schilderung ſtimmen die Berichte der übrigen Reiſenden und Forſcher vollſtändig
überein: alle bezeichnen dieſe Seeſchwalbe als eine der dümmſten Arten; nur über die Bewegungen
ſpricht ſich Audubon etwas günſtiger aus. „Sein Flug“, meint er, „hat große Aehnlichkeit mit dem
des Nachtſchattens, wenn dieſer niedrig über Wieſen und Flüſſe dahinſtreicht. Wenn er ſich auf das
Waſſer ſetzen will, hebt er ſeine ausgebreiteten Schwingen empor und berührt die Wellen zuerſt mit
ſeinen Füßen. Er ſchwimmt mit Geſchick und Anmuth und nimmt im Schwimmen Beute auf.
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[864/0914] Die Schwimmer. Seeflieger. Seeſchwalben. York. Sie hat die Aufmerkſamkeit aller nicht ganz gleichgiltigen Reiſenden auf ſich gezogen, wenn auch vielleicht nicht alle in derſelben Weiſe denken mögen wie Darwin, welcher ſagt, daß wenig Einbildungskraft dazu gehöre, um anzunehmen, „in einem ſo leichten und zarten Leibe verberge ſich ein wandernder Feengeiſt“. Die Reinheit ihres Gefieders und die Anmuth des Fluges mag die Urſache zu ſolch’ begeiſterter Auslaſſung geweſen ſein. Aber das Leben des Vogels bietet noch in anderer Hinſicht der Beachtung Werthes. Unſere Feenſchwalbe wählt ſich nämlich zu Ruheplätzen vorzugsweiſe tiefe, ſchattige Waldungen und läßt ſich hier auf Bäumen nieder oder ſtreicht, vom Dunkelgrün des Waldes wundervoll abſtechend, geſchickt zwiſchen den Bäumen umher, den Ein- dringling in ihr ſtilles Heiligthum hartnäckig verfolgend. Cumming, Peale und Pickering wurden noch mehr als andere Reiſende überraſcht, wegen der ſonderbaren Art des Neſtbaues nämlich. Erſterer fand gelegentlich ſeines Beſuches der Eliſabetinſel, welche weder menſchliche Bewohner noch ſüßes Waſſer beſitzt, eine Brutanſiedelung dieſer Seeſchwalben auf. Die Eier lagen aber nicht wie bei den Verwandten auf oder dicht über dem Boden, ſondern auf wagerechten Aeſten in einer Verflachung, welche eben hinreichte, ſie vor dem Herabwerfen durch Sturm zu ſchützen. Jedes Pärchen legt nur ein einziges Ei, — mehr würden auch gar nicht Platz haben. Daſſelbe iſt verhältnißmäßig groß für den Vogel, rundlich und auf bräunlichweißem Grunde mit braunen Flecken, Punkten und Schnörkeln gezeichnet. Beide Eltern widmen ſich mit der innerhalb dieſer Familie üblichen Hingabe und Zärt- lichkeit ihrem Sprößlinge und umſchwärmen den Menſchen, welcher ſich dem Niſtplatze naht, unter ängſtlichem Schreien in großer Nähe. Die Jungen müſſen ſolange, bis ſie flattern gelernt haben, in der für ſie gefährlichen Wiege verweilen; viele verunglücken auch, wie Cumming bemerkte, indem ſie von oben herunter ſtürzen und ſich zerſchellen. Peale beobachtete, daß ſie vorzugsweiſe mit kleinen Fiſchen geäzt wurden, vermuthet aber, von den Bewegungen der Alten folgernd, daß dieſe nebenbei Spinnen und Kerbthiere von den Baumwipfeln wegnehmen und vielleicht ſolche Koſt ihren Jungen auftiſchen. Die Stimme der Alten wird von Pickering ein leiſes, ſchwaches Geheul genannt, ſoll aber nicht oft vernommen werden. „Der freundliche Eindruck, den uns der Tropikvogel hinterließ“, erzählt Tſchudi, „wurde durch das erſte Auftreten des Noddy oder der dummen Seeſchwalbe unangenehm geſtört. Seine ganze Haltung, ſein unſteter, träger Flug, ſein langer Schwanz, ſeine ziemlich breiten Flügel laſſen ihn ſchon von fern als Vertreter einer eigenen Sippe erkennen. Er hat nicht die leichten anmuthigen Bewegungen anderer Seeſchwalben, nicht den ſicheren, flüchtigen Flug der Sturmvögel: ſein ganzes Weſen trägt das Gepräge eines Fremdlings auf hoher See. Und doch findet man ihn häufig in großer Entfernung vom feſten Lande! Wir können nicht, wie beim Tölpel, eine Lanze wegen Ungerechtig- keit ſeines Namens brechen; denn dummdreiſt iſt der Noddy im höchſten Grade. Nicht ſelten geſchieht es, daß er den Matroſen in die Hände fliegt oder doch ſo nahe bei ihnen vorüberſtreicht, daß er mit einer Mütze auf das Verdeck geſchlagen werden kann. Wenn man bei Tage einen ſolchen Vogel in der Nähe des Schiffes ſieht, ſo darf man faſt mit Gewißheit darauf rechnen, daß er ſich abends auf eine Raae ſetzt, um dort zu ſchlafen.“ Mit dieſer Schilderung ſtimmen die Berichte der übrigen Reiſenden und Forſcher vollſtändig überein: alle bezeichnen dieſe Seeſchwalbe als eine der dümmſten Arten; nur über die Bewegungen ſpricht ſich Audubon etwas günſtiger aus. „Sein Flug“, meint er, „hat große Aehnlichkeit mit dem des Nachtſchattens, wenn dieſer niedrig über Wieſen und Flüſſe dahinſtreicht. Wenn er ſich auf das Waſſer ſetzen will, hebt er ſeine ausgebreiteten Schwingen empor und berührt die Wellen zuerſt mit ſeinen Füßen. Er ſchwimmt mit Geſchick und Anmuth und nimmt im Schwimmen Beute auf. Seine Stimme iſt ein rauher Schrei, welcher an den einer jungen Krähe entfernt erinnert.

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 864. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/914>, abgerufen am 23.11.2024.