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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Die Schwimmer. Seeflieger. Seeschwalben.
Kreuzbein- und sieben Schwanzwirbeln; unter den acht Rippen sind die vordere und hintere falsch;
das Brustbein ist oben schmäler als unten, sein Kamm stark, der hintere Theil zeigt zwei kurze Fort-
sätze; die Aeste der Gabeln sind stark und gekrümmt, die hinteren Schlüsselbeine ziemlich kurz, die
Schulterblätter schmal, die Armknochen sehr lang. Die Zunge ist lang, schmal und ziemlich tief
gefurcht, der Schlund sehr weit, der Muskelmagen klein und rundlich, aber fleischig und dick, der
Dickdarm kaum weiter als der Dünndarm etc.

Unter den Mövenvögeln haben die Seeschwalben die größte Verbreitung. Sie bewohnen alle
Gürtel der Erde, den warmen und die gemäßigten zahlreicher als die kalten, welche sie nur auf kurze
Zeit besuchen, leben am Meere und an süßen Gewässern und folgen wandernd der Küste oder dem
Laufe der Flüsse. Einige Arten lieben den flachen, kahlen Seestrand, andere pflanzenreiche Gewässer,
einige siedeln sich vorzugsweise in südlichen Küstenwäldern an.

Alle Arten sind äußerst unruhige, bewegungslustige Vögel und von Sonnenaufgang bis zu
Sonnenniedergang fast ununterbrochen thätig. Die Nacht verbringen sie am Ufer, gewöhnlich liegend,
den Tag fast ausschließlich fliegend in der Luft; denn sie ruhen seltener und auf kürzere Zeit als alle
Verwandten. Jm Sitzen machen sie nicht eben einen vortheilhaften Eindruck auf den Beschauer: sie
halten den Leib wagerecht oder vorn ein wenig gesenkt, sodaß die langen Säbelflügel mit den Spitzen
höher liegen, als der eingezogene Kopf, und erscheinen nur dann, wenn sie sich auf erhöhten Gegen-
ständen, Steinen, Pfahlspitzen und dergleichen ausruhen, etwas gefälliger. Sie gehen schlecht,
trippelnd, deshalb auch blos auf kurze Strecken, werden zwar ihrer Leichtigkeit halber von den
Wellen wie Kork getragen, sind aber nicht im Stande, rasch zu schwimmen, sondern wissen sich blos
durch langsames, ungeschicktes Rudern weiter zu helfen, kurz sich hier ebenso wenig zu fördern als
auf dem Lande. Dagegen entfalten sie eine bewunderungswürdige Bewegungsfähigkeit im Fluge.
Nicht ohne Ursache vergleicht sie die Sprache mit den Schwalben: sie ähneln diesen wirklich in der
Gewandtheit und Schnelligkeit ihres Fluges. Wenn sie keine Eile haben, bewegen sie die Schwingen
in langsamen, weit ausholenden Schlägen und gleiten unstät in einer sanften Wellenlinie fort;
wollen sie aber rasch sich fördern, so greifen sie kräftig aus und jagen dann reißend schnell durch die
Luft. Bei ruhigem Wetter sieht man sie auch die schönsten Schwenkungen und Kreislinien ausführen,
während sie bei heftigem Winde in einem beständigen Kampfe mit dem Luftstrome liegen und trachten
müssen, sich dem Luftzuge beständig entgegen zu stellen, weil sie sonst unfehlbar erfaßt und wie ein
Flederwisch zurückgeschleudert werden. Gewöhnlich sieht man sie niedrig über dem Wasser fortfliegen,
bald aufsteigend, bald sich senkend, bald plötzlich auch mit knapp eingezogenen Flügeln in schiefer
Linie herabstoßend und sich so tief in die Wellen einsenkend, daß beinahe der ganze Körper verschwindet
hierauf sich wieder emporarbeiten, die Flügel zuckend bewegen, um die Wassertropfen abzuschütteln
und das alte Spiel von neuem beginnen. Jn dieser Weise durchmessen sie im Laufe des Tages
sehr bedeutende Strecken, obgleich sie sich ungern von einer und derselben Stelle weit entfernen,
vielmehr immer und immer wieder zum Ausgangspunkte zurückkehren. Die Stimme ist ein unangenehm
kreischender Laut, welcher durch "Kriäh" ausgedrückt werden kann und sich bei den verschiedenen
Arten wenig unterscheidet. Unter den Sinnen stehen Gesicht und Gehör entschieden obenan.
Beobachtung ihrer geistigen Eigenschaften läßt erkennen, daß sie ebenso vorsichtig und scheu als rastlos
sind, ohne Gesellschaft anderer ihrer Art kaum bestehen können, demungeachtet jede Erwerbung ihrer
Genossen mit mißgünstigem Auge betrachten, deshalb auch eilig und scheinbar neugierig herbeistürzen,
sowie sie einen anderen Stoßtaucher arbeiten oder auch nur einen ähnlichen Gegenstand in ähnlicher
Weise von der Höhe zur Tiefe herab auf das Wasser fallen sehen; daß ihr ganzes Sinnen und Trachten
auf Erbeutung der Nahrung gerichtet ist, und alles Uebrige sie nur insofern kümmert, als es ihre
Erwerbungen begünstigen oder beeinträchtigen kann; daß sie demgemäß sich zwar oft in Gesell-
schaft anderer Thiere begeben, niemals jedoch eine Anhänglichkeit an diese zeigen oder einen Trieb zur
allgemeinen Geselligkeit bekunden, unter sich aber soviel Gemeinsinn besitzen, über jeden gemein-
schaftlichen Gegner herzufallen und für das Wohl der Gesammtheit nach Kräften einzutreten. Beide

Die Schwimmer. Seeflieger. Seeſchwalben.
Kreuzbein- und ſieben Schwanzwirbeln; unter den acht Rippen ſind die vordere und hintere falſch;
das Bruſtbein iſt oben ſchmäler als unten, ſein Kamm ſtark, der hintere Theil zeigt zwei kurze Fort-
ſätze; die Aeſte der Gabeln ſind ſtark und gekrümmt, die hinteren Schlüſſelbeine ziemlich kurz, die
Schulterblätter ſchmal, die Armknochen ſehr lang. Die Zunge iſt lang, ſchmal und ziemlich tief
gefurcht, der Schlund ſehr weit, der Muskelmagen klein und rundlich, aber fleiſchig und dick, der
Dickdarm kaum weiter als der Dünndarm ꝛc.

Unter den Mövenvögeln haben die Seeſchwalben die größte Verbreitung. Sie bewohnen alle
Gürtel der Erde, den warmen und die gemäßigten zahlreicher als die kalten, welche ſie nur auf kurze
Zeit beſuchen, leben am Meere und an ſüßen Gewäſſern und folgen wandernd der Küſte oder dem
Laufe der Flüſſe. Einige Arten lieben den flachen, kahlen Seeſtrand, andere pflanzenreiche Gewäſſer,
einige ſiedeln ſich vorzugsweiſe in ſüdlichen Küſtenwäldern an.

Alle Arten ſind äußerſt unruhige, bewegungsluſtige Vögel und von Sonnenaufgang bis zu
Sonnenniedergang faſt ununterbrochen thätig. Die Nacht verbringen ſie am Ufer, gewöhnlich liegend,
den Tag faſt ausſchließlich fliegend in der Luft; denn ſie ruhen ſeltener und auf kürzere Zeit als alle
Verwandten. Jm Sitzen machen ſie nicht eben einen vortheilhaften Eindruck auf den Beſchauer: ſie
halten den Leib wagerecht oder vorn ein wenig geſenkt, ſodaß die langen Säbelflügel mit den Spitzen
höher liegen, als der eingezogene Kopf, und erſcheinen nur dann, wenn ſie ſich auf erhöhten Gegen-
ſtänden, Steinen, Pfahlſpitzen und dergleichen ausruhen, etwas gefälliger. Sie gehen ſchlecht,
trippelnd, deshalb auch blos auf kurze Strecken, werden zwar ihrer Leichtigkeit halber von den
Wellen wie Kork getragen, ſind aber nicht im Stande, raſch zu ſchwimmen, ſondern wiſſen ſich blos
durch langſames, ungeſchicktes Rudern weiter zu helfen, kurz ſich hier ebenſo wenig zu fördern als
auf dem Lande. Dagegen entfalten ſie eine bewunderungswürdige Bewegungsfähigkeit im Fluge.
Nicht ohne Urſache vergleicht ſie die Sprache mit den Schwalben: ſie ähneln dieſen wirklich in der
Gewandtheit und Schnelligkeit ihres Fluges. Wenn ſie keine Eile haben, bewegen ſie die Schwingen
in langſamen, weit ausholenden Schlägen und gleiten unſtät in einer ſanften Wellenlinie fort;
wollen ſie aber raſch ſich fördern, ſo greifen ſie kräftig aus und jagen dann reißend ſchnell durch die
Luft. Bei ruhigem Wetter ſieht man ſie auch die ſchönſten Schwenkungen und Kreislinien ausführen,
während ſie bei heftigem Winde in einem beſtändigen Kampfe mit dem Luftſtrome liegen und trachten
müſſen, ſich dem Luftzuge beſtändig entgegen zu ſtellen, weil ſie ſonſt unfehlbar erfaßt und wie ein
Flederwiſch zurückgeſchleudert werden. Gewöhnlich ſieht man ſie niedrig über dem Waſſer fortfliegen,
bald aufſteigend, bald ſich ſenkend, bald plötzlich auch mit knapp eingezogenen Flügeln in ſchiefer
Linie herabſtoßend und ſich ſo tief in die Wellen einſenkend, daß beinahe der ganze Körper verſchwindet
hierauf ſich wieder emporarbeiten, die Flügel zuckend bewegen, um die Waſſertropfen abzuſchütteln
und das alte Spiel von neuem beginnen. Jn dieſer Weiſe durchmeſſen ſie im Laufe des Tages
ſehr bedeutende Strecken, obgleich ſie ſich ungern von einer und derſelben Stelle weit entfernen,
vielmehr immer und immer wieder zum Ausgangspunkte zurückkehren. Die Stimme iſt ein unangenehm
kreiſchender Laut, welcher durch „Kriäh“ ausgedrückt werden kann und ſich bei den verſchiedenen
Arten wenig unterſcheidet. Unter den Sinnen ſtehen Geſicht und Gehör entſchieden obenan.
Beobachtung ihrer geiſtigen Eigenſchaften läßt erkennen, daß ſie ebenſo vorſichtig und ſcheu als raſtlos
ſind, ohne Geſellſchaft anderer ihrer Art kaum beſtehen können, demungeachtet jede Erwerbung ihrer
Genoſſen mit mißgünſtigem Auge betrachten, deshalb auch eilig und ſcheinbar neugierig herbeiſtürzen,
ſowie ſie einen anderen Stoßtaucher arbeiten oder auch nur einen ähnlichen Gegenſtand in ähnlicher
Weiſe von der Höhe zur Tiefe herab auf das Waſſer fallen ſehen; daß ihr ganzes Sinnen und Trachten
auf Erbeutung der Nahrung gerichtet iſt, und alles Uebrige ſie nur inſofern kümmert, als es ihre
Erwerbungen begünſtigen oder beeinträchtigen kann; daß ſie demgemäß ſich zwar oft in Geſell-
ſchaft anderer Thiere begeben, niemals jedoch eine Anhänglichkeit an dieſe zeigen oder einen Trieb zur
allgemeinen Geſelligkeit bekunden, unter ſich aber ſoviel Gemeinſinn beſitzen, über jeden gemein-
ſchaftlichen Gegner herzufallen und für das Wohl der Geſammtheit nach Kräften einzutreten. Beide

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[854/0904] Die Schwimmer. Seeflieger. Seeſchwalben. Kreuzbein- und ſieben Schwanzwirbeln; unter den acht Rippen ſind die vordere und hintere falſch; das Bruſtbein iſt oben ſchmäler als unten, ſein Kamm ſtark, der hintere Theil zeigt zwei kurze Fort- ſätze; die Aeſte der Gabeln ſind ſtark und gekrümmt, die hinteren Schlüſſelbeine ziemlich kurz, die Schulterblätter ſchmal, die Armknochen ſehr lang. Die Zunge iſt lang, ſchmal und ziemlich tief gefurcht, der Schlund ſehr weit, der Muskelmagen klein und rundlich, aber fleiſchig und dick, der Dickdarm kaum weiter als der Dünndarm ꝛc. Unter den Mövenvögeln haben die Seeſchwalben die größte Verbreitung. Sie bewohnen alle Gürtel der Erde, den warmen und die gemäßigten zahlreicher als die kalten, welche ſie nur auf kurze Zeit beſuchen, leben am Meere und an ſüßen Gewäſſern und folgen wandernd der Küſte oder dem Laufe der Flüſſe. Einige Arten lieben den flachen, kahlen Seeſtrand, andere pflanzenreiche Gewäſſer, einige ſiedeln ſich vorzugsweiſe in ſüdlichen Küſtenwäldern an. Alle Arten ſind äußerſt unruhige, bewegungsluſtige Vögel und von Sonnenaufgang bis zu Sonnenniedergang faſt ununterbrochen thätig. Die Nacht verbringen ſie am Ufer, gewöhnlich liegend, den Tag faſt ausſchließlich fliegend in der Luft; denn ſie ruhen ſeltener und auf kürzere Zeit als alle Verwandten. Jm Sitzen machen ſie nicht eben einen vortheilhaften Eindruck auf den Beſchauer: ſie halten den Leib wagerecht oder vorn ein wenig geſenkt, ſodaß die langen Säbelflügel mit den Spitzen höher liegen, als der eingezogene Kopf, und erſcheinen nur dann, wenn ſie ſich auf erhöhten Gegen- ſtänden, Steinen, Pfahlſpitzen und dergleichen ausruhen, etwas gefälliger. Sie gehen ſchlecht, trippelnd, deshalb auch blos auf kurze Strecken, werden zwar ihrer Leichtigkeit halber von den Wellen wie Kork getragen, ſind aber nicht im Stande, raſch zu ſchwimmen, ſondern wiſſen ſich blos durch langſames, ungeſchicktes Rudern weiter zu helfen, kurz ſich hier ebenſo wenig zu fördern als auf dem Lande. Dagegen entfalten ſie eine bewunderungswürdige Bewegungsfähigkeit im Fluge. Nicht ohne Urſache vergleicht ſie die Sprache mit den Schwalben: ſie ähneln dieſen wirklich in der Gewandtheit und Schnelligkeit ihres Fluges. Wenn ſie keine Eile haben, bewegen ſie die Schwingen in langſamen, weit ausholenden Schlägen und gleiten unſtät in einer ſanften Wellenlinie fort; wollen ſie aber raſch ſich fördern, ſo greifen ſie kräftig aus und jagen dann reißend ſchnell durch die Luft. Bei ruhigem Wetter ſieht man ſie auch die ſchönſten Schwenkungen und Kreislinien ausführen, während ſie bei heftigem Winde in einem beſtändigen Kampfe mit dem Luftſtrome liegen und trachten müſſen, ſich dem Luftzuge beſtändig entgegen zu ſtellen, weil ſie ſonſt unfehlbar erfaßt und wie ein Flederwiſch zurückgeſchleudert werden. Gewöhnlich ſieht man ſie niedrig über dem Waſſer fortfliegen, bald aufſteigend, bald ſich ſenkend, bald plötzlich auch mit knapp eingezogenen Flügeln in ſchiefer Linie herabſtoßend und ſich ſo tief in die Wellen einſenkend, daß beinahe der ganze Körper verſchwindet hierauf ſich wieder emporarbeiten, die Flügel zuckend bewegen, um die Waſſertropfen abzuſchütteln und das alte Spiel von neuem beginnen. Jn dieſer Weiſe durchmeſſen ſie im Laufe des Tages ſehr bedeutende Strecken, obgleich ſie ſich ungern von einer und derſelben Stelle weit entfernen, vielmehr immer und immer wieder zum Ausgangspunkte zurückkehren. Die Stimme iſt ein unangenehm kreiſchender Laut, welcher durch „Kriäh“ ausgedrückt werden kann und ſich bei den verſchiedenen Arten wenig unterſcheidet. Unter den Sinnen ſtehen Geſicht und Gehör entſchieden obenan. Beobachtung ihrer geiſtigen Eigenſchaften läßt erkennen, daß ſie ebenſo vorſichtig und ſcheu als raſtlos ſind, ohne Geſellſchaft anderer ihrer Art kaum beſtehen können, demungeachtet jede Erwerbung ihrer Genoſſen mit mißgünſtigem Auge betrachten, deshalb auch eilig und ſcheinbar neugierig herbeiſtürzen, ſowie ſie einen anderen Stoßtaucher arbeiten oder auch nur einen ähnlichen Gegenſtand in ähnlicher Weiſe von der Höhe zur Tiefe herab auf das Waſſer fallen ſehen; daß ihr ganzes Sinnen und Trachten auf Erbeutung der Nahrung gerichtet iſt, und alles Uebrige ſie nur inſofern kümmert, als es ihre Erwerbungen begünſtigen oder beeinträchtigen kann; daß ſie demgemäß ſich zwar oft in Geſell- ſchaft anderer Thiere begeben, niemals jedoch eine Anhänglichkeit an dieſe zeigen oder einen Trieb zur allgemeinen Geſelligkeit bekunden, unter ſich aber ſoviel Gemeinſinn beſitzen, über jeden gemein- ſchaftlichen Gegner herzufallen und für das Wohl der Geſammtheit nach Kräften einzutreten. Beide

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 854. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/904>, abgerufen am 23.11.2024.