Mit vollstem Rechte gilt der Gänsesäger als einer der schönsten und anziehendsten Schwimm- vögel. Das prachtvolle Gefieder, dessen Hauptfarben lebhaft von einander abstechen, wendet die Aufmerksamkeit des Forschers wie des Laien ihm zu, und die außerordentliche Lebendigkeit und Beweglichkeit, welche er fast jederzeit bekundet, steigert die Theilnahme für ihn. Mit Ausnahme der Mittagsstunden, welche er gern auf einer sandigen Stelle des Ufers ruhend verbringt, sieht man ihn fast beständig auf dem Wasser, seinem eigentlichen Wohngebiete. Auf dem Lande watschelt er ziemlich schwerfällig, und durch die Luft fliegt er zwar ziemlich rasch, aber doch nur mit Anstrengung, während er auf und unter dem Wasser mit gleicher Leichtigkeit sich bewegt. Bei ruhigem Schwimmen rudert er mit kräftigen, jedoch langsam sich folgenden Stößen seiner breiten Füße gleichmäßig und ziemlich rasch seines Weges fort; wenn er aber einen anderen seiner Art, der eben Beute gemacht hat und diese verschlingen will, neidisch verfolgt, jagt er so heftig auf der Oberfläche des Wassers fort,
[Abbildung]
Der Gänsesäger (Morgus merganser).
daß er jeden anderen mir bekannten Schwimmvogel überbietet und ein starkes Rauschen der Wellen hervorbringt. Sein Eintauchen ins Wasser geschieht mit größter Leichtigkeit, fast ohne Geräusch, und sein Schwimmen zwischen der Oberfläche und dem Grunde des Gewässers so schnell, daß man eher einen Fisch als einen Vogel dahin schießen zu sehen wähnt. Zuweilen bleibt er gegen zwei Minuten unter Wasser, gewöhnlich etwas über eine Minute. Jn dieser Zeit hat er fischend, also unter Umständen Kreuz- und Querzüge ausführend, meistens gegen hundert Schritt zurückgelegt. Seine Stimme ist ein sonderbares Knarren, welches meiner Ansicht nach am besten mit dem Getöne einer Mundtrommel verglichen werden mag. Die einzelnen Laute klingen wie "Karr" und "Korr", werden aber in so sonderbarer Weise verschmolzen und, wenn ihrer viele sind, zu einem so eigenthümlichen Zusammenklingen verbunden, daß man immer und immer wieder an jenes einfache Werkzeug erinnert wird. Ueber seine höheren Fähigkeiten bleibt man nicht lange im Zweifel. Der Jäger überzeugt sich
Brehm, Thierleben. IV. 54
Zwergſäger. Gänſeſäger.
Mit vollſtem Rechte gilt der Gänſeſäger als einer der ſchönſten und anziehendſten Schwimm- vögel. Das prachtvolle Gefieder, deſſen Hauptfarben lebhaft von einander abſtechen, wendet die Aufmerkſamkeit des Forſchers wie des Laien ihm zu, und die außerordentliche Lebendigkeit und Beweglichkeit, welche er faſt jederzeit bekundet, ſteigert die Theilnahme für ihn. Mit Ausnahme der Mittagsſtunden, welche er gern auf einer ſandigen Stelle des Ufers ruhend verbringt, ſieht man ihn faſt beſtändig auf dem Waſſer, ſeinem eigentlichen Wohngebiete. Auf dem Lande watſchelt er ziemlich ſchwerfällig, und durch die Luft fliegt er zwar ziemlich raſch, aber doch nur mit Anſtrengung, während er auf und unter dem Waſſer mit gleicher Leichtigkeit ſich bewegt. Bei ruhigem Schwimmen rudert er mit kräftigen, jedoch langſam ſich folgenden Stößen ſeiner breiten Füße gleichmäßig und ziemlich raſch ſeines Weges fort; wenn er aber einen anderen ſeiner Art, der eben Beute gemacht hat und dieſe verſchlingen will, neidiſch verfolgt, jagt er ſo heftig auf der Oberfläche des Waſſers fort,
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Der Gänſeſäger (Morgus merganser).
daß er jeden anderen mir bekannten Schwimmvogel überbietet und ein ſtarkes Rauſchen der Wellen hervorbringt. Sein Eintauchen ins Waſſer geſchieht mit größter Leichtigkeit, faſt ohne Geräuſch, und ſein Schwimmen zwiſchen der Oberfläche und dem Grunde des Gewäſſers ſo ſchnell, daß man eher einen Fiſch als einen Vogel dahin ſchießen zu ſehen wähnt. Zuweilen bleibt er gegen zwei Minuten unter Waſſer, gewöhnlich etwas über eine Minute. Jn dieſer Zeit hat er fiſchend, alſo unter Umſtänden Kreuz- und Querzüge ausführend, meiſtens gegen hundert Schritt zurückgelegt. Seine Stimme iſt ein ſonderbares Knarren, welches meiner Anſicht nach am beſten mit dem Getöne einer Mundtrommel verglichen werden mag. Die einzelnen Laute klingen wie „Karr“ und „Korr“, werden aber in ſo ſonderbarer Weiſe verſchmolzen und, wenn ihrer viele ſind, zu einem ſo eigenthümlichen Zuſammenklingen verbunden, daß man immer und immer wieder an jenes einfache Werkzeug erinnert wird. Ueber ſeine höheren Fähigkeiten bleibt man nicht lange im Zweifel. Der Jäger überzeugt ſich
Brehm, Thierleben. IV. 54
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Zwergſäger. Gänſeſäger.
Mit vollſtem Rechte gilt der Gänſeſäger als einer der ſchönſten und anziehendſten Schwimm-
vögel. Das prachtvolle Gefieder, deſſen Hauptfarben lebhaft von einander abſtechen, wendet die
Aufmerkſamkeit des Forſchers wie des Laien ihm zu, und die außerordentliche Lebendigkeit und
Beweglichkeit, welche er faſt jederzeit bekundet, ſteigert die Theilnahme für ihn. Mit Ausnahme der
Mittagsſtunden, welche er gern auf einer ſandigen Stelle des Ufers ruhend verbringt, ſieht man ihn
faſt beſtändig auf dem Waſſer, ſeinem eigentlichen Wohngebiete. Auf dem Lande watſchelt er ziemlich
ſchwerfällig, und durch die Luft fliegt er zwar ziemlich raſch, aber doch nur mit Anſtrengung,
während er auf und unter dem Waſſer mit gleicher Leichtigkeit ſich bewegt. Bei ruhigem Schwimmen
rudert er mit kräftigen, jedoch langſam ſich folgenden Stößen ſeiner breiten Füße gleichmäßig und
ziemlich raſch ſeines Weges fort; wenn er aber einen anderen ſeiner Art, der eben Beute gemacht hat
und dieſe verſchlingen will, neidiſch verfolgt, jagt er ſo heftig auf der Oberfläche des Waſſers fort,
[Abbildung Der Gänſeſäger (Morgus merganser).]
daß er jeden anderen mir bekannten Schwimmvogel überbietet und ein ſtarkes Rauſchen der Wellen
hervorbringt. Sein Eintauchen ins Waſſer geſchieht mit größter Leichtigkeit, faſt ohne Geräuſch, und
ſein Schwimmen zwiſchen der Oberfläche und dem Grunde des Gewäſſers ſo ſchnell, daß man eher
einen Fiſch als einen Vogel dahin ſchießen zu ſehen wähnt. Zuweilen bleibt er gegen zwei Minuten
unter Waſſer, gewöhnlich etwas über eine Minute. Jn dieſer Zeit hat er fiſchend, alſo unter
Umſtänden Kreuz- und Querzüge ausführend, meiſtens gegen hundert Schritt zurückgelegt. Seine
Stimme iſt ein ſonderbares Knarren, welches meiner Anſicht nach am beſten mit dem Getöne einer
Mundtrommel verglichen werden mag. Die einzelnen Laute klingen wie „Karr“ und „Korr“, werden
aber in ſo ſonderbarer Weiſe verſchmolzen und, wenn ihrer viele ſind, zu einem ſo eigenthümlichen
Zuſammenklingen verbunden, daß man immer und immer wieder an jenes einfache Werkzeug erinnert
wird. Ueber ſeine höheren Fähigkeiten bleibt man nicht lange im Zweifel. Der Jäger überzeugt ſich
Brehm, Thierleben. IV. 54
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 849. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/899>, abgerufen am 23.11.2024.
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