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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Die Läuser. Stelzvögel. Feldstörche.
Platz erreicht hatte. Auf diesem zog er dann die Beine und den Hals ein und verbrachte so die
Nacht in gekauerter Lage. Auch Burmeister sagt, daß die Seriema die Nacht in den Kronen mäßig
hoher Bäume verbringe. Jn der Freiheit wie in der Gefangenschaft vernimmt man oft die laute,
weitschallende Stimme. Sie klingt, nach Burmeister's Meinung, wie das Gebelfer und Gekläff
eines jungen Hundes, nach Homeyer's Angabe, raubvogelstimmig und ungemein kreischend. Auch
der schreiende Vogel sitzt am liebsten etwas erhöht, schreit wenigstens, solange er auf dem Boden
umherläuft, minder laut und anhaltend. "Springt die Seriema auf einen ihrer Baumstümpfe, so
mögen sich alle Nervenschwache möglichst entfernen; denn es beginnt jetzt im wahren Sinne des
Wortes ein Schreikoncert. Beim ersten Theile desselben nimmt der Musiker eine aufrechte Haltung
an, sieht gen Himmel, und schreit mit sehr heller, gellender Stimme überraschend laut: "Ha, hahahahi,
hihihi, hiel, hiel, hi, el", worauf eine kleine Pause von vier bis fünf Sekunden eintritt und sodann
ein kurzer Nachruf, ungefähr wie "Hak" klingend, erfolgt. Beim Ausstoßen jeder einzelnen Silbe
wird der Kopf wechselseitig eingezogen und gehoben, wodurch eine eigenthümliche Bewegung des
Vordertheiles entsteht; dann wird der Kopf vollkommen hintergeworfen und der zweite Theil heraus-
geschrien. Dieser beginnt noch viel lauter als der erste und endet nach und nach schwächer werdend,
er klingt ungefähr: "Hahiel, hahiel, hiel, il, ilk, ilk, ilk, ack". Zuweilen schreit der Vogel eine halbe
Stunde lang."

Die Nahrung der Seriema besteht vorzüglich in den Kerbthieren des Campo; doch vertilgt sie
auch viele Schlangen, Eidechsen und dergleichen. Jn den Augen der Brasilianer ist sie deshalb ein
allgemein geachtetes Thier, und das Gesetz verbietet, sie zu tödten. Der Prinz fand ihren Magen
gänzlich mit Heuschrecken vollgepfropft; Burmeister gibt auch noch saftige Beeren als Futter an.
Die Gefangenen fressen Fleischstücke, Brot, Kerbthiere und dergleichen, bekunden übrigens wirkliche
Raubgelüste, so oft sie können. "Sperlinge, junge Natten und Mäuse", sagt Homeyer, "welche
sich dem Futterkasten nähern, werden oft, indem sich der Vogel im schnellsten Laufe auf sie stürzt, mit
unendlicher Geschicklichkeit gefangen und, nachdem sie erst im Wasser vollkommen eingeweicht und
mundgerecht gemacht worden sind, mit Haut und Haaren verschluckt. Das Einweichen geschieht
vorzugsweise bei größeren Sachen, wie Ratten und Sperlingen, seltener bei kleineren, den Mäusen
z. B." Ein Gefangener, welchen Burmeister beobachtete, nahm nur kleine Fleischstückchen auf,
ließ aber größere Bissen, Gedärme des Hausfederviehs liegen; dagegen sammelte er Knochen oder
selbst aus Knochen gearbeitete Gegenstände und schlug sie solange auf einen Stein, bis sie zersprangen,
unzweifelhaft in der Absicht, Kerbthiere, Maden oder Würmer, welche im Jnnern der Markröhre
leben oder das leckere Mark selbst zu erbeuten. Jn der Paarzeit streiten sich die männlichen Seriemas
heftig um die Weibchen. Hiervon war der Prinz im Monat Februar Augenzeuge. "Sie verfolgten
sich in dem dichten Nebel des Morgens und kamen uns dann zufällig so nahe, daß wir sie im schnellen
Laufe mit weitgeöffnetem Schnabel erblickten." Auch Homeyer gedenkt der Rauflust des Vogels
und beschreibt die Kampfstellungen, welche er annimmt. "Kommt die Seriema in Hader", sagt er,
"so macht sie tolle Sprünge, sträubt das Halsgefieder, bläht sich raubvogelartig auf und breitet den
Schwanz während eines Sprunges in der Luft fächerförmig aus, nebenbei auch vielleicht, um nicht
das Gleichgewicht zu verlieren, den einen oder den anderen Flügel. So wird bald springend, bald
laufend der Gegner unter den drolligsten Geberden angegriffen und verfolgt. Der Schnabel ist als
die eigentliche Waffe zu betrachten, indem die Seriema mit ihm einen glücklichen Griff thut und dem
Gegner viele Federn ausrupft, während der oft vorgeschnellte Fuß nie krallt, sondern nur Stöße und
Fußtritte gibt. Uebrigens sind diese sich oft wiederholenden Zwistigkeiten zwischen den Seriemas
oder ihnen und anderen Vögeln überhaupt nie von langer Dauer, nehmen auch nie einen bösartigen
Charakter an."

Das Nest wird auf einem niederen oder mäßig hohen Baume angelegt. Eines, welches der
Prinz fand, konnte mit der Hand erreicht werden. Es bestand aus dürren Reisern, welche
unordentlich quer über die Zweige gelegt waren, und einer Schicht von Lette oder Kuhmist, welche die

Die Läuſer. Stelzvögel. Feldſtörche.
Platz erreicht hatte. Auf dieſem zog er dann die Beine und den Hals ein und verbrachte ſo die
Nacht in gekauerter Lage. Auch Burmeiſter ſagt, daß die Seriema die Nacht in den Kronen mäßig
hoher Bäume verbringe. Jn der Freiheit wie in der Gefangenſchaft vernimmt man oft die laute,
weitſchallende Stimme. Sie klingt, nach Burmeiſter’s Meinung, wie das Gebelfer und Gekläff
eines jungen Hundes, nach Homeyer’s Angabe, raubvogelſtimmig und ungemein kreiſchend. Auch
der ſchreiende Vogel ſitzt am liebſten etwas erhöht, ſchreit wenigſtens, ſolange er auf dem Boden
umherläuft, minder laut und anhaltend. „Springt die Seriema auf einen ihrer Baumſtümpfe, ſo
mögen ſich alle Nervenſchwache möglichſt entfernen; denn es beginnt jetzt im wahren Sinne des
Wortes ein Schreikoncert. Beim erſten Theile deſſelben nimmt der Muſiker eine aufrechte Haltung
an, ſieht gen Himmel, und ſchreit mit ſehr heller, gellender Stimme überraſchend laut: „Ha, hahahahi,
hihihi, hiel, hiel, hi, el“, worauf eine kleine Pauſe von vier bis fünf Sekunden eintritt und ſodann
ein kurzer Nachruf, ungefähr wie „Hak“ klingend, erfolgt. Beim Ausſtoßen jeder einzelnen Silbe
wird der Kopf wechſelſeitig eingezogen und gehoben, wodurch eine eigenthümliche Bewegung des
Vordertheiles entſteht; dann wird der Kopf vollkommen hintergeworfen und der zweite Theil heraus-
geſchrien. Dieſer beginnt noch viel lauter als der erſte und endet nach und nach ſchwächer werdend,
er klingt ungefähr: „Hahiel, hahiel, hiel, il, ilk, ilk, ilk, ack“. Zuweilen ſchreit der Vogel eine halbe
Stunde lang.“

Die Nahrung der Seriema beſteht vorzüglich in den Kerbthieren des Campo; doch vertilgt ſie
auch viele Schlangen, Eidechſen und dergleichen. Jn den Augen der Braſilianer iſt ſie deshalb ein
allgemein geachtetes Thier, und das Geſetz verbietet, ſie zu tödten. Der Prinz fand ihren Magen
gänzlich mit Heuſchrecken vollgepfropft; Burmeiſter gibt auch noch ſaftige Beeren als Futter an.
Die Gefangenen freſſen Fleiſchſtücke, Brot, Kerbthiere und dergleichen, bekunden übrigens wirkliche
Raubgelüſte, ſo oft ſie können. „Sperlinge, junge Natten und Mäuſe“, ſagt Homeyer, „welche
ſich dem Futterkaſten nähern, werden oft, indem ſich der Vogel im ſchnellſten Laufe auf ſie ſtürzt, mit
unendlicher Geſchicklichkeit gefangen und, nachdem ſie erſt im Waſſer vollkommen eingeweicht und
mundgerecht gemacht worden ſind, mit Haut und Haaren verſchluckt. Das Einweichen geſchieht
vorzugsweiſe bei größeren Sachen, wie Ratten und Sperlingen, ſeltener bei kleineren, den Mäuſen
z. B.“ Ein Gefangener, welchen Burmeiſter beobachtete, nahm nur kleine Fleiſchſtückchen auf,
ließ aber größere Biſſen, Gedärme des Hausfederviehs liegen; dagegen ſammelte er Knochen oder
ſelbſt aus Knochen gearbeitete Gegenſtände und ſchlug ſie ſolange auf einen Stein, bis ſie zerſprangen,
unzweifelhaft in der Abſicht, Kerbthiere, Maden oder Würmer, welche im Jnnern der Markröhre
leben oder das leckere Mark ſelbſt zu erbeuten. Jn der Paarzeit ſtreiten ſich die männlichen Seriemas
heftig um die Weibchen. Hiervon war der Prinz im Monat Februar Augenzeuge. „Sie verfolgten
ſich in dem dichten Nebel des Morgens und kamen uns dann zufällig ſo nahe, daß wir ſie im ſchnellen
Laufe mit weitgeöffnetem Schnabel erblickten.“ Auch Homeyer gedenkt der Raufluſt des Vogels
und beſchreibt die Kampfſtellungen, welche er annimmt. „Kommt die Seriema in Hader“, ſagt er,
„ſo macht ſie tolle Sprünge, ſträubt das Halsgefieder, bläht ſich raubvogelartig auf und breitet den
Schwanz während eines Sprunges in der Luft fächerförmig aus, nebenbei auch vielleicht, um nicht
das Gleichgewicht zu verlieren, den einen oder den anderen Flügel. So wird bald ſpringend, bald
laufend der Gegner unter den drolligſten Geberden angegriffen und verfolgt. Der Schnabel iſt als
die eigentliche Waffe zu betrachten, indem die Seriema mit ihm einen glücklichen Griff thut und dem
Gegner viele Federn ausrupft, während der oft vorgeſchnellte Fuß nie krallt, ſondern nur Stöße und
Fußtritte gibt. Uebrigens ſind dieſe ſich oft wiederholenden Zwiſtigkeiten zwiſchen den Seriemas
oder ihnen und anderen Vögeln überhaupt nie von langer Dauer, nehmen auch nie einen bösartigen
Charakter an.“

Das Neſt wird auf einem niederen oder mäßig hohen Baume angelegt. Eines, welches der
Prinz fand, konnte mit der Hand erreicht werden. Es beſtand aus dürren Reiſern, welche
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[734/0780] Die Läuſer. Stelzvögel. Feldſtörche. Platz erreicht hatte. Auf dieſem zog er dann die Beine und den Hals ein und verbrachte ſo die Nacht in gekauerter Lage. Auch Burmeiſter ſagt, daß die Seriema die Nacht in den Kronen mäßig hoher Bäume verbringe. Jn der Freiheit wie in der Gefangenſchaft vernimmt man oft die laute, weitſchallende Stimme. Sie klingt, nach Burmeiſter’s Meinung, wie das Gebelfer und Gekläff eines jungen Hundes, nach Homeyer’s Angabe, raubvogelſtimmig und ungemein kreiſchend. Auch der ſchreiende Vogel ſitzt am liebſten etwas erhöht, ſchreit wenigſtens, ſolange er auf dem Boden umherläuft, minder laut und anhaltend. „Springt die Seriema auf einen ihrer Baumſtümpfe, ſo mögen ſich alle Nervenſchwache möglichſt entfernen; denn es beginnt jetzt im wahren Sinne des Wortes ein Schreikoncert. Beim erſten Theile deſſelben nimmt der Muſiker eine aufrechte Haltung an, ſieht gen Himmel, und ſchreit mit ſehr heller, gellender Stimme überraſchend laut: „Ha, hahahahi, hihihi, hiel, hiel, hi, el“, worauf eine kleine Pauſe von vier bis fünf Sekunden eintritt und ſodann ein kurzer Nachruf, ungefähr wie „Hak“ klingend, erfolgt. Beim Ausſtoßen jeder einzelnen Silbe wird der Kopf wechſelſeitig eingezogen und gehoben, wodurch eine eigenthümliche Bewegung des Vordertheiles entſteht; dann wird der Kopf vollkommen hintergeworfen und der zweite Theil heraus- geſchrien. Dieſer beginnt noch viel lauter als der erſte und endet nach und nach ſchwächer werdend, er klingt ungefähr: „Hahiel, hahiel, hiel, il, ilk, ilk, ilk, ack“. Zuweilen ſchreit der Vogel eine halbe Stunde lang.“ Die Nahrung der Seriema beſteht vorzüglich in den Kerbthieren des Campo; doch vertilgt ſie auch viele Schlangen, Eidechſen und dergleichen. Jn den Augen der Braſilianer iſt ſie deshalb ein allgemein geachtetes Thier, und das Geſetz verbietet, ſie zu tödten. Der Prinz fand ihren Magen gänzlich mit Heuſchrecken vollgepfropft; Burmeiſter gibt auch noch ſaftige Beeren als Futter an. Die Gefangenen freſſen Fleiſchſtücke, Brot, Kerbthiere und dergleichen, bekunden übrigens wirkliche Raubgelüſte, ſo oft ſie können. „Sperlinge, junge Natten und Mäuſe“, ſagt Homeyer, „welche ſich dem Futterkaſten nähern, werden oft, indem ſich der Vogel im ſchnellſten Laufe auf ſie ſtürzt, mit unendlicher Geſchicklichkeit gefangen und, nachdem ſie erſt im Waſſer vollkommen eingeweicht und mundgerecht gemacht worden ſind, mit Haut und Haaren verſchluckt. Das Einweichen geſchieht vorzugsweiſe bei größeren Sachen, wie Ratten und Sperlingen, ſeltener bei kleineren, den Mäuſen z. B.“ Ein Gefangener, welchen Burmeiſter beobachtete, nahm nur kleine Fleiſchſtückchen auf, ließ aber größere Biſſen, Gedärme des Hausfederviehs liegen; dagegen ſammelte er Knochen oder ſelbſt aus Knochen gearbeitete Gegenſtände und ſchlug ſie ſolange auf einen Stein, bis ſie zerſprangen, unzweifelhaft in der Abſicht, Kerbthiere, Maden oder Würmer, welche im Jnnern der Markröhre leben oder das leckere Mark ſelbſt zu erbeuten. Jn der Paarzeit ſtreiten ſich die männlichen Seriemas heftig um die Weibchen. Hiervon war der Prinz im Monat Februar Augenzeuge. „Sie verfolgten ſich in dem dichten Nebel des Morgens und kamen uns dann zufällig ſo nahe, daß wir ſie im ſchnellen Laufe mit weitgeöffnetem Schnabel erblickten.“ Auch Homeyer gedenkt der Raufluſt des Vogels und beſchreibt die Kampfſtellungen, welche er annimmt. „Kommt die Seriema in Hader“, ſagt er, „ſo macht ſie tolle Sprünge, ſträubt das Halsgefieder, bläht ſich raubvogelartig auf und breitet den Schwanz während eines Sprunges in der Luft fächerförmig aus, nebenbei auch vielleicht, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren, den einen oder den anderen Flügel. So wird bald ſpringend, bald laufend der Gegner unter den drolligſten Geberden angegriffen und verfolgt. Der Schnabel iſt als die eigentliche Waffe zu betrachten, indem die Seriema mit ihm einen glücklichen Griff thut und dem Gegner viele Federn ausrupft, während der oft vorgeſchnellte Fuß nie krallt, ſondern nur Stöße und Fußtritte gibt. Uebrigens ſind dieſe ſich oft wiederholenden Zwiſtigkeiten zwiſchen den Seriemas oder ihnen und anderen Vögeln überhaupt nie von langer Dauer, nehmen auch nie einen bösartigen Charakter an.“ Das Neſt wird auf einem niederen oder mäßig hohen Baume angelegt. Eines, welches der Prinz fand, konnte mit der Hand erreicht werden. Es beſtand aus dürren Reiſern, welche unordentlich quer über die Zweige gelegt waren, und einer Schicht von Lette oder Kuhmiſt, welche die

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 734. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/780>, abgerufen am 22.11.2024.