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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Seriema.
läuft hierauf rasch zwischen den Halmen fort, ohne sich zu zeigen. "Obgleich ich den Vogel täglich in den
Campos gehört habe und namentlich auf meinem Lager in früher Morgendämmerung, habe ich ihn
doch nie zu Gesicht bekommen. Dicht neben mir hörte ich oftmals einen Ton, und wenn ich heranritt,
war Alles still, kein Halm, viel weniger ein Vogel regte sich. Auch der argentinische Ver-
wandte, Tschunja genannt, läßt sich öfter hören als sehen; doch gelang es Burmeister, seiner
zwei Mal ansichtig zu werden. Der Prinz sagt, daß der Lauf dem eines Truthahnes ähnele;
Burmeister fügt Dem hinzu, daß er schneller dahinrenne, als ein Pferd zu traben vermöge und
nur im Galopp eingeholt werden könne. Homeyer bemerkt, daß der laufende Vogel sich vorn sehr
überbiegt, und der Leib wie der zusammengelegte Schwanz eine wagerechte Haltung annimmt. Die
[Abbildung] Die Seriema (Dicholophus eristatus) 1/4 der nat. Größe.
Flügel werden dabei dicht angelegt, nicht gelockert. Jn der Ruhe ist der Hals eingezogen, der
Vordertheil des Leibes erhoben und der Schwanz geneigt. Während des Tages sieht man die
Seriema selten ruhig; sie steht, geht oder läuft beständig umher und gibt sich niemals einer Träumerei
hin, wie der Kranich es oft thut. Die Brasilianer erzählten dem Prinzen, daß man die Vögel
zuweilen auch auf der Spitze eines Strauches oder eines mäßig hohen Baumes sitzen sähe, sie sich
jedoch, sobald Gefahr nahe, sofort auf die Erde herabbegäben, daß sie sich nur durch den Lauf, nicht
durch den Flug vor einem Verfolger zu retten suchten. Homeyer beobachtete an dem Gefangenen
des Frankfurter Thiergartens, daß er die Nacht stets auf einem Baume, niemals auf der Erde
zubrachte, beim Bäumen sich ungeschickt zeigte und oft lange Zeit brauchte, bevor er seinen bestimmten

Seriema.
läuft hierauf raſch zwiſchen den Halmen fort, ohne ſich zu zeigen. „Obgleich ich den Vogel täglich in den
Campos gehört habe und namentlich auf meinem Lager in früher Morgendämmerung, habe ich ihn
doch nie zu Geſicht bekommen. Dicht neben mir hörte ich oftmals einen Ton, und wenn ich heranritt,
war Alles ſtill, kein Halm, viel weniger ein Vogel regte ſich. Auch der argentiniſche Ver-
wandte, Tſchunja genannt, läßt ſich öfter hören als ſehen; doch gelang es Burmeiſter, ſeiner
zwei Mal anſichtig zu werden. Der Prinz ſagt, daß der Lauf dem eines Truthahnes ähnele;
Burmeiſter fügt Dem hinzu, daß er ſchneller dahinrenne, als ein Pferd zu traben vermöge und
nur im Galopp eingeholt werden könne. Homeyer bemerkt, daß der laufende Vogel ſich vorn ſehr
überbiegt, und der Leib wie der zuſammengelegte Schwanz eine wagerechte Haltung annimmt. Die
[Abbildung] Die Seriema (Dicholophus eristatus) ¼ der nat. Größe.
Flügel werden dabei dicht angelegt, nicht gelockert. Jn der Ruhe iſt der Hals eingezogen, der
Vordertheil des Leibes erhoben und der Schwanz geneigt. Während des Tages ſieht man die
Seriema ſelten ruhig; ſie ſteht, geht oder läuft beſtändig umher und gibt ſich niemals einer Träumerei
hin, wie der Kranich es oft thut. Die Braſilianer erzählten dem Prinzen, daß man die Vögel
zuweilen auch auf der Spitze eines Strauches oder eines mäßig hohen Baumes ſitzen ſähe, ſie ſich
jedoch, ſobald Gefahr nahe, ſofort auf die Erde herabbegäben, daß ſie ſich nur durch den Lauf, nicht
durch den Flug vor einem Verfolger zu retten ſuchten. Homeyer beobachtete an dem Gefangenen
des Frankfurter Thiergartens, daß er die Nacht ſtets auf einem Baume, niemals auf der Erde
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[733/0779] Seriema. läuft hierauf raſch zwiſchen den Halmen fort, ohne ſich zu zeigen. „Obgleich ich den Vogel täglich in den Campos gehört habe und namentlich auf meinem Lager in früher Morgendämmerung, habe ich ihn doch nie zu Geſicht bekommen. Dicht neben mir hörte ich oftmals einen Ton, und wenn ich heranritt, war Alles ſtill, kein Halm, viel weniger ein Vogel regte ſich. Auch der argentiniſche Ver- wandte, Tſchunja genannt, läßt ſich öfter hören als ſehen; doch gelang es Burmeiſter, ſeiner zwei Mal anſichtig zu werden. Der Prinz ſagt, daß der Lauf dem eines Truthahnes ähnele; Burmeiſter fügt Dem hinzu, daß er ſchneller dahinrenne, als ein Pferd zu traben vermöge und nur im Galopp eingeholt werden könne. Homeyer bemerkt, daß der laufende Vogel ſich vorn ſehr überbiegt, und der Leib wie der zuſammengelegte Schwanz eine wagerechte Haltung annimmt. Die [Abbildung Die Seriema (Dicholophus eristatus) ¼ der nat. Größe.] Flügel werden dabei dicht angelegt, nicht gelockert. Jn der Ruhe iſt der Hals eingezogen, der Vordertheil des Leibes erhoben und der Schwanz geneigt. Während des Tages ſieht man die Seriema ſelten ruhig; ſie ſteht, geht oder läuft beſtändig umher und gibt ſich niemals einer Träumerei hin, wie der Kranich es oft thut. Die Braſilianer erzählten dem Prinzen, daß man die Vögel zuweilen auch auf der Spitze eines Strauches oder eines mäßig hohen Baumes ſitzen ſähe, ſie ſich jedoch, ſobald Gefahr nahe, ſofort auf die Erde herabbegäben, daß ſie ſich nur durch den Lauf, nicht durch den Flug vor einem Verfolger zu retten ſuchten. Homeyer beobachtete an dem Gefangenen des Frankfurter Thiergartens, daß er die Nacht ſtets auf einem Baume, niemals auf der Erde zubrachte, beim Bäumen ſich ungeſchickt zeigte und oft lange Zeit brauchte, bevor er ſeinen beſtimmten

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 733. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/779>, abgerufen am 22.11.2024.