Darmschlauch gleichsam ausgepreßten Thieres bereits wieder abgehen und so in kürzester Frist die Vertilgung zahlloser Massen des gefürchteten "Entblätterers" möglich wird. Alle Kerbthiere, welche die Brachschwalbe aufnimmt, werden ganz verschlungen, genau so wie es der Ziegenmelker thut: von der Mühle fand in der Speiseröhre der von ihm auf der Jagd erlegten Brachschwalben werthvolle Käfer so vollständig erhalten, daß er sie für seine Sammlung verwenden konnte. Den Nachtschatten ähneln die Brachschwalben auch darin, daß sie zuweilen noch spät am Abend jagen, wie man sie überhaupt mehr Dämmerungs- als Tagvögel nennen möchte. Die Mittagsstunden wenigstens verschlafen sie in der Nähe ihres Nestes oder während der Zugzeit in endloser Reihe an dem Ufer eines Flusses oder Sees sitzend.
Zu Nistplätzen bevorzugen sie seichte Ufer der Sümpfe, baumlose Viehweiden in der Steppe oder Feldflächen, welche nur theilweise angebaut sind. Das Nest besteht aus einer kleinen, mit Halmen und Wurzeln ausgelegten Grube; das Gelege enthält vier Eier, welche denen der Zwergseeschwalbe ähneln und auf glanzlosem, lehmbräunlichen oder graugrünlichen Grunde mit vielen deutlichen grauen Schalenflecken und zahlreichen, verworrenen Schnörkeln von gelbbrauner bis kohlschwarzer Färbung bedeckt sind. Wie die meisten übrigen Stelzvögel lieben auch die Brachschwalben ihre Brut ungemein und wenden die verschiedensten Mittel an, um die geliebten Eier oder Kinder vor den Nach- stellungen eines Feindes zu retten. Tobias erlegte mit dem zweiten Schusse seines Doppelgewehres den einen Gatten des Paares und beobachtete, daß der andere nach dem Schusse augenblicklich herbei- gestürzt kam, sich neben dem todten Gefährten niedersetzte, hier verweilte, bis das Gewehr wieder geladen worden war und nun ebenfalls getödtet werden konnte, ein Opfer seiner Treue. Löbenstein sah, als er sich einem Neste mit Eiern näherte, daß einer der Alten mit hängenden Flügeln und aus- gebreitetem Schwanze umherlief, sich zu verschiedenen Malen niederdrückte, wieder ein Streckchen lief und Dies oft nach einander wiederholte, unzweifelhaft in der Absicht, den Jäger wegzuführen. Ebenso nimmt die Brachschwalbe, laut Gonzenbach, in der Nähe des Nestes äußerst sonderbare Stellungen an, indem sie den Flügel wie Segel in die Höhe hebt oder wagerecht ausbreitet, sodaß die Spitzen die Erde berühren, sich auch wohl mit ausgebreiteten Flügeln flach auf den Boden legt und eine Zeitlang in der Stellung verweilt, gewiß nur, um Dasselbe zu erreichen, welches sie bezweckt, wenn sie davon hinkt. Erfahrungsmäßig macht sie länger fortgesetzte Jagd bald sehr scheu; in der Nähe ihres Nistplatzes aber vergißt sie alle Vorsicht, und der Jäger, welcher mit dem Hunde einen solchen Platz besucht, geht nie vergeblich aus, weil sie, wie Kiebitze, Seeschwalben und Möven, wüthend auf den Vierfüßler herabsticht.
Die Jungen sind Nestflüchter, welche sich, wenn Dies noththut, in den ersten Tagen ihres Lebens, Dank des erdfarbenen Dunenkleides, durch Niederdrücken auf den Boden zu bergen wissen, rasch heranwachsen und bald alle Fähigkeiten ihrer Eltern sich erwerben.
Jn Ungarn und Rußland nimmt man den Brachschwalben rücksichtslos die Eier weg, welche man findet; in Griechenland verfolgt man auch die Alten des leckern Fleisches wegen, welches zumal im Herbste sehr fett und dann höchst schmackhaft ist. Für den Käfig fängt man die prächtigen Vögel leider selten ein. Von der Mühle versichert, daß sich Altgefangene bei einem Ersatzfutter mit aufgeweichtem Milchbrot wohl befanden, sich mit allerlei anderem Strandgeflügel vertrugen und bald sehr zahm wurden. Ein Gefangener, welchen Savi mehrere Monate unterhielt, verschmähte kein Kerbthier, zog Maulwurfsgrillen jedem anderen Futter vor, nahm sie aber nie aus dem Wasser, sondern immer nur vom trockenen Boden weg oder aus der Hand des Pflegers, tödtete sie vor dem Verschlingen, indem er sie gegen den Boden schlug, und verschluckte sie dann. Später gewöhnte er sich an hartgesottenes Ei und schien dieses zuletzt fast ebensogern zu fressen wie Kerbthiere. Wenn er Hunger hatte, schrie er mit starker, schrillender Stimme, so oft sich ihm Jemand näherte und bis er befriedigt wurde. Wahrscheinlich werden wir in Bälde mehr über das Gefangenleben der Brachschwalben erfahren, da der vortrefflich angelegte und sehr gut geleitete Thiergarten zu Pesth es als eine seiner Hauptaufgaben betrachtet, die Schwesteranstalten mit
Die Läufer. Stelzvögel. Schwalbenwater. Dickfüße.
Darmſchlauch gleichſam ausgepreßten Thieres bereits wieder abgehen und ſo in kürzeſter Friſt die Vertilgung zahlloſer Maſſen des gefürchteten „Entblätterers“ möglich wird. Alle Kerbthiere, welche die Brachſchwalbe aufnimmt, werden ganz verſchlungen, genau ſo wie es der Ziegenmelker thut: von der Mühle fand in der Speiſeröhre der von ihm auf der Jagd erlegten Brachſchwalben werthvolle Käfer ſo vollſtändig erhalten, daß er ſie für ſeine Sammlung verwenden konnte. Den Nachtſchatten ähneln die Brachſchwalben auch darin, daß ſie zuweilen noch ſpät am Abend jagen, wie man ſie überhaupt mehr Dämmerungs- als Tagvögel nennen möchte. Die Mittagsſtunden wenigſtens verſchlafen ſie in der Nähe ihres Neſtes oder während der Zugzeit in endloſer Reihe an dem Ufer eines Fluſſes oder Sees ſitzend.
Zu Niſtplätzen bevorzugen ſie ſeichte Ufer der Sümpfe, baumloſe Viehweiden in der Steppe oder Feldflächen, welche nur theilweiſe angebaut ſind. Das Neſt beſteht aus einer kleinen, mit Halmen und Wurzeln ausgelegten Grube; das Gelege enthält vier Eier, welche denen der Zwergſeeſchwalbe ähneln und auf glanzloſem, lehmbräunlichen oder graugrünlichen Grunde mit vielen deutlichen grauen Schalenflecken und zahlreichen, verworrenen Schnörkeln von gelbbrauner bis kohlſchwarzer Färbung bedeckt ſind. Wie die meiſten übrigen Stelzvögel lieben auch die Brachſchwalben ihre Brut ungemein und wenden die verſchiedenſten Mittel an, um die geliebten Eier oder Kinder vor den Nach- ſtellungen eines Feindes zu retten. Tobias erlegte mit dem zweiten Schuſſe ſeines Doppelgewehres den einen Gatten des Paares und beobachtete, daß der andere nach dem Schuſſe augenblicklich herbei- geſtürzt kam, ſich neben dem todten Gefährten niederſetzte, hier verweilte, bis das Gewehr wieder geladen worden war und nun ebenfalls getödtet werden konnte, ein Opfer ſeiner Treue. Löbenſtein ſah, als er ſich einem Neſte mit Eiern näherte, daß einer der Alten mit hängenden Flügeln und aus- gebreitetem Schwanze umherlief, ſich zu verſchiedenen Malen niederdrückte, wieder ein Streckchen lief und Dies oft nach einander wiederholte, unzweifelhaft in der Abſicht, den Jäger wegzuführen. Ebenſo nimmt die Brachſchwalbe, laut Gonzenbach, in der Nähe des Neſtes äußerſt ſonderbare Stellungen an, indem ſie den Flügel wie Segel in die Höhe hebt oder wagerecht ausbreitet, ſodaß die Spitzen die Erde berühren, ſich auch wohl mit ausgebreiteten Flügeln flach auf den Boden legt und eine Zeitlang in der Stellung verweilt, gewiß nur, um Daſſelbe zu erreichen, welches ſie bezweckt, wenn ſie davon hinkt. Erfahrungsmäßig macht ſie länger fortgeſetzte Jagd bald ſehr ſcheu; in der Nähe ihres Niſtplatzes aber vergißt ſie alle Vorſicht, und der Jäger, welcher mit dem Hunde einen ſolchen Platz beſucht, geht nie vergeblich aus, weil ſie, wie Kiebitze, Seeſchwalben und Möven, wüthend auf den Vierfüßler herabſticht.
Die Jungen ſind Neſtflüchter, welche ſich, wenn Dies noththut, in den erſten Tagen ihres Lebens, Dank des erdfarbenen Dunenkleides, durch Niederdrücken auf den Boden zu bergen wiſſen, raſch heranwachſen und bald alle Fähigkeiten ihrer Eltern ſich erwerben.
Jn Ungarn und Rußland nimmt man den Brachſchwalben rückſichtslos die Eier weg, welche man findet; in Griechenland verfolgt man auch die Alten des leckern Fleiſches wegen, welches zumal im Herbſte ſehr fett und dann höchſt ſchmackhaft iſt. Für den Käfig fängt man die prächtigen Vögel leider ſelten ein. Von der Mühle verſichert, daß ſich Altgefangene bei einem Erſatzfutter mit aufgeweichtem Milchbrot wohl befanden, ſich mit allerlei anderem Strandgeflügel vertrugen und bald ſehr zahm wurden. Ein Gefangener, welchen Savi mehrere Monate unterhielt, verſchmähte kein Kerbthier, zog Maulwurfsgrillen jedem anderen Futter vor, nahm ſie aber nie aus dem Waſſer, ſondern immer nur vom trockenen Boden weg oder aus der Hand des Pflegers, tödtete ſie vor dem Verſchlingen, indem er ſie gegen den Boden ſchlug, und verſchluckte ſie dann. Später gewöhnte er ſich an hartgeſottenes Ei und ſchien dieſes zuletzt faſt ebenſogern zu freſſen wie Kerbthiere. Wenn er Hunger hatte, ſchrie er mit ſtarker, ſchrillender Stimme, ſo oft ſich ihm Jemand näherte und bis er befriedigt wurde. Wahrſcheinlich werden wir in Bälde mehr über das Gefangenleben der Brachſchwalben erfahren, da der vortrefflich angelegte und ſehr gut geleitete Thiergarten zu Peſth es als eine ſeiner Hauptaufgaben betrachtet, die Schweſteranſtalten mit
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Die Läufer. Stelzvögel. Schwalbenwater. Dickfüße.
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Vertilgung zahlloſer Maſſen des gefürchteten „Entblätterers“ möglich wird. Alle Kerbthiere, welche
die Brachſchwalbe aufnimmt, werden ganz verſchlungen, genau ſo wie es der Ziegenmelker thut:
von der Mühle fand in der Speiſeröhre der von ihm auf der Jagd erlegten Brachſchwalben
werthvolle Käfer ſo vollſtändig erhalten, daß er ſie für ſeine Sammlung verwenden konnte. Den
Nachtſchatten ähneln die Brachſchwalben auch darin, daß ſie zuweilen noch ſpät am Abend jagen, wie
man ſie überhaupt mehr Dämmerungs- als Tagvögel nennen möchte. Die Mittagsſtunden
wenigſtens verſchlafen ſie in der Nähe ihres Neſtes oder während der Zugzeit in endloſer Reihe an
dem Ufer eines Fluſſes oder Sees ſitzend.
Zu Niſtplätzen bevorzugen ſie ſeichte Ufer der Sümpfe, baumloſe Viehweiden in der Steppe oder
Feldflächen, welche nur theilweiſe angebaut ſind. Das Neſt beſteht aus einer kleinen, mit Halmen
und Wurzeln ausgelegten Grube; das Gelege enthält vier Eier, welche denen der Zwergſeeſchwalbe
ähneln und auf glanzloſem, lehmbräunlichen oder graugrünlichen Grunde mit vielen deutlichen
grauen Schalenflecken und zahlreichen, verworrenen Schnörkeln von gelbbrauner bis kohlſchwarzer
Färbung bedeckt ſind. Wie die meiſten übrigen Stelzvögel lieben auch die Brachſchwalben ihre Brut
ungemein und wenden die verſchiedenſten Mittel an, um die geliebten Eier oder Kinder vor den Nach-
ſtellungen eines Feindes zu retten. Tobias erlegte mit dem zweiten Schuſſe ſeines Doppelgewehres
den einen Gatten des Paares und beobachtete, daß der andere nach dem Schuſſe augenblicklich herbei-
geſtürzt kam, ſich neben dem todten Gefährten niederſetzte, hier verweilte, bis das Gewehr wieder
geladen worden war und nun ebenfalls getödtet werden konnte, ein Opfer ſeiner Treue. Löbenſtein
ſah, als er ſich einem Neſte mit Eiern näherte, daß einer der Alten mit hängenden Flügeln und aus-
gebreitetem Schwanze umherlief, ſich zu verſchiedenen Malen niederdrückte, wieder ein Streckchen lief
und Dies oft nach einander wiederholte, unzweifelhaft in der Abſicht, den Jäger wegzuführen.
Ebenſo nimmt die Brachſchwalbe, laut Gonzenbach, in der Nähe des Neſtes äußerſt ſonderbare
Stellungen an, indem ſie den Flügel wie Segel in die Höhe hebt oder wagerecht ausbreitet, ſodaß die
Spitzen die Erde berühren, ſich auch wohl mit ausgebreiteten Flügeln flach auf den Boden legt
und eine Zeitlang in der Stellung verweilt, gewiß nur, um Daſſelbe zu erreichen, welches ſie bezweckt,
wenn ſie davon hinkt. Erfahrungsmäßig macht ſie länger fortgeſetzte Jagd bald ſehr ſcheu; in der
Nähe ihres Niſtplatzes aber vergißt ſie alle Vorſicht, und der Jäger, welcher mit dem Hunde einen
ſolchen Platz beſucht, geht nie vergeblich aus, weil ſie, wie Kiebitze, Seeſchwalben und Möven, wüthend
auf den Vierfüßler herabſticht.
Die Jungen ſind Neſtflüchter, welche ſich, wenn Dies noththut, in den erſten Tagen ihres
Lebens, Dank des erdfarbenen Dunenkleides, durch Niederdrücken auf den Boden zu bergen wiſſen,
raſch heranwachſen und bald alle Fähigkeiten ihrer Eltern ſich erwerben.
Jn Ungarn und Rußland nimmt man den Brachſchwalben rückſichtslos die Eier weg, welche
man findet; in Griechenland verfolgt man auch die Alten des leckern Fleiſches wegen, welches
zumal im Herbſte ſehr fett und dann höchſt ſchmackhaft iſt. Für den Käfig fängt man die
prächtigen Vögel leider ſelten ein. Von der Mühle verſichert, daß ſich Altgefangene bei einem
Erſatzfutter mit aufgeweichtem Milchbrot wohl befanden, ſich mit allerlei anderem Strandgeflügel
vertrugen und bald ſehr zahm wurden. Ein Gefangener, welchen Savi mehrere Monate
unterhielt, verſchmähte kein Kerbthier, zog Maulwurfsgrillen jedem anderen Futter vor, nahm ſie
aber nie aus dem Waſſer, ſondern immer nur vom trockenen Boden weg oder aus der Hand des
Pflegers, tödtete ſie vor dem Verſchlingen, indem er ſie gegen den Boden ſchlug, und verſchluckte ſie
dann. Später gewöhnte er ſich an hartgeſottenes Ei und ſchien dieſes zuletzt faſt ebenſogern zu
freſſen wie Kerbthiere. Wenn er Hunger hatte, ſchrie er mit ſtarker, ſchrillender Stimme, ſo oft ſich
ihm Jemand näherte und bis er befriedigt wurde. Wahrſcheinlich werden wir in Bälde mehr über
das Gefangenleben der Brachſchwalben erfahren, da der vortrefflich angelegte und ſehr gut geleitete
Thiergarten zu Peſth es als eine ſeiner Hauptaufgaben betrachtet, die Schweſteranſtalten mit
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 580. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/618>, abgerufen am 22.11.2024.
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