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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Brachschwalbe. Triel.
ungarischen Vögeln zu versorgen, also auch den noch immer wenig bekannten Brachschwalben volle
Aufmerksamkeit zuwenden wird.



An einem der ersten Abende, welchen ich in einem theilweise verfallenen Hause einer der
Vorstädte Kairos verlebte, sah ich zu meiner nicht geringen Ueberraschung von den platten
Dächern der Häuser große Vögel herniederfliegen, dem Buschwerk im Garten sich zuwenden und
hier verschwinden. Jch dachte natürlich zunächst an Eulen; aber der Flug war doch ein ganz
anderer, und ein lauter Ruf, welchen einer dieser Vögel ausstieß, überführte mich sehr bald meines
Jrrthums. Je weiter die Nacht vorrückte, umso reger wurde das Treiben unten in dem vom Voll-
monde beleuchteten Garten. Wie Gespenster huschte es aus dem Dickicht der Orangen hervor und
ebenso plötzlich wie gekommen, waren die Gestalten wieder verschwunden. Ein wohlgezielter Schuß
verschaffte mir Aufklärung. Jch eilte in den Garten hinab und fand, daß ich einen mir als Balg
wohl bekannten echten deutschen Vogel erlegt hatte, den Triel oder Dickfuß nämlich, das Ver-
bindungsglied zwischen Trappe und Regenpfeifer, den Nachttrappen, wie man vielleicht sagen könnte.
Später gab es Gelegenheit genug, den sonderbaren Gesellen zu beobachten; denn ich begegnete ihm
oder einem seiner Verwandten, welche sich in der Lebensweise nicht im geringsten unterscheiden, in
allen Theilen Südeuropas und in allen Ländern Nordostafrikas, welche ich durchforschte.

Nach unsern heutigen Anschauungen vertritt der Triel mit seinen Verwandten eine kleine
Unterfamilie, welche man der Regenpfeiferfamilie zuzurechnen pflegt. Die Trennung von letzterer
läßt sich rechtfertigen; denn der Triel ist ebensowenig ein Regenpfeifer als ein Trappe, und er und
seine Verwandten haben, streng genommen, mit anderen Stelzvögeln keine Aehnlichkeit. Kennzeichen
der Gruppe sind verhältnißmäßig bedeutende Größe, mittellanger, dünner Hals, dicker, großäugiger
Kopf, mit ungefähr kopflaugem, geraden, vor der Stirne erhöhten, an der Spitze kolbigen, an der
Wurzel weichen, vorn harten Schnabel, hohe, an den Fersen verdickte Läufe, dreizehige Füße, mittel-
lange Flügel, in denen die zweite Schwinge die längste, und deren Armschwingen einen sogenannten
Afterflügel bilden, mittellanger, fast keilförmiger, aus zwölf bis vierzehn Steuerfedern bestehender
Schwanz und ziemlich dicht anliegendes, mehr oder weniger lerchenfarbiges Gefieder. Die Zer-
gliederung zeigt eine große Uebereinstimmung mit den Regenpfeifern, obwohl einzelne, dieser Gruppe
allein zukommende Eigenthümlichkeiten gefunden worden sind. Es fehlen den Dickfüßen, nach
Nitzsch, die drei Gelenkverbindungen der Flügel und Verbindungsbeine, die beiden Löcher oder
häutig bleibenden Stellen am Hinterhauptsbeine; das Brustbein hat am hinteren Rande nur eine mit
Haut gefüllte Bucht; die Mundwinkeldrüse ist kurz, der Zungenkern nicht knorpelig, sondern knochig,
der Magen ein starker Muskelmagen u. s. w.

Jn der Lebensweise unterscheiden sich die Dickfüße nach meinem Dafürhalten von allen übrigen
Stelzvögeln schon dadurch, daß sie, wie bemerkt, echte Nachtvögel sind.

Unser Triel, Dickfuß, Klut, Steinpardel, Eulenkopf und wie er sonst noch heißt
(Oedicnemus crepitans), ist 16 bis 17 Zoll lang und 29 bis 30 Zoll breit; die Fittiglänge beträgt
81/2, die Schwanzlänge ungefähr 5 Zoll. Das Gefieder der ganzen Oberseite sieht lerchenfarben
aus; die Federn sind rostgrau und in der Mitte schwarzbraun gestreift; die Stirn, eine Stelle vor
dem Auge, ein Streifen über und unter ihm sind weiß, die Federn der Unterseite gilblichweiß, ebenso
ein Streifen auf dem Oberflügel, die Schwungfedern schwarz, die Steuerfedern schwarz an der Spitze
und seitlich weiß. Das Auge ist goldgelb, der Schnabel gelb, an der Spitze schwarz, der Fuß stroh-
gelb, das Augenlid ebenfalls gelb. Bei jungen Vögeln spielt die Hauptfarbe mehr ins Rostfarbene.

Als eigentliche Heimat des Triel haben wir die Länder Südeuropas, Nordafrikas und West-
asiens anzusehen, in welchen es wirkliche Wüsten oder doch steppenartige Strecken gibt. Alle Mittel-

Brachſchwalbe. Triel.
ungariſchen Vögeln zu verſorgen, alſo auch den noch immer wenig bekannten Brachſchwalben volle
Aufmerkſamkeit zuwenden wird.



An einem der erſten Abende, welchen ich in einem theilweiſe verfallenen Hauſe einer der
Vorſtädte Kairos verlebte, ſah ich zu meiner nicht geringen Ueberraſchung von den platten
Dächern der Häuſer große Vögel herniederfliegen, dem Buſchwerk im Garten ſich zuwenden und
hier verſchwinden. Jch dachte natürlich zunächſt an Eulen; aber der Flug war doch ein ganz
anderer, und ein lauter Ruf, welchen einer dieſer Vögel ausſtieß, überführte mich ſehr bald meines
Jrrthums. Je weiter die Nacht vorrückte, umſo reger wurde das Treiben unten in dem vom Voll-
monde beleuchteten Garten. Wie Geſpenſter huſchte es aus dem Dickicht der Orangen hervor und
ebenſo plötzlich wie gekommen, waren die Geſtalten wieder verſchwunden. Ein wohlgezielter Schuß
verſchaffte mir Aufklärung. Jch eilte in den Garten hinab und fand, daß ich einen mir als Balg
wohl bekannten echten deutſchen Vogel erlegt hatte, den Triel oder Dickfuß nämlich, das Ver-
bindungsglied zwiſchen Trappe und Regenpfeifer, den Nachttrappen, wie man vielleicht ſagen könnte.
Später gab es Gelegenheit genug, den ſonderbaren Geſellen zu beobachten; denn ich begegnete ihm
oder einem ſeiner Verwandten, welche ſich in der Lebensweiſe nicht im geringſten unterſcheiden, in
allen Theilen Südeuropas und in allen Ländern Nordoſtafrikas, welche ich durchforſchte.

Nach unſern heutigen Anſchauungen vertritt der Triel mit ſeinen Verwandten eine kleine
Unterfamilie, welche man der Regenpfeiferfamilie zuzurechnen pflegt. Die Trennung von letzterer
läßt ſich rechtfertigen; denn der Triel iſt ebenſowenig ein Regenpfeifer als ein Trappe, und er und
ſeine Verwandten haben, ſtreng genommen, mit anderen Stelzvögeln keine Aehnlichkeit. Kennzeichen
der Gruppe ſind verhältnißmäßig bedeutende Größe, mittellanger, dünner Hals, dicker, großäugiger
Kopf, mit ungefähr kopflaugem, geraden, vor der Stirne erhöhten, an der Spitze kolbigen, an der
Wurzel weichen, vorn harten Schnabel, hohe, an den Ferſen verdickte Läufe, dreizehige Füße, mittel-
lange Flügel, in denen die zweite Schwinge die längſte, und deren Armſchwingen einen ſogenannten
Afterflügel bilden, mittellanger, faſt keilförmiger, aus zwölf bis vierzehn Steuerfedern beſtehender
Schwanz und ziemlich dicht anliegendes, mehr oder weniger lerchenfarbiges Gefieder. Die Zer-
gliederung zeigt eine große Uebereinſtimmung mit den Regenpfeifern, obwohl einzelne, dieſer Gruppe
allein zukommende Eigenthümlichkeiten gefunden worden ſind. Es fehlen den Dickfüßen, nach
Nitzſch, die drei Gelenkverbindungen der Flügel und Verbindungsbeine, die beiden Löcher oder
häutig bleibenden Stellen am Hinterhauptsbeine; das Bruſtbein hat am hinteren Rande nur eine mit
Haut gefüllte Bucht; die Mundwinkeldrüſe iſt kurz, der Zungenkern nicht knorpelig, ſondern knochig,
der Magen ein ſtarker Muskelmagen u. ſ. w.

Jn der Lebensweiſe unterſcheiden ſich die Dickfüße nach meinem Dafürhalten von allen übrigen
Stelzvögeln ſchon dadurch, daß ſie, wie bemerkt, echte Nachtvögel ſind.

Unſer Triel, Dickfuß, Klut, Steinpardel, Eulenkopf und wie er ſonſt noch heißt
(Oedicnemus crepitans), iſt 16 bis 17 Zoll lang und 29 bis 30 Zoll breit; die Fittiglänge beträgt
8½, die Schwanzlänge ungefähr 5 Zoll. Das Gefieder der ganzen Oberſeite ſieht lerchenfarben
aus; die Federn ſind roſtgrau und in der Mitte ſchwarzbraun geſtreift; die Stirn, eine Stelle vor
dem Auge, ein Streifen über und unter ihm ſind weiß, die Federn der Unterſeite gilblichweiß, ebenſo
ein Streifen auf dem Oberflügel, die Schwungfedern ſchwarz, die Steuerfedern ſchwarz an der Spitze
und ſeitlich weiß. Das Auge iſt goldgelb, der Schnabel gelb, an der Spitze ſchwarz, der Fuß ſtroh-
gelb, das Augenlid ebenfalls gelb. Bei jungen Vögeln ſpielt die Hauptfarbe mehr ins Roſtfarbene.

Als eigentliche Heimat des Triel haben wir die Länder Südeuropas, Nordafrikas und Weſt-
aſiens anzuſehen, in welchen es wirkliche Wüſten oder doch ſteppenartige Strecken gibt. Alle Mittel-

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[581/0619] Brachſchwalbe. Triel. ungariſchen Vögeln zu verſorgen, alſo auch den noch immer wenig bekannten Brachſchwalben volle Aufmerkſamkeit zuwenden wird. An einem der erſten Abende, welchen ich in einem theilweiſe verfallenen Hauſe einer der Vorſtädte Kairos verlebte, ſah ich zu meiner nicht geringen Ueberraſchung von den platten Dächern der Häuſer große Vögel herniederfliegen, dem Buſchwerk im Garten ſich zuwenden und hier verſchwinden. Jch dachte natürlich zunächſt an Eulen; aber der Flug war doch ein ganz anderer, und ein lauter Ruf, welchen einer dieſer Vögel ausſtieß, überführte mich ſehr bald meines Jrrthums. Je weiter die Nacht vorrückte, umſo reger wurde das Treiben unten in dem vom Voll- monde beleuchteten Garten. Wie Geſpenſter huſchte es aus dem Dickicht der Orangen hervor und ebenſo plötzlich wie gekommen, waren die Geſtalten wieder verſchwunden. Ein wohlgezielter Schuß verſchaffte mir Aufklärung. Jch eilte in den Garten hinab und fand, daß ich einen mir als Balg wohl bekannten echten deutſchen Vogel erlegt hatte, den Triel oder Dickfuß nämlich, das Ver- bindungsglied zwiſchen Trappe und Regenpfeifer, den Nachttrappen, wie man vielleicht ſagen könnte. Später gab es Gelegenheit genug, den ſonderbaren Geſellen zu beobachten; denn ich begegnete ihm oder einem ſeiner Verwandten, welche ſich in der Lebensweiſe nicht im geringſten unterſcheiden, in allen Theilen Südeuropas und in allen Ländern Nordoſtafrikas, welche ich durchforſchte. Nach unſern heutigen Anſchauungen vertritt der Triel mit ſeinen Verwandten eine kleine Unterfamilie, welche man der Regenpfeiferfamilie zuzurechnen pflegt. Die Trennung von letzterer läßt ſich rechtfertigen; denn der Triel iſt ebenſowenig ein Regenpfeifer als ein Trappe, und er und ſeine Verwandten haben, ſtreng genommen, mit anderen Stelzvögeln keine Aehnlichkeit. Kennzeichen der Gruppe ſind verhältnißmäßig bedeutende Größe, mittellanger, dünner Hals, dicker, großäugiger Kopf, mit ungefähr kopflaugem, geraden, vor der Stirne erhöhten, an der Spitze kolbigen, an der Wurzel weichen, vorn harten Schnabel, hohe, an den Ferſen verdickte Läufe, dreizehige Füße, mittel- lange Flügel, in denen die zweite Schwinge die längſte, und deren Armſchwingen einen ſogenannten Afterflügel bilden, mittellanger, faſt keilförmiger, aus zwölf bis vierzehn Steuerfedern beſtehender Schwanz und ziemlich dicht anliegendes, mehr oder weniger lerchenfarbiges Gefieder. Die Zer- gliederung zeigt eine große Uebereinſtimmung mit den Regenpfeifern, obwohl einzelne, dieſer Gruppe allein zukommende Eigenthümlichkeiten gefunden worden ſind. Es fehlen den Dickfüßen, nach Nitzſch, die drei Gelenkverbindungen der Flügel und Verbindungsbeine, die beiden Löcher oder häutig bleibenden Stellen am Hinterhauptsbeine; das Bruſtbein hat am hinteren Rande nur eine mit Haut gefüllte Bucht; die Mundwinkeldrüſe iſt kurz, der Zungenkern nicht knorpelig, ſondern knochig, der Magen ein ſtarker Muskelmagen u. ſ. w. Jn der Lebensweiſe unterſcheiden ſich die Dickfüße nach meinem Dafürhalten von allen übrigen Stelzvögeln ſchon dadurch, daß ſie, wie bemerkt, echte Nachtvögel ſind. Unſer Triel, Dickfuß, Klut, Steinpardel, Eulenkopf und wie er ſonſt noch heißt (Oedicnemus crepitans), iſt 16 bis 17 Zoll lang und 29 bis 30 Zoll breit; die Fittiglänge beträgt 8½, die Schwanzlänge ungefähr 5 Zoll. Das Gefieder der ganzen Oberſeite ſieht lerchenfarben aus; die Federn ſind roſtgrau und in der Mitte ſchwarzbraun geſtreift; die Stirn, eine Stelle vor dem Auge, ein Streifen über und unter ihm ſind weiß, die Federn der Unterſeite gilblichweiß, ebenſo ein Streifen auf dem Oberflügel, die Schwungfedern ſchwarz, die Steuerfedern ſchwarz an der Spitze und ſeitlich weiß. Das Auge iſt goldgelb, der Schnabel gelb, an der Spitze ſchwarz, der Fuß ſtroh- gelb, das Augenlid ebenfalls gelb. Bei jungen Vögeln ſpielt die Hauptfarbe mehr ins Roſtfarbene. Als eigentliche Heimat des Triel haben wir die Länder Südeuropas, Nordafrikas und Weſt- aſiens anzuſehen, in welchen es wirkliche Wüſten oder doch ſteppenartige Strecken gibt. Alle Mittel-

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 581. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/619>, abgerufen am 22.11.2024.