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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Alpenmanerläufer.
schwach. Aus der Ferne beobachtet, hat es allerdings diesen Anschein; ist man ihm aber nahe, so sieht
man ihn seine Flügel gerade im umgekehrten Sinn benutzen. Jndem er nämlich das Ellbogengelenk
tief stellt, läßt er die Schwingen nach hinten und oben von dem in senkrechter Lage befindlichen, mit
dem Felsen gleichlaufenden Körper und somit auch vom Felsen abstehen, und hierdurch wird es ihm
möglich, unmittelbar von oben auf die unter ihm liegende Luftsäule zu wirken und sich so aufwärts
zu befördern. Diese Benutzungsweise der Flügel steht mit ihrer eigenthümlich scharf abgestumpften
Gestalt in engster Beziehung: spitze Flügel würden die aufwärts treibende Kraft entschieden benach-
theiligen. Der Mauerläufer lüftet sie übrigens während des Flatterns nur so weit, als nöthig ist, um
aus ihnen einen ordentlichen Windfang zu bilden; die einzelnen Schwingen müssen sich also gegen-
seitig noch genügend decken. Den kurzen Schwanz sucht er beim Klettern, wobei er ihm keinerlei
Dienste thut, möglichst weit vom Felsen zu entfernen, um ihn nicht zu beschädigen."

"Beim Beklettern der Felsenwand zeigt er eine solche Kraft und Gewandtheit, daß man wohl
annehmen kann, es gäbe im ganzen Gebirge keine Felsplatte, welche für ihn zu glatt oder zu steil
wäre; Gefangene laufen mit Leichtigkeit an den Tapeten des Zimmers empor. Je steiler und glatter
aber die zu erklimmende Fläche ist, um so schneller muß auch die Reise vor sich gehen, da an ganz
glatten Flächen auch er sich nur auf Augenblicke im Gleichgewichte zu halten vermag."

"Oben angehängt oder überhaupt so hoch angekommen, als er zunächst gelangen wollte, sieht man
ihn oft mit ziemlich weit entfalteten Flügeln, sodaß die weißen Flecken deutlich sichtbar werden,
schmetterlingsartig am Felsen hängen und rüttelnd sich erhalten, wobei sein Kopf sich links und rechts
wendet, indem er über die Schultern weg die Stelle weiter unten am Felsenhange, welcher er zunächst
zufliegen will, ins Auge faßt. Jn dieser Stellung, in welcher sich der freilebende Mauerläufer noch
am ehesten auf Augenblicke ruhig beobachten läßt, nimmt er sich in der That aus, als ob er auf der
Spitze der Schwungfedern ruhe. Mit einem kräftigen Stoß schnellt er sich plötzlich vom Felsen weg
in die Luft hinaus, wendet sich in ihr mit Leichtigkeit, überschlägt sich sogar zum Zeitvertreib und fliegt
nun bald mit schmetterlingsartigen, unregelmäßigen Flügelschlägen, bald mit ganz ausgebreiteten
Schwingen sich herabsenkend, bald wie ein Raubvogel mit nach unten gerichtetem Kopf und angezogenen
Flügeln herniederschießend, der auserlesenen, oft sehr tief, oft nur wenige Fuß tiefer liegenden Stelle
zu. Dort haftet er im nächsten Augenblick, den Kopf bereits wieder nach oben gerichtet, und deshalb
geschieht dieses Herabfliegen oft in einem schönen, unten kurz gebrochenen Bogen. Nach der Seite hin
bewegt er sich meist fliegend; doch läuft er auch zuweilen mit stark gebogenen Fersengelenken auf einem
schmalen Gesimse dahin; aber er liebt Dies nicht und fliegt bald wieder ab. Er ist überhaupt ein
guter Flieger, weniger vielleicht in wagrechter Richtung auf weitere Strecken, als in senkrechter, wie es
eben auch für ihn nothwendig ist. Jn dieser Richtung ist er in jeder Lage Meister, und nichts Schö-
neres kann es geben, als ein Pärchen dieser Vögel über dunkeln Abgründen im Glanz der Sonne sich
tummeln zu sehen."

"Die Nachtruhe hält der Mauerläufer stets in einer geschützten Fels- oder Mauerspalte. Jm
Gebirge hatte ich ihn an gewissen Felswänden, welche ich als seine Lieblingsplätze kannte, und an denen
er sonst den Tag über stets zu finden war, immer erst erscheinen sehen, wenn die andern Alpenvögel
sich schon längst hören und sehen ließen. Jch war deshalb der Meinung gewesen, daß er solchen
Gegenden um diese Zeit schon aus andern Alpengebieten zufliege und sich abends wieder dorthin zur
Nachtruhe begebe, wie Dies manche Alpenvögel zu thun pflegen. Jetzt freilich steht es für mich außer
Zweifel, daß er einfach eine lange Nachtruhe hält. Er hat auch in der That Recht und Grund genug
dazu; denn einmal muß ihn die beständige und sehr anstrengende Bewegung während des Tages ermü-
den, und zudem würde ihn ein weiteres Herumklettern am späteren Abend bei dem versteckten Auf-
enthalt seiner Beute in den schon früh in tiefem Schatten liegenden Schluchten Nichts mehr eintragen.
Auch im Sommer sinkt in diesen Höhen, wie schon bemerkt, die Wärme während der Nacht oft sehr
tief. Die Felsen überziehen sich dann mit Reif und tropfen in der Frühe unaufhörlich. Was hätte
nun unser Mauerläufer davon, schon in der Morgendämmerung, abgesehen von der mangelhaften

Alpenmanerläufer.
ſchwach. Aus der Ferne beobachtet, hat es allerdings dieſen Anſchein; iſt man ihm aber nahe, ſo ſieht
man ihn ſeine Flügel gerade im umgekehrten Sinn benutzen. Jndem er nämlich das Ellbogengelenk
tief ſtellt, läßt er die Schwingen nach hinten und oben von dem in ſenkrechter Lage befindlichen, mit
dem Felſen gleichlaufenden Körper und ſomit auch vom Felſen abſtehen, und hierdurch wird es ihm
möglich, unmittelbar von oben auf die unter ihm liegende Luftſäule zu wirken und ſich ſo aufwärts
zu befördern. Dieſe Benutzungsweiſe der Flügel ſteht mit ihrer eigenthümlich ſcharf abgeſtumpften
Geſtalt in engſter Beziehung: ſpitze Flügel würden die aufwärts treibende Kraft entſchieden benach-
theiligen. Der Mauerläufer lüftet ſie übrigens während des Flatterns nur ſo weit, als nöthig iſt, um
aus ihnen einen ordentlichen Windfang zu bilden; die einzelnen Schwingen müſſen ſich alſo gegen-
ſeitig noch genügend decken. Den kurzen Schwanz ſucht er beim Klettern, wobei er ihm keinerlei
Dienſte thut, möglichſt weit vom Felſen zu entfernen, um ihn nicht zu beſchädigen.“

„Beim Beklettern der Felſenwand zeigt er eine ſolche Kraft und Gewandtheit, daß man wohl
annehmen kann, es gäbe im ganzen Gebirge keine Felsplatte, welche für ihn zu glatt oder zu ſteil
wäre; Gefangene laufen mit Leichtigkeit an den Tapeten des Zimmers empor. Je ſteiler und glatter
aber die zu erklimmende Fläche iſt, um ſo ſchneller muß auch die Reiſe vor ſich gehen, da an ganz
glatten Flächen auch er ſich nur auf Augenblicke im Gleichgewichte zu halten vermag.“

„Oben angehängt oder überhaupt ſo hoch angekommen, als er zunächſt gelangen wollte, ſieht man
ihn oft mit ziemlich weit entfalteten Flügeln, ſodaß die weißen Flecken deutlich ſichtbar werden,
ſchmetterlingsartig am Felſen hängen und rüttelnd ſich erhalten, wobei ſein Kopf ſich links und rechts
wendet, indem er über die Schultern weg die Stelle weiter unten am Felſenhange, welcher er zunächſt
zufliegen will, ins Auge faßt. Jn dieſer Stellung, in welcher ſich der freilebende Mauerläufer noch
am eheſten auf Augenblicke ruhig beobachten läßt, nimmt er ſich in der That aus, als ob er auf der
Spitze der Schwungfedern ruhe. Mit einem kräftigen Stoß ſchnellt er ſich plötzlich vom Felſen weg
in die Luft hinaus, wendet ſich in ihr mit Leichtigkeit, überſchlägt ſich ſogar zum Zeitvertreib und fliegt
nun bald mit ſchmetterlingsartigen, unregelmäßigen Flügelſchlägen, bald mit ganz ausgebreiteten
Schwingen ſich herabſenkend, bald wie ein Raubvogel mit nach unten gerichtetem Kopf und angezogenen
Flügeln herniederſchießend, der auserleſenen, oft ſehr tief, oft nur wenige Fuß tiefer liegenden Stelle
zu. Dort haftet er im nächſten Augenblick, den Kopf bereits wieder nach oben gerichtet, und deshalb
geſchieht dieſes Herabfliegen oft in einem ſchönen, unten kurz gebrochenen Bogen. Nach der Seite hin
bewegt er ſich meiſt fliegend; doch läuft er auch zuweilen mit ſtark gebogenen Ferſengelenken auf einem
ſchmalen Geſimſe dahin; aber er liebt Dies nicht und fliegt bald wieder ab. Er iſt überhaupt ein
guter Flieger, weniger vielleicht in wagrechter Richtung auf weitere Strecken, als in ſenkrechter, wie es
eben auch für ihn nothwendig iſt. Jn dieſer Richtung iſt er in jeder Lage Meiſter, und nichts Schö-
neres kann es geben, als ein Pärchen dieſer Vögel über dunkeln Abgründen im Glanz der Sonne ſich
tummeln zu ſehen.“

„Die Nachtruhe hält der Mauerläufer ſtets in einer geſchützten Fels- oder Mauerſpalte. Jm
Gebirge hatte ich ihn an gewiſſen Felswänden, welche ich als ſeine Lieblingsplätze kannte, und an denen
er ſonſt den Tag über ſtets zu finden war, immer erſt erſcheinen ſehen, wenn die andern Alpenvögel
ſich ſchon längſt hören und ſehen ließen. Jch war deshalb der Meinung geweſen, daß er ſolchen
Gegenden um dieſe Zeit ſchon aus andern Alpengebieten zufliege und ſich abends wieder dorthin zur
Nachtruhe begebe, wie Dies manche Alpenvögel zu thun pflegen. Jetzt freilich ſteht es für mich außer
Zweifel, daß er einfach eine lange Nachtruhe hält. Er hat auch in der That Recht und Grund genug
dazu; denn einmal muß ihn die beſtändige und ſehr anſtrengende Bewegung während des Tages ermü-
den, und zudem würde ihn ein weiteres Herumklettern am ſpäteren Abend bei dem verſteckten Auf-
enthalt ſeiner Beute in den ſchon früh in tiefem Schatten liegenden Schluchten Nichts mehr eintragen.
Auch im Sommer ſinkt in dieſen Höhen, wie ſchon bemerkt, die Wärme während der Nacht oft ſehr
tief. Die Felſen überziehen ſich dann mit Reif und tropfen in der Frühe unaufhörlich. Was hätte
nun unſer Mauerläufer davon, ſchon in der Morgendämmerung, abgeſehen von der mangelhaften

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[47/0059] Alpenmanerläufer. ſchwach. Aus der Ferne beobachtet, hat es allerdings dieſen Anſchein; iſt man ihm aber nahe, ſo ſieht man ihn ſeine Flügel gerade im umgekehrten Sinn benutzen. Jndem er nämlich das Ellbogengelenk tief ſtellt, läßt er die Schwingen nach hinten und oben von dem in ſenkrechter Lage befindlichen, mit dem Felſen gleichlaufenden Körper und ſomit auch vom Felſen abſtehen, und hierdurch wird es ihm möglich, unmittelbar von oben auf die unter ihm liegende Luftſäule zu wirken und ſich ſo aufwärts zu befördern. Dieſe Benutzungsweiſe der Flügel ſteht mit ihrer eigenthümlich ſcharf abgeſtumpften Geſtalt in engſter Beziehung: ſpitze Flügel würden die aufwärts treibende Kraft entſchieden benach- theiligen. Der Mauerläufer lüftet ſie übrigens während des Flatterns nur ſo weit, als nöthig iſt, um aus ihnen einen ordentlichen Windfang zu bilden; die einzelnen Schwingen müſſen ſich alſo gegen- ſeitig noch genügend decken. Den kurzen Schwanz ſucht er beim Klettern, wobei er ihm keinerlei Dienſte thut, möglichſt weit vom Felſen zu entfernen, um ihn nicht zu beſchädigen.“ „Beim Beklettern der Felſenwand zeigt er eine ſolche Kraft und Gewandtheit, daß man wohl annehmen kann, es gäbe im ganzen Gebirge keine Felsplatte, welche für ihn zu glatt oder zu ſteil wäre; Gefangene laufen mit Leichtigkeit an den Tapeten des Zimmers empor. Je ſteiler und glatter aber die zu erklimmende Fläche iſt, um ſo ſchneller muß auch die Reiſe vor ſich gehen, da an ganz glatten Flächen auch er ſich nur auf Augenblicke im Gleichgewichte zu halten vermag.“ „Oben angehängt oder überhaupt ſo hoch angekommen, als er zunächſt gelangen wollte, ſieht man ihn oft mit ziemlich weit entfalteten Flügeln, ſodaß die weißen Flecken deutlich ſichtbar werden, ſchmetterlingsartig am Felſen hängen und rüttelnd ſich erhalten, wobei ſein Kopf ſich links und rechts wendet, indem er über die Schultern weg die Stelle weiter unten am Felſenhange, welcher er zunächſt zufliegen will, ins Auge faßt. Jn dieſer Stellung, in welcher ſich der freilebende Mauerläufer noch am eheſten auf Augenblicke ruhig beobachten läßt, nimmt er ſich in der That aus, als ob er auf der Spitze der Schwungfedern ruhe. Mit einem kräftigen Stoß ſchnellt er ſich plötzlich vom Felſen weg in die Luft hinaus, wendet ſich in ihr mit Leichtigkeit, überſchlägt ſich ſogar zum Zeitvertreib und fliegt nun bald mit ſchmetterlingsartigen, unregelmäßigen Flügelſchlägen, bald mit ganz ausgebreiteten Schwingen ſich herabſenkend, bald wie ein Raubvogel mit nach unten gerichtetem Kopf und angezogenen Flügeln herniederſchießend, der auserleſenen, oft ſehr tief, oft nur wenige Fuß tiefer liegenden Stelle zu. Dort haftet er im nächſten Augenblick, den Kopf bereits wieder nach oben gerichtet, und deshalb geſchieht dieſes Herabfliegen oft in einem ſchönen, unten kurz gebrochenen Bogen. Nach der Seite hin bewegt er ſich meiſt fliegend; doch läuft er auch zuweilen mit ſtark gebogenen Ferſengelenken auf einem ſchmalen Geſimſe dahin; aber er liebt Dies nicht und fliegt bald wieder ab. Er iſt überhaupt ein guter Flieger, weniger vielleicht in wagrechter Richtung auf weitere Strecken, als in ſenkrechter, wie es eben auch für ihn nothwendig iſt. Jn dieſer Richtung iſt er in jeder Lage Meiſter, und nichts Schö- neres kann es geben, als ein Pärchen dieſer Vögel über dunkeln Abgründen im Glanz der Sonne ſich tummeln zu ſehen.“ „Die Nachtruhe hält der Mauerläufer ſtets in einer geſchützten Fels- oder Mauerſpalte. Jm Gebirge hatte ich ihn an gewiſſen Felswänden, welche ich als ſeine Lieblingsplätze kannte, und an denen er ſonſt den Tag über ſtets zu finden war, immer erſt erſcheinen ſehen, wenn die andern Alpenvögel ſich ſchon längſt hören und ſehen ließen. Jch war deshalb der Meinung geweſen, daß er ſolchen Gegenden um dieſe Zeit ſchon aus andern Alpengebieten zufliege und ſich abends wieder dorthin zur Nachtruhe begebe, wie Dies manche Alpenvögel zu thun pflegen. Jetzt freilich ſteht es für mich außer Zweifel, daß er einfach eine lange Nachtruhe hält. Er hat auch in der That Recht und Grund genug dazu; denn einmal muß ihn die beſtändige und ſehr anſtrengende Bewegung während des Tages ermü- den, und zudem würde ihn ein weiteres Herumklettern am ſpäteren Abend bei dem verſteckten Auf- enthalt ſeiner Beute in den ſchon früh in tiefem Schatten liegenden Schluchten Nichts mehr eintragen. Auch im Sommer ſinkt in dieſen Höhen, wie ſchon bemerkt, die Wärme während der Nacht oft ſehr tief. Die Felſen überziehen ſich dann mit Reif und tropfen in der Frühe unaufhörlich. Was hätte nun unſer Mauerläufer davon, ſchon in der Morgendämmerung, abgeſehen von der mangelhaften

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/59>, abgerufen am 02.05.2024.