trefflich. Um die, welche ihm nicht zusagen, bekümmert er sich nicht, und mit denen, deren Gesellschaft er auch in der Freiheit aufsucht, hält er gute Freundschaft. Nur durch Eins wird er unangenehm. Er lärmt und pocht ohne Unterlaß und verdirbt damit wohl auch manches Geräth. Jm Zimmer darf man ihn nicht umherfliegen lassen; denn hier kann er wegen seiner Zerstörungslust Schaden anrichten.
Alle Kleiber ähneln sich, soviel bekannt, in ihrer Lebensweise; einer aber, der Felsenkleiber (Sitta syriaca), unterscheidet sich wesentlich durch seinen Aufenthalt und demzufolge auch in seinem Betragen. Er zeigt fast dieselbe Färbung, wie sein bei uns lebender Verwandter; denn auch er ist auf der Oberseite aschblau und auf der untern theilweise gilblich; doch verbreitet sich das Weiß, welches bei dem unsrigen nur auf der Kehle sich zeigt, über den größten Theil der Brust und über die Bauchmitte; die Schwanzfedern sind rauchgrau, die mittleren aschgrau, die äußersten an der Jnnen- fahne fahlbraun gefleckt. Die Größe übertrifft die unseres Kleibers um Weniges.
Mehrere Vogelkundigen betrachten diesen Kleiber nur als Abart des unsrigen; alle Beobachter aber, welche ihn in der Freiheit sahen, stimmen darin überein, daß nur ein Balgforscher beide für gleichartig halten kann. Durch Ehrenberg, Graf von der Mühle, Lindermayer und Krüper sind wir gegenwärtig über das Leben des Felsenkleibers einigermaßen unterrichtet. Ehren- berg entdeckte ihn in Syrien, Michahelles fand ihn auf den hohen Gebirgen zwischen Bosnien und Dalmatien auf, und die übrigen der genannten Forscher beobachteten ihn häufig in Griechenland. Das Nachstehende ist eine Zusammenstellung ihrer Angaben.
Wenn der auf den schlechten Landwegen Griechenlands wandernde Vogelkundige stundenlang keinen Vogel sieht oder hört und dann über die große Armuth dieses Landes an gefiederten Geschöpfen nachdenkt, wird er zuweilen plötzlich durch ein gellendes Gelächter aus seiner Träumerei gerissen. Dieses Gelächter geht von einer Felswand oder von einigen Felsblöcken aus, und seine Wiederholung lenkt bald die Blicke nach einer bestimmten Stelle und damit auf eine Spechtmeise hin, welche als die Urheberin desselben erscheint. Jst des Beobachters Ohr an Unterscheidung der Vogelstimmen gewöhnt, so wird er sich sofort sagen müssen, daß der gehörte und gesehene Vogel ohne Zweifel nicht der gewöhnliche Kleiber, sondern ein anderer sein muß. Dieser Vogel lebt zwar nach Art seines Ver- wandten, aber fast ausschließlich an Felsen und besonders gern an den Wänden der alten venetianischen Festungen, in deren Schußlöchern er beständig ein- und ausschlüpft. Er ist ungemein behend und klettert an ganz wagrechten Felsgesimsen mit derselben Sicherheit umher, wie an den senkrechten Wänden, den Kopf nach oben oder nach unten gerichtet, "wie vom Magnet gehalten". Wenn er zu einem Felsen anfliegt, hängt er sich gern mit dem Kopf abwärts; auf Felsenplatten und Mauern hüpft er ruckweise. Die Bäume besucht er zwar auch, aber immer höchst selten, und in größeren Waldungen, in welchen es keine Felsenwände gibt, findet er sich nie. Sein Geschrei ist ein durchdringendes, hoch tönendes Gelächter, welches wie "Hidde hati tititi" klingt. Die Nahrung besteht aus denselben Stoffen, welche auch unser Kleiber bevorzugt. Diesem ähnelt der Felsenkleiber überhaupt in allen Stücken: er ist ebenso lebhaft, ebenso unruhig und ebenso vorwitzig, fängt sich deshalb auch leicht in Fallen aller Art, wird sehr bald zahm und geht sofort an das ihm vorgeworfene Futter. Er hält sich aber im Käfig immer auf dem Boden und macht von den Sprunghölzern wenig Gebrauch.
Das Nest wird an schrosse Felswände unter dem natürlichen Dache eines Felsenvorsprunges angeklebt, nach von der Mühle's Versicherung gegen die Morgen- oder Mittag-, nie gegen die Westseite. Es ist außen sehr groß, künstlich von Lehm gebaut mit elf Zoll langem Eingang, welcher in einen Kessel endigt, der mit Ziegen-, Rinder-, Hunds- und Schakalshaaren ausgefüttert ist. Von außen ist es mit den Flügeldecken gewisser Käfer beschält. Nach Krüper's Beschreibungen ist wohl das ganze Nest elf Zoll lang und nach Umständen noch länger, der Eingang aber nur eine Röhre von ein, höchstens zwei Zoll Länge, und die scheinbar falsche Angabe von der Mühle's erklärt sich daraus, daß der Felsenkleiber gar nicht selten das Nest einer Schwalbenart (Cecropis rufula), welches eine so
Die Späher. Klettervögel. Spechtmeiſen.
trefflich. Um die, welche ihm nicht zuſagen, bekümmert er ſich nicht, und mit denen, deren Geſellſchaft er auch in der Freiheit aufſucht, hält er gute Freundſchaft. Nur durch Eins wird er unangenehm. Er lärmt und pocht ohne Unterlaß und verdirbt damit wohl auch manches Geräth. Jm Zimmer darf man ihn nicht umherfliegen laſſen; denn hier kann er wegen ſeiner Zerſtörungsluſt Schaden anrichten.
Alle Kleiber ähneln ſich, ſoviel bekannt, in ihrer Lebensweiſe; einer aber, der Felſenkleiber (Sitta syriaca), unterſcheidet ſich weſentlich durch ſeinen Aufenthalt und demzufolge auch in ſeinem Betragen. Er zeigt faſt dieſelbe Färbung, wie ſein bei uns lebender Verwandter; denn auch er iſt auf der Oberſeite aſchblau und auf der untern theilweiſe gilblich; doch verbreitet ſich das Weiß, welches bei dem unſrigen nur auf der Kehle ſich zeigt, über den größten Theil der Bruſt und über die Bauchmitte; die Schwanzfedern ſind rauchgrau, die mittleren aſchgrau, die äußerſten an der Jnnen- fahne fahlbraun gefleckt. Die Größe übertrifft die unſeres Kleibers um Weniges.
Mehrere Vogelkundigen betrachten dieſen Kleiber nur als Abart des unſrigen; alle Beobachter aber, welche ihn in der Freiheit ſahen, ſtimmen darin überein, daß nur ein Balgforſcher beide für gleichartig halten kann. Durch Ehrenberg, Graf von der Mühle, Lindermayer und Krüper ſind wir gegenwärtig über das Leben des Felſenkleibers einigermaßen unterrichtet. Ehren- berg entdeckte ihn in Syrien, Michahelles fand ihn auf den hohen Gebirgen zwiſchen Bosnien und Dalmatien auf, und die übrigen der genannten Forſcher beobachteten ihn häufig in Griechenland. Das Nachſtehende iſt eine Zuſammenſtellung ihrer Angaben.
Wenn der auf den ſchlechten Landwegen Griechenlands wandernde Vogelkundige ſtundenlang keinen Vogel ſieht oder hört und dann über die große Armuth dieſes Landes an gefiederten Geſchöpfen nachdenkt, wird er zuweilen plötzlich durch ein gellendes Gelächter aus ſeiner Träumerei geriſſen. Dieſes Gelächter geht von einer Felswand oder von einigen Felsblöcken aus, und ſeine Wiederholung lenkt bald die Blicke nach einer beſtimmten Stelle und damit auf eine Spechtmeiſe hin, welche als die Urheberin deſſelben erſcheint. Jſt des Beobachters Ohr an Unterſcheidung der Vogelſtimmen gewöhnt, ſo wird er ſich ſofort ſagen müſſen, daß der gehörte und geſehene Vogel ohne Zweifel nicht der gewöhnliche Kleiber, ſondern ein anderer ſein muß. Dieſer Vogel lebt zwar nach Art ſeines Ver- wandten, aber faſt ausſchließlich an Felſen und beſonders gern an den Wänden der alten venetianiſchen Feſtungen, in deren Schußlöchern er beſtändig ein- und ausſchlüpft. Er iſt ungemein behend und klettert an ganz wagrechten Felsgeſimſen mit derſelben Sicherheit umher, wie an den ſenkrechten Wänden, den Kopf nach oben oder nach unten gerichtet, „wie vom Magnet gehalten“. Wenn er zu einem Felſen anfliegt, hängt er ſich gern mit dem Kopf abwärts; auf Felſenplatten und Mauern hüpft er ruckweiſe. Die Bäume beſucht er zwar auch, aber immer höchſt ſelten, und in größeren Waldungen, in welchen es keine Felſenwände gibt, findet er ſich nie. Sein Geſchrei iſt ein durchdringendes, hoch tönendes Gelächter, welches wie „Hidde hati tititi“ klingt. Die Nahrung beſteht aus denſelben Stoffen, welche auch unſer Kleiber bevorzugt. Dieſem ähnelt der Felſenkleiber überhaupt in allen Stücken: er iſt ebenſo lebhaft, ebenſo unruhig und ebenſo vorwitzig, fängt ſich deshalb auch leicht in Fallen aller Art, wird ſehr bald zahm und geht ſofort an das ihm vorgeworfene Futter. Er hält ſich aber im Käfig immer auf dem Boden und macht von den Sprunghölzern wenig Gebrauch.
Das Neſt wird an ſchroſſe Felswände unter dem natürlichen Dache eines Felſenvorſprunges angeklebt, nach von der Mühle’s Verſicherung gegen die Morgen- oder Mittag-, nie gegen die Weſtſeite. Es iſt außen ſehr groß, künſtlich von Lehm gebaut mit elf Zoll langem Eingang, welcher in einen Keſſel endigt, der mit Ziegen-, Rinder-, Hunds- und Schakalshaaren ausgefüttert iſt. Von außen iſt es mit den Flügeldecken gewiſſer Käfer beſchält. Nach Krüper’s Beſchreibungen iſt wohl das ganze Neſt elf Zoll lang und nach Umſtänden noch länger, der Eingang aber nur eine Röhre von ein, höchſtens zwei Zoll Länge, und die ſcheinbar falſche Angabe von der Mühle’s erklärt ſich daraus, daß der Felſenkleiber gar nicht ſelten das Neſt einer Schwalbenart (Cecropis rufula), welches eine ſo
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[42/0054]
Die Späher. Klettervögel. Spechtmeiſen.
trefflich. Um die, welche ihm nicht zuſagen, bekümmert er ſich nicht, und mit denen, deren Geſellſchaft
er auch in der Freiheit aufſucht, hält er gute Freundſchaft. Nur durch Eins wird er unangenehm.
Er lärmt und pocht ohne Unterlaß und verdirbt damit wohl auch manches Geräth. Jm Zimmer
darf man ihn nicht umherfliegen laſſen; denn hier kann er wegen ſeiner Zerſtörungsluſt Schaden
anrichten.
Alle Kleiber ähneln ſich, ſoviel bekannt, in ihrer Lebensweiſe; einer aber, der Felſenkleiber
(Sitta syriaca), unterſcheidet ſich weſentlich durch ſeinen Aufenthalt und demzufolge auch in ſeinem
Betragen. Er zeigt faſt dieſelbe Färbung, wie ſein bei uns lebender Verwandter; denn auch er iſt
auf der Oberſeite aſchblau und auf der untern theilweiſe gilblich; doch verbreitet ſich das Weiß,
welches bei dem unſrigen nur auf der Kehle ſich zeigt, über den größten Theil der Bruſt und über die
Bauchmitte; die Schwanzfedern ſind rauchgrau, die mittleren aſchgrau, die äußerſten an der Jnnen-
fahne fahlbraun gefleckt. Die Größe übertrifft die unſeres Kleibers um Weniges.
Mehrere Vogelkundigen betrachten dieſen Kleiber nur als Abart des unſrigen; alle Beobachter
aber, welche ihn in der Freiheit ſahen, ſtimmen darin überein, daß nur ein Balgforſcher beide für
gleichartig halten kann. Durch Ehrenberg, Graf von der Mühle, Lindermayer und
Krüper ſind wir gegenwärtig über das Leben des Felſenkleibers einigermaßen unterrichtet. Ehren-
berg entdeckte ihn in Syrien, Michahelles fand ihn auf den hohen Gebirgen zwiſchen Bosnien und
Dalmatien auf, und die übrigen der genannten Forſcher beobachteten ihn häufig in Griechenland.
Das Nachſtehende iſt eine Zuſammenſtellung ihrer Angaben.
Wenn der auf den ſchlechten Landwegen Griechenlands wandernde Vogelkundige ſtundenlang
keinen Vogel ſieht oder hört und dann über die große Armuth dieſes Landes an gefiederten Geſchöpfen
nachdenkt, wird er zuweilen plötzlich durch ein gellendes Gelächter aus ſeiner Träumerei geriſſen.
Dieſes Gelächter geht von einer Felswand oder von einigen Felsblöcken aus, und ſeine Wiederholung
lenkt bald die Blicke nach einer beſtimmten Stelle und damit auf eine Spechtmeiſe hin, welche als die
Urheberin deſſelben erſcheint. Jſt des Beobachters Ohr an Unterſcheidung der Vogelſtimmen gewöhnt,
ſo wird er ſich ſofort ſagen müſſen, daß der gehörte und geſehene Vogel ohne Zweifel nicht der
gewöhnliche Kleiber, ſondern ein anderer ſein muß. Dieſer Vogel lebt zwar nach Art ſeines Ver-
wandten, aber faſt ausſchließlich an Felſen und beſonders gern an den Wänden der alten venetianiſchen
Feſtungen, in deren Schußlöchern er beſtändig ein- und ausſchlüpft. Er iſt ungemein behend und
klettert an ganz wagrechten Felsgeſimſen mit derſelben Sicherheit umher, wie an den ſenkrechten
Wänden, den Kopf nach oben oder nach unten gerichtet, „wie vom Magnet gehalten“. Wenn er zu
einem Felſen anfliegt, hängt er ſich gern mit dem Kopf abwärts; auf Felſenplatten und Mauern hüpft
er ruckweiſe. Die Bäume beſucht er zwar auch, aber immer höchſt ſelten, und in größeren Waldungen,
in welchen es keine Felſenwände gibt, findet er ſich nie. Sein Geſchrei iſt ein durchdringendes, hoch
tönendes Gelächter, welches wie „Hidde hati tititi“ klingt. Die Nahrung beſteht aus denſelben
Stoffen, welche auch unſer Kleiber bevorzugt. Dieſem ähnelt der Felſenkleiber überhaupt in allen
Stücken: er iſt ebenſo lebhaft, ebenſo unruhig und ebenſo vorwitzig, fängt ſich deshalb auch leicht in
Fallen aller Art, wird ſehr bald zahm und geht ſofort an das ihm vorgeworfene Futter. Er hält ſich
aber im Käfig immer auf dem Boden und macht von den Sprunghölzern wenig Gebrauch.
Das Neſt wird an ſchroſſe Felswände unter dem natürlichen Dache eines Felſenvorſprunges
angeklebt, nach von der Mühle’s Verſicherung gegen die Morgen- oder Mittag-, nie gegen die
Weſtſeite. Es iſt außen ſehr groß, künſtlich von Lehm gebaut mit elf Zoll langem Eingang, welcher
in einen Keſſel endigt, der mit Ziegen-, Rinder-, Hunds- und Schakalshaaren ausgefüttert iſt. Von
außen iſt es mit den Flügeldecken gewiſſer Käfer beſchält. Nach Krüper’s Beſchreibungen iſt wohl
das ganze Neſt elf Zoll lang und nach Umſtänden noch länger, der Eingang aber nur eine Röhre von
ein, höchſtens zwei Zoll Länge, und die ſcheinbar falſche Angabe von der Mühle’s erklärt ſich daraus,
daß der Felſenkleiber gar nicht ſelten das Neſt einer Schwalbenart (Cecropis rufula), welches eine ſo
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/54>, abgerufen am 27.11.2024.
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