trocknen Jahre in sehr starken Heerden; die Jäger der Decken'schen Reisegesellschaft, denen der hamburger Garten mehrere Stücke verdankt, bemerkten, daß es in den von ihnen besuchten Gebieten unter die gemeinsten Vögel zählt. Dasselbe gilt für das Pinselperlhuhn, welches ganz Nordostafrika vom sechzehnten Grade nach Süden hin bewohnt und in allen Gebieten gefunden wird: der Jäger, welcher seinen Fuß an die Küste des rothen Meeres setzt, lernt es bald kennen; denn es belebt hier geeignete Oertlichkeiten in Menge; Derjenige aber, welcher das Jnnere des Erdtheils besucht, begegnet ihm überall, im Urwalde wie in der Steppe, im Gebirge wie in der Ebene.
Es scheint, daß sich die Lebensweise der verschiedenen Arten, von unwesentlichen Lebens- äußerungen abgesehen, vollständig ähnelt. Das Perlhuhn bedarf, meinen Erfahrungen zufolge, Gegenden, welche von einem dichten Niederwalde bedeckt sind, dazwischen aber freie Blößen haben. Die reichbebuschten Thäler der Ebenen, die Waldungen, in denen dichter Unterwuchs den Boden deckt, die Steppen, in welchen grasartige Pflanzen nicht allein zur Herrschaft gekommen sind, die Hoch- ebenen im Gebirge und die sanfteren, mit Felsblöcken übersäten, aber dennoch mit einer üppigen Pflanzendecke überzogenen Gehänge genügen allen Anforderungen, welche es an eine Oertlichkeit stellt. Jn den zackigen und zerrissenen Bergen der Jnseln des grünen Vorgebirges findet es, laut Bolle, ein seiner Natur so vollkommen zusagendes Gebiet, daß es hier massenhaft auftritt: je größer und je wilder die Jnsel, je tiefer die Einöde ihrer Berggelände, umso häufiger begegnet ihm der Reisende. Es belebt hier alle Höhenzüge in großen Trupps, vorzugsweise die Buschwälder der baumartigen Euphorbien, welche ihm eine sichere und selten betretene Zufluchtsstätte gewähren. Da die Jnseln Westindiens ähnliche Oertlichkeiten besitzen, hat es sich bald der Herrschaft der Menschen zu entziehen gewußt und sich im Freien heimisch gemacht. Schon vor hundert und sechzig Jahren war es, wie Falconer berichtet, auf Jamaica häufig; gegenwärtig ist es dort so gemein, daß es unter Umständen zur Landplage wird. Auch auf Cuba findet man es an verschiedenen Orten, besonders im östlichen Theile der Jnsel, weil hier viele Kaffeepflanzungen von den Eigenthümern in der Absicht verlassen wurden, neue Pflanzungen an besseren Orten anzulegen. Es blieben dort, wie Gundlach meint, zahme Perlhühner zurück, vermehrten sich und verwilderten vollständig.
Die Perlhühner sind Standvögel, wenn auch nicht im strengsten Sinne des Wortes. Jch erinnere mich, sie zu gewissen Zeiten in Waldungen oder Steppengegenden gefunden zu haben, in welchen man sie sonst nicht antrifft, und Kirk sagt mit Bestimmtheit, daß sie in Ostafrika, wenn die Regenzeit beginnt, sich nach dem Jnnern des Landes zurückziehen, hier zersprengen und nun zur Fort- pflanzung schreiten.
Da, wo sie häufig sind, wird man ihrer bald gewahr. Sie verstehen es, sich bemerklich zu machen, und wäre es auch nur, daß sie in den Morgen- und Abendstunden ihre trompetenartige, schwer zu beschreibende, den meisten meiner Leser aber durch unser zahmes Perlhuhn wohl bekannt gewordene Stimme vernehmen lassen. Jch muß jedoch erwähnen, daß nur die behelmten Perlhühner in dieser Weise schreien, daß ich wenigstens weder vom Geier- noch vom Schopfperlhuhne jemals einen ähn- lichen Ton vernommen habe. Das Geierperlhuhn des hamburger Thiergartens stößt, wenn es gerade schreilustig ist, einen sonderbaren Ruf aus, welcher aus drei Theilen besteht und am besten mit dem Quitschen eines in Bewegung gesetzten, aber schlecht geschmierten Schleifsteines oder kleinen Rades verglichen werden kann. Dieser Laut läßt sich durch die Silben "Tietitiet" wiedergeben. Die erfte Silbe wird ziemlich lang gezogen, die zweite kurz ausgestoßen, die dritte wiederum etwas verlängert. Alle drei folgen unmittelbar auf einander und scheinen niemals verändert zu werden. Es hält deshalb auch nicht schwer, diese Stimme von der jedes anderen Perlhuhnes zu unterscheiden. Das Haubenperlhuhn schreit wenig; von unserem Gefangenen haben wir nur zuweilen ein leises hoch- tönendes Gackern vernommen: es mag aber sein, daß wir es mit einem Weibchen zu thun haben.
Perlhühner fliehen unter allen Umständen bei Annäherung eines Menschen. Sie sind weniger vorsichtig als scheu; denn ihre Furchtsamkeit läßt ihnen in jedem größeren Geschöpfe einen Feind erblicken. Selbst eine Kuhheerde scheucht sie weg; ein Hund bringt sie förmlich außer Fassung, ein Mensch
Die Läufer. Scharrvögel. Perlhühner.
trocknen Jahre in ſehr ſtarken Heerden; die Jäger der Decken’ſchen Reiſegeſellſchaft, denen der hamburger Garten mehrere Stücke verdankt, bemerkten, daß es in den von ihnen beſuchten Gebieten unter die gemeinſten Vögel zählt. Daſſelbe gilt für das Pinſelperlhuhn, welches ganz Nordoſtafrika vom ſechzehnten Grade nach Süden hin bewohnt und in allen Gebieten gefunden wird: der Jäger, welcher ſeinen Fuß an die Küſte des rothen Meeres ſetzt, lernt es bald kennen; denn es belebt hier geeignete Oertlichkeiten in Menge; Derjenige aber, welcher das Jnnere des Erdtheils beſucht, begegnet ihm überall, im Urwalde wie in der Steppe, im Gebirge wie in der Ebene.
Es ſcheint, daß ſich die Lebensweiſe der verſchiedenen Arten, von unweſentlichen Lebens- äußerungen abgeſehen, vollſtändig ähnelt. Das Perlhuhn bedarf, meinen Erfahrungen zufolge, Gegenden, welche von einem dichten Niederwalde bedeckt ſind, dazwiſchen aber freie Blößen haben. Die reichbebuſchten Thäler der Ebenen, die Waldungen, in denen dichter Unterwuchs den Boden deckt, die Steppen, in welchen grasartige Pflanzen nicht allein zur Herrſchaft gekommen ſind, die Hoch- ebenen im Gebirge und die ſanfteren, mit Felsblöcken überſäten, aber dennoch mit einer üppigen Pflanzendecke überzogenen Gehänge genügen allen Anforderungen, welche es an eine Oertlichkeit ſtellt. Jn den zackigen und zerriſſenen Bergen der Jnſeln des grünen Vorgebirges findet es, laut Bolle, ein ſeiner Natur ſo vollkommen zuſagendes Gebiet, daß es hier maſſenhaft auftritt: je größer und je wilder die Jnſel, je tiefer die Einöde ihrer Berggelände, umſo häufiger begegnet ihm der Reiſende. Es belebt hier alle Höhenzüge in großen Trupps, vorzugsweiſe die Buſchwälder der baumartigen Euphorbien, welche ihm eine ſichere und ſelten betretene Zufluchtsſtätte gewähren. Da die Jnſeln Weſtindiens ähnliche Oertlichkeiten beſitzen, hat es ſich bald der Herrſchaft der Menſchen zu entziehen gewußt und ſich im Freien heimiſch gemacht. Schon vor hundert und ſechzig Jahren war es, wie Falconer berichtet, auf Jamaica häufig; gegenwärtig iſt es dort ſo gemein, daß es unter Umſtänden zur Landplage wird. Auch auf Cuba findet man es an verſchiedenen Orten, beſonders im öſtlichen Theile der Jnſel, weil hier viele Kaffeepflanzungen von den Eigenthümern in der Abſicht verlaſſen wurden, neue Pflanzungen an beſſeren Orten anzulegen. Es blieben dort, wie Gundlach meint, zahme Perlhühner zurück, vermehrten ſich und verwilderten vollſtändig.
Die Perlhühner ſind Standvögel, wenn auch nicht im ſtrengſten Sinne des Wortes. Jch erinnere mich, ſie zu gewiſſen Zeiten in Waldungen oder Steppengegenden gefunden zu haben, in welchen man ſie ſonſt nicht antrifft, und Kirk ſagt mit Beſtimmtheit, daß ſie in Oſtafrika, wenn die Regenzeit beginnt, ſich nach dem Jnnern des Landes zurückziehen, hier zerſprengen und nun zur Fort- pflanzung ſchreiten.
Da, wo ſie häufig ſind, wird man ihrer bald gewahr. Sie verſtehen es, ſich bemerklich zu machen, und wäre es auch nur, daß ſie in den Morgen- und Abendſtunden ihre trompetenartige, ſchwer zu beſchreibende, den meiſten meiner Leſer aber durch unſer zahmes Perlhuhn wohl bekannt gewordene Stimme vernehmen laſſen. Jch muß jedoch erwähnen, daß nur die behelmten Perlhühner in dieſer Weiſe ſchreien, daß ich wenigſtens weder vom Geier- noch vom Schopfperlhuhne jemals einen ähn- lichen Ton vernommen habe. Das Geierperlhuhn des hamburger Thiergartens ſtößt, wenn es gerade ſchreiluſtig iſt, einen ſonderbaren Ruf aus, welcher aus drei Theilen beſteht und am beſten mit dem Quitſchen eines in Bewegung geſetzten, aber ſchlecht geſchmierten Schleifſteines oder kleinen Rades verglichen werden kann. Dieſer Laut läßt ſich durch die Silben „Tietitiet“ wiedergeben. Die erfte Silbe wird ziemlich lang gezogen, die zweite kurz ausgeſtoßen, die dritte wiederum etwas verlängert. Alle drei folgen unmittelbar auf einander und ſcheinen niemals verändert zu werden. Es hält deshalb auch nicht ſchwer, dieſe Stimme von der jedes anderen Perlhuhnes zu unterſcheiden. Das Haubenperlhuhn ſchreit wenig; von unſerem Gefangenen haben wir nur zuweilen ein leiſes hoch- tönendes Gackern vernommen: es mag aber ſein, daß wir es mit einem Weibchen zu thun haben.
Perlhühner fliehen unter allen Umſtänden bei Annäherung eines Menſchen. Sie ſind weniger vorſichtig als ſcheu; denn ihre Furchtſamkeit läßt ihnen in jedem größeren Geſchöpfe einen Feind erblicken. Selbſt eine Kuhheerde ſcheucht ſie weg; ein Hund bringt ſie förmlich außer Faſſung, ein Menſch
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[480/0510]
Die Läufer. Scharrvögel. Perlhühner.
trocknen Jahre in ſehr ſtarken Heerden; die Jäger der Decken’ſchen Reiſegeſellſchaft, denen der
hamburger Garten mehrere Stücke verdankt, bemerkten, daß es in den von ihnen beſuchten Gebieten
unter die gemeinſten Vögel zählt. Daſſelbe gilt für das Pinſelperlhuhn, welches ganz Nordoſtafrika
vom ſechzehnten Grade nach Süden hin bewohnt und in allen Gebieten gefunden wird: der Jäger,
welcher ſeinen Fuß an die Küſte des rothen Meeres ſetzt, lernt es bald kennen; denn es belebt hier
geeignete Oertlichkeiten in Menge; Derjenige aber, welcher das Jnnere des Erdtheils beſucht, begegnet
ihm überall, im Urwalde wie in der Steppe, im Gebirge wie in der Ebene.
Es ſcheint, daß ſich die Lebensweiſe der verſchiedenen Arten, von unweſentlichen Lebens-
äußerungen abgeſehen, vollſtändig ähnelt. Das Perlhuhn bedarf, meinen Erfahrungen zufolge,
Gegenden, welche von einem dichten Niederwalde bedeckt ſind, dazwiſchen aber freie Blößen haben. Die
reichbebuſchten Thäler der Ebenen, die Waldungen, in denen dichter Unterwuchs den Boden deckt,
die Steppen, in welchen grasartige Pflanzen nicht allein zur Herrſchaft gekommen ſind, die Hoch-
ebenen im Gebirge und die ſanfteren, mit Felsblöcken überſäten, aber dennoch mit einer üppigen
Pflanzendecke überzogenen Gehänge genügen allen Anforderungen, welche es an eine Oertlichkeit
ſtellt. Jn den zackigen und zerriſſenen Bergen der Jnſeln des grünen Vorgebirges findet es, laut
Bolle, ein ſeiner Natur ſo vollkommen zuſagendes Gebiet, daß es hier maſſenhaft auftritt: je
größer und je wilder die Jnſel, je tiefer die Einöde ihrer Berggelände, umſo häufiger begegnet ihm
der Reiſende. Es belebt hier alle Höhenzüge in großen Trupps, vorzugsweiſe die Buſchwälder der
baumartigen Euphorbien, welche ihm eine ſichere und ſelten betretene Zufluchtsſtätte gewähren. Da
die Jnſeln Weſtindiens ähnliche Oertlichkeiten beſitzen, hat es ſich bald der Herrſchaft der Menſchen
zu entziehen gewußt und ſich im Freien heimiſch gemacht. Schon vor hundert und ſechzig Jahren war
es, wie Falconer berichtet, auf Jamaica häufig; gegenwärtig iſt es dort ſo gemein, daß es unter
Umſtänden zur Landplage wird. Auch auf Cuba findet man es an verſchiedenen Orten, beſonders
im öſtlichen Theile der Jnſel, weil hier viele Kaffeepflanzungen von den Eigenthümern in der Abſicht
verlaſſen wurden, neue Pflanzungen an beſſeren Orten anzulegen. Es blieben dort, wie Gundlach
meint, zahme Perlhühner zurück, vermehrten ſich und verwilderten vollſtändig.
Die Perlhühner ſind Standvögel, wenn auch nicht im ſtrengſten Sinne des Wortes. Jch
erinnere mich, ſie zu gewiſſen Zeiten in Waldungen oder Steppengegenden gefunden zu haben, in
welchen man ſie ſonſt nicht antrifft, und Kirk ſagt mit Beſtimmtheit, daß ſie in Oſtafrika, wenn die
Regenzeit beginnt, ſich nach dem Jnnern des Landes zurückziehen, hier zerſprengen und nun zur Fort-
pflanzung ſchreiten.
Da, wo ſie häufig ſind, wird man ihrer bald gewahr. Sie verſtehen es, ſich bemerklich zu
machen, und wäre es auch nur, daß ſie in den Morgen- und Abendſtunden ihre trompetenartige, ſchwer
zu beſchreibende, den meiſten meiner Leſer aber durch unſer zahmes Perlhuhn wohl bekannt gewordene
Stimme vernehmen laſſen. Jch muß jedoch erwähnen, daß nur die behelmten Perlhühner in dieſer
Weiſe ſchreien, daß ich wenigſtens weder vom Geier- noch vom Schopfperlhuhne jemals einen ähn-
lichen Ton vernommen habe. Das Geierperlhuhn des hamburger Thiergartens ſtößt, wenn es
gerade ſchreiluſtig iſt, einen ſonderbaren Ruf aus, welcher aus drei Theilen beſteht und am beſten mit
dem Quitſchen eines in Bewegung geſetzten, aber ſchlecht geſchmierten Schleifſteines oder kleinen Rades
verglichen werden kann. Dieſer Laut läßt ſich durch die Silben „Tietitiet“ wiedergeben. Die erfte
Silbe wird ziemlich lang gezogen, die zweite kurz ausgeſtoßen, die dritte wiederum etwas verlängert.
Alle drei folgen unmittelbar auf einander und ſcheinen niemals verändert zu werden. Es hält
deshalb auch nicht ſchwer, dieſe Stimme von der jedes anderen Perlhuhnes zu unterſcheiden. Das
Haubenperlhuhn ſchreit wenig; von unſerem Gefangenen haben wir nur zuweilen ein leiſes hoch-
tönendes Gackern vernommen: es mag aber ſein, daß wir es mit einem Weibchen zu thun haben.
Perlhühner fliehen unter allen Umſtänden bei Annäherung eines Menſchen. Sie ſind weniger
vorſichtig als ſcheu; denn ihre Furchtſamkeit läßt ihnen in jedem größeren Geſchöpfe einen Feind erblicken.
Selbſt eine Kuhheerde ſcheucht ſie weg; ein Hund bringt ſie förmlich außer Faſſung, ein Menſch
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 480. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/510>, abgerufen am 22.11.2024.
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