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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Lebensweise der Perlhühner.
wenigstens in größere Aufregung. Es ist somit nicht ganz leicht, ihr Treiben zu beobachten; man
darf bei der Annäherung mindestens gewisse Vorsichtsmaßregeln nicht aus den Augen lassen. Schleicht
man an ein Gesperre, dessen Ruf man vernahm, gedeckt heran, so sieht man das Volk über die
Blöße gehen oder sich zwischen den Felsblöcken dahinwinden oder Gebüsche durchschlüpfen. Wie die
Jndianer auf ihren Kriegspfaden, laufen die Vögel in langen Reihen hinter einander her, und was
das eine beginnt, thun die übrigen mit. Einzelne Paare findet man höchst selten, Familien, welche
aus funfzehn bis zwanzig Stücken bestehen, schon öfter, gewöhnlich aber große Gesperre, welche unter
Umständen aus sechs bis acht Familien zusammengesetzt sein können. Die Familien halten eng zu-
sammen, und auch die Gesperre bleiben stets im innigsten Verbande; denn Geselligkeit ist ein Grund-
zug des Wesens unserer Hühner. Wird eine Familie, ein Volk oder Gesperre irgendwie erschreckt,
so zertheilt es sich in einzelne Trupps und diese unter Umständen wiederum, sodaß streng genommen
jedes einzelne seinen Weg sich wählt. Alles rennt, läuft und flüchtet oder fliegt und flattert so eilig
als möglich einem Zufluchtsorte zu; aber sofort nach Eintritt einer gewissen Ruhe lassen die Hähne
ihre Trompetentöne erschallen und locken das ganze Volk rasch wieder zusammen. Blos dann, wenn
die Perlhühner bereits Verfolgungen erfahren haben, versuchen sie sich, sobald sie aufgescheucht wurden,
durch Fliegen zu retten; jedoch auch jetzt noch verlassen sie sich, solange es irgend geht, auf ihre behenden
Füße. Zuweilen laufen sie mehrere Minuten lang vor dem Jäger her, ehe sie sich erheben; dabei
halten sie übrigens immer vorsichtig einen für das Schrotgewehr zu großen Abstand ein, wissen auch jedes
Gebüsch, jeden Felsblock vortrefflich zu benutzen. Ein alter Hahn leitet die ganze Gesellschaft. Er
ist stets voraus und bestimmt unter allen Umständen die Richtung der Flucht, auch dann noch, wenn
diese mit Hilfe der Flügel fortgesetzt wird. Nach einem Schusse stiebt das Volk in verschiedenen
Abtheilungen auf, und diese wenden sich anfangs nicht gleich nach ein und derselben Gegend hin,
sondern fallen gewöhnlich noch ein paar Mal ein, ehe sie sich anschicken, zum Leithahne zurückzukehren.
Der eilt regelmäßig dem geschütztesten Orte zu, sei dieser nun ein undurchdringliches Dickicht oder
ein Fels am Gehänge, beginnt sofort nach dem Einfallen laut zu trompeten oder zu schreien und
setzt sich dabei auf die höchsten Punkte, auf Felsblöcke z. B., ganz frei, wie er es sonst nie zu thun
pflegt, gleichsam in der Absicht, dem zerstreuten Volke sich zu zeigen. Letzteres läuft und fliegt nun
sobald als möglich wieder zusammen und treibt es wie zuvor. Anders benehmen sich die Perlhühner,
wenn sie einen Hund oder ein anderes vierfüßiges Raubthier verfolgt. Sie wissen, daß sie es jetzt
mit einem Feinde zu thun haben, welchem sie laufend ebenso wenig entrinnen können als mit Hilfe
ihrer bald ermattenden Flügel. Deshalb bäumen sie so rasch als immer möglich, und dann sind sie
kaum wieder zum Auffliegen zu bringen. Es scheint, daß sie über dem einen Feind jeden andern
vergessen; denn sie lassen den Menschen, welchen sie sonst furchtsam flohen, mit einer dummen Dreistig-
keit dicht an sich herankommen, sehen dem Schützen mit ängstlichen Geberden, aber ohne einen Versuch
zum Fortfliegen zu machen, ins Rohr hinein und erheben sich erst, wenn der Knall des Schusses ihr
Entsetzen noch steigerte. Aber sie handeln nunmehr ebenso sinnlos als zuvor. Den Hund im Auge,
wagen sie keine längere Flucht, sondern fliegen höchstens bis zu den nächsten Bäumen, setzen sich hier
wieder und lassen den Jäger zum zweiten Male an sich herankommen. Werden sie von einem harm-
losen Reisenden oder beutesatten Jäger aufgescheucht und nicht durch Schüsse aufgeschreckt, so fliehen
sie wie sonst, machen aber bald wieder Halt, setzen sich auf einen hohen Punkt, blicken den Verfolger
neugierig an, werfen den Kopf in sonderbarer Weise vor- und rückwärts, brechen endlich in ein
gellendes Geschrei aus und setzen hierauf die Flucht fort. Dieses sah Bolle vom gemeinen
Perlhuhne in Westafrika, und genau Dasselbe habe ich vom Pinselperlhuhne erfahren. Zum
Schlafen wählen sich alle Arten erhabene Stellen, welche ihnen die größte Sicherung versprechen;
Lieblingsschlafplätze sind hohe Bäume an Flußufern: von ihnen lassen sie sich kaum vertreiben.
Ebenso steigen sie, wenn der Abend naht, in Gebirgen an Felswänden empor und suchen
sich hier anderen Thieren, wenigstens Raubsäugethieren, unzugängliche Grate und Felsspitzen zum
Schlafen aus.

Brehm, Thierleben. IV. 31

Lebensweiſe der Perlhühner.
wenigſtens in größere Aufregung. Es iſt ſomit nicht ganz leicht, ihr Treiben zu beobachten; man
darf bei der Annäherung mindeſtens gewiſſe Vorſichtsmaßregeln nicht aus den Augen laſſen. Schleicht
man an ein Geſperre, deſſen Ruf man vernahm, gedeckt heran, ſo ſieht man das Volk über die
Blöße gehen oder ſich zwiſchen den Felsblöcken dahinwinden oder Gebüſche durchſchlüpfen. Wie die
Jndianer auf ihren Kriegspfaden, laufen die Vögel in langen Reihen hinter einander her, und was
das eine beginnt, thun die übrigen mit. Einzelne Paare findet man höchſt ſelten, Familien, welche
aus funfzehn bis zwanzig Stücken beſtehen, ſchon öfter, gewöhnlich aber große Geſperre, welche unter
Umſtänden aus ſechs bis acht Familien zuſammengeſetzt ſein können. Die Familien halten eng zu-
ſammen, und auch die Geſperre bleiben ſtets im innigſten Verbande; denn Geſelligkeit iſt ein Grund-
zug des Weſens unſerer Hühner. Wird eine Familie, ein Volk oder Geſperre irgendwie erſchreckt,
ſo zertheilt es ſich in einzelne Trupps und dieſe unter Umſtänden wiederum, ſodaß ſtreng genommen
jedes einzelne ſeinen Weg ſich wählt. Alles rennt, läuft und flüchtet oder fliegt und flattert ſo eilig
als möglich einem Zufluchtsorte zu; aber ſofort nach Eintritt einer gewiſſen Ruhe laſſen die Hähne
ihre Trompetentöne erſchallen und locken das ganze Volk raſch wieder zuſammen. Blos dann, wenn
die Perlhühner bereits Verfolgungen erfahren haben, verſuchen ſie ſich, ſobald ſie aufgeſcheucht wurden,
durch Fliegen zu retten; jedoch auch jetzt noch verlaſſen ſie ſich, ſolange es irgend geht, auf ihre behenden
Füße. Zuweilen laufen ſie mehrere Minuten lang vor dem Jäger her, ehe ſie ſich erheben; dabei
halten ſie übrigens immer vorſichtig einen für das Schrotgewehr zu großen Abſtand ein, wiſſen auch jedes
Gebüſch, jeden Felsblock vortrefflich zu benutzen. Ein alter Hahn leitet die ganze Geſellſchaft. Er
iſt ſtets voraus und beſtimmt unter allen Umſtänden die Richtung der Flucht, auch dann noch, wenn
dieſe mit Hilfe der Flügel fortgeſetzt wird. Nach einem Schuſſe ſtiebt das Volk in verſchiedenen
Abtheilungen auf, und dieſe wenden ſich anfangs nicht gleich nach ein und derſelben Gegend hin,
ſondern fallen gewöhnlich noch ein paar Mal ein, ehe ſie ſich anſchicken, zum Leithahne zurückzukehren.
Der eilt regelmäßig dem geſchützteſten Orte zu, ſei dieſer nun ein undurchdringliches Dickicht oder
ein Fels am Gehänge, beginnt ſofort nach dem Einfallen laut zu trompeten oder zu ſchreien und
ſetzt ſich dabei auf die höchſten Punkte, auf Felsblöcke z. B., ganz frei, wie er es ſonſt nie zu thun
pflegt, gleichſam in der Abſicht, dem zerſtreuten Volke ſich zu zeigen. Letzteres läuft und fliegt nun
ſobald als möglich wieder zuſammen und treibt es wie zuvor. Anders benehmen ſich die Perlhühner,
wenn ſie einen Hund oder ein anderes vierfüßiges Raubthier verfolgt. Sie wiſſen, daß ſie es jetzt
mit einem Feinde zu thun haben, welchem ſie laufend ebenſo wenig entrinnen können als mit Hilfe
ihrer bald ermattenden Flügel. Deshalb bäumen ſie ſo raſch als immer möglich, und dann ſind ſie
kaum wieder zum Auffliegen zu bringen. Es ſcheint, daß ſie über dem einen Feind jeden andern
vergeſſen; denn ſie laſſen den Menſchen, welchen ſie ſonſt furchtſam flohen, mit einer dummen Dreiſtig-
keit dicht an ſich herankommen, ſehen dem Schützen mit ängſtlichen Geberden, aber ohne einen Verſuch
zum Fortfliegen zu machen, ins Rohr hinein und erheben ſich erſt, wenn der Knall des Schuſſes ihr
Entſetzen noch ſteigerte. Aber ſie handeln nunmehr ebenſo ſinnlos als zuvor. Den Hund im Auge,
wagen ſie keine längere Flucht, ſondern fliegen höchſtens bis zu den nächſten Bäumen, ſetzen ſich hier
wieder und laſſen den Jäger zum zweiten Male an ſich herankommen. Werden ſie von einem harm-
loſen Reiſenden oder beuteſatten Jäger aufgeſcheucht und nicht durch Schüſſe aufgeſchreckt, ſo fliehen
ſie wie ſonſt, machen aber bald wieder Halt, ſetzen ſich auf einen hohen Punkt, blicken den Verfolger
neugierig an, werfen den Kopf in ſonderbarer Weiſe vor- und rückwärts, brechen endlich in ein
gellendes Geſchrei aus und ſetzen hierauf die Flucht fort. Dieſes ſah Bolle vom gemeinen
Perlhuhne in Weſtafrika, und genau Daſſelbe habe ich vom Pinſelperlhuhne erfahren. Zum
Schlafen wählen ſich alle Arten erhabene Stellen, welche ihnen die größte Sicherung verſprechen;
Lieblingsſchlafplätze ſind hohe Bäume an Flußufern: von ihnen laſſen ſie ſich kaum vertreiben.
Ebenſo ſteigen ſie, wenn der Abend naht, in Gebirgen an Felswänden empor und ſuchen
ſich hier anderen Thieren, wenigſtens Raubſäugethieren, unzugängliche Grate und Felsſpitzen zum
Schlafen aus.

Brehm, Thierleben. IV. 31
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[481/0511] Lebensweiſe der Perlhühner. wenigſtens in größere Aufregung. Es iſt ſomit nicht ganz leicht, ihr Treiben zu beobachten; man darf bei der Annäherung mindeſtens gewiſſe Vorſichtsmaßregeln nicht aus den Augen laſſen. Schleicht man an ein Geſperre, deſſen Ruf man vernahm, gedeckt heran, ſo ſieht man das Volk über die Blöße gehen oder ſich zwiſchen den Felsblöcken dahinwinden oder Gebüſche durchſchlüpfen. Wie die Jndianer auf ihren Kriegspfaden, laufen die Vögel in langen Reihen hinter einander her, und was das eine beginnt, thun die übrigen mit. Einzelne Paare findet man höchſt ſelten, Familien, welche aus funfzehn bis zwanzig Stücken beſtehen, ſchon öfter, gewöhnlich aber große Geſperre, welche unter Umſtänden aus ſechs bis acht Familien zuſammengeſetzt ſein können. Die Familien halten eng zu- ſammen, und auch die Geſperre bleiben ſtets im innigſten Verbande; denn Geſelligkeit iſt ein Grund- zug des Weſens unſerer Hühner. Wird eine Familie, ein Volk oder Geſperre irgendwie erſchreckt, ſo zertheilt es ſich in einzelne Trupps und dieſe unter Umſtänden wiederum, ſodaß ſtreng genommen jedes einzelne ſeinen Weg ſich wählt. Alles rennt, läuft und flüchtet oder fliegt und flattert ſo eilig als möglich einem Zufluchtsorte zu; aber ſofort nach Eintritt einer gewiſſen Ruhe laſſen die Hähne ihre Trompetentöne erſchallen und locken das ganze Volk raſch wieder zuſammen. Blos dann, wenn die Perlhühner bereits Verfolgungen erfahren haben, verſuchen ſie ſich, ſobald ſie aufgeſcheucht wurden, durch Fliegen zu retten; jedoch auch jetzt noch verlaſſen ſie ſich, ſolange es irgend geht, auf ihre behenden Füße. Zuweilen laufen ſie mehrere Minuten lang vor dem Jäger her, ehe ſie ſich erheben; dabei halten ſie übrigens immer vorſichtig einen für das Schrotgewehr zu großen Abſtand ein, wiſſen auch jedes Gebüſch, jeden Felsblock vortrefflich zu benutzen. Ein alter Hahn leitet die ganze Geſellſchaft. Er iſt ſtets voraus und beſtimmt unter allen Umſtänden die Richtung der Flucht, auch dann noch, wenn dieſe mit Hilfe der Flügel fortgeſetzt wird. Nach einem Schuſſe ſtiebt das Volk in verſchiedenen Abtheilungen auf, und dieſe wenden ſich anfangs nicht gleich nach ein und derſelben Gegend hin, ſondern fallen gewöhnlich noch ein paar Mal ein, ehe ſie ſich anſchicken, zum Leithahne zurückzukehren. Der eilt regelmäßig dem geſchützteſten Orte zu, ſei dieſer nun ein undurchdringliches Dickicht oder ein Fels am Gehänge, beginnt ſofort nach dem Einfallen laut zu trompeten oder zu ſchreien und ſetzt ſich dabei auf die höchſten Punkte, auf Felsblöcke z. B., ganz frei, wie er es ſonſt nie zu thun pflegt, gleichſam in der Abſicht, dem zerſtreuten Volke ſich zu zeigen. Letzteres läuft und fliegt nun ſobald als möglich wieder zuſammen und treibt es wie zuvor. Anders benehmen ſich die Perlhühner, wenn ſie einen Hund oder ein anderes vierfüßiges Raubthier verfolgt. Sie wiſſen, daß ſie es jetzt mit einem Feinde zu thun haben, welchem ſie laufend ebenſo wenig entrinnen können als mit Hilfe ihrer bald ermattenden Flügel. Deshalb bäumen ſie ſo raſch als immer möglich, und dann ſind ſie kaum wieder zum Auffliegen zu bringen. Es ſcheint, daß ſie über dem einen Feind jeden andern vergeſſen; denn ſie laſſen den Menſchen, welchen ſie ſonſt furchtſam flohen, mit einer dummen Dreiſtig- keit dicht an ſich herankommen, ſehen dem Schützen mit ängſtlichen Geberden, aber ohne einen Verſuch zum Fortfliegen zu machen, ins Rohr hinein und erheben ſich erſt, wenn der Knall des Schuſſes ihr Entſetzen noch ſteigerte. Aber ſie handeln nunmehr ebenſo ſinnlos als zuvor. Den Hund im Auge, wagen ſie keine längere Flucht, ſondern fliegen höchſtens bis zu den nächſten Bäumen, ſetzen ſich hier wieder und laſſen den Jäger zum zweiten Male an ſich herankommen. Werden ſie von einem harm- loſen Reiſenden oder beuteſatten Jäger aufgeſcheucht und nicht durch Schüſſe aufgeſchreckt, ſo fliehen ſie wie ſonſt, machen aber bald wieder Halt, ſetzen ſich auf einen hohen Punkt, blicken den Verfolger neugierig an, werfen den Kopf in ſonderbarer Weiſe vor- und rückwärts, brechen endlich in ein gellendes Geſchrei aus und ſetzen hierauf die Flucht fort. Dieſes ſah Bolle vom gemeinen Perlhuhne in Weſtafrika, und genau Daſſelbe habe ich vom Pinſelperlhuhne erfahren. Zum Schlafen wählen ſich alle Arten erhabene Stellen, welche ihnen die größte Sicherung verſprechen; Lieblingsſchlafplätze ſind hohe Bäume an Flußufern: von ihnen laſſen ſie ſich kaum vertreiben. Ebenſo ſteigen ſie, wenn der Abend naht, in Gebirgen an Felswänden empor und ſuchen ſich hier anderen Thieren, wenigſtens Raubſäugethieren, unzugängliche Grate und Felsſpitzen zum Schlafen aus. Brehm, Thierleben. IV. 31

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 481. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/511>, abgerufen am 22.11.2024.