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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Die Läufer. Scharrvögel. Feldhühner.
Grenze des Holzwuchses. Nach dem ersten, allgemeinen und bedeutenderen Schneefalle kommen sie
scharenweise auf unbewachsene, freistehende Bergkuppen des Waldgürtels herab, und hier verweilen
sie bis zum Ende des März. Diese Streifzüge werden wahrscheinlich in der ersten Nacht nach dem
Schneefalle ausgeführt; denn ich habe sie unabänderlich frühestens am nächsten Morgen, nach solchem
Vorgange in ihrer Winterherberge gesehen. Es muß aber viel Schnee gefallen sein, bevor sie nieder-
kommen; denn im milden Winter erscheinen sie, mit Ausnahme Einzelner, nicht in der Tiefe. Wahr-
scheinlich wählt sich die Bewohnerschaft eines Berges auch eine gewisse Winterherberge, zu welcher sie
alljährlich herunterkommt."

"Der Schneefasan ist gesellig und schlägt sich in Flügen zusammen, welche zuweilen aus zwanzig
bis dreißig Stück bestehen, obwohl man gewöhnlich nicht mehr als ihrer fünf bis zehn bei einander
findet. Mehrere solcher Flüge bewohnen ein und dasselbe Berggebiet. Jm Sommer sieht man die
wenigen, welche auf der indischen Seite blieben, in einzelne Paare zersprengt; gegen den Winter hin
aber, bevor die Masse wandert, habe ich stets mehrere von ihnen vereinigt gefunden. Selten verlassen
sie das Gebiet, auf welchem sie sich angesiedelt haben, sondern fliegen vielmehr, wenn sie aufgescheucht
werden, vorwärts und rückwärts. Niemals besuchen sie den Wald oder das Dickicht, ja, sie meiden
selbst solche Stellen, wo das Gras lang ist, oder wo irgend welches Gestrüpp den Boden bedeckt, und
es ist deshalb fast unnöthig, zu sagen, daß sie niemals bäumen. Wenn das Wetter schön und warm
ist, sitzen sie während des Tages auf den Felsen oder auf rauhen Stellen der Gehänge, ohne sich, mit
Ausnahme der Morgen- und Abendstunden, viel zu bewegen. Jst es aber kalt, neblig oder regnerisch,
so sind sie rege und munter, laufen beständig auf und nieder und äßen sich während des ganzen
Tages. Beim Fressen gehen sie langsam bergauf und picken dann und wann nach zarten Blattspitzen
von Gräsern, jungen Schoten verschiedener Pflanzen, unterbrechen ihren Gang auch wohl gelegentlich
und schnappen nach irgend einer zwiebelartigen Wurzel, welche sie sehr lieben. Erreichen sie den
Gipfel eines Gebirgszugs, so pflegen sie hier ein wenig zu verweilen; dann fliegen sie nach einer
andern Stelle, fallen zu Boden und laufen wiederum nach der Höhe empor. Jhr Gang ist
sehr ungeschickt; sie erheben dabei ihren Schweif und machen, wenn sie sich in einiger Entfernung
befinden, den Eindruck einer grauen Gans. Ganz besonders lieben sie solche Weideplätze, auf denen
Schafheerden genächtigt haben; wahrscheinlich, weil hier das Gras, auch wenn das übrige lange
trocken und dürr ist, noch im frischesten Grün prangt. Jhre Nachtherberge wählen sie auf Felsen
über Abgründen; zu solchen Plätzen kommen sie viele Nächte nach einander."

"Jhr Geschrei, ein leises, sanftes Zischen, vernimmt man dann und wann während des Tages,
am lautesten aber bei Tagesanbruch und sehr häufig bei nebligem Wetter. Der Ruf beginnt mit
einem lang ausgezogenen Tone und endigt mit einer Folge von raschen Pfiffen. Er ist bei weitem
der angenehmste von allen, welche irgend ein Federwild vernehmen läßt. Uebrigens hört man diesen
vollen Ruf nur dann, wenn der Vogel still sitzt; denn wenn er aufgestört wurde und wegläuft, stößt
er in kurzen Zwischenräumen ein einfaches, leises Pfeifen aus. Er schreit, wenn er aufsteht, schnell,
schrillend und heftig, gewöhnlich auch, solange er fliegt und selbst noch einige Sekunden, nachdem er
wieder zu Boden gekommen ist; dann aber geht sein Ruf in einige wenige Noten über, welche in einer
auffallenden Weise Befriedigung darüber auszudrücken scheinen, daß er glücklich wieder Grund und
Boden gewonnen. Jch glaube, daß ich das Pfeifen dieser Vögel, welches sie beim Aufstehen und
Fliegen vernehmen lassen, mit Nichts besser vergleichen kann, als mit dem Geräusche, welches eine
Taubenschar hervorbringt, wenn sie fliegt und wenn sie sich auf einer gewissen Stelle niederlassen will,
um hier zu fressen."

"Der Schneefasan ist nicht besonders wild oder scheu. Wenn man von unten anschleicht und
sich bis auf ungefähr achtzig oder hundert Ellen genaht hat, geht er langsam bergauf oder seitwärts,
dreht sich oft um, um zurück zu sehen, läuft aber, falls er nicht verfolgt wird, selten weit weg; naht
man sich ihm dagegen von obenher, so steht er auf, ohne erst weit zu laufen. Ueberhaupt geht er selten
weit bergab, und niemals beschleunigt er seinen Lauf bis zum Rennen, es sei denn auf wenige Ellen

Die Läufer. Scharrvögel. Feldhühner.
Grenze des Holzwuchſes. Nach dem erſten, allgemeinen und bedeutenderen Schneefalle kommen ſie
ſcharenweiſe auf unbewachſene, freiſtehende Bergkuppen des Waldgürtels herab, und hier verweilen
ſie bis zum Ende des März. Dieſe Streifzüge werden wahrſcheinlich in der erſten Nacht nach dem
Schneefalle ausgeführt; denn ich habe ſie unabänderlich früheſtens am nächſten Morgen, nach ſolchem
Vorgange in ihrer Winterherberge geſehen. Es muß aber viel Schnee gefallen ſein, bevor ſie nieder-
kommen; denn im milden Winter erſcheinen ſie, mit Ausnahme Einzelner, nicht in der Tiefe. Wahr-
ſcheinlich wählt ſich die Bewohnerſchaft eines Berges auch eine gewiſſe Winterherberge, zu welcher ſie
alljährlich herunterkommt.“

„Der Schneefaſan iſt geſellig und ſchlägt ſich in Flügen zuſammen, welche zuweilen aus zwanzig
bis dreißig Stück beſtehen, obwohl man gewöhnlich nicht mehr als ihrer fünf bis zehn bei einander
findet. Mehrere ſolcher Flüge bewohnen ein und daſſelbe Berggebiet. Jm Sommer ſieht man die
wenigen, welche auf der indiſchen Seite blieben, in einzelne Paare zerſprengt; gegen den Winter hin
aber, bevor die Maſſe wandert, habe ich ſtets mehrere von ihnen vereinigt gefunden. Selten verlaſſen
ſie das Gebiet, auf welchem ſie ſich angeſiedelt haben, ſondern fliegen vielmehr, wenn ſie aufgeſcheucht
werden, vorwärts und rückwärts. Niemals beſuchen ſie den Wald oder das Dickicht, ja, ſie meiden
ſelbſt ſolche Stellen, wo das Gras lang iſt, oder wo irgend welches Geſtrüpp den Boden bedeckt, und
es iſt deshalb faſt unnöthig, zu ſagen, daß ſie niemals bäumen. Wenn das Wetter ſchön und warm
iſt, ſitzen ſie während des Tages auf den Felſen oder auf rauhen Stellen der Gehänge, ohne ſich, mit
Ausnahme der Morgen- und Abendſtunden, viel zu bewegen. Jſt es aber kalt, neblig oder regneriſch,
ſo ſind ſie rege und munter, laufen beſtändig auf und nieder und äßen ſich während des ganzen
Tages. Beim Freſſen gehen ſie langſam bergauf und picken dann und wann nach zarten Blattſpitzen
von Gräſern, jungen Schoten verſchiedener Pflanzen, unterbrechen ihren Gang auch wohl gelegentlich
und ſchnappen nach irgend einer zwiebelartigen Wurzel, welche ſie ſehr lieben. Erreichen ſie den
Gipfel eines Gebirgszugs, ſo pflegen ſie hier ein wenig zu verweilen; dann fliegen ſie nach einer
andern Stelle, fallen zu Boden und laufen wiederum nach der Höhe empor. Jhr Gang iſt
ſehr ungeſchickt; ſie erheben dabei ihren Schweif und machen, wenn ſie ſich in einiger Entfernung
befinden, den Eindruck einer grauen Gans. Ganz beſonders lieben ſie ſolche Weideplätze, auf denen
Schafheerden genächtigt haben; wahrſcheinlich, weil hier das Gras, auch wenn das übrige lange
trocken und dürr iſt, noch im friſcheſten Grün prangt. Jhre Nachtherberge wählen ſie auf Felſen
über Abgründen; zu ſolchen Plätzen kommen ſie viele Nächte nach einander.“

„Jhr Geſchrei, ein leiſes, ſanftes Ziſchen, vernimmt man dann und wann während des Tages,
am lauteſten aber bei Tagesanbruch und ſehr häufig bei nebligem Wetter. Der Ruf beginnt mit
einem lang ausgezogenen Tone und endigt mit einer Folge von raſchen Pfiffen. Er iſt bei weitem
der angenehmſte von allen, welche irgend ein Federwild vernehmen läßt. Uebrigens hört man dieſen
vollen Ruf nur dann, wenn der Vogel ſtill ſitzt; denn wenn er aufgeſtört wurde und wegläuft, ſtößt
er in kurzen Zwiſchenräumen ein einfaches, leiſes Pfeifen aus. Er ſchreit, wenn er aufſteht, ſchnell,
ſchrillend und heftig, gewöhnlich auch, ſolange er fliegt und ſelbſt noch einige Sekunden, nachdem er
wieder zu Boden gekommen iſt; dann aber geht ſein Ruf in einige wenige Noten über, welche in einer
auffallenden Weiſe Befriedigung darüber auszudrücken ſcheinen, daß er glücklich wieder Grund und
Boden gewonnen. Jch glaube, daß ich das Pfeifen dieſer Vögel, welches ſie beim Aufſtehen und
Fliegen vernehmen laſſen, mit Nichts beſſer vergleichen kann, als mit dem Geräuſche, welches eine
Taubenſchar hervorbringt, wenn ſie fliegt und wenn ſie ſich auf einer gewiſſen Stelle niederlaſſen will,
um hier zu freſſen.“

„Der Schneefaſan iſt nicht beſonders wild oder ſcheu. Wenn man von unten anſchleicht und
ſich bis auf ungefähr achtzig oder hundert Ellen genaht hat, geht er langſam bergauf oder ſeitwärts,
dreht ſich oft um, um zurück zu ſehen, läuft aber, falls er nicht verfolgt wird, ſelten weit weg; naht
man ſich ihm dagegen von obenher, ſo ſteht er auf, ohne erſt weit zu laufen. Ueberhaupt geht er ſelten
weit bergab, und niemals beſchleunigt er ſeinen Lauf bis zum Rennen, es ſei denn auf wenige Ellen

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[386/0414] Die Läufer. Scharrvögel. Feldhühner. Grenze des Holzwuchſes. Nach dem erſten, allgemeinen und bedeutenderen Schneefalle kommen ſie ſcharenweiſe auf unbewachſene, freiſtehende Bergkuppen des Waldgürtels herab, und hier verweilen ſie bis zum Ende des März. Dieſe Streifzüge werden wahrſcheinlich in der erſten Nacht nach dem Schneefalle ausgeführt; denn ich habe ſie unabänderlich früheſtens am nächſten Morgen, nach ſolchem Vorgange in ihrer Winterherberge geſehen. Es muß aber viel Schnee gefallen ſein, bevor ſie nieder- kommen; denn im milden Winter erſcheinen ſie, mit Ausnahme Einzelner, nicht in der Tiefe. Wahr- ſcheinlich wählt ſich die Bewohnerſchaft eines Berges auch eine gewiſſe Winterherberge, zu welcher ſie alljährlich herunterkommt.“ „Der Schneefaſan iſt geſellig und ſchlägt ſich in Flügen zuſammen, welche zuweilen aus zwanzig bis dreißig Stück beſtehen, obwohl man gewöhnlich nicht mehr als ihrer fünf bis zehn bei einander findet. Mehrere ſolcher Flüge bewohnen ein und daſſelbe Berggebiet. Jm Sommer ſieht man die wenigen, welche auf der indiſchen Seite blieben, in einzelne Paare zerſprengt; gegen den Winter hin aber, bevor die Maſſe wandert, habe ich ſtets mehrere von ihnen vereinigt gefunden. Selten verlaſſen ſie das Gebiet, auf welchem ſie ſich angeſiedelt haben, ſondern fliegen vielmehr, wenn ſie aufgeſcheucht werden, vorwärts und rückwärts. Niemals beſuchen ſie den Wald oder das Dickicht, ja, ſie meiden ſelbſt ſolche Stellen, wo das Gras lang iſt, oder wo irgend welches Geſtrüpp den Boden bedeckt, und es iſt deshalb faſt unnöthig, zu ſagen, daß ſie niemals bäumen. Wenn das Wetter ſchön und warm iſt, ſitzen ſie während des Tages auf den Felſen oder auf rauhen Stellen der Gehänge, ohne ſich, mit Ausnahme der Morgen- und Abendſtunden, viel zu bewegen. Jſt es aber kalt, neblig oder regneriſch, ſo ſind ſie rege und munter, laufen beſtändig auf und nieder und äßen ſich während des ganzen Tages. Beim Freſſen gehen ſie langſam bergauf und picken dann und wann nach zarten Blattſpitzen von Gräſern, jungen Schoten verſchiedener Pflanzen, unterbrechen ihren Gang auch wohl gelegentlich und ſchnappen nach irgend einer zwiebelartigen Wurzel, welche ſie ſehr lieben. Erreichen ſie den Gipfel eines Gebirgszugs, ſo pflegen ſie hier ein wenig zu verweilen; dann fliegen ſie nach einer andern Stelle, fallen zu Boden und laufen wiederum nach der Höhe empor. Jhr Gang iſt ſehr ungeſchickt; ſie erheben dabei ihren Schweif und machen, wenn ſie ſich in einiger Entfernung befinden, den Eindruck einer grauen Gans. Ganz beſonders lieben ſie ſolche Weideplätze, auf denen Schafheerden genächtigt haben; wahrſcheinlich, weil hier das Gras, auch wenn das übrige lange trocken und dürr iſt, noch im friſcheſten Grün prangt. Jhre Nachtherberge wählen ſie auf Felſen über Abgründen; zu ſolchen Plätzen kommen ſie viele Nächte nach einander.“ „Jhr Geſchrei, ein leiſes, ſanftes Ziſchen, vernimmt man dann und wann während des Tages, am lauteſten aber bei Tagesanbruch und ſehr häufig bei nebligem Wetter. Der Ruf beginnt mit einem lang ausgezogenen Tone und endigt mit einer Folge von raſchen Pfiffen. Er iſt bei weitem der angenehmſte von allen, welche irgend ein Federwild vernehmen läßt. Uebrigens hört man dieſen vollen Ruf nur dann, wenn der Vogel ſtill ſitzt; denn wenn er aufgeſtört wurde und wegläuft, ſtößt er in kurzen Zwiſchenräumen ein einfaches, leiſes Pfeifen aus. Er ſchreit, wenn er aufſteht, ſchnell, ſchrillend und heftig, gewöhnlich auch, ſolange er fliegt und ſelbſt noch einige Sekunden, nachdem er wieder zu Boden gekommen iſt; dann aber geht ſein Ruf in einige wenige Noten über, welche in einer auffallenden Weiſe Befriedigung darüber auszudrücken ſcheinen, daß er glücklich wieder Grund und Boden gewonnen. Jch glaube, daß ich das Pfeifen dieſer Vögel, welches ſie beim Aufſtehen und Fliegen vernehmen laſſen, mit Nichts beſſer vergleichen kann, als mit dem Geräuſche, welches eine Taubenſchar hervorbringt, wenn ſie fliegt und wenn ſie ſich auf einer gewiſſen Stelle niederlaſſen will, um hier zu freſſen.“ „Der Schneefaſan iſt nicht beſonders wild oder ſcheu. Wenn man von unten anſchleicht und ſich bis auf ungefähr achtzig oder hundert Ellen genaht hat, geht er langſam bergauf oder ſeitwärts, dreht ſich oft um, um zurück zu ſehen, läuft aber, falls er nicht verfolgt wird, ſelten weit weg; naht man ſich ihm dagegen von obenher, ſo ſteht er auf, ohne erſt weit zu laufen. Ueberhaupt geht er ſelten weit bergab, und niemals beſchleunigt er ſeinen Lauf bis zum Rennen, es ſei denn auf wenige Ellen

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 386. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/414>, abgerufen am 25.11.2024.