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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Moorschneehuhn.
Die Gleichfarbigkeit ihres Kleides mit dem Boden täuscht selbst das scharfe Falkenauge, und die
Oertlichkeit, auf welcher sie sich umhertummeln, sichert sie vor Reineckes oder seines Verwandten, des
Eisfuchses, unfehlbarer Nase. So wachsen sie lustig heran, wechseln die anfänglich braun und
schwarz gewässerten Schwingen bald mit weißen, erneuern auch diese noch ein oder mehrere Male
und haben Ende Augusts oder Anfangs September bereits so ziemlich die Größe ihrer Eltern erreicht.
Während des Winters verweilen sie in der Gesellschaft von diesen; sobald aber gegen das Früh-
jahr die Liebe sich geltend macht, sprengen sich die Völker, und die jungen Hähne treten nun kühn
als Bewerber der alten und jungen Hennen auf.

Das Morasthuhn bildet in Norwegen eines der geschätztesten Jagdthiere. Seine große
Häufigkeit gewährt dem nur einigermaßen geschickten Jäger eine ergiebige Ausbeute, und deshalb
sind viele Normannen diesem Waidwerk mit Leidenschaft ergeben. Aber nur die wenigsten von
ihnen kennen die Jagd, welche der alte Erik mich lehrte. Sie verfolgen die Hähne entweder im
Herbste, bevor die Völker sich zusammengeschart haben, oder im Winter, wenn sie, zu Hunderten
vereinigt, in den Birkendickichten liegen. Jm Herbste ist ein guter Vorstehhund zur Schneehuhnjagd
unerläßlich; mit seiner Hilfe aber kann man im Laufe eines Nachmittags Dutzende erlegen, wie ich
selbst erfahren habe. Jch jagte in Gesellschaft eines Engländers, welcher bereits seit sechs Jahren
alljährlich auf die Berge zog und hier wochenlang diesem Waidwerke oblag. Er konnte mir die
Anzahl der von ihm erlegten Hühner genau angeben, und ich erfuhr, daß er in einem Herbste
schon über vierhundert Stück von ihnen getödtet hatte. Hierbei muß ich freilich Eins wiederholen,
was ich schon in der "Gartenlaube" erwähnt habe, daß nämlich die Engländer den Landeseingebornen
ein wahrer Greuel sind, weil sie keine Hegung, keine Schonung kennen, weil sie die Jungen nieder-
schießen, wenn sie erst die Größe einer Wachtel oder Lerche erlangt haben, gleichviel, ob sie dieselben
dann nutzen können oder nicht. Von mehr als einer Seite ist mir versichert worden, daß diese
"Aasjäger" die von ihnen gemeuchelten Küchlein ihren Hunden zuwerfen, daß sie überhaupt nur
jagen, um eine große Anzahl des edlen Wildes in ihre Listen eintragen zu können. Der Normann
verabscheut mit Recht solchen Frevel; er jagt die Moorschneehühner nur, wenn sie erwachsen sind
und dann auch blos in der Absicht, sie zu nutzen. Die Hauptjagd findet unter allen Umständen
im Winter statt, und zwar aus dem einfachen Grunde, weil dann die erlegten Hühner auf weithin
versendet werden können. Allerdings ist die Jagd, wenn tiefer Schnee liegt, ziemlich beschwerlich;
so schlimm aber, wie Naumann es darstellt, ist es doch nicht. Der Schneehuhnjäger watet nicht
in den "unwirthbarsten, ödesten Gegenden in tiefem Schnee herum", stürzt sich auch nicht "in ver-
schneite Abgründe"; denn er bedient sich zur Jagd seiner Schneeschuhe, welche ihn leicht auch über
losen Schnee wegtragen, er "verirrt sich auch nicht in dem weiten winterlichen Einerlei"; denn er
kennt seine Fjelds, und die einzelnen Berge geben ihm immer noch Merkmale zur Heimkehr. Soviel
ist freilich wahr, daß der Jäger ein kräftiger Mann sein muß, welcher Austrengungen nicht scheut
und sich auch in dichtem Nebel noch zu benehmen weiß. Uebrigens gebraucht man im Winter das
Gewehr weit weniger als Netz und Schlinge, schon des theuern Pulvers wegen. Man kennt die
Lagerstelle des Wildes und stellt hier zwischen dem Birkengestrüppe, zu welchem die Hühner der
Aeßung halber kommen müssen, mit dem besten Erfolge. Jn welcher Anzahl zuweilen Schneehühner
gefangen werden, mag man daraus ermessen, daß ein einziger Wildhändler im Laufe eines Winters
auf Dovrefjeld allein 40,000 Stück sammeln und versenden konnte. Gegenwärtig erstreckt sich der
Handel mit diesem Wilde nicht blos auf Stockholm oder Kopenhagen, sondern in jedem einigermaßen
strengen Winter auch bis nach Deutschland und Großbritannien: wer das Wildpret des Schnee-
huhnes erproben will, braucht sich zur geeigneten Zeit nur an einen hamburger Wildhändler zu
wenden, er wird es schwerlich vergeblich thun.

Jn der Gefangenschaft sieht man die anmuthigen Hühner auch in Skandinavien selten. Das
einzige von ihnen, welches ich beobachten konnte, war jenes bereits erwähnte, welches der hamburger
Thiergarten besaß. Es hatte, ehe es zu uns gelangte, schon in Skandinavien längere Zeit in der

Moorſchneehuhn.
Die Gleichfarbigkeit ihres Kleides mit dem Boden täuſcht ſelbſt das ſcharfe Falkenauge, und die
Oertlichkeit, auf welcher ſie ſich umhertummeln, ſichert ſie vor Reineckes oder ſeines Verwandten, des
Eisfuchſes, unfehlbarer Naſe. So wachſen ſie luſtig heran, wechſeln die anfänglich braun und
ſchwarz gewäſſerten Schwingen bald mit weißen, erneuern auch dieſe noch ein oder mehrere Male
und haben Ende Auguſts oder Anfangs September bereits ſo ziemlich die Größe ihrer Eltern erreicht.
Während des Winters verweilen ſie in der Geſellſchaft von dieſen; ſobald aber gegen das Früh-
jahr die Liebe ſich geltend macht, ſprengen ſich die Völker, und die jungen Hähne treten nun kühn
als Bewerber der alten und jungen Hennen auf.

Das Moraſthuhn bildet in Norwegen eines der geſchätzteſten Jagdthiere. Seine große
Häufigkeit gewährt dem nur einigermaßen geſchickten Jäger eine ergiebige Ausbeute, und deshalb
ſind viele Normannen dieſem Waidwerk mit Leidenſchaft ergeben. Aber nur die wenigſten von
ihnen kennen die Jagd, welche der alte Erik mich lehrte. Sie verfolgen die Hähne entweder im
Herbſte, bevor die Völker ſich zuſammengeſchart haben, oder im Winter, wenn ſie, zu Hunderten
vereinigt, in den Birkendickichten liegen. Jm Herbſte iſt ein guter Vorſtehhund zur Schneehuhnjagd
unerläßlich; mit ſeiner Hilfe aber kann man im Laufe eines Nachmittags Dutzende erlegen, wie ich
ſelbſt erfahren habe. Jch jagte in Geſellſchaft eines Engländers, welcher bereits ſeit ſechs Jahren
alljährlich auf die Berge zog und hier wochenlang dieſem Waidwerke oblag. Er konnte mir die
Anzahl der von ihm erlegten Hühner genau angeben, und ich erfuhr, daß er in einem Herbſte
ſchon über vierhundert Stück von ihnen getödtet hatte. Hierbei muß ich freilich Eins wiederholen,
was ich ſchon in der „Gartenlaube“ erwähnt habe, daß nämlich die Engländer den Landeseingebornen
ein wahrer Greuel ſind, weil ſie keine Hegung, keine Schonung kennen, weil ſie die Jungen nieder-
ſchießen, wenn ſie erſt die Größe einer Wachtel oder Lerche erlangt haben, gleichviel, ob ſie dieſelben
dann nutzen können oder nicht. Von mehr als einer Seite iſt mir verſichert worden, daß dieſe
„Aasjäger“ die von ihnen gemeuchelten Küchlein ihren Hunden zuwerfen, daß ſie überhaupt nur
jagen, um eine große Anzahl des edlen Wildes in ihre Liſten eintragen zu können. Der Normann
verabſcheut mit Recht ſolchen Frevel; er jagt die Moorſchneehühner nur, wenn ſie erwachſen ſind
und dann auch blos in der Abſicht, ſie zu nutzen. Die Hauptjagd findet unter allen Umſtänden
im Winter ſtatt, und zwar aus dem einfachen Grunde, weil dann die erlegten Hühner auf weithin
verſendet werden können. Allerdings iſt die Jagd, wenn tiefer Schnee liegt, ziemlich beſchwerlich;
ſo ſchlimm aber, wie Naumann es darſtellt, iſt es doch nicht. Der Schneehuhnjäger watet nicht
in den „unwirthbarſten, ödeſten Gegenden in tiefem Schnee herum“, ſtürzt ſich auch nicht „in ver-
ſchneite Abgründe“; denn er bedient ſich zur Jagd ſeiner Schneeſchuhe, welche ihn leicht auch über
loſen Schnee wegtragen, er „verirrt ſich auch nicht in dem weiten winterlichen Einerlei“; denn er
kennt ſeine Fjelds, und die einzelnen Berge geben ihm immer noch Merkmale zur Heimkehr. Soviel
iſt freilich wahr, daß der Jäger ein kräftiger Mann ſein muß, welcher Auſtrengungen nicht ſcheut
und ſich auch in dichtem Nebel noch zu benehmen weiß. Uebrigens gebraucht man im Winter das
Gewehr weit weniger als Netz und Schlinge, ſchon des theuern Pulvers wegen. Man kennt die
Lagerſtelle des Wildes und ſtellt hier zwiſchen dem Birkengeſtrüppe, zu welchem die Hühner der
Aeßung halber kommen müſſen, mit dem beſten Erfolge. Jn welcher Anzahl zuweilen Schneehühner
gefangen werden, mag man daraus ermeſſen, daß ein einziger Wildhändler im Laufe eines Winters
auf Dovrefjeld allein 40,000 Stück ſammeln und verſenden konnte. Gegenwärtig erſtreckt ſich der
Handel mit dieſem Wilde nicht blos auf Stockholm oder Kopenhagen, ſondern in jedem einigermaßen
ſtrengen Winter auch bis nach Deutſchland und Großbritannien: wer das Wildpret des Schnee-
huhnes erproben will, braucht ſich zur geeigneten Zeit nur an einen hamburger Wildhändler zu
wenden, er wird es ſchwerlich vergeblich thun.

Jn der Gefangenſchaft ſieht man die anmuthigen Hühner auch in Skandinavien ſelten. Das
einzige von ihnen, welches ich beobachten konnte, war jenes bereits erwähnte, welches der hamburger
Thiergarten beſaß. Es hatte, ehe es zu uns gelangte, ſchon in Skandinavien längere Zeit in der

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[373/0401] Moorſchneehuhn. Die Gleichfarbigkeit ihres Kleides mit dem Boden täuſcht ſelbſt das ſcharfe Falkenauge, und die Oertlichkeit, auf welcher ſie ſich umhertummeln, ſichert ſie vor Reineckes oder ſeines Verwandten, des Eisfuchſes, unfehlbarer Naſe. So wachſen ſie luſtig heran, wechſeln die anfänglich braun und ſchwarz gewäſſerten Schwingen bald mit weißen, erneuern auch dieſe noch ein oder mehrere Male und haben Ende Auguſts oder Anfangs September bereits ſo ziemlich die Größe ihrer Eltern erreicht. Während des Winters verweilen ſie in der Geſellſchaft von dieſen; ſobald aber gegen das Früh- jahr die Liebe ſich geltend macht, ſprengen ſich die Völker, und die jungen Hähne treten nun kühn als Bewerber der alten und jungen Hennen auf. Das Moraſthuhn bildet in Norwegen eines der geſchätzteſten Jagdthiere. Seine große Häufigkeit gewährt dem nur einigermaßen geſchickten Jäger eine ergiebige Ausbeute, und deshalb ſind viele Normannen dieſem Waidwerk mit Leidenſchaft ergeben. Aber nur die wenigſten von ihnen kennen die Jagd, welche der alte Erik mich lehrte. Sie verfolgen die Hähne entweder im Herbſte, bevor die Völker ſich zuſammengeſchart haben, oder im Winter, wenn ſie, zu Hunderten vereinigt, in den Birkendickichten liegen. Jm Herbſte iſt ein guter Vorſtehhund zur Schneehuhnjagd unerläßlich; mit ſeiner Hilfe aber kann man im Laufe eines Nachmittags Dutzende erlegen, wie ich ſelbſt erfahren habe. Jch jagte in Geſellſchaft eines Engländers, welcher bereits ſeit ſechs Jahren alljährlich auf die Berge zog und hier wochenlang dieſem Waidwerke oblag. Er konnte mir die Anzahl der von ihm erlegten Hühner genau angeben, und ich erfuhr, daß er in einem Herbſte ſchon über vierhundert Stück von ihnen getödtet hatte. Hierbei muß ich freilich Eins wiederholen, was ich ſchon in der „Gartenlaube“ erwähnt habe, daß nämlich die Engländer den Landeseingebornen ein wahrer Greuel ſind, weil ſie keine Hegung, keine Schonung kennen, weil ſie die Jungen nieder- ſchießen, wenn ſie erſt die Größe einer Wachtel oder Lerche erlangt haben, gleichviel, ob ſie dieſelben dann nutzen können oder nicht. Von mehr als einer Seite iſt mir verſichert worden, daß dieſe „Aasjäger“ die von ihnen gemeuchelten Küchlein ihren Hunden zuwerfen, daß ſie überhaupt nur jagen, um eine große Anzahl des edlen Wildes in ihre Liſten eintragen zu können. Der Normann verabſcheut mit Recht ſolchen Frevel; er jagt die Moorſchneehühner nur, wenn ſie erwachſen ſind und dann auch blos in der Abſicht, ſie zu nutzen. Die Hauptjagd findet unter allen Umſtänden im Winter ſtatt, und zwar aus dem einfachen Grunde, weil dann die erlegten Hühner auf weithin verſendet werden können. Allerdings iſt die Jagd, wenn tiefer Schnee liegt, ziemlich beſchwerlich; ſo ſchlimm aber, wie Naumann es darſtellt, iſt es doch nicht. Der Schneehuhnjäger watet nicht in den „unwirthbarſten, ödeſten Gegenden in tiefem Schnee herum“, ſtürzt ſich auch nicht „in ver- ſchneite Abgründe“; denn er bedient ſich zur Jagd ſeiner Schneeſchuhe, welche ihn leicht auch über loſen Schnee wegtragen, er „verirrt ſich auch nicht in dem weiten winterlichen Einerlei“; denn er kennt ſeine Fjelds, und die einzelnen Berge geben ihm immer noch Merkmale zur Heimkehr. Soviel iſt freilich wahr, daß der Jäger ein kräftiger Mann ſein muß, welcher Auſtrengungen nicht ſcheut und ſich auch in dichtem Nebel noch zu benehmen weiß. Uebrigens gebraucht man im Winter das Gewehr weit weniger als Netz und Schlinge, ſchon des theuern Pulvers wegen. Man kennt die Lagerſtelle des Wildes und ſtellt hier zwiſchen dem Birkengeſtrüppe, zu welchem die Hühner der Aeßung halber kommen müſſen, mit dem beſten Erfolge. Jn welcher Anzahl zuweilen Schneehühner gefangen werden, mag man daraus ermeſſen, daß ein einziger Wildhändler im Laufe eines Winters auf Dovrefjeld allein 40,000 Stück ſammeln und verſenden konnte. Gegenwärtig erſtreckt ſich der Handel mit dieſem Wilde nicht blos auf Stockholm oder Kopenhagen, ſondern in jedem einigermaßen ſtrengen Winter auch bis nach Deutſchland und Großbritannien: wer das Wildpret des Schnee- huhnes erproben will, braucht ſich zur geeigneten Zeit nur an einen hamburger Wildhändler zu wenden, er wird es ſchwerlich vergeblich thun. Jn der Gefangenſchaft ſieht man die anmuthigen Hühner auch in Skandinavien ſelten. Das einzige von ihnen, welches ich beobachten konnte, war jenes bereits erwähnte, welches der hamburger Thiergarten beſaß. Es hatte, ehe es zu uns gelangte, ſchon in Skandinavien längere Zeit in der

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 373. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/401>, abgerufen am 25.11.2024.