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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Moorschneehuhn.
Schwärme zusammenschlägt und südwärts zieht, obwohl es auch in den strengsten Wintern noch
massenhaft in den waldigen Gegenden unter dem 67. Grade gefunden wird. Jm Jahre 1819
erschien es bei Cumberlandhouse, unter dem 54. Grad der Breite, gegen die zweite Woche des
November und kehrte mit Beginn des Frühlings wieder nach dem Norden zurück. Etwas Aehnliches
scheint auch auf der Osthälfte der Erde stattzufinden; denn viele Moorschneehühner wandern von
Kurland und Lithauen aus allwinterlich bis Ostpreußen, und einzelne sollen sich zuweilen bis nach
Pommern verflogen haben. Weiter nach Süden hin hat sich unser Vogel niemals gezeigt. Auf
Jsland, wie in Grönland fehlt er gänzlich, und in Schottland wird er durch eine andere, in vieler
Hinsicht noch zweifelhafte Art vertreten, über welche ich weiter unten noch einige Worte zu sagen
haben werde.

Das Moorschneehuhn siedelt sich in Ebenen und an sanften Berglehnen an, welche das Gepräge
der Ebene zeigen. Dabei ist freilich festzuhalten, daß man unter Ebenen nur solche zu verstehen
hat, welche sich, wie es in Skandinavien der Fall, im Hochgebirge selbst finden; denn in die
eigentlichen Thäler kommt unser Huhn blos dann und wann und immer nur auf kurze Zeit herab.
Dies erklärt sich, wenn man weiß, daß es an die Birken- und Weidenarten gebunden ist, deren
Reich, wie schon bemerkt, erst über der Grenze des Nadelwaldes beginnt.

Auf jenen Hochebenen und in der Tundra ist es stellenweise unglaublich häufig, häufiger gewiß,
als jedes andere Huhn. Ein Paar wohnt dicht neben dem andern, und das Gebiet des einzelnen
Paares ist so wenig ausgedehnt, daß man es mit fünfhundert Schritten und weniger schon durch-
schreitet. Während der Frühlingszeit vertheidigt der Hahn seine Grenze eifersüchtig gegen jeden
Eindringling derselben Art; wenn aber die Küchlein erst herangewachsen sind, schlagen sich die
einzelnen Familien in größere Schwärme zusammen, und diese durchstreifen dann gemeinschaftlich
weite Strecken; denn das Winterleben ist von dem sommerlichen Treiben weit verschieden.

Das Moorschneehuhn gehört zu den begabtesten, regsamsten und lebendigsten Hühnern, welche
ich kenne. Es ist in allen Bewegungen sehr gewandt, deshalb auch selten ruhig, und versteht es,
sich unter den verschiedensten Verhältnissen geschickt zu bewegen. Die breiten, dicht befiederten
Füße gestatten ihm, ebenso rasch über die trügerische Mosdecke als über den frischen Schnee weg-
zulaufen; sie befähigen es wahrscheinlich auch zum Schwimmen. Der Gang ist verschieden, wie
bei den meisten Hühnern. Gewöhnlich läuft es schrittweise in geduckter Stellung, mit etwas
gekrümmtem Rücken und hängendem Schwanze dahin, jeder Vertiefung des Bodens folgend, und
nur wenn etwas Besonderes seine Aufmerksamkeit reizt, einen der kleinen Hügel erklimmend, um
vonhieraus zu sichern; wenn es sich aber verfolgt sieht, rennt es mit kaum glaublicher Eile seines
Weges fort. Beim Sichern streckt es sich so lang aus als es kann, hebt den Kopf hoch auf und
erscheint nun auffallend schlank. Der Flug ist leicht und schön, dem unseres Birkwildes ähnlicher,
als dem des Rebhuhnes; er zeichnet sich besonders dadurch aus, daß auf einige rasche Schläge ein
längeres Dahingleiten folgt. Kurz vor dem Einfallen läßt das Männchen regelmäßig sein laut-
schallendes "Err-reck-eck-eck-eck" vernehmen; das Weibchen hingegen fliegt immer stumm. Den
Schnee beherrscht unser Huhn in eigenthümlicher Weise. Es gräbt sich nicht blos tiefe Gänge in
denselben, um zu seiner im Winter verdeckten Nahrung zu gelangen, sondern stürzt sich auch, wenn
es von einem Raubvogel verfolgt wird, senkrecht aus der Luft herab und taucht dann förmlich in
die leichte Decke ein. Bei strengem Wetter sucht es hier Zuflucht, um sich gegen die rauhen Winde
zu schützen: zuweilen soll man den ganzen Flug dicht an einander geschart antreffen, und zwar
so, daß die ganze Gesellschaft unter dem Schnee vergraben ist und nur die einzelnen Köpfe
herausschauen.

Die scharfen Sinne machen es dem Moorschneehuhne leicht, eine sich nahende Gefahr rechtzeitig
zu erkennen, und es versteht meisterhaft, sich dann bestmöglichst zu schützen. Gleichwohl ist es in
der Regel nicht scheu, oft sogar auffallend dreist und muthig; doch wird es durch wiederholte Ver-
folgungen ebenfalls vorsichtig und mißtrauisch.

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Moorſchneehuhn.
Schwärme zuſammenſchlägt und ſüdwärts zieht, obwohl es auch in den ſtrengſten Wintern noch
maſſenhaft in den waldigen Gegenden unter dem 67. Grade gefunden wird. Jm Jahre 1819
erſchien es bei Cumberlandhouſe, unter dem 54. Grad der Breite, gegen die zweite Woche des
November und kehrte mit Beginn des Frühlings wieder nach dem Norden zurück. Etwas Aehnliches
ſcheint auch auf der Oſthälfte der Erde ſtattzufinden; denn viele Moorſchneehühner wandern von
Kurland und Lithauen aus allwinterlich bis Oſtpreußen, und einzelne ſollen ſich zuweilen bis nach
Pommern verflogen haben. Weiter nach Süden hin hat ſich unſer Vogel niemals gezeigt. Auf
Jsland, wie in Grönland fehlt er gänzlich, und in Schottland wird er durch eine andere, in vieler
Hinſicht noch zweifelhafte Art vertreten, über welche ich weiter unten noch einige Worte zu ſagen
haben werde.

Das Moorſchneehuhn ſiedelt ſich in Ebenen und an ſanften Berglehnen an, welche das Gepräge
der Ebene zeigen. Dabei iſt freilich feſtzuhalten, daß man unter Ebenen nur ſolche zu verſtehen
hat, welche ſich, wie es in Skandinavien der Fall, im Hochgebirge ſelbſt finden; denn in die
eigentlichen Thäler kommt unſer Huhn blos dann und wann und immer nur auf kurze Zeit herab.
Dies erklärt ſich, wenn man weiß, daß es an die Birken- und Weidenarten gebunden iſt, deren
Reich, wie ſchon bemerkt, erſt über der Grenze des Nadelwaldes beginnt.

Auf jenen Hochebenen und in der Tundra iſt es ſtellenweiſe unglaublich häufig, häufiger gewiß,
als jedes andere Huhn. Ein Paar wohnt dicht neben dem andern, und das Gebiet des einzelnen
Paares iſt ſo wenig ausgedehnt, daß man es mit fünfhundert Schritten und weniger ſchon durch-
ſchreitet. Während der Frühlingszeit vertheidigt der Hahn ſeine Grenze eiferſüchtig gegen jeden
Eindringling derſelben Art; wenn aber die Küchlein erſt herangewachſen ſind, ſchlagen ſich die
einzelnen Familien in größere Schwärme zuſammen, und dieſe durchſtreifen dann gemeinſchaftlich
weite Strecken; denn das Winterleben iſt von dem ſommerlichen Treiben weit verſchieden.

Das Moorſchneehuhn gehört zu den begabteſten, regſamſten und lebendigſten Hühnern, welche
ich kenne. Es iſt in allen Bewegungen ſehr gewandt, deshalb auch ſelten ruhig, und verſteht es,
ſich unter den verſchiedenſten Verhältniſſen geſchickt zu bewegen. Die breiten, dicht befiederten
Füße geſtatten ihm, ebenſo raſch über die trügeriſche Mosdecke als über den friſchen Schnee weg-
zulaufen; ſie befähigen es wahrſcheinlich auch zum Schwimmen. Der Gang iſt verſchieden, wie
bei den meiſten Hühnern. Gewöhnlich läuft es ſchrittweiſe in geduckter Stellung, mit etwas
gekrümmtem Rücken und hängendem Schwanze dahin, jeder Vertiefung des Bodens folgend, und
nur wenn etwas Beſonderes ſeine Aufmerkſamkeit reizt, einen der kleinen Hügel erklimmend, um
vonhieraus zu ſichern; wenn es ſich aber verfolgt ſieht, rennt es mit kaum glaublicher Eile ſeines
Weges fort. Beim Sichern ſtreckt es ſich ſo lang aus als es kann, hebt den Kopf hoch auf und
erſcheint nun auffallend ſchlank. Der Flug iſt leicht und ſchön, dem unſeres Birkwildes ähnlicher,
als dem des Rebhuhnes; er zeichnet ſich beſonders dadurch aus, daß auf einige raſche Schläge ein
längeres Dahingleiten folgt. Kurz vor dem Einfallen läßt das Männchen regelmäßig ſein laut-
ſchallendes „Err-reck-eck-eck-eck“ vernehmen; das Weibchen hingegen fliegt immer ſtumm. Den
Schnee beherrſcht unſer Huhn in eigenthümlicher Weiſe. Es gräbt ſich nicht blos tiefe Gänge in
denſelben, um zu ſeiner im Winter verdeckten Nahrung zu gelangen, ſondern ſtürzt ſich auch, wenn
es von einem Raubvogel verfolgt wird, ſenkrecht aus der Luft herab und taucht dann förmlich in
die leichte Decke ein. Bei ſtrengem Wetter ſucht es hier Zuflucht, um ſich gegen die rauhen Winde
zu ſchützen: zuweilen ſoll man den ganzen Flug dicht an einander geſchart antreffen, und zwar
ſo, daß die ganze Geſellſchaft unter dem Schnee vergraben iſt und nur die einzelnen Köpfe
herausſchauen.

Die ſcharfen Sinne machen es dem Moorſchneehuhne leicht, eine ſich nahende Gefahr rechtzeitig
zu erkennen, und es verſteht meiſterhaft, ſich dann beſtmöglichſt zu ſchützen. Gleichwohl iſt es in
der Regel nicht ſcheu, oft ſogar auffallend dreiſt und muthig; doch wird es durch wiederholte Ver-
folgungen ebenfalls vorſichtig und mißtrauiſch.

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[371/0399] Moorſchneehuhn. Schwärme zuſammenſchlägt und ſüdwärts zieht, obwohl es auch in den ſtrengſten Wintern noch maſſenhaft in den waldigen Gegenden unter dem 67. Grade gefunden wird. Jm Jahre 1819 erſchien es bei Cumberlandhouſe, unter dem 54. Grad der Breite, gegen die zweite Woche des November und kehrte mit Beginn des Frühlings wieder nach dem Norden zurück. Etwas Aehnliches ſcheint auch auf der Oſthälfte der Erde ſtattzufinden; denn viele Moorſchneehühner wandern von Kurland und Lithauen aus allwinterlich bis Oſtpreußen, und einzelne ſollen ſich zuweilen bis nach Pommern verflogen haben. Weiter nach Süden hin hat ſich unſer Vogel niemals gezeigt. Auf Jsland, wie in Grönland fehlt er gänzlich, und in Schottland wird er durch eine andere, in vieler Hinſicht noch zweifelhafte Art vertreten, über welche ich weiter unten noch einige Worte zu ſagen haben werde. Das Moorſchneehuhn ſiedelt ſich in Ebenen und an ſanften Berglehnen an, welche das Gepräge der Ebene zeigen. Dabei iſt freilich feſtzuhalten, daß man unter Ebenen nur ſolche zu verſtehen hat, welche ſich, wie es in Skandinavien der Fall, im Hochgebirge ſelbſt finden; denn in die eigentlichen Thäler kommt unſer Huhn blos dann und wann und immer nur auf kurze Zeit herab. Dies erklärt ſich, wenn man weiß, daß es an die Birken- und Weidenarten gebunden iſt, deren Reich, wie ſchon bemerkt, erſt über der Grenze des Nadelwaldes beginnt. Auf jenen Hochebenen und in der Tundra iſt es ſtellenweiſe unglaublich häufig, häufiger gewiß, als jedes andere Huhn. Ein Paar wohnt dicht neben dem andern, und das Gebiet des einzelnen Paares iſt ſo wenig ausgedehnt, daß man es mit fünfhundert Schritten und weniger ſchon durch- ſchreitet. Während der Frühlingszeit vertheidigt der Hahn ſeine Grenze eiferſüchtig gegen jeden Eindringling derſelben Art; wenn aber die Küchlein erſt herangewachſen ſind, ſchlagen ſich die einzelnen Familien in größere Schwärme zuſammen, und dieſe durchſtreifen dann gemeinſchaftlich weite Strecken; denn das Winterleben iſt von dem ſommerlichen Treiben weit verſchieden. Das Moorſchneehuhn gehört zu den begabteſten, regſamſten und lebendigſten Hühnern, welche ich kenne. Es iſt in allen Bewegungen ſehr gewandt, deshalb auch ſelten ruhig, und verſteht es, ſich unter den verſchiedenſten Verhältniſſen geſchickt zu bewegen. Die breiten, dicht befiederten Füße geſtatten ihm, ebenſo raſch über die trügeriſche Mosdecke als über den friſchen Schnee weg- zulaufen; ſie befähigen es wahrſcheinlich auch zum Schwimmen. Der Gang iſt verſchieden, wie bei den meiſten Hühnern. Gewöhnlich läuft es ſchrittweiſe in geduckter Stellung, mit etwas gekrümmtem Rücken und hängendem Schwanze dahin, jeder Vertiefung des Bodens folgend, und nur wenn etwas Beſonderes ſeine Aufmerkſamkeit reizt, einen der kleinen Hügel erklimmend, um vonhieraus zu ſichern; wenn es ſich aber verfolgt ſieht, rennt es mit kaum glaublicher Eile ſeines Weges fort. Beim Sichern ſtreckt es ſich ſo lang aus als es kann, hebt den Kopf hoch auf und erſcheint nun auffallend ſchlank. Der Flug iſt leicht und ſchön, dem unſeres Birkwildes ähnlicher, als dem des Rebhuhnes; er zeichnet ſich beſonders dadurch aus, daß auf einige raſche Schläge ein längeres Dahingleiten folgt. Kurz vor dem Einfallen läßt das Männchen regelmäßig ſein laut- ſchallendes „Err-reck-eck-eck-eck“ vernehmen; das Weibchen hingegen fliegt immer ſtumm. Den Schnee beherrſcht unſer Huhn in eigenthümlicher Weiſe. Es gräbt ſich nicht blos tiefe Gänge in denſelben, um zu ſeiner im Winter verdeckten Nahrung zu gelangen, ſondern ſtürzt ſich auch, wenn es von einem Raubvogel verfolgt wird, ſenkrecht aus der Luft herab und taucht dann förmlich in die leichte Decke ein. Bei ſtrengem Wetter ſucht es hier Zuflucht, um ſich gegen die rauhen Winde zu ſchützen: zuweilen ſoll man den ganzen Flug dicht an einander geſchart antreffen, und zwar ſo, daß die ganze Geſellſchaft unter dem Schnee vergraben iſt und nur die einzelnen Köpfe herausſchauen. Die ſcharfen Sinne machen es dem Moorſchneehuhne leicht, eine ſich nahende Gefahr rechtzeitig zu erkennen, und es verſteht meiſterhaft, ſich dann beſtmöglichſt zu ſchützen. Gleichwohl iſt es in der Regel nicht ſcheu, oft ſogar auffallend dreiſt und muthig; doch wird es durch wiederholte Ver- folgungen ebenfalls vorſichtig und mißtrauiſch. 24 *

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 371. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/399>, abgerufen am 25.11.2024.