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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Birkhuhn.
sie genöthigt war, sich mit dem Korbe zu vertheidigen. Merkwürdiger Weise begegnete ihr Dasselbe
auch dieses Jahr und zwar an derselben Stelle. Der Hahn hackte tapfer auf die Waden der Frau
los; sie warf ihm ihre Schürze über den Kopf und konnte ihn so ohne große Mühe fangen und in
einem Sacke, den sie mit sich führte, um Hackspäne zu sammeln, nach Hause tragen. Jch bekam sofort
Nachricht, holte mir den Hahn und brachte ihn, da er sehr scheu war, auf den dunklen Bodenraum.
Zur Aesung gab ich ihm Kiefern-, Tannen- und Fichtenreisig, verschiedene Sämereien und alle nur
erdenklichen Getreidearten, nebst kleingeschnittenen Kartoffeln, kleingewürfelten Brodstückchen, Sand
aus der Elbe, ferner ein ziemlich großes Gefäß mit Wasser, nagelte auch Kieferäste an die Balken
zum Aufbäumen, wodurch er sich sehr bald heimisch fühlte. Schon am zweiten Tage merkte ich, daß
er Kiefernadeln allem Andern vorzog; außerdem war nur ganz wenig von den Kartoffeln und am
vierten Tage auch etwas Brot verzehrt worden. Am sechsten Tage nahm er in Wasser geweichten
Mais an, blieb aber noch immer hauptsächlich bei Kiefernnadeln, die er noch jetzt täglich frisch
mit den Aesten bekommt. Käfer, Ameiseneier, Mehlwürmer nimmt er selten, grüne und schwarze
Wachholderbeeren nur wenig, sehr gern aber Heidelbeeren, ebenso, obschon nicht so gern, Preißel-
beeren, seltner Vogelbeeren. Sämereien, außer manchmal ein wenig Weizen oder Buchweizen, nahm
er gar nicht, Hanfsamen nur einmal. Nachdem er vierzehn Tage in der Gefangenschaft war, hörte
ich ihn früh halb zwei Uhr balzen. Jch ging nun öfters auch mit fremden Leuten zu ihm, und so
wurde er nach und nach so zahm, daß er sich schon seit langer Zeit in dem Hühnergehege befindet und
vorgehaltenes Weißbrot oder Semmel Jedermann aus der Hand nimmt. Er hat vollständig
abgemausert und ist zur Freude aller Kenner prachtvoll im Gefieder."

Jn Skandinavien hat man gefangenes Auergeflügel wiederholt zur Fortpflanzung gebracht und,
wie bemerkt, auch Blendlinge von ihm und dem Birkwild erzielt. Hierzu ist ein großes, mit
passendem Gebüsch besetztes Gehege im Freien erstes Erforderniß und eine geschickte Behandlung der
Vögel, zumal ängstliches Vermeiden jeder Störung wesentliche Bedingung. Wenn ersteres hergestellt,
letztere erfüllt werden kann, soll der Erfolg ziemlich sicher sein.



Nach den neuzeitlichen Anschauungen vertritt das zweitgrößte europäische Rauchfußhuhn, unser
Birkhuhn,
eine besondere Sippe, welcher wir den Namen Spielhuhn (Lyrurus) geben wollen.
Die Kennzeichen dieser Sippe machen sich hauptsächlich im männlichen Geschlecht bemerkbar; der
Hahn ist es, welcher überhaupt Veranlassung zur Trennung gegeben hat. Das Birkhuhn ist
ziemlich schlank gebaut, der Flügel kurz, verhältnißmäßig aber länger als beim Auerhuhn, mulden-
förmig gewölbt, stumpf zugerundet, in ihm die dritte Schwinge die längste, der Schwanz,
welcher aus achtzehn Federn besteht, beim Weibchen seicht abgeschnitten, beim Männchen hin-
gegen so tief gegabelt, daß die längsten Unterdeckfedern über die kürzesten Mittel- und Steuer-
federn hinausreichen; die drei mittelsten Paare der letzteren gleichen sich in der Länge, die äußeren
steigern sich und biegen sich horn- oder halbmondförmig nach Außen, sodaß der ganze Schwanz
wirklich eine leierartige Gestalt annimmt. Der Schnabel ist mittellang und stark, der Fuß, dessen
äußere und innere Zehe gleich lang sind, nicht blos bis auf die Zehen herab, sondern auch auf den
Spannhäuten, zwischen diesen, befiedert. Außerdem hebt Swainson, welcher die Sippe aufstellte,
noch den Glanz des Gefieders des Hahnes als Merkmal hervor.

Unser Birk-, Laub-, Moor-, Spiel-, Spiegel-, Schild-, Baumhuhn u. s. w.
(Lyrurus tetrix), der einzige bis jetzt bekannte Vertreter der Sippe, ist schwarz, auf Kopf, Hals
und Unterrücken prächtig stahlblau glänzend, auf den zusammengelegten Flügeln mit schneeweißen
Binden gezeichnet, das Unterschwanzgefieder reinweiß. Das Auge ist braun, der Seher blau-

Birkhuhn.
ſie genöthigt war, ſich mit dem Korbe zu vertheidigen. Merkwürdiger Weiſe begegnete ihr Daſſelbe
auch dieſes Jahr und zwar an derſelben Stelle. Der Hahn hackte tapfer auf die Waden der Frau
los; ſie warf ihm ihre Schürze über den Kopf und konnte ihn ſo ohne große Mühe fangen und in
einem Sacke, den ſie mit ſich führte, um Hackſpäne zu ſammeln, nach Hauſe tragen. Jch bekam ſofort
Nachricht, holte mir den Hahn und brachte ihn, da er ſehr ſcheu war, auf den dunklen Bodenraum.
Zur Aeſung gab ich ihm Kiefern-, Tannen- und Fichtenreiſig, verſchiedene Sämereien und alle nur
erdenklichen Getreidearten, nebſt kleingeſchnittenen Kartoffeln, kleingewürfelten Brodſtückchen, Sand
aus der Elbe, ferner ein ziemlich großes Gefäß mit Waſſer, nagelte auch Kieferäſte an die Balken
zum Aufbäumen, wodurch er ſich ſehr bald heimiſch fühlte. Schon am zweiten Tage merkte ich, daß
er Kiefernadeln allem Andern vorzog; außerdem war nur ganz wenig von den Kartoffeln und am
vierten Tage auch etwas Brot verzehrt worden. Am ſechsten Tage nahm er in Waſſer geweichten
Mais an, blieb aber noch immer hauptſächlich bei Kiefernnadeln, die er noch jetzt täglich friſch
mit den Aeſten bekommt. Käfer, Ameiſeneier, Mehlwürmer nimmt er ſelten, grüne und ſchwarze
Wachholderbeeren nur wenig, ſehr gern aber Heidelbeeren, ebenſo, obſchon nicht ſo gern, Preißel-
beeren, ſeltner Vogelbeeren. Sämereien, außer manchmal ein wenig Weizen oder Buchweizen, nahm
er gar nicht, Hanfſamen nur einmal. Nachdem er vierzehn Tage in der Gefangenſchaft war, hörte
ich ihn früh halb zwei Uhr balzen. Jch ging nun öfters auch mit fremden Leuten zu ihm, und ſo
wurde er nach und nach ſo zahm, daß er ſich ſchon ſeit langer Zeit in dem Hühnergehege befindet und
vorgehaltenes Weißbrot oder Semmel Jedermann aus der Hand nimmt. Er hat vollſtändig
abgemauſert und iſt zur Freude aller Kenner prachtvoll im Gefieder.“

Jn Skandinavien hat man gefangenes Auergeflügel wiederholt zur Fortpflanzung gebracht und,
wie bemerkt, auch Blendlinge von ihm und dem Birkwild erzielt. Hierzu iſt ein großes, mit
paſſendem Gebüſch beſetztes Gehege im Freien erſtes Erforderniß und eine geſchickte Behandlung der
Vögel, zumal ängſtliches Vermeiden jeder Störung weſentliche Bedingung. Wenn erſteres hergeſtellt,
letztere erfüllt werden kann, ſoll der Erfolg ziemlich ſicher ſein.



Nach den neuzeitlichen Anſchauungen vertritt das zweitgrößte europäiſche Rauchfußhuhn, unſer
Birkhuhn,
eine beſondere Sippe, welcher wir den Namen Spielhuhn (Lyrurus) geben wollen.
Die Kennzeichen dieſer Sippe machen ſich hauptſächlich im männlichen Geſchlecht bemerkbar; der
Hahn iſt es, welcher überhaupt Veranlaſſung zur Trennung gegeben hat. Das Birkhuhn iſt
ziemlich ſchlank gebaut, der Flügel kurz, verhältnißmäßig aber länger als beim Auerhuhn, mulden-
förmig gewölbt, ſtumpf zugerundet, in ihm die dritte Schwinge die längſte, der Schwanz,
welcher aus achtzehn Federn beſteht, beim Weibchen ſeicht abgeſchnitten, beim Männchen hin-
gegen ſo tief gegabelt, daß die längſten Unterdeckfedern über die kürzeſten Mittel- und Steuer-
federn hinausreichen; die drei mittelſten Paare der letzteren gleichen ſich in der Länge, die äußeren
ſteigern ſich und biegen ſich horn- oder halbmondförmig nach Außen, ſodaß der ganze Schwanz
wirklich eine leierartige Geſtalt annimmt. Der Schnabel iſt mittellang und ſtark, der Fuß, deſſen
äußere und innere Zehe gleich lang ſind, nicht blos bis auf die Zehen herab, ſondern auch auf den
Spannhäuten, zwiſchen dieſen, befiedert. Außerdem hebt Swainſon, welcher die Sippe aufſtellte,
noch den Glanz des Gefieders des Hahnes als Merkmal hervor.

Unſer Birk-, Laub-, Moor-, Spiel-, Spiegel-, Schild-, Baumhuhn u. ſ. w.
(Lyrurus tetrix), der einzige bis jetzt bekannte Vertreter der Sippe, iſt ſchwarz, auf Kopf, Hals
und Unterrücken prächtig ſtahlblau glänzend, auf den zuſammengelegten Flügeln mit ſchneeweißen
Binden gezeichnet, das Unterſchwanzgefieder reinweiß. Das Auge iſt braun, der Seher blau-

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[347/0375] Birkhuhn. ſie genöthigt war, ſich mit dem Korbe zu vertheidigen. Merkwürdiger Weiſe begegnete ihr Daſſelbe auch dieſes Jahr und zwar an derſelben Stelle. Der Hahn hackte tapfer auf die Waden der Frau los; ſie warf ihm ihre Schürze über den Kopf und konnte ihn ſo ohne große Mühe fangen und in einem Sacke, den ſie mit ſich führte, um Hackſpäne zu ſammeln, nach Hauſe tragen. Jch bekam ſofort Nachricht, holte mir den Hahn und brachte ihn, da er ſehr ſcheu war, auf den dunklen Bodenraum. Zur Aeſung gab ich ihm Kiefern-, Tannen- und Fichtenreiſig, verſchiedene Sämereien und alle nur erdenklichen Getreidearten, nebſt kleingeſchnittenen Kartoffeln, kleingewürfelten Brodſtückchen, Sand aus der Elbe, ferner ein ziemlich großes Gefäß mit Waſſer, nagelte auch Kieferäſte an die Balken zum Aufbäumen, wodurch er ſich ſehr bald heimiſch fühlte. Schon am zweiten Tage merkte ich, daß er Kiefernadeln allem Andern vorzog; außerdem war nur ganz wenig von den Kartoffeln und am vierten Tage auch etwas Brot verzehrt worden. Am ſechsten Tage nahm er in Waſſer geweichten Mais an, blieb aber noch immer hauptſächlich bei Kiefernnadeln, die er noch jetzt täglich friſch mit den Aeſten bekommt. Käfer, Ameiſeneier, Mehlwürmer nimmt er ſelten, grüne und ſchwarze Wachholderbeeren nur wenig, ſehr gern aber Heidelbeeren, ebenſo, obſchon nicht ſo gern, Preißel- beeren, ſeltner Vogelbeeren. Sämereien, außer manchmal ein wenig Weizen oder Buchweizen, nahm er gar nicht, Hanfſamen nur einmal. Nachdem er vierzehn Tage in der Gefangenſchaft war, hörte ich ihn früh halb zwei Uhr balzen. Jch ging nun öfters auch mit fremden Leuten zu ihm, und ſo wurde er nach und nach ſo zahm, daß er ſich ſchon ſeit langer Zeit in dem Hühnergehege befindet und vorgehaltenes Weißbrot oder Semmel Jedermann aus der Hand nimmt. Er hat vollſtändig abgemauſert und iſt zur Freude aller Kenner prachtvoll im Gefieder.“ Jn Skandinavien hat man gefangenes Auergeflügel wiederholt zur Fortpflanzung gebracht und, wie bemerkt, auch Blendlinge von ihm und dem Birkwild erzielt. Hierzu iſt ein großes, mit paſſendem Gebüſch beſetztes Gehege im Freien erſtes Erforderniß und eine geſchickte Behandlung der Vögel, zumal ängſtliches Vermeiden jeder Störung weſentliche Bedingung. Wenn erſteres hergeſtellt, letztere erfüllt werden kann, ſoll der Erfolg ziemlich ſicher ſein. Nach den neuzeitlichen Anſchauungen vertritt das zweitgrößte europäiſche Rauchfußhuhn, unſer Birkhuhn, eine beſondere Sippe, welcher wir den Namen Spielhuhn (Lyrurus) geben wollen. Die Kennzeichen dieſer Sippe machen ſich hauptſächlich im männlichen Geſchlecht bemerkbar; der Hahn iſt es, welcher überhaupt Veranlaſſung zur Trennung gegeben hat. Das Birkhuhn iſt ziemlich ſchlank gebaut, der Flügel kurz, verhältnißmäßig aber länger als beim Auerhuhn, mulden- förmig gewölbt, ſtumpf zugerundet, in ihm die dritte Schwinge die längſte, der Schwanz, welcher aus achtzehn Federn beſteht, beim Weibchen ſeicht abgeſchnitten, beim Männchen hin- gegen ſo tief gegabelt, daß die längſten Unterdeckfedern über die kürzeſten Mittel- und Steuer- federn hinausreichen; die drei mittelſten Paare der letzteren gleichen ſich in der Länge, die äußeren ſteigern ſich und biegen ſich horn- oder halbmondförmig nach Außen, ſodaß der ganze Schwanz wirklich eine leierartige Geſtalt annimmt. Der Schnabel iſt mittellang und ſtark, der Fuß, deſſen äußere und innere Zehe gleich lang ſind, nicht blos bis auf die Zehen herab, ſondern auch auf den Spannhäuten, zwiſchen dieſen, befiedert. Außerdem hebt Swainſon, welcher die Sippe aufſtellte, noch den Glanz des Gefieders des Hahnes als Merkmal hervor. Unſer Birk-, Laub-, Moor-, Spiel-, Spiegel-, Schild-, Baumhuhn u. ſ. w. (Lyrurus tetrix), der einzige bis jetzt bekannte Vertreter der Sippe, iſt ſchwarz, auf Kopf, Hals und Unterrücken prächtig ſtahlblau glänzend, auf den zuſammengelegten Flügeln mit ſchneeweißen Binden gezeichnet, das Unterſchwanzgefieder reinweiß. Das Auge iſt braun, der Seher blau-

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 347. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/375>, abgerufen am 22.11.2024.