mehr in Erfahrung zu bringen. Jch werde deshalb von seinen Angaben das mir besonders wichtig Erscheinende hier folgen lassen, ohne mich jedoch an den Wortlaut jener Mittheilung zu binden.
Die Steppenhühner zeigten sich auf Borkum am 21. Mai, und zwar in kleineren Abtheilungen von zwei bis zwölf Stücken. Vom 23. Juni bis zum 1. Juli wurden sie nicht gesehen, dann jedoch wieder in großen Schwärmen. Altum und von Droste sahen vier von ihnen am 8. August und erkannten sofort, daß sie es mit Vögeln zu thun hatten, welche höchstens mit den Steinwälzern, sonst aber mit keinem andern Strandvogel verwechselt werden konnten. Die erwähnten vier zogen in reißender Geschwindigkeit, mit leichten, raschen Flügelschlägen ihres Weges dahin und stießen während des Fluges beständig Locktöne aus, welche wie "Quick, quick, quick" klangen, und mit der Stimme kleiner Regenpfeifer entfernte Aehnlichkeit zu haben schienen. Nachdem die Vögel auf ein offenes Watt eingefallen waren, machte sich von Droste auf den Weg, um an sie heranzukommen, da von Anschleichen keine Rede sein konnte. Als er bis auf einige Hundert Schritte sich genähert hatte, erblickte er einen großen Schwarm von Vögeln, welche ihm offenbar unbekannt waren. Sie saßen regungslos dicht neben einander und hätten für Goldregenpfeifer angesprochen werden können, wäre nicht die Haltung eine zu wagrechte gewesen. Näher als auf etwa 200 Schritte ließ der Schwarm den Schützen nicht herankommen, obgleich dieser die gewöhnlichen Kunstgriffe beim Herangehen an scheue Vögel nicht unterließ. Plötzlich erhoben sich die Hühner unter vernehmbarem Brausen und Aus- stoßen ihrer Stimmlaute, welche einzeln gehört wie "Köckerick" zu klingen schienen, aber bei dieser Masse zu einem Gewirr zusammenschmolzen. Niedrig strichen sie über die weite Sandfläche fort, ähnlich einem Schwarme vom Felde heimkehrender Tauben. Sie bildeten einen breiten Zug, flogen mit reißender Schnelligkeit und beschrieben dabei sanfte, durch Aufsteigen und Senken gebildete Bogen.
Jenes Watt mußte einer ihrer Lieblingsplätze sein; denn man bemerkte sie fortan hier oftmals. Sie suchten diejenigen Stellen, welche mit Schoberia maritima bewachsen sind, da sie den Samen dieser Pflanzen sehr zu lieben scheinen. Jmmer wählten sie freie Flächen, am liebsten an der Grenze jener Pflanzenbestände. Außer dem Samen pflückten sie auch Blättchen ab, ganz wie die Hühner. Doch fand Altum in dem Kropfe mehrerer auch ausschließlich den Samen, bei andern die Frucht einer Grasart, wahrscheinlich Poa distans, gemischt mit unreifen Kapseln von Lepigonum marinum. Die Kröpfe waren stets ganz gefüllt, der Nahrung wenig gröbere Sandkörner beigemischt; in den gleichfalls gefüllten Magen war dagegen der Sand in auffallender Menge vor- handen. Bald nach jenem verunglückten Versuche traf Droste ein einzelnes Huhn auf einer rings von Dünen umgebenen, etwa einhundert Morgen großen Niederung. Es war bei weitem nicht so scheu, als der ganze Schwarm. Er bemerkte es beim Hervorkommen aus dem Versteck im Laufen; es war jedoch auf dem weißen Sande so schwer zu sehen, daß beim Stillstehen seine Umrisse nicht mehr wahrgenommen werden konnten. Das Auffliegen ähnelte dem Aufstehen des Rebhuhns; doch klapperte jenes mit den Flügeln wie sich erhebende Tauben, -- eine Beobachtung, welche später mehrfach gemacht werden konnte. Der Flug des Steppenhuhns erscheint anfänglich ziemlich schwerfällig und ist auch keineswegs rasch, nicht entfernt so leicht und gewandt, wie der von Strand- und Wasserläufern; ist es aber einmal im Fluge, so übertrifft es die letzteren an Schnelligkeit um ein Bedeutendes. Altum ist geneigt, es für einen der allerschnellsten Vögel zu halten, und meint, daß die Eilfertigkeit seines Fluges nur durch die Schnelligkeit der Bewegung eines angreifenden Edelfalken übertrossen werde. Jn genügender Nähe vernimmt man das Flügelklappern jedesmal beim Auffliegen, während das Vorüberstreichen eines Schwarmes ein starkes Brausen hervorbringt. Schnelle Schwenkungen, seitliche Wendungen und dergleichen scheinen die Steppen- hühner nicht ausführen zu können; sie beschreiben größere sanfte Bogen in einer wagrechten Ebene. Sehr hoch flogen nur versprengte Vögel; die vereinigten Ketten strichen höchstens dreißig Fuß über den Boden weg. Die aufgetriebenen flogen niedrig über das Watt durch die Dünenthäler, bis sie aus dem Gesichtskreis verschwunden waren, kehrten jedoch gern wieder um und fielen wohl auch
Steppenhuhn.
mehr in Erfahrung zu bringen. Jch werde deshalb von ſeinen Angaben das mir beſonders wichtig Erſcheinende hier folgen laſſen, ohne mich jedoch an den Wortlaut jener Mittheilung zu binden.
Die Steppenhühner zeigten ſich auf Borkum am 21. Mai, und zwar in kleineren Abtheilungen von zwei bis zwölf Stücken. Vom 23. Juni bis zum 1. Juli wurden ſie nicht geſehen, dann jedoch wieder in großen Schwärmen. Altum und von Droſte ſahen vier von ihnen am 8. Auguſt und erkannten ſofort, daß ſie es mit Vögeln zu thun hatten, welche höchſtens mit den Steinwälzern, ſonſt aber mit keinem andern Strandvogel verwechſelt werden konnten. Die erwähnten vier zogen in reißender Geſchwindigkeit, mit leichten, raſchen Flügelſchlägen ihres Weges dahin und ſtießen während des Fluges beſtändig Locktöne aus, welche wie „Quick, quick, quick“ klangen, und mit der Stimme kleiner Regenpfeifer entfernte Aehnlichkeit zu haben ſchienen. Nachdem die Vögel auf ein offenes Watt eingefallen waren, machte ſich von Droſte auf den Weg, um an ſie heranzukommen, da von Anſchleichen keine Rede ſein konnte. Als er bis auf einige Hundert Schritte ſich genähert hatte, erblickte er einen großen Schwarm von Vögeln, welche ihm offenbar unbekannt waren. Sie ſaßen regungslos dicht neben einander und hätten für Goldregenpfeifer angeſprochen werden können, wäre nicht die Haltung eine zu wagrechte geweſen. Näher als auf etwa 200 Schritte ließ der Schwarm den Schützen nicht herankommen, obgleich dieſer die gewöhnlichen Kunſtgriffe beim Herangehen an ſcheue Vögel nicht unterließ. Plötzlich erhoben ſich die Hühner unter vernehmbarem Brauſen und Aus- ſtoßen ihrer Stimmlaute, welche einzeln gehört wie „Köckerick“ zu klingen ſchienen, aber bei dieſer Maſſe zu einem Gewirr zuſammenſchmolzen. Niedrig ſtrichen ſie über die weite Sandfläche fort, ähnlich einem Schwarme vom Felde heimkehrender Tauben. Sie bildeten einen breiten Zug, flogen mit reißender Schnelligkeit und beſchrieben dabei ſanfte, durch Aufſteigen und Senken gebildete Bogen.
Jenes Watt mußte einer ihrer Lieblingsplätze ſein; denn man bemerkte ſie fortan hier oftmals. Sie ſuchten diejenigen Stellen, welche mit Schoberia maritima bewachſen ſind, da ſie den Samen dieſer Pflanzen ſehr zu lieben ſcheinen. Jmmer wählten ſie freie Flächen, am liebſten an der Grenze jener Pflanzenbeſtände. Außer dem Samen pflückten ſie auch Blättchen ab, ganz wie die Hühner. Doch fand Altum in dem Kropfe mehrerer auch ausſchließlich den Samen, bei andern die Frucht einer Grasart, wahrſcheinlich Poa distans, gemiſcht mit unreifen Kapſeln von Lepigonum marinum. Die Kröpfe waren ſtets ganz gefüllt, der Nahrung wenig gröbere Sandkörner beigemiſcht; in den gleichfalls gefüllten Magen war dagegen der Sand in auffallender Menge vor- handen. Bald nach jenem verunglückten Verſuche traf Droſte ein einzelnes Huhn auf einer rings von Dünen umgebenen, etwa einhundert Morgen großen Niederung. Es war bei weitem nicht ſo ſcheu, als der ganze Schwarm. Er bemerkte es beim Hervorkommen aus dem Verſteck im Laufen; es war jedoch auf dem weißen Sande ſo ſchwer zu ſehen, daß beim Stillſtehen ſeine Umriſſe nicht mehr wahrgenommen werden konnten. Das Auffliegen ähnelte dem Aufſtehen des Rebhuhns; doch klapperte jenes mit den Flügeln wie ſich erhebende Tauben, — eine Beobachtung, welche ſpäter mehrfach gemacht werden konnte. Der Flug des Steppenhuhns erſcheint anfänglich ziemlich ſchwerfällig und iſt auch keineswegs raſch, nicht entfernt ſo leicht und gewandt, wie der von Strand- und Waſſerläufern; iſt es aber einmal im Fluge, ſo übertrifft es die letzteren an Schnelligkeit um ein Bedeutendes. Altum iſt geneigt, es für einen der allerſchnellſten Vögel zu halten, und meint, daß die Eilfertigkeit ſeines Fluges nur durch die Schnelligkeit der Bewegung eines angreifenden Edelfalken übertroſſen werde. Jn genügender Nähe vernimmt man das Flügelklappern jedesmal beim Auffliegen, während das Vorüberſtreichen eines Schwarmes ein ſtarkes Brauſen hervorbringt. Schnelle Schwenkungen, ſeitliche Wendungen und dergleichen ſcheinen die Steppen- hühner nicht ausführen zu können; ſie beſchreiben größere ſanfte Bogen in einer wagrechten Ebene. Sehr hoch flogen nur verſprengte Vögel; die vereinigten Ketten ſtrichen höchſtens dreißig Fuß über den Boden weg. Die aufgetriebenen flogen niedrig über das Watt durch die Dünenthäler, bis ſie aus dem Geſichtskreis verſchwunden waren, kehrten jedoch gern wieder um und fielen wohl auch
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0353"n="327"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Steppenhuhn.</hi></fw><lb/>
mehr in Erfahrung zu bringen. Jch werde deshalb von ſeinen Angaben das mir beſonders wichtig<lb/>
Erſcheinende hier folgen laſſen, ohne mich jedoch an den Wortlaut jener Mittheilung zu binden.</p><lb/><p>Die Steppenhühner zeigten ſich auf Borkum am 21. Mai, und zwar in kleineren Abtheilungen<lb/>
von zwei bis zwölf Stücken. Vom 23. Juni bis zum 1. Juli wurden ſie nicht geſehen, dann jedoch<lb/>
wieder in großen Schwärmen. <hirendition="#g">Altum</hi> und <hirendition="#g">von Droſte</hi>ſahen vier von ihnen am 8. Auguſt und<lb/>
erkannten ſofort, daß ſie es mit Vögeln zu thun hatten, welche höchſtens mit den Steinwälzern, ſonſt<lb/>
aber mit keinem andern Strandvogel verwechſelt werden konnten. Die erwähnten vier zogen in<lb/>
reißender Geſchwindigkeit, mit leichten, raſchen Flügelſchlägen ihres Weges dahin und ſtießen während<lb/>
des Fluges beſtändig Locktöne aus, welche wie „Quick, quick, quick“ klangen, und mit der Stimme<lb/>
kleiner Regenpfeifer entfernte Aehnlichkeit zu haben ſchienen. Nachdem die Vögel auf ein offenes<lb/>
Watt eingefallen waren, machte ſich <hirendition="#g">von Droſte</hi> auf den Weg, um an ſie heranzukommen, da<lb/>
von Anſchleichen keine Rede ſein konnte. Als er bis auf einige Hundert Schritte ſich genähert hatte,<lb/>
erblickte er einen großen Schwarm von Vögeln, welche ihm offenbar unbekannt waren. Sie ſaßen<lb/>
regungslos dicht neben einander und hätten für Goldregenpfeifer angeſprochen werden können, wäre nicht<lb/>
die Haltung eine zu wagrechte geweſen. Näher als auf etwa 200 Schritte ließ der Schwarm den<lb/>
Schützen nicht herankommen, obgleich dieſer die gewöhnlichen Kunſtgriffe beim Herangehen an ſcheue<lb/>
Vögel nicht unterließ. Plötzlich erhoben ſich die Hühner unter vernehmbarem Brauſen und Aus-<lb/>ſtoßen ihrer Stimmlaute, welche einzeln gehört wie „Köckerick“ zu klingen ſchienen, aber bei dieſer<lb/>
Maſſe zu einem Gewirr zuſammenſchmolzen. Niedrig ſtrichen ſie über die weite Sandfläche fort,<lb/>
ähnlich einem Schwarme vom Felde heimkehrender Tauben. Sie bildeten einen breiten Zug, flogen<lb/>
mit reißender Schnelligkeit und beſchrieben dabei ſanfte, durch Aufſteigen und Senken gebildete<lb/>
Bogen.</p><lb/><p>Jenes Watt mußte einer ihrer Lieblingsplätze ſein; denn man bemerkte ſie fortan hier oftmals.<lb/>
Sie ſuchten diejenigen Stellen, welche mit <hirendition="#aq">Schoberia maritima</hi> bewachſen ſind, da ſie den Samen<lb/>
dieſer Pflanzen ſehr zu lieben ſcheinen. Jmmer wählten ſie freie Flächen, am liebſten an der<lb/>
Grenze jener Pflanzenbeſtände. Außer dem Samen pflückten ſie auch Blättchen ab, ganz wie<lb/>
die Hühner. Doch fand <hirendition="#g">Altum</hi> in dem Kropfe mehrerer auch ausſchließlich den Samen, bei<lb/>
andern die Frucht einer Grasart, wahrſcheinlich <hirendition="#aq">Poa distans,</hi> gemiſcht mit unreifen Kapſeln von<lb/><hirendition="#aq">Lepigonum marinum.</hi> Die Kröpfe waren ſtets ganz gefüllt, der Nahrung wenig gröbere Sandkörner<lb/>
beigemiſcht; in den gleichfalls gefüllten Magen war dagegen der Sand in auffallender Menge vor-<lb/>
handen. Bald nach jenem verunglückten Verſuche traf <hirendition="#g">Droſte</hi> ein einzelnes Huhn auf einer rings<lb/>
von Dünen umgebenen, etwa einhundert Morgen großen Niederung. Es war bei weitem nicht<lb/>ſo ſcheu, als der ganze Schwarm. Er bemerkte es beim Hervorkommen aus dem Verſteck im<lb/>
Laufen; es war jedoch auf dem weißen Sande ſo ſchwer zu ſehen, daß beim Stillſtehen ſeine<lb/>
Umriſſe nicht mehr wahrgenommen werden konnten. Das Auffliegen ähnelte dem Aufſtehen des<lb/>
Rebhuhns; doch klapperte jenes mit den Flügeln wie ſich erhebende Tauben, — eine Beobachtung,<lb/>
welche ſpäter mehrfach gemacht werden konnte. Der Flug des Steppenhuhns erſcheint anfänglich<lb/>
ziemlich ſchwerfällig und iſt auch keineswegs raſch, nicht entfernt ſo leicht und gewandt, wie der von<lb/>
Strand- und Waſſerläufern; iſt es aber einmal im Fluge, ſo übertrifft es die letzteren an<lb/>
Schnelligkeit um ein Bedeutendes. <hirendition="#g">Altum</hi> iſt geneigt, es für einen der allerſchnellſten Vögel zu<lb/>
halten, und meint, daß die Eilfertigkeit ſeines Fluges nur durch die Schnelligkeit der Bewegung eines<lb/>
angreifenden Edelfalken übertroſſen werde. Jn genügender Nähe vernimmt man das Flügelklappern<lb/>
jedesmal beim Auffliegen, während das Vorüberſtreichen eines Schwarmes ein ſtarkes Brauſen<lb/>
hervorbringt. Schnelle Schwenkungen, ſeitliche Wendungen und dergleichen ſcheinen die Steppen-<lb/>
hühner nicht ausführen zu können; ſie beſchreiben größere ſanfte Bogen in einer wagrechten<lb/>
Ebene. Sehr hoch flogen nur verſprengte Vögel; die vereinigten Ketten ſtrichen höchſtens dreißig Fuß<lb/>
über den Boden weg. Die aufgetriebenen flogen niedrig über das Watt durch die Dünenthäler, bis<lb/>ſie aus dem Geſichtskreis verſchwunden waren, kehrten jedoch gern wieder um und fielen wohl auch<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[327/0353]
Steppenhuhn.
mehr in Erfahrung zu bringen. Jch werde deshalb von ſeinen Angaben das mir beſonders wichtig
Erſcheinende hier folgen laſſen, ohne mich jedoch an den Wortlaut jener Mittheilung zu binden.
Die Steppenhühner zeigten ſich auf Borkum am 21. Mai, und zwar in kleineren Abtheilungen
von zwei bis zwölf Stücken. Vom 23. Juni bis zum 1. Juli wurden ſie nicht geſehen, dann jedoch
wieder in großen Schwärmen. Altum und von Droſte ſahen vier von ihnen am 8. Auguſt und
erkannten ſofort, daß ſie es mit Vögeln zu thun hatten, welche höchſtens mit den Steinwälzern, ſonſt
aber mit keinem andern Strandvogel verwechſelt werden konnten. Die erwähnten vier zogen in
reißender Geſchwindigkeit, mit leichten, raſchen Flügelſchlägen ihres Weges dahin und ſtießen während
des Fluges beſtändig Locktöne aus, welche wie „Quick, quick, quick“ klangen, und mit der Stimme
kleiner Regenpfeifer entfernte Aehnlichkeit zu haben ſchienen. Nachdem die Vögel auf ein offenes
Watt eingefallen waren, machte ſich von Droſte auf den Weg, um an ſie heranzukommen, da
von Anſchleichen keine Rede ſein konnte. Als er bis auf einige Hundert Schritte ſich genähert hatte,
erblickte er einen großen Schwarm von Vögeln, welche ihm offenbar unbekannt waren. Sie ſaßen
regungslos dicht neben einander und hätten für Goldregenpfeifer angeſprochen werden können, wäre nicht
die Haltung eine zu wagrechte geweſen. Näher als auf etwa 200 Schritte ließ der Schwarm den
Schützen nicht herankommen, obgleich dieſer die gewöhnlichen Kunſtgriffe beim Herangehen an ſcheue
Vögel nicht unterließ. Plötzlich erhoben ſich die Hühner unter vernehmbarem Brauſen und Aus-
ſtoßen ihrer Stimmlaute, welche einzeln gehört wie „Köckerick“ zu klingen ſchienen, aber bei dieſer
Maſſe zu einem Gewirr zuſammenſchmolzen. Niedrig ſtrichen ſie über die weite Sandfläche fort,
ähnlich einem Schwarme vom Felde heimkehrender Tauben. Sie bildeten einen breiten Zug, flogen
mit reißender Schnelligkeit und beſchrieben dabei ſanfte, durch Aufſteigen und Senken gebildete
Bogen.
Jenes Watt mußte einer ihrer Lieblingsplätze ſein; denn man bemerkte ſie fortan hier oftmals.
Sie ſuchten diejenigen Stellen, welche mit Schoberia maritima bewachſen ſind, da ſie den Samen
dieſer Pflanzen ſehr zu lieben ſcheinen. Jmmer wählten ſie freie Flächen, am liebſten an der
Grenze jener Pflanzenbeſtände. Außer dem Samen pflückten ſie auch Blättchen ab, ganz wie
die Hühner. Doch fand Altum in dem Kropfe mehrerer auch ausſchließlich den Samen, bei
andern die Frucht einer Grasart, wahrſcheinlich Poa distans, gemiſcht mit unreifen Kapſeln von
Lepigonum marinum. Die Kröpfe waren ſtets ganz gefüllt, der Nahrung wenig gröbere Sandkörner
beigemiſcht; in den gleichfalls gefüllten Magen war dagegen der Sand in auffallender Menge vor-
handen. Bald nach jenem verunglückten Verſuche traf Droſte ein einzelnes Huhn auf einer rings
von Dünen umgebenen, etwa einhundert Morgen großen Niederung. Es war bei weitem nicht
ſo ſcheu, als der ganze Schwarm. Er bemerkte es beim Hervorkommen aus dem Verſteck im
Laufen; es war jedoch auf dem weißen Sande ſo ſchwer zu ſehen, daß beim Stillſtehen ſeine
Umriſſe nicht mehr wahrgenommen werden konnten. Das Auffliegen ähnelte dem Aufſtehen des
Rebhuhns; doch klapperte jenes mit den Flügeln wie ſich erhebende Tauben, — eine Beobachtung,
welche ſpäter mehrfach gemacht werden konnte. Der Flug des Steppenhuhns erſcheint anfänglich
ziemlich ſchwerfällig und iſt auch keineswegs raſch, nicht entfernt ſo leicht und gewandt, wie der von
Strand- und Waſſerläufern; iſt es aber einmal im Fluge, ſo übertrifft es die letzteren an
Schnelligkeit um ein Bedeutendes. Altum iſt geneigt, es für einen der allerſchnellſten Vögel zu
halten, und meint, daß die Eilfertigkeit ſeines Fluges nur durch die Schnelligkeit der Bewegung eines
angreifenden Edelfalken übertroſſen werde. Jn genügender Nähe vernimmt man das Flügelklappern
jedesmal beim Auffliegen, während das Vorüberſtreichen eines Schwarmes ein ſtarkes Brauſen
hervorbringt. Schnelle Schwenkungen, ſeitliche Wendungen und dergleichen ſcheinen die Steppen-
hühner nicht ausführen zu können; ſie beſchreiben größere ſanfte Bogen in einer wagrechten
Ebene. Sehr hoch flogen nur verſprengte Vögel; die vereinigten Ketten ſtrichen höchſtens dreißig Fuß
über den Boden weg. Die aufgetriebenen flogen niedrig über das Watt durch die Dünenthäler, bis
ſie aus dem Geſichtskreis verſchwunden waren, kehrten jedoch gern wieder um und fielen wohl auch
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 327. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/353>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.