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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Die Läufer. Scharrvögel. Flughühner.
Stelle oder mindestens in derselben Gegend; ihre außerordentliche Flugfertigkeit aber setzt sie in den
Stand, ohne alle Beschwerde Hunderte von Meilen zu durcheilen, und gewisse, uns noch unbekannte
Umstände veranlassen sie, manchmal weit über die Grenzen ihres Gebietes zu schweifen. Es
thut Dies vorzugsweise eine Art, welche regelmäßig wandert; aber man hat auch schon von den-
jenigen, welche wir höchstens als Strichvögel betrachten dürfen, Versprengte in Ländern gefunden,
welche wir als ihnen durchaus fremde bezeichnen müssen.

Ueber das allen Flughühnern Gemeinsame der Lebensweise, der Sitten und des Betragens
darf ich aus Gründen, deren Berechtigung später erklärlich werden wird, im Voraus wenig sagen;
einige Worte aber mögen hier ihre Stelle finden, und wenn es beinahe dieselben sind, welche ich
schon früher gebrauchte, so mag man Solches damit entschuldigen, daß jene Worte mir, um mich so
auszudrücken, durch die Wüste selbst eingegeben und zugebracht worden sind.

Wenig Vögel verstehen es, wie die Flughühner, die ödesten und ärmsten Gegenden zu beleben.
Jnmitten der dürrsten Wüste, an Orten, wo nur der stille, leichte Wüstenläufer und die schwer-
müthig rufende Sandlerche den Pfad des Reisenden kreuzen, erhebt sich vor ihm, polternd und
rauschend, die redselige, fast geschwätzige Schar dieser begabten Geschöpfe. Als Zwitter mögen sie
uns erscheinen, wenn wir ihren Leib mit denen anderer Vögel vergleichen: als ganze, echte Wüsten-
thiere stellen sie sich uns vor, wenn wir ihr Leben zu erforschen suchen. Wo ihre erhabene Mutter
die Möglichkeit des Lebens gewährte, wird man sie gewiß nicht vermissen; ja, sie sind es, welche uns
erst Kunde geben von dieser Möglichkeit: denn uns bleibt es unbegreiflich, wie sie überhaupt
im Stande sind, ihr Leben zu fristen. Mehrere Arten wohnen, wenigstens hie und da, dicht neben
einander, ohne sich jedoch mit anderen ihrer Familie zu vermischen; die Mitglieder einer Art leben
aber in treuer Gemeinschaft und bilden oft ungeheure Flüge, welche dann Monate lang zusammen-
halten, gesellig umherschweifen und täglich weite Strecken durchmessen, weil die arme Wüste selbst
ihnen, den Wenigbegehrenden, nur stellenweise Nahrung gewähren kann. Der Reisende begegnet
ihnen überall. Obgleich sie tagtäglich und mit größter Regelmäßigkeit zur Tränke fliegen müssen,
scheint sie doch eine größere Entfernung der wasserspendenden Quellen von ihren Futterplätzen wenig
zu kümmern: es wird ihnen leicht, vor dem Schlafengehen noch einen Spazierflug auszuführen,
welcher uns als Tagereise und mehr erscheinen mag. Deshalb ist es denn auch vorzugsweise die Zeit, in
der sie ihren Durst stillen wollen, welche sie vor das Auge des Jägers oder des Forschers bringt; denn
wenn ihr zahlreicher Schwarm in dicht gedrängtem Haufen unter dem fast allen Arten gemeinsamen
Rufe "Khadda, khadda", dahin fliegt, muß auch das blödeste Auge ihrer ansichtig werden oder das
stumpfeste Ohr sie wahrnehmen. Sonst ist es nicht immer leicht, sie zu bemerken: ihr Wüstenkleid
ist ein so wunderbarer Schutz, daß sie es verstehen, sich selbst vor dem geübten Auge unsichtbar zu
machen. Und wenn auch der Kundige es bald lernt, ihre Lieblingsplätze von anderen Stellen der
Einöde zu unterscheiden, wenngleich er, Dank ihrer lebendigen Geschäftigkeit und Regsamkeit, sie
dann ohne Mühe aufzufinden weiß: so verstehen sie es doch, selbst ihn durch ihr Unsichtbarmachen
zu hintergehen, während der Unkundige bis zu dem Augenblicke, wo er plötzlich von Hunderten
fliegender Vögel umrauscht wird, von ihrem Vorhandensein kaum eine Ahnung hatte.

Gleichmäßig leben die Schwärme Monate lang zusammen, bis die Paarungszeit heran naht,
und die Liebe sich auch bei ihnen geltend macht. Dann zertheilen sich die Flughühner in kleinere
Trupps und diese in die einzelnen Pärchen, von denen nunmehr jedes sich eine passende Stelle auf
dem sandigen Boden aussucht, hier eine seichte Vertiefung scharrt und, nachdem die wenigen Eier
vom Weibchen gelegt worden sind, der Brut mit Eifer sich hingibt. Eine bis zwei Bruten werden
auf diese Weise ausgeführt; dann sammeln sich die Vereinzelten wieder, und das alte Leben beginnt
von neuem, falls nicht besondere Ursachen hindernd oder wenigstens verändernd einwirken.



Die Läufer. Scharrvögel. Flughühner.
Stelle oder mindeſtens in derſelben Gegend; ihre außerordentliche Flugfertigkeit aber ſetzt ſie in den
Stand, ohne alle Beſchwerde Hunderte von Meilen zu durcheilen, und gewiſſe, uns noch unbekannte
Umſtände veranlaſſen ſie, manchmal weit über die Grenzen ihres Gebietes zu ſchweifen. Es
thut Dies vorzugsweiſe eine Art, welche regelmäßig wandert; aber man hat auch ſchon von den-
jenigen, welche wir höchſtens als Strichvögel betrachten dürfen, Verſprengte in Ländern gefunden,
welche wir als ihnen durchaus fremde bezeichnen müſſen.

Ueber das allen Flughühnern Gemeinſame der Lebensweiſe, der Sitten und des Betragens
darf ich aus Gründen, deren Berechtigung ſpäter erklärlich werden wird, im Voraus wenig ſagen;
einige Worte aber mögen hier ihre Stelle finden, und wenn es beinahe dieſelben ſind, welche ich
ſchon früher gebrauchte, ſo mag man Solches damit entſchuldigen, daß jene Worte mir, um mich ſo
auszudrücken, durch die Wüſte ſelbſt eingegeben und zugebracht worden ſind.

Wenig Vögel verſtehen es, wie die Flughühner, die ödeſten und ärmſten Gegenden zu beleben.
Jnmitten der dürrſten Wüſte, an Orten, wo nur der ſtille, leichte Wüſtenläufer und die ſchwer-
müthig rufende Sandlerche den Pfad des Reiſenden kreuzen, erhebt ſich vor ihm, polternd und
rauſchend, die redſelige, faſt geſchwätzige Schar dieſer begabten Geſchöpfe. Als Zwitter mögen ſie
uns erſcheinen, wenn wir ihren Leib mit denen anderer Vögel vergleichen: als ganze, echte Wüſten-
thiere ſtellen ſie ſich uns vor, wenn wir ihr Leben zu erforſchen ſuchen. Wo ihre erhabene Mutter
die Möglichkeit des Lebens gewährte, wird man ſie gewiß nicht vermiſſen; ja, ſie ſind es, welche uns
erſt Kunde geben von dieſer Möglichkeit: denn uns bleibt es unbegreiflich, wie ſie überhaupt
im Stande ſind, ihr Leben zu friſten. Mehrere Arten wohnen, wenigſtens hie und da, dicht neben
einander, ohne ſich jedoch mit anderen ihrer Familie zu vermiſchen; die Mitglieder einer Art leben
aber in treuer Gemeinſchaft und bilden oft ungeheure Flüge, welche dann Monate lang zuſammen-
halten, geſellig umherſchweifen und täglich weite Strecken durchmeſſen, weil die arme Wüſte ſelbſt
ihnen, den Wenigbegehrenden, nur ſtellenweiſe Nahrung gewähren kann. Der Reiſende begegnet
ihnen überall. Obgleich ſie tagtäglich und mit größter Regelmäßigkeit zur Tränke fliegen müſſen,
ſcheint ſie doch eine größere Entfernung der waſſerſpendenden Quellen von ihren Futterplätzen wenig
zu kümmern: es wird ihnen leicht, vor dem Schlafengehen noch einen Spazierflug auszuführen,
welcher uns als Tagereiſe und mehr erſcheinen mag. Deshalb iſt es denn auch vorzugsweiſe die Zeit, in
der ſie ihren Durſt ſtillen wollen, welche ſie vor das Auge des Jägers oder des Forſchers bringt; denn
wenn ihr zahlreicher Schwarm in dicht gedrängtem Haufen unter dem faſt allen Arten gemeinſamen
Rufe „Khadda, khadda“, dahin fliegt, muß auch das blödeſte Auge ihrer anſichtig werden oder das
ſtumpfeſte Ohr ſie wahrnehmen. Sonſt iſt es nicht immer leicht, ſie zu bemerken: ihr Wüſtenkleid
iſt ein ſo wunderbarer Schutz, daß ſie es verſtehen, ſich ſelbſt vor dem geübten Auge unſichtbar zu
machen. Und wenn auch der Kundige es bald lernt, ihre Lieblingsplätze von anderen Stellen der
Einöde zu unterſcheiden, wenngleich er, Dank ihrer lebendigen Geſchäftigkeit und Regſamkeit, ſie
dann ohne Mühe aufzufinden weiß: ſo verſtehen ſie es doch, ſelbſt ihn durch ihr Unſichtbarmachen
zu hintergehen, während der Unkundige bis zu dem Augenblicke, wo er plötzlich von Hunderten
fliegender Vögel umrauſcht wird, von ihrem Vorhandenſein kaum eine Ahnung hatte.

Gleichmäßig leben die Schwärme Monate lang zuſammen, bis die Paarungszeit heran naht,
und die Liebe ſich auch bei ihnen geltend macht. Dann zertheilen ſich die Flughühner in kleinere
Trupps und dieſe in die einzelnen Pärchen, von denen nunmehr jedes ſich eine paſſende Stelle auf
dem ſandigen Boden ausſucht, hier eine ſeichte Vertiefung ſcharrt und, nachdem die wenigen Eier
vom Weibchen gelegt worden ſind, der Brut mit Eifer ſich hingibt. Eine bis zwei Bruten werden
auf dieſe Weiſe ausgeführt; dann ſammeln ſich die Vereinzelten wieder, und das alte Leben beginnt
von neuem, falls nicht beſondere Urſachen hindernd oder wenigſtens verändernd einwirken.



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[312/0336] Die Läufer. Scharrvögel. Flughühner. Stelle oder mindeſtens in derſelben Gegend; ihre außerordentliche Flugfertigkeit aber ſetzt ſie in den Stand, ohne alle Beſchwerde Hunderte von Meilen zu durcheilen, und gewiſſe, uns noch unbekannte Umſtände veranlaſſen ſie, manchmal weit über die Grenzen ihres Gebietes zu ſchweifen. Es thut Dies vorzugsweiſe eine Art, welche regelmäßig wandert; aber man hat auch ſchon von den- jenigen, welche wir höchſtens als Strichvögel betrachten dürfen, Verſprengte in Ländern gefunden, welche wir als ihnen durchaus fremde bezeichnen müſſen. Ueber das allen Flughühnern Gemeinſame der Lebensweiſe, der Sitten und des Betragens darf ich aus Gründen, deren Berechtigung ſpäter erklärlich werden wird, im Voraus wenig ſagen; einige Worte aber mögen hier ihre Stelle finden, und wenn es beinahe dieſelben ſind, welche ich ſchon früher gebrauchte, ſo mag man Solches damit entſchuldigen, daß jene Worte mir, um mich ſo auszudrücken, durch die Wüſte ſelbſt eingegeben und zugebracht worden ſind. Wenig Vögel verſtehen es, wie die Flughühner, die ödeſten und ärmſten Gegenden zu beleben. Jnmitten der dürrſten Wüſte, an Orten, wo nur der ſtille, leichte Wüſtenläufer und die ſchwer- müthig rufende Sandlerche den Pfad des Reiſenden kreuzen, erhebt ſich vor ihm, polternd und rauſchend, die redſelige, faſt geſchwätzige Schar dieſer begabten Geſchöpfe. Als Zwitter mögen ſie uns erſcheinen, wenn wir ihren Leib mit denen anderer Vögel vergleichen: als ganze, echte Wüſten- thiere ſtellen ſie ſich uns vor, wenn wir ihr Leben zu erforſchen ſuchen. Wo ihre erhabene Mutter die Möglichkeit des Lebens gewährte, wird man ſie gewiß nicht vermiſſen; ja, ſie ſind es, welche uns erſt Kunde geben von dieſer Möglichkeit: denn uns bleibt es unbegreiflich, wie ſie überhaupt im Stande ſind, ihr Leben zu friſten. Mehrere Arten wohnen, wenigſtens hie und da, dicht neben einander, ohne ſich jedoch mit anderen ihrer Familie zu vermiſchen; die Mitglieder einer Art leben aber in treuer Gemeinſchaft und bilden oft ungeheure Flüge, welche dann Monate lang zuſammen- halten, geſellig umherſchweifen und täglich weite Strecken durchmeſſen, weil die arme Wüſte ſelbſt ihnen, den Wenigbegehrenden, nur ſtellenweiſe Nahrung gewähren kann. Der Reiſende begegnet ihnen überall. Obgleich ſie tagtäglich und mit größter Regelmäßigkeit zur Tränke fliegen müſſen, ſcheint ſie doch eine größere Entfernung der waſſerſpendenden Quellen von ihren Futterplätzen wenig zu kümmern: es wird ihnen leicht, vor dem Schlafengehen noch einen Spazierflug auszuführen, welcher uns als Tagereiſe und mehr erſcheinen mag. Deshalb iſt es denn auch vorzugsweiſe die Zeit, in der ſie ihren Durſt ſtillen wollen, welche ſie vor das Auge des Jägers oder des Forſchers bringt; denn wenn ihr zahlreicher Schwarm in dicht gedrängtem Haufen unter dem faſt allen Arten gemeinſamen Rufe „Khadda, khadda“, dahin fliegt, muß auch das blödeſte Auge ihrer anſichtig werden oder das ſtumpfeſte Ohr ſie wahrnehmen. Sonſt iſt es nicht immer leicht, ſie zu bemerken: ihr Wüſtenkleid iſt ein ſo wunderbarer Schutz, daß ſie es verſtehen, ſich ſelbſt vor dem geübten Auge unſichtbar zu machen. Und wenn auch der Kundige es bald lernt, ihre Lieblingsplätze von anderen Stellen der Einöde zu unterſcheiden, wenngleich er, Dank ihrer lebendigen Geſchäftigkeit und Regſamkeit, ſie dann ohne Mühe aufzufinden weiß: ſo verſtehen ſie es doch, ſelbſt ihn durch ihr Unſichtbarmachen zu hintergehen, während der Unkundige bis zu dem Augenblicke, wo er plötzlich von Hunderten fliegender Vögel umrauſcht wird, von ihrem Vorhandenſein kaum eine Ahnung hatte. Gleichmäßig leben die Schwärme Monate lang zuſammen, bis die Paarungszeit heran naht, und die Liebe ſich auch bei ihnen geltend macht. Dann zertheilen ſich die Flughühner in kleinere Trupps und dieſe in die einzelnen Pärchen, von denen nunmehr jedes ſich eine paſſende Stelle auf dem ſandigen Boden ausſucht, hier eine ſeichte Vertiefung ſcharrt und, nachdem die wenigen Eier vom Weibchen gelegt worden ſind, der Brut mit Eifer ſich hingibt. Eine bis zwei Bruten werden auf dieſe Weiſe ausgeführt; dann ſammeln ſich die Vereinzelten wieder, und das alte Leben beginnt von neuem, falls nicht beſondere Urſachen hindernd oder wenigſtens verändernd einwirken.

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 312. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/336>, abgerufen am 27.11.2024.