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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Zwergtaube.
besonders günstigen Orten wohnt in jedem größeren Busche ein Pärchen, und der eine Busch, welcher
nur zweihundert Geviertfuß Land bedeckt, scheint ihr vollständig zu genügen. Aeußerst selten kommt
sie unter ihm hervor und ins Freie gelaufen; sobald als möglich verkriecht sie sich wieder im Dunkel
eines andern ebenso dicht verschlungenen Gebüsches. Jhre Heimat ist so reich an allerlei Sämereien,
zumal an Samenkörnern der Schlingpflanzen, welche die Wohnsitze erst recht heimlich machen, indem
sie dieselben mit ihren Ranken- und Blüthennetzen überspinnen und durchflechten, daß unsere Taube
größere Wanderungen nicht anzutreten braucht, und da sie sich nun regelmäßig in der Nähe des
Wassers ansiedelt, so kann sie so recht nach Herzenswunsch ein behagliches Stillleben führen.

Jm Sudahn beginnt die Fortpflanzung mit den ersten Regengüssen, in Abissinien scheint sie in
den Monaten stattzufinden, welche unserm Frühling entsprechen; wenigstens vernahm ich um diese
Zeit sehr oft ihre so bezeichnende Stimme. Diese erinnert nur noch entfernt an das Rucksen der
Taube und hat mit den Tönen, welche der Tok dem Walde zum Besten gibt, weit mehr Aehnlichkeit.
Der Ruf besteht nämlich nur aus der Silbe "Du"; dieser eine Laut wird aber zehn- bis funfzehn-
mal nach einander wiederholt, anfangs langsam, gegen den Schluß hin mit einer mehr und mehr
sich steigernden Schnelligkeit. Ein ganz besonderer, unbeschreiblicher Wohllaut kennzeichnet ihn, so
daß man schwerlich in Versuchung kommt, ihn mit dem ähnlich klingenden des Hornvogels zu ver-
wechseln. Andere Laute habe ich nie vernommen, nach der Paarungszeit überhaupt keinen mehr.

Das Männchen ist äußerst zärtlich gegen seine Gattin, umgeht diese mit zierlichem Kopfnicken,
schnäbelt sie, umhalst sie und fliegt dann auf einen vielleicht fußhoch über dem Boden stehenden Ast
von welchem es seinen Jubelruf erschallen läßt. Das Nest wird entweder im dichtesten Gebüsch hart
über dem Boden oder auf abgebrochenen Stämmen, auch wohl in Baumhöhlungen mit großem Eingange
errichtet. Es ähnelt dem anderer Tauben, ist aber, wenn es frei steht, doch etwas schmucker und
besser gebaut, während dagegen wenige Reiser die Unterlage für die Eier bilden, wenn es in
Höhlungen angelegt wurde. Am 14. Januar fanden wir in einem solchen Neste ein kleines gilblich-
weißes Ei.

Gefangene Tauben dieser Art habe ich nie gesehen, bin aber überzeugt, daß sie sich leicht erhalten
lassen und viel Vergnügen gewähren würden.



Rallentauben heißen diejenigen Arten, welche sich durch hochläufige Beine auszeichnen und
ausschließlich auf dem Boden leben. Derartige Tauben sind, mit Ausnahme von Europa, in
allen Erdtheilen heimisch und ziemlich gleichmäßig vertreten. Jeder Erdtheil bewahrt sich sein eigen-
thümliches Gepräge, und deshalb hat man sich berechtigt geglaubt, die hierher zu zählenden Girr-
vögel wiederum in mehrere Unterabtheilungen oder Unterfamilien zu zerfällen.

Die allen gemeinsamen Kennzeichen sind kurze oder höchstens mittellange Flügel und kräftige
oder verhältnißmäßig hohe Läufe. Der Schwanz ist verschieden gestaltet, oft kurz und gerade
abgeschnitten oder leicht gerundet, oft verlängert und dann keilförmig.

Hinsichtlich ihrer Lebensweise kann man die Grundtauben als Mittelglieder zwischen den übrigen
Tauben und den Hühnern ansehen. Einzelne Arten stehen gewissen Rebhühnern sehr nahe und
werden deshalb von Nichtkundigen geradezu als solche bezeichnet.

Bonaparte hat die amerikanischen Arten, welche wir Erdtauben nennen wollen, in einer
besondern Unterfamilie vereinigt und diese mit dem Namen Zenaidae bezeichnet. Als Merkmale
derselben gibt er an kräftigen Leib, kurze Flügel und sehr entwickelte, lange, kräftige Beine. Die
hierher gehörigen Arten verbreiten sich über ganz Amerika, treten aber namentlich im Süden zahl-
reich auf.

Zwergtaube.
beſonders günſtigen Orten wohnt in jedem größeren Buſche ein Pärchen, und der eine Buſch, welcher
nur zweihundert Geviertfuß Land bedeckt, ſcheint ihr vollſtändig zu genügen. Aeußerſt ſelten kommt
ſie unter ihm hervor und ins Freie gelaufen; ſobald als möglich verkriecht ſie ſich wieder im Dunkel
eines andern ebenſo dicht verſchlungenen Gebüſches. Jhre Heimat iſt ſo reich an allerlei Sämereien,
zumal an Samenkörnern der Schlingpflanzen, welche die Wohnſitze erſt recht heimlich machen, indem
ſie dieſelben mit ihren Ranken- und Blüthennetzen überſpinnen und durchflechten, daß unſere Taube
größere Wanderungen nicht anzutreten braucht, und da ſie ſich nun regelmäßig in der Nähe des
Waſſers anſiedelt, ſo kann ſie ſo recht nach Herzenswunſch ein behagliches Stillleben führen.

Jm Sudahn beginnt die Fortpflanzung mit den erſten Regengüſſen, in Abiſſinien ſcheint ſie in
den Monaten ſtattzufinden, welche unſerm Frühling entſprechen; wenigſtens vernahm ich um dieſe
Zeit ſehr oft ihre ſo bezeichnende Stimme. Dieſe erinnert nur noch entfernt an das Ruckſen der
Taube und hat mit den Tönen, welche der Tok dem Walde zum Beſten gibt, weit mehr Aehnlichkeit.
Der Ruf beſteht nämlich nur aus der Silbe „Du“; dieſer eine Laut wird aber zehn- bis funfzehn-
mal nach einander wiederholt, anfangs langſam, gegen den Schluß hin mit einer mehr und mehr
ſich ſteigernden Schnelligkeit. Ein ganz beſonderer, unbeſchreiblicher Wohllaut kennzeichnet ihn, ſo
daß man ſchwerlich in Verſuchung kommt, ihn mit dem ähnlich klingenden des Hornvogels zu ver-
wechſeln. Andere Laute habe ich nie vernommen, nach der Paarungszeit überhaupt keinen mehr.

Das Männchen iſt äußerſt zärtlich gegen ſeine Gattin, umgeht dieſe mit zierlichem Kopfnicken,
ſchnäbelt ſie, umhalſt ſie und fliegt dann auf einen vielleicht fußhoch über dem Boden ſtehenden Aſt
von welchem es ſeinen Jubelruf erſchallen läßt. Das Neſt wird entweder im dichteſten Gebüſch hart
über dem Boden oder auf abgebrochenen Stämmen, auch wohl in Baumhöhlungen mit großem Eingange
errichtet. Es ähnelt dem anderer Tauben, iſt aber, wenn es frei ſteht, doch etwas ſchmucker und
beſſer gebaut, während dagegen wenige Reiſer die Unterlage für die Eier bilden, wenn es in
Höhlungen angelegt wurde. Am 14. Januar fanden wir in einem ſolchen Neſte ein kleines gilblich-
weißes Ei.

Gefangene Tauben dieſer Art habe ich nie geſehen, bin aber überzeugt, daß ſie ſich leicht erhalten
laſſen und viel Vergnügen gewähren würden.



Rallentauben heißen diejenigen Arten, welche ſich durch hochläufige Beine auszeichnen und
ausſchließlich auf dem Boden leben. Derartige Tauben ſind, mit Ausnahme von Europa, in
allen Erdtheilen heimiſch und ziemlich gleichmäßig vertreten. Jeder Erdtheil bewahrt ſich ſein eigen-
thümliches Gepräge, und deshalb hat man ſich berechtigt geglaubt, die hierher zu zählenden Girr-
vögel wiederum in mehrere Unterabtheilungen oder Unterfamilien zu zerfällen.

Die allen gemeinſamen Kennzeichen ſind kurze oder höchſtens mittellange Flügel und kräftige
oder verhältnißmäßig hohe Läufe. Der Schwanz iſt verſchieden geſtaltet, oft kurz und gerade
abgeſchnitten oder leicht gerundet, oft verlängert und dann keilförmig.

Hinſichtlich ihrer Lebensweiſe kann man die Grundtauben als Mittelglieder zwiſchen den übrigen
Tauben und den Hühnern anſehen. Einzelne Arten ſtehen gewiſſen Rebhühnern ſehr nahe und
werden deshalb von Nichtkundigen geradezu als ſolche bezeichnet.

Bonaparte hat die amerikaniſchen Arten, welche wir Erdtauben nennen wollen, in einer
beſondern Unterfamilie vereinigt und dieſe mit dem Namen Zenaidae bezeichnet. Als Merkmale
derſelben gibt er an kräftigen Leib, kurze Flügel und ſehr entwickelte, lange, kräftige Beine. Die
hierher gehörigen Arten verbreiten ſich über ganz Amerika, treten aber namentlich im Süden zahl-
reich auf.

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[285/0307] Zwergtaube. beſonders günſtigen Orten wohnt in jedem größeren Buſche ein Pärchen, und der eine Buſch, welcher nur zweihundert Geviertfuß Land bedeckt, ſcheint ihr vollſtändig zu genügen. Aeußerſt ſelten kommt ſie unter ihm hervor und ins Freie gelaufen; ſobald als möglich verkriecht ſie ſich wieder im Dunkel eines andern ebenſo dicht verſchlungenen Gebüſches. Jhre Heimat iſt ſo reich an allerlei Sämereien, zumal an Samenkörnern der Schlingpflanzen, welche die Wohnſitze erſt recht heimlich machen, indem ſie dieſelben mit ihren Ranken- und Blüthennetzen überſpinnen und durchflechten, daß unſere Taube größere Wanderungen nicht anzutreten braucht, und da ſie ſich nun regelmäßig in der Nähe des Waſſers anſiedelt, ſo kann ſie ſo recht nach Herzenswunſch ein behagliches Stillleben führen. Jm Sudahn beginnt die Fortpflanzung mit den erſten Regengüſſen, in Abiſſinien ſcheint ſie in den Monaten ſtattzufinden, welche unſerm Frühling entſprechen; wenigſtens vernahm ich um dieſe Zeit ſehr oft ihre ſo bezeichnende Stimme. Dieſe erinnert nur noch entfernt an das Ruckſen der Taube und hat mit den Tönen, welche der Tok dem Walde zum Beſten gibt, weit mehr Aehnlichkeit. Der Ruf beſteht nämlich nur aus der Silbe „Du“; dieſer eine Laut wird aber zehn- bis funfzehn- mal nach einander wiederholt, anfangs langſam, gegen den Schluß hin mit einer mehr und mehr ſich ſteigernden Schnelligkeit. Ein ganz beſonderer, unbeſchreiblicher Wohllaut kennzeichnet ihn, ſo daß man ſchwerlich in Verſuchung kommt, ihn mit dem ähnlich klingenden des Hornvogels zu ver- wechſeln. Andere Laute habe ich nie vernommen, nach der Paarungszeit überhaupt keinen mehr. Das Männchen iſt äußerſt zärtlich gegen ſeine Gattin, umgeht dieſe mit zierlichem Kopfnicken, ſchnäbelt ſie, umhalſt ſie und fliegt dann auf einen vielleicht fußhoch über dem Boden ſtehenden Aſt von welchem es ſeinen Jubelruf erſchallen läßt. Das Neſt wird entweder im dichteſten Gebüſch hart über dem Boden oder auf abgebrochenen Stämmen, auch wohl in Baumhöhlungen mit großem Eingange errichtet. Es ähnelt dem anderer Tauben, iſt aber, wenn es frei ſteht, doch etwas ſchmucker und beſſer gebaut, während dagegen wenige Reiſer die Unterlage für die Eier bilden, wenn es in Höhlungen angelegt wurde. Am 14. Januar fanden wir in einem ſolchen Neſte ein kleines gilblich- weißes Ei. Gefangene Tauben dieſer Art habe ich nie geſehen, bin aber überzeugt, daß ſie ſich leicht erhalten laſſen und viel Vergnügen gewähren würden. Rallentauben heißen diejenigen Arten, welche ſich durch hochläufige Beine auszeichnen und ausſchließlich auf dem Boden leben. Derartige Tauben ſind, mit Ausnahme von Europa, in allen Erdtheilen heimiſch und ziemlich gleichmäßig vertreten. Jeder Erdtheil bewahrt ſich ſein eigen- thümliches Gepräge, und deshalb hat man ſich berechtigt geglaubt, die hierher zu zählenden Girr- vögel wiederum in mehrere Unterabtheilungen oder Unterfamilien zu zerfällen. Die allen gemeinſamen Kennzeichen ſind kurze oder höchſtens mittellange Flügel und kräftige oder verhältnißmäßig hohe Läufe. Der Schwanz iſt verſchieden geſtaltet, oft kurz und gerade abgeſchnitten oder leicht gerundet, oft verlängert und dann keilförmig. Hinſichtlich ihrer Lebensweiſe kann man die Grundtauben als Mittelglieder zwiſchen den übrigen Tauben und den Hühnern anſehen. Einzelne Arten ſtehen gewiſſen Rebhühnern ſehr nahe und werden deshalb von Nichtkundigen geradezu als ſolche bezeichnet. Bonaparte hat die amerikaniſchen Arten, welche wir Erdtauben nennen wollen, in einer beſondern Unterfamilie vereinigt und dieſe mit dem Namen Zenaidae bezeichnet. Als Merkmale derſelben gibt er an kräftigen Leib, kurze Flügel und ſehr entwickelte, lange, kräftige Beine. Die hierher gehörigen Arten verbreiten ſich über ganz Amerika, treten aber namentlich im Süden zahl- reich auf.

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/307>, abgerufen am 18.05.2024.