Arten der Familie sagt man nach, daß sie auch kleine Wirbelthiere, Lurche z. B., nicht verschmähen, und alle ohne Ausnahme gelten, höchst wahrscheinlich mit vollem Rechte, als Nesträuber und zwar als solche, welche die Eier nicht blos wegnehmen, sondern auch verschlingen. Dieses einigermaßen auffallende Raubgelüst erklärt sich durch die Fortpflanzung der Kukuke. Sämmtliche Arten der Familie unterziehen sich nämlich der Bebrütung ihrer Eier nicht selbst, sondern bürden die Pflege ihrer Brut andern Vögeln auf, indem sie ihre Eier in deren Nester legen. Dabei pflegen sie mindestens ein Ei aus dem Neste der erkorenen Pflegeeltern herauszunehmen, und dieses ist es, welches gelegentlich auch mit verschlungen wird. Die Thatsache ist oft geleugnet worden, unterliegt aber, vielfachen Beobachtungen zufolge, gar keinem Zweifel. Ueber die Ursache des Nichtbrütens hat man sehr verschiedene Annahmen aufgestellt und zu unterstützen gesucht, bis jetzt aber durchaus noch keinen schlagenden Grund zu entdecken vermocht.
Für Manchen scheint es fraglich, ob wir die Kukuke als nützliche oder als schädliche Vögel anzu- sehen haben. Unbestreitbar leisten sie große Dienste durch Aufzehren der gegen die Angriffe anderer Kerbthierräuber gewappneten haarigen Raupen; aber ebenso unzweifelhaft verursachen sie durch das Unterschieben ihrer Eier fühlbaren Schaden, da die Erziehung eines Kukuks regelmäßig die Ver- nichtung der Stiefgeschwister, bei denjenigen Arten, welche ihre Eier in die Nester kleinerer Vögel legen, immer nach sich zieht. Dagegen läßt sich nun freilich wieder einwenden, daß ein Kukuk in Vertilgung der Kerbthiere mehr leiste, als fünf oder sechs kleine Sänger, und so wird es als wohlgethan erscheinen, wenn wir den Kukuken unsern Schutz gewähren.
Unser Kukuk oder Gauch(Cuculus canorus) vertritt die Sippe der Kukuke im engsten Sinne und kennzeichnet sich durch schlanken Leib, kleinen, schwachen, sanft gebogenen Schnabel, lange, spitze Flügel, sehr langen, gerundeten Schwanz, kurze, theilweise befiederte Füße und ein ziemlich weiches, düsterfarbiges Gefieder. Das Männchen ist auf der Oberfeite aschgraublau oder dunkelasch- grau, auf der Unterseite grauweiß, schwärzlich in die Quere gewellt; die Kehle, die Wangen, die Gurgel und die Halsseiten bis zur Brust herab sind rein aschgrau, die Schwingen bleischwarz, die Steuer- federn schwarz, weiß gefleckt. Das Ange ist hochgelb, der Schnabel schwarz, gilblich an der Wurzel, der Fuß gelb. Das alte Weibchen ähnelt dem Männchen, hat aber am Hinterhalse und an den Seiten des Unterhalses wenig bemerkbare röthliche Binden. Die jungen Vögel sind oben und unten quer gewellt, junge Weibchen auf der Oberseite oft auf rostbraunem Grunde mit stark hervortretenden Querbinden gezeichnet. Die Länge beträgt 14, die Breite 241/2, die Fittiglänge 9, die Schwanz- länge 73/4 Zoll. Das Weibchen ist um mehr als 1 Zoll kürzer und schmäler.
Jn Europa, Asien und Afrika gibt es wenig Länder oder Gegenden, in denen der Kukuk nicht beobachtet worden ist. Als Brutvogel bewohnt er den Norden der alten Welt, Europa vom Nordkap an bis zum Kap Tarifa, den Norden aber viel häufiger, als den Süden. Von hier wandert er nach Süden, von Sibirien aus durch China und ganz Jndien bis auf die javanischen, die Sundainseln und nach Ceylon, von Europa aus bis nach Südwestafrika. Jn allen Ländern Ost-Sudahns, welche ich durchreiste, habe ich auch den Kukuk gesehen, aber noch nirgends in der Winterherberge, und ich weiß nicht, wie weit er seine Wanderung eigentlich ausdehnen mag. Bei uns zu Lande erscheint er um die Mitte des April, in Skandinavien hingegen erst Anfangs oder selbst Mitte Mais; hier wie da aber verweilt er nur bis Anfangs September, und schon am 11. dieses Monats bin ich ihm in Südnubien begegnet. Ausnahmsweise traf ich ihn bereits am 14. Juli bei Alexandrien als Wandervogel an.
Jn Deutschland hört man den Kukuk in allen Waldungen, gleichviel, ob dieselben aus Nadel- oder ob sie aus Laubbäumen bestehen. Jn Südeuropa ist er weit seltener als bei uns, da, wo es Waldungen gibt, aber doch wenigstens noch Brutvogel; in Skandinavien hingegen gehört er zu den
Die Späher. Leichtſchnäbler. Kukuke.
Arten der Familie ſagt man nach, daß ſie auch kleine Wirbelthiere, Lurche z. B., nicht verſchmähen, und alle ohne Ausnahme gelten, höchſt wahrſcheinlich mit vollem Rechte, als Neſträuber und zwar als ſolche, welche die Eier nicht blos wegnehmen, ſondern auch verſchlingen. Dieſes einigermaßen auffallende Raubgelüſt erklärt ſich durch die Fortpflanzung der Kukuke. Sämmtliche Arten der Familie unterziehen ſich nämlich der Bebrütung ihrer Eier nicht ſelbſt, ſondern bürden die Pflege ihrer Brut andern Vögeln auf, indem ſie ihre Eier in deren Neſter legen. Dabei pflegen ſie mindeſtens ein Ei aus dem Neſte der erkorenen Pflegeeltern herauszunehmen, und dieſes iſt es, welches gelegentlich auch mit verſchlungen wird. Die Thatſache iſt oft geleugnet worden, unterliegt aber, vielfachen Beobachtungen zufolge, gar keinem Zweifel. Ueber die Urſache des Nichtbrütens hat man ſehr verſchiedene Annahmen aufgeſtellt und zu unterſtützen geſucht, bis jetzt aber durchaus noch keinen ſchlagenden Grund zu entdecken vermocht.
Für Manchen ſcheint es fraglich, ob wir die Kukuke als nützliche oder als ſchädliche Vögel anzu- ſehen haben. Unbeſtreitbar leiſten ſie große Dienſte durch Aufzehren der gegen die Angriffe anderer Kerbthierräuber gewappneten haarigen Raupen; aber ebenſo unzweifelhaft verurſachen ſie durch das Unterſchieben ihrer Eier fühlbaren Schaden, da die Erziehung eines Kukuks regelmäßig die Ver- nichtung der Stiefgeſchwiſter, bei denjenigen Arten, welche ihre Eier in die Neſter kleinerer Vögel legen, immer nach ſich zieht. Dagegen läßt ſich nun freilich wieder einwenden, daß ein Kukuk in Vertilgung der Kerbthiere mehr leiſte, als fünf oder ſechs kleine Sänger, und ſo wird es als wohlgethan erſcheinen, wenn wir den Kukuken unſern Schutz gewähren.
Unſer Kukuk oder Gauch(Cuculus canorus) vertritt die Sippe der Kukuke im engſten Sinne und kennzeichnet ſich durch ſchlanken Leib, kleinen, ſchwachen, ſanft gebogenen Schnabel, lange, ſpitze Flügel, ſehr langen, gerundeten Schwanz, kurze, theilweiſe befiederte Füße und ein ziemlich weiches, düſterfarbiges Gefieder. Das Männchen iſt auf der Oberfeite aſchgraublau oder dunkelaſch- grau, auf der Unterſeite grauweiß, ſchwärzlich in die Quere gewellt; die Kehle, die Wangen, die Gurgel und die Halsſeiten bis zur Bruſt herab ſind rein aſchgrau, die Schwingen bleiſchwarz, die Steuer- federn ſchwarz, weiß gefleckt. Das Ange iſt hochgelb, der Schnabel ſchwarz, gilblich an der Wurzel, der Fuß gelb. Das alte Weibchen ähnelt dem Männchen, hat aber am Hinterhalſe und an den Seiten des Unterhalſes wenig bemerkbare röthliche Binden. Die jungen Vögel ſind oben und unten quer gewellt, junge Weibchen auf der Oberſeite oft auf roſtbraunem Grunde mit ſtark hervortretenden Querbinden gezeichnet. Die Länge beträgt 14, die Breite 24½, die Fittiglänge 9, die Schwanz- länge 7¾ Zoll. Das Weibchen iſt um mehr als 1 Zoll kürzer und ſchmäler.
Jn Europa, Aſien und Afrika gibt es wenig Länder oder Gegenden, in denen der Kukuk nicht beobachtet worden iſt. Als Brutvogel bewohnt er den Norden der alten Welt, Europa vom Nordkap an bis zum Kap Tarifa, den Norden aber viel häufiger, als den Süden. Von hier wandert er nach Süden, von Sibirien aus durch China und ganz Jndien bis auf die javaniſchen, die Sundainſeln und nach Ceylon, von Europa aus bis nach Südweſtafrika. Jn allen Ländern Oſt-Sudahns, welche ich durchreiſte, habe ich auch den Kukuk geſehen, aber noch nirgends in der Winterherberge, und ich weiß nicht, wie weit er ſeine Wanderung eigentlich ausdehnen mag. Bei uns zu Lande erſcheint er um die Mitte des April, in Skandinavien hingegen erſt Anfangs oder ſelbſt Mitte Mais; hier wie da aber verweilt er nur bis Anfangs September, und ſchon am 11. dieſes Monats bin ich ihm in Südnubien begegnet. Ausnahmsweiſe traf ich ihn bereits am 14. Juli bei Alexandrien als Wandervogel an.
Jn Deutſchland hört man den Kukuk in allen Waldungen, gleichviel, ob dieſelben aus Nadel- oder ob ſie aus Laubbäumen beſtehen. Jn Südeuropa iſt er weit ſeltener als bei uns, da, wo es Waldungen gibt, aber doch wenigſtens noch Brutvogel; in Skandinavien hingegen gehört er zu den
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Die Späher. Leichtſchnäbler. Kukuke.
Arten der Familie ſagt man nach, daß ſie auch kleine Wirbelthiere, Lurche z. B., nicht verſchmähen,
und alle ohne Ausnahme gelten, höchſt wahrſcheinlich mit vollem Rechte, als Neſträuber und zwar
als ſolche, welche die Eier nicht blos wegnehmen, ſondern auch verſchlingen. Dieſes einigermaßen
auffallende Raubgelüſt erklärt ſich durch die Fortpflanzung der Kukuke. Sämmtliche Arten der
Familie unterziehen ſich nämlich der Bebrütung ihrer Eier nicht ſelbſt, ſondern bürden die Pflege ihrer
Brut andern Vögeln auf, indem ſie ihre Eier in deren Neſter legen. Dabei pflegen ſie mindeſtens
ein Ei aus dem Neſte der erkorenen Pflegeeltern herauszunehmen, und dieſes iſt es, welches
gelegentlich auch mit verſchlungen wird. Die Thatſache iſt oft geleugnet worden, unterliegt aber,
vielfachen Beobachtungen zufolge, gar keinem Zweifel. Ueber die Urſache des Nichtbrütens hat man
ſehr verſchiedene Annahmen aufgeſtellt und zu unterſtützen geſucht, bis jetzt aber durchaus noch keinen
ſchlagenden Grund zu entdecken vermocht.
Für Manchen ſcheint es fraglich, ob wir die Kukuke als nützliche oder als ſchädliche Vögel anzu-
ſehen haben. Unbeſtreitbar leiſten ſie große Dienſte durch Aufzehren der gegen die Angriffe anderer
Kerbthierräuber gewappneten haarigen Raupen; aber ebenſo unzweifelhaft verurſachen ſie durch das
Unterſchieben ihrer Eier fühlbaren Schaden, da die Erziehung eines Kukuks regelmäßig die Ver-
nichtung der Stiefgeſchwiſter, bei denjenigen Arten, welche ihre Eier in die Neſter kleinerer Vögel legen,
immer nach ſich zieht. Dagegen läßt ſich nun freilich wieder einwenden, daß ein Kukuk in Vertilgung
der Kerbthiere mehr leiſte, als fünf oder ſechs kleine Sänger, und ſo wird es als wohlgethan
erſcheinen, wenn wir den Kukuken unſern Schutz gewähren.
Unſer Kukuk oder Gauch (Cuculus canorus) vertritt die Sippe der Kukuke im engſten Sinne
und kennzeichnet ſich durch ſchlanken Leib, kleinen, ſchwachen, ſanft gebogenen Schnabel, lange,
ſpitze Flügel, ſehr langen, gerundeten Schwanz, kurze, theilweiſe befiederte Füße und ein ziemlich
weiches, düſterfarbiges Gefieder. Das Männchen iſt auf der Oberfeite aſchgraublau oder dunkelaſch-
grau, auf der Unterſeite grauweiß, ſchwärzlich in die Quere gewellt; die Kehle, die Wangen, die Gurgel
und die Halsſeiten bis zur Bruſt herab ſind rein aſchgrau, die Schwingen bleiſchwarz, die Steuer-
federn ſchwarz, weiß gefleckt. Das Ange iſt hochgelb, der Schnabel ſchwarz, gilblich an der Wurzel,
der Fuß gelb. Das alte Weibchen ähnelt dem Männchen, hat aber am Hinterhalſe und an den
Seiten des Unterhalſes wenig bemerkbare röthliche Binden. Die jungen Vögel ſind oben und unten
quer gewellt, junge Weibchen auf der Oberſeite oft auf roſtbraunem Grunde mit ſtark hervortretenden
Querbinden gezeichnet. Die Länge beträgt 14, die Breite 24½, die Fittiglänge 9, die Schwanz-
länge 7¾ Zoll. Das Weibchen iſt um mehr als 1 Zoll kürzer und ſchmäler.
Jn Europa, Aſien und Afrika gibt es wenig Länder oder Gegenden, in denen der Kukuk nicht
beobachtet worden iſt. Als Brutvogel bewohnt er den Norden der alten Welt, Europa vom Nordkap
an bis zum Kap Tarifa, den Norden aber viel häufiger, als den Süden. Von hier wandert er nach
Süden, von Sibirien aus durch China und ganz Jndien bis auf die javaniſchen, die Sundainſeln und
nach Ceylon, von Europa aus bis nach Südweſtafrika. Jn allen Ländern Oſt-Sudahns, welche ich
durchreiſte, habe ich auch den Kukuk geſehen, aber noch nirgends in der Winterherberge, und ich weiß nicht,
wie weit er ſeine Wanderung eigentlich ausdehnen mag. Bei uns zu Lande erſcheint er um die Mitte
des April, in Skandinavien hingegen erſt Anfangs oder ſelbſt Mitte Mais; hier wie da aber verweilt
er nur bis Anfangs September, und ſchon am 11. dieſes Monats bin ich ihm in Südnubien begegnet.
Ausnahmsweiſe traf ich ihn bereits am 14. Juli bei Alexandrien als Wandervogel an.
Jn Deutſchland hört man den Kukuk in allen Waldungen, gleichviel, ob dieſelben aus Nadel-
oder ob ſie aus Laubbäumen beſtehen. Jn Südeuropa iſt er weit ſeltener als bei uns, da, wo es
Waldungen gibt, aber doch wenigſtens noch Brutvogel; in Skandinavien hingegen gehört er zu den
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/216>, abgerufen am 24.11.2024.
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