"Eigenthümlich ist, daß sie gern Salz fressen. Jn der Nähe von Salinen sieht man sie immer in großer Anzahl, und hier bedecken sie ebensowohl den ganzen Grund, als die benachbarten Bäume, manchmal in solcher Menge, daß man nichts Anderes sieht, als ihr glänzendes und schimmerndes Gefieder."
Ueber das Gefangenleben theilt Wilson Folgendes mit: "Neugierig zu erfahren, ob der Papa- gei sich leicht zähmen lasse oder nicht, beschloß ich einen am Flügel leicht verwundeten in meine Pflege zu nehmen. Jch bereitete ihm eine Art von Bauer am Stern meines Bootes und warf ihm hier Kletten vor, welche er sofort nach seiner Ankunft an Bord annahm. Während der ersten Tage theilte er seine Zeit ziemlich regelmäßig ein in Schlafen und Fressen. Dazwischen benagte er die Stäbe seines Käfigs."
"Als ich den Strom verließ und über Land reiste, führte ich ihn in einem seidenen Schnupftuch mit mir, ungeachtet aller Beschwerde, welche ein derartiges Beginnen nothwendigerweise mit sich brachte. Die Wege waren damals unter aller Beschreibung schlecht: es gab gefährliche Bäche und Flüsse zu durchschwimmen, ganze Meilen im Morast oder im Dickicht zurückzulegen und andere Hindernisse zu besiegen. Sehr häufig entkam der Papagei aus meiner Tasche, zwang mich, vom Pferde abzusteigen und ihn in dem Dickicht oder Morast wieder aufzusuchen. Bei solchen Gelegen- heiten dachte ich oft daran, ihn im Stiche zu lassen; doch führte ich meinen Vorsatz niemals aus. Wenn wir nachts zusammen in den Wäldern lagerten, setzte ich ihn auf mein weniges Gepäck neben mich; am andern Morgen nahm ich ihn wieder auf. Auf diese Weise habe ich ihn mehr als tausend Meilen mit mir geführt. Als ich in die Jagdgründe der Jndianer kam, wurde ich regelmäßig von diesen Leuten umringt, von Männern, Frauen und Kindern, welche unter lautem Lachen und anscheinend verwundert meinen neuen Gefährten betrachteten. Die Chickasaws nannten ihn in ihrer Sprache Kelinky, änderten diesen Namen aber sofort um, als sie hörten, daß ich den Papagei Polly benamset hatte. Ja, Polly wurde später immer das Mittel zur Befreundung zwischen mir und diesem Volke. Nachdem ich bei meinem Freund Dunbar angekommen war, verschaffte ich mir einen Käfig und setzte diesen unter den Vorbau des Hauses. Hier rief mein Gefangener sehr bald die vorüber- eilenden Flüge herbei, und tagtäglich sahen wir nunmehr zahlreiche Scharen um unser Haus herum, welche die lebhafteste Unterhaltung mit Polly begannen. Einen von ihnen, welcher ebenfalls leicht im Flügel verwundet worden war, steckte ich in Polly's Käfig zum größten Vergnügen der bisher Vereinsamten. Sie näherte sich ihm augenblicklich, flüsterte ihm ihre Theilnahme an seinem Unglück zu, streichelte ihn mit dem Schnabel Haupt und Nacken und schloß sich ihm überhaupt aufs innigste an. Der Neuling starb, und Polly war mehrere Tage lang ruhelos und untröstlich. Jch brachte nun einen Spiegel neben den Platz, wo sie gewöhnlich saß; sie erschaute ihr Bild, und ihre frühere Glück- seligkeit schien zurückzukehren: sie war wenigstens eine Zeitlang außer sich vor Freude. Rührend war es zu sehen, wie sie, wenn der Abend sich nahete, ihr Haupt hart an das Bild im Spiegel legte und dann ihre Befriedigung durch flüsternde Rufe ausdrückte."
"Nach kurzer Zeit kannte sie den ihr beigelegten Namen und antwortete, wenn sie angerufen wurde. Sie kletterte auch auf mir herum, setzte sich auf meine Schulter und nahm mir den Bissen aus dem Munde. Zweifellos würde ich ihre Erziehung ganz vollendet haben, hätte nicht ein unglück- licher Zufall sie ums Leben gebracht. Die arme Polly verließ eines Morgens, während ich noch schlief, ihren Käfig, flog über Bord und ertrank im Golf von Mejiko."
Der Prinz bestätigt im wesentlichen vorstehende Schilderung. Er fand die Vögel am Mississippi während der Frühjahrsmonate oft in ungeheuren Scharen, obwohl sie von ihren erbittertsten Feinden, den Pflanzern, arg verfolgt wurden. Am untern Missouri wurden sie auch noch bemerkt, am obern kamen sie nicht mehr vor. Jndianer in der Nähe des Fort Union trugen Felle dieser Vögel als Zier- rath an ihrem Kopfe. Die Gefangenen, welche der Prinz hielt, nahmen sogleich Nahrung an und wurden auch sehr bald zahm. Anfangs bissen sie allerdings Denjenigen, welcher sie angriff; bald aber gewöhnten sie sich an den Menschen. Ein Gefangener des Prinzen endete ebenfalls auf traurige Weise. Er war in der kalten Jahreszeit gefangen worden und suchte im Zimmer sehnsüchtig
Brehm, Thierleben. III. 5
Karolinenperikitt.
„Eigenthümlich iſt, daß ſie gern Salz freſſen. Jn der Nähe von Salinen ſieht man ſie immer in großer Anzahl, und hier bedecken ſie ebenſowohl den ganzen Grund, als die benachbarten Bäume, manchmal in ſolcher Menge, daß man nichts Anderes ſieht, als ihr glänzendes und ſchimmerndes Gefieder.‟
Ueber das Gefangenleben theilt Wilſon Folgendes mit: „Neugierig zu erfahren, ob der Papa- gei ſich leicht zähmen laſſe oder nicht, beſchloß ich einen am Flügel leicht verwundeten in meine Pflege zu nehmen. Jch bereitete ihm eine Art von Bauer am Stern meines Bootes und warf ihm hier Kletten vor, welche er ſofort nach ſeiner Ankunft an Bord annahm. Während der erſten Tage theilte er ſeine Zeit ziemlich regelmäßig ein in Schlafen und Freſſen. Dazwiſchen benagte er die Stäbe ſeines Käfigs.‟
„Als ich den Strom verließ und über Land reiſte, führte ich ihn in einem ſeidenen Schnupftuch mit mir, ungeachtet aller Beſchwerde, welche ein derartiges Beginnen nothwendigerweiſe mit ſich brachte. Die Wege waren damals unter aller Beſchreibung ſchlecht: es gab gefährliche Bäche und Flüſſe zu durchſchwimmen, ganze Meilen im Moraſt oder im Dickicht zurückzulegen und andere Hinderniſſe zu beſiegen. Sehr häufig entkam der Papagei aus meiner Taſche, zwang mich, vom Pferde abzuſteigen und ihn in dem Dickicht oder Moraſt wieder aufzuſuchen. Bei ſolchen Gelegen- heiten dachte ich oft daran, ihn im Stiche zu laſſen; doch führte ich meinen Vorſatz niemals aus. Wenn wir nachts zuſammen in den Wäldern lagerten, ſetzte ich ihn auf mein weniges Gepäck neben mich; am andern Morgen nahm ich ihn wieder auf. Auf dieſe Weiſe habe ich ihn mehr als tauſend Meilen mit mir geführt. Als ich in die Jagdgründe der Jndianer kam, wurde ich regelmäßig von dieſen Leuten umringt, von Männern, Frauen und Kindern, welche unter lautem Lachen und anſcheinend verwundert meinen neuen Gefährten betrachteten. Die Chickaſaws nannten ihn in ihrer Sprache Kelinky, änderten dieſen Namen aber ſofort um, als ſie hörten, daß ich den Papagei Polly benamſet hatte. Ja, Polly wurde ſpäter immer das Mittel zur Befreundung zwiſchen mir und dieſem Volke. Nachdem ich bei meinem Freund Dunbar angekommen war, verſchaffte ich mir einen Käfig und ſetzte dieſen unter den Vorbau des Hauſes. Hier rief mein Gefangener ſehr bald die vorüber- eilenden Flüge herbei, und tagtäglich ſahen wir nunmehr zahlreiche Scharen um unſer Haus herum, welche die lebhafteſte Unterhaltung mit Polly begannen. Einen von ihnen, welcher ebenfalls leicht im Flügel verwundet worden war, ſteckte ich in Polly’s Käfig zum größten Vergnügen der bisher Vereinſamten. Sie näherte ſich ihm augenblicklich, flüſterte ihm ihre Theilnahme an ſeinem Unglück zu, ſtreichelte ihn mit dem Schnabel Haupt und Nacken und ſchloß ſich ihm überhaupt aufs innigſte an. Der Neuling ſtarb, und Polly war mehrere Tage lang ruhelos und untröſtlich. Jch brachte nun einen Spiegel neben den Platz, wo ſie gewöhnlich ſaß; ſie erſchaute ihr Bild, und ihre frühere Glück- ſeligkeit ſchien zurückzukehren: ſie war wenigſtens eine Zeitlang außer ſich vor Freude. Rührend war es zu ſehen, wie ſie, wenn der Abend ſich nahete, ihr Haupt hart an das Bild im Spiegel legte und dann ihre Befriedigung durch flüſternde Rufe ausdrückte.‟
„Nach kurzer Zeit kannte ſie den ihr beigelegten Namen und antwortete, wenn ſie angerufen wurde. Sie kletterte auch auf mir herum, ſetzte ſich auf meine Schulter und nahm mir den Biſſen aus dem Munde. Zweifellos würde ich ihre Erziehung ganz vollendet haben, hätte nicht ein unglück- licher Zufall ſie ums Leben gebracht. Die arme Polly verließ eines Morgens, während ich noch ſchlief, ihren Käfig, flog über Bord und ertrank im Golf von Mejiko.‟
Der Prinz beſtätigt im weſentlichen vorſtehende Schilderung. Er fand die Vögel am Miſſiſſippi während der Frühjahrsmonate oft in ungeheuren Scharen, obwohl ſie von ihren erbittertſten Feinden, den Pflanzern, arg verfolgt wurden. Am untern Miſſouri wurden ſie auch noch bemerkt, am obern kamen ſie nicht mehr vor. Jndianer in der Nähe des Fort Union trugen Felle dieſer Vögel als Zier- rath an ihrem Kopfe. Die Gefangenen, welche der Prinz hielt, nahmen ſogleich Nahrung an und wurden auch ſehr bald zahm. Anfangs biſſen ſie allerdings Denjenigen, welcher ſie angriff; bald aber gewöhnten ſie ſich an den Menſchen. Ein Gefangener des Prinzen endete ebenfalls auf traurige Weiſe. Er war in der kalten Jahreszeit gefangen worden und ſuchte im Zimmer ſehnſüchtig
Brehm, Thierleben. III. 5
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[65/0081]
Karolinenperikitt.
„Eigenthümlich iſt, daß ſie gern Salz freſſen. Jn der Nähe von Salinen ſieht man ſie immer in großer
Anzahl, und hier bedecken ſie ebenſowohl den ganzen Grund, als die benachbarten Bäume, manchmal
in ſolcher Menge, daß man nichts Anderes ſieht, als ihr glänzendes und ſchimmerndes Gefieder.‟
Ueber das Gefangenleben theilt Wilſon Folgendes mit: „Neugierig zu erfahren, ob der Papa-
gei ſich leicht zähmen laſſe oder nicht, beſchloß ich einen am Flügel leicht verwundeten in meine Pflege
zu nehmen. Jch bereitete ihm eine Art von Bauer am Stern meines Bootes und warf ihm hier
Kletten vor, welche er ſofort nach ſeiner Ankunft an Bord annahm. Während der erſten Tage theilte
er ſeine Zeit ziemlich regelmäßig ein in Schlafen und Freſſen. Dazwiſchen benagte er die Stäbe
ſeines Käfigs.‟
„Als ich den Strom verließ und über Land reiſte, führte ich ihn in einem ſeidenen Schnupftuch
mit mir, ungeachtet aller Beſchwerde, welche ein derartiges Beginnen nothwendigerweiſe mit ſich
brachte. Die Wege waren damals unter aller Beſchreibung ſchlecht: es gab gefährliche Bäche und
Flüſſe zu durchſchwimmen, ganze Meilen im Moraſt oder im Dickicht zurückzulegen und andere
Hinderniſſe zu beſiegen. Sehr häufig entkam der Papagei aus meiner Taſche, zwang mich, vom
Pferde abzuſteigen und ihn in dem Dickicht oder Moraſt wieder aufzuſuchen. Bei ſolchen Gelegen-
heiten dachte ich oft daran, ihn im Stiche zu laſſen; doch führte ich meinen Vorſatz niemals aus. Wenn
wir nachts zuſammen in den Wäldern lagerten, ſetzte ich ihn auf mein weniges Gepäck neben mich;
am andern Morgen nahm ich ihn wieder auf. Auf dieſe Weiſe habe ich ihn mehr als tauſend Meilen
mit mir geführt. Als ich in die Jagdgründe der Jndianer kam, wurde ich regelmäßig von dieſen
Leuten umringt, von Männern, Frauen und Kindern, welche unter lautem Lachen und anſcheinend
verwundert meinen neuen Gefährten betrachteten. Die Chickaſaws nannten ihn in ihrer Sprache
Kelinky, änderten dieſen Namen aber ſofort um, als ſie hörten, daß ich den Papagei Polly
benamſet hatte. Ja, Polly wurde ſpäter immer das Mittel zur Befreundung zwiſchen mir und dieſem
Volke. Nachdem ich bei meinem Freund Dunbar angekommen war, verſchaffte ich mir einen Käfig
und ſetzte dieſen unter den Vorbau des Hauſes. Hier rief mein Gefangener ſehr bald die vorüber-
eilenden Flüge herbei, und tagtäglich ſahen wir nunmehr zahlreiche Scharen um unſer Haus herum,
welche die lebhafteſte Unterhaltung mit Polly begannen. Einen von ihnen, welcher ebenfalls leicht
im Flügel verwundet worden war, ſteckte ich in Polly’s Käfig zum größten Vergnügen der bisher
Vereinſamten. Sie näherte ſich ihm augenblicklich, flüſterte ihm ihre Theilnahme an ſeinem Unglück
zu, ſtreichelte ihn mit dem Schnabel Haupt und Nacken und ſchloß ſich ihm überhaupt aufs innigſte
an. Der Neuling ſtarb, und Polly war mehrere Tage lang ruhelos und untröſtlich. Jch brachte nun
einen Spiegel neben den Platz, wo ſie gewöhnlich ſaß; ſie erſchaute ihr Bild, und ihre frühere Glück-
ſeligkeit ſchien zurückzukehren: ſie war wenigſtens eine Zeitlang außer ſich vor Freude. Rührend war
es zu ſehen, wie ſie, wenn der Abend ſich nahete, ihr Haupt hart an das Bild im Spiegel legte und
dann ihre Befriedigung durch flüſternde Rufe ausdrückte.‟
„Nach kurzer Zeit kannte ſie den ihr beigelegten Namen und antwortete, wenn ſie angerufen
wurde. Sie kletterte auch auf mir herum, ſetzte ſich auf meine Schulter und nahm mir den Biſſen
aus dem Munde. Zweifellos würde ich ihre Erziehung ganz vollendet haben, hätte nicht ein unglück-
licher Zufall ſie ums Leben gebracht. Die arme Polly verließ eines Morgens, während ich noch
ſchlief, ihren Käfig, flog über Bord und ertrank im Golf von Mejiko.‟
Der Prinz beſtätigt im weſentlichen vorſtehende Schilderung. Er fand die Vögel am Miſſiſſippi
während der Frühjahrsmonate oft in ungeheuren Scharen, obwohl ſie von ihren erbittertſten Feinden,
den Pflanzern, arg verfolgt wurden. Am untern Miſſouri wurden ſie auch noch bemerkt, am obern
kamen ſie nicht mehr vor. Jndianer in der Nähe des Fort Union trugen Felle dieſer Vögel als Zier-
rath an ihrem Kopfe. Die Gefangenen, welche der Prinz hielt, nahmen ſogleich Nahrung an und
wurden auch ſehr bald zahm. Anfangs biſſen ſie allerdings Denjenigen, welcher ſie angriff; bald
aber gewöhnten ſie ſich an den Menſchen. Ein Gefangener des Prinzen endete ebenfalls auf
traurige Weiſe. Er war in der kalten Jahreszeit gefangen worden und ſuchte im Zimmer ſehnſüchtig
Brehm, Thierleben. III. 5
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/81>, abgerufen am 23.11.2024.
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