Ohio dahinfliegen zu sehen. Zuweilen sieht man einzelne auch noch nördlicher, selbst in der Nähe Albanis; doch sind diese nur als Verirrte anzusehen, und zudem muß eine Bemerkung des Prinzen von Wied hier Erwähnung finden, welcher uns mittheilt, daß man gegenwärtig den Vogel bei weitem nicht mehr so hoch im Norden sehe, als ehemals, wie er überhaupt viel seltener geworden sei. Bevorzugte Wohnplätze dieser Papageien sind alle Gegenden, deren reicher Boden mit einem Unkraut, Runzel- klette genannt, bewachsen ist, weil dessen Kapseln ihnen ungeachtet der dichten Bewaffnung mit langen Stacheln nicht unangreifbar sind und eine gesuchte Nahrung liefern. Nebenbei fallen sie freilich auch massenhaft in die Pflanzungen ein und thun hier oft großen Schaden, weil sie weit mehr ver- wüsten, als sie fressen, sind deshalb arg gehaßt von den Landbewohnern und werden eifrig verfolgt.
Ueber Lebensweise und Betragen unserer Vögel haben wir durch Wilson, Audubon und Prinz von Wied ausführliche Berichte erhalten.
"Der Karolinenperikitt", sagt Audubon, "begnügt sich keineswegs mit Runzelkletten, sondern frißt oder zerstört alle möglichen Arten von Früchten unerbittlich und ist deswegen der unwillkom- menste Besucher für den Pflanzer, den Bauer oder den Gärtner. Die Getreidefeimen in den Feldern werden oft von Flügen dieser Vögel besucht, welche dieselben so vollständig bedecken, daß die Haufen den gleichen Anblick gewähren, als wenn sie mit einem glänzend gefärbten Teppich überdeckt wären. Sie hängen sich rund herum am Feimen auf, ziehen das Stroh heraus und zerstören zweimal so viel von den Körnern, als zur Stillung ihres Hungers genügen würden. Sie überfallen die Birnen- und Apfelbäume, wenn die Frucht noch sehr klein und unreif ist und zwar hauptsächlich der Samenkerne wegen. Ebenso, wie im Kornfeld, fallen sie haufenweise auf den Obstbäumen im Garten ein, pflücken die Früchte, öffnen sie an einer Stelle, nehmen die weichen und milchigen Kerne heraus, werfen die Frucht zu Boden, pflücken eine andere und gehen so von Zweig zu Zweig, bis der Baum, welcher vorher so versprechend aussah, seiner Früchte völlig ledig ist. Den meisten übrigen Früchten bringen sie eben solchen Schaden; nur der Mais zieht niemals ihre Aufmerksamkeit auf sich. Es versteht sich von selbst, daß diese Uebergriffe in die Gerechtsame des Pflanzers von diesen gerächt und den Papa- geien förmliche Schlachten geliefert werden. Oft fällt ein einziger Schuß ihrer zehn oder zwanzig; aber die überlebenden kehren doch immer und immer wieder zu demselben Ort zurück: so habe ich erfahren, daß mehre hunderte dieser Vögel in wenig Stunden erlegt wurden."
"Der Karolinenpapagei", erzählt Wilson, "ist ein sehr geselliger Vogel, welcher seines Gleichen die treueste Anhänglichkeit in Freud und Leid beweist. Wenn man unter einen Flug von ihnen schießt und Einen verwundet, kehrt die Gesellschaft augenblicklich zu diesem zurück, umschwärmt ihn unter lautem, ängstlichem Geschrei in der Absicht, ihm Hilfe zu leisten, und läßt sich auch wohl auf dem näch- sten Baume davon nieder. Auch die nachfolgenden Schüsse verändern dann ihr Betragen nicht; sie scheinen vielmehr die Aufopferung der Andern zu erhöhen, welche immer näher und rücksichtsloser die Gefallenen klagend umfliegen. Jhre Geselligkeit und gegenseitige Freundschaft zeigt sich auch oft wie bei den Unzertrennlichen: der eine putzt und kratzt den andern, und dieser erwiedert diesel- ben Liebkosungen; das Pärchen sitzt immer dicht neben einander u. s. w."
"Schwerlich kann es einen auffallenderen Gegensatz geben, als den raschen Flug der Karolinen- papageien, verglichen mit ihrem lahmen, unbehilflichen Gang zwischen den Zweigen und noch mehr auf dem Boden. Jm Flug ähneln sie sehr den Tauben. Sie halten sich in geschlossenen Schwärmen und stürmen mit großer Schnelligkeit unter lautem und weitschallendem, spechtartigem Geschrei dahin, gewöhnlich in einer geraden Linie, gelegentlich aber auch in sehr anmuthig gewundenen Schlangenlinien, welche sie, wie es scheint, zu ihrem Vergnügen plötzlich und wiederholt verändern."
"Jhre Lieblingsbäume sind die großen Sikomoren und Platanen, in deren Höhlungen sie Her- berge finden. Jhrer Dreißig und Vierzig und zuweilen, namentlich bei strenger Kälte noch mehrere, schlüpfen oft in dieselbe Höhle. Hier hängen sie sich an den Seitenwänden wie die Spechte an, indem sie sich mit den Klauen und dem Schnabel anklammern. Es scheint, daß sie viel schlafen; wenigstens ziehen sie sich oft bei Tage in ihre Höhlen zurück, um einen kurzen Mittagsschlummer zu halten."
Knacker. Die Papageien. Keilſchwänze.
Ohio dahinfliegen zu ſehen. Zuweilen ſieht man einzelne auch noch nördlicher, ſelbſt in der Nähe Albanis; doch ſind dieſe nur als Verirrte anzuſehen, und zudem muß eine Bemerkung des Prinzen von Wied hier Erwähnung finden, welcher uns mittheilt, daß man gegenwärtig den Vogel bei weitem nicht mehr ſo hoch im Norden ſehe, als ehemals, wie er überhaupt viel ſeltener geworden ſei. Bevorzugte Wohnplätze dieſer Papageien ſind alle Gegenden, deren reicher Boden mit einem Unkraut, Runzel- klette genannt, bewachſen iſt, weil deſſen Kapſeln ihnen ungeachtet der dichten Bewaffnung mit langen Stacheln nicht unangreifbar ſind und eine geſuchte Nahrung liefern. Nebenbei fallen ſie freilich auch maſſenhaft in die Pflanzungen ein und thun hier oft großen Schaden, weil ſie weit mehr ver- wüſten, als ſie freſſen, ſind deshalb arg gehaßt von den Landbewohnern und werden eifrig verfolgt.
Ueber Lebensweiſe und Betragen unſerer Vögel haben wir durch Wilſon, Audubon und Prinz von Wied ausführliche Berichte erhalten.
„Der Karolinenperikitt‟, ſagt Audubon, „begnügt ſich keineswegs mit Runzelkletten, ſondern frißt oder zerſtört alle möglichen Arten von Früchten unerbittlich und iſt deswegen der unwillkom- menſte Beſucher für den Pflanzer, den Bauer oder den Gärtner. Die Getreidefeimen in den Feldern werden oft von Flügen dieſer Vögel beſucht, welche dieſelben ſo vollſtändig bedecken, daß die Haufen den gleichen Anblick gewähren, als wenn ſie mit einem glänzend gefärbten Teppich überdeckt wären. Sie hängen ſich rund herum am Feimen auf, ziehen das Stroh heraus und zerſtören zweimal ſo viel von den Körnern, als zur Stillung ihres Hungers genügen würden. Sie überfallen die Birnen- und Apfelbäume, wenn die Frucht noch ſehr klein und unreif iſt und zwar hauptſächlich der Samenkerne wegen. Ebenſo, wie im Kornfeld, fallen ſie haufenweiſe auf den Obſtbäumen im Garten ein, pflücken die Früchte, öffnen ſie an einer Stelle, nehmen die weichen und milchigen Kerne heraus, werfen die Frucht zu Boden, pflücken eine andere und gehen ſo von Zweig zu Zweig, bis der Baum, welcher vorher ſo verſprechend ausſah, ſeiner Früchte völlig ledig iſt. Den meiſten übrigen Früchten bringen ſie eben ſolchen Schaden; nur der Mais zieht niemals ihre Aufmerkſamkeit auf ſich. Es verſteht ſich von ſelbſt, daß dieſe Uebergriffe in die Gerechtſame des Pflanzers von dieſen gerächt und den Papa- geien förmliche Schlachten geliefert werden. Oft fällt ein einziger Schuß ihrer zehn oder zwanzig; aber die überlebenden kehren doch immer und immer wieder zu demſelben Ort zurück: ſo habe ich erfahren, daß mehre hunderte dieſer Vögel in wenig Stunden erlegt wurden.‟
„Der Karolinenpapagei‟, erzählt Wilſon, „iſt ein ſehr geſelliger Vogel, welcher ſeines Gleichen die treueſte Anhänglichkeit in Freud und Leid beweiſt. Wenn man unter einen Flug von ihnen ſchießt und Einen verwundet, kehrt die Geſellſchaft augenblicklich zu dieſem zurück, umſchwärmt ihn unter lautem, ängſtlichem Geſchrei in der Abſicht, ihm Hilfe zu leiſten, und läßt ſich auch wohl auf dem näch- ſten Baume davon nieder. Auch die nachfolgenden Schüſſe verändern dann ihr Betragen nicht; ſie ſcheinen vielmehr die Aufopferung der Andern zu erhöhen, welche immer näher und rückſichtsloſer die Gefallenen klagend umfliegen. Jhre Geſelligkeit und gegenſeitige Freundſchaft zeigt ſich auch oft wie bei den Unzertrennlichen: der eine putzt und kratzt den andern, und dieſer erwiedert dieſel- ben Liebkoſungen; das Pärchen ſitzt immer dicht neben einander u. ſ. w.‟
„Schwerlich kann es einen auffallenderen Gegenſatz geben, als den raſchen Flug der Karolinen- papageien, verglichen mit ihrem lahmen, unbehilflichen Gang zwiſchen den Zweigen und noch mehr auf dem Boden. Jm Flug ähneln ſie ſehr den Tauben. Sie halten ſich in geſchloſſenen Schwärmen und ſtürmen mit großer Schnelligkeit unter lautem und weitſchallendem, ſpechtartigem Geſchrei dahin, gewöhnlich in einer geraden Linie, gelegentlich aber auch in ſehr anmuthig gewundenen Schlangenlinien, welche ſie, wie es ſcheint, zu ihrem Vergnügen plötzlich und wiederholt verändern.‟
„Jhre Lieblingsbäume ſind die großen Sikomoren und Platanen, in deren Höhlungen ſie Her- berge finden. Jhrer Dreißig und Vierzig und zuweilen, namentlich bei ſtrenger Kälte noch mehrere, ſchlüpfen oft in dieſelbe Höhle. Hier hängen ſie ſich an den Seitenwänden wie die Spechte an, indem ſie ſich mit den Klauen und dem Schnabel anklammern. Es ſcheint, daß ſie viel ſchlafen; wenigſtens ziehen ſie ſich oft bei Tage in ihre Höhlen zurück, um einen kurzen Mittagsſchlummer zu halten.‟
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[64/0080]
Knacker. Die Papageien. Keilſchwänze.
Ohio dahinfliegen zu ſehen. Zuweilen ſieht man einzelne auch noch nördlicher, ſelbſt in der Nähe Albanis;
doch ſind dieſe nur als Verirrte anzuſehen, und zudem muß eine Bemerkung des Prinzen von Wied
hier Erwähnung finden, welcher uns mittheilt, daß man gegenwärtig den Vogel bei weitem nicht
mehr ſo hoch im Norden ſehe, als ehemals, wie er überhaupt viel ſeltener geworden ſei. Bevorzugte
Wohnplätze dieſer Papageien ſind alle Gegenden, deren reicher Boden mit einem Unkraut, Runzel-
klette genannt, bewachſen iſt, weil deſſen Kapſeln ihnen ungeachtet der dichten Bewaffnung mit langen
Stacheln nicht unangreifbar ſind und eine geſuchte Nahrung liefern. Nebenbei fallen ſie freilich
auch maſſenhaft in die Pflanzungen ein und thun hier oft großen Schaden, weil ſie weit mehr ver-
wüſten, als ſie freſſen, ſind deshalb arg gehaßt von den Landbewohnern und werden eifrig verfolgt.
Ueber Lebensweiſe und Betragen unſerer Vögel haben wir durch Wilſon, Audubon und
Prinz von Wied ausführliche Berichte erhalten.
„Der Karolinenperikitt‟, ſagt Audubon, „begnügt ſich keineswegs mit Runzelkletten, ſondern
frißt oder zerſtört alle möglichen Arten von Früchten unerbittlich und iſt deswegen der unwillkom-
menſte Beſucher für den Pflanzer, den Bauer oder den Gärtner. Die Getreidefeimen in den Feldern
werden oft von Flügen dieſer Vögel beſucht, welche dieſelben ſo vollſtändig bedecken, daß die Haufen
den gleichen Anblick gewähren, als wenn ſie mit einem glänzend gefärbten Teppich überdeckt wären.
Sie hängen ſich rund herum am Feimen auf, ziehen das Stroh heraus und zerſtören zweimal ſo viel
von den Körnern, als zur Stillung ihres Hungers genügen würden. Sie überfallen die Birnen- und
Apfelbäume, wenn die Frucht noch ſehr klein und unreif iſt und zwar hauptſächlich der Samenkerne
wegen. Ebenſo, wie im Kornfeld, fallen ſie haufenweiſe auf den Obſtbäumen im Garten ein, pflücken die
Früchte, öffnen ſie an einer Stelle, nehmen die weichen und milchigen Kerne heraus, werfen die
Frucht zu Boden, pflücken eine andere und gehen ſo von Zweig zu Zweig, bis der Baum, welcher
vorher ſo verſprechend ausſah, ſeiner Früchte völlig ledig iſt. Den meiſten übrigen Früchten bringen
ſie eben ſolchen Schaden; nur der Mais zieht niemals ihre Aufmerkſamkeit auf ſich. Es verſteht ſich
von ſelbſt, daß dieſe Uebergriffe in die Gerechtſame des Pflanzers von dieſen gerächt und den Papa-
geien förmliche Schlachten geliefert werden. Oft fällt ein einziger Schuß ihrer zehn oder zwanzig;
aber die überlebenden kehren doch immer und immer wieder zu demſelben Ort zurück: ſo habe ich
erfahren, daß mehre hunderte dieſer Vögel in wenig Stunden erlegt wurden.‟
„Der Karolinenpapagei‟, erzählt Wilſon, „iſt ein ſehr geſelliger Vogel, welcher ſeines Gleichen die
treueſte Anhänglichkeit in Freud und Leid beweiſt. Wenn man unter einen Flug von ihnen ſchießt
und Einen verwundet, kehrt die Geſellſchaft augenblicklich zu dieſem zurück, umſchwärmt ihn unter
lautem, ängſtlichem Geſchrei in der Abſicht, ihm Hilfe zu leiſten, und läßt ſich auch wohl auf dem näch-
ſten Baume davon nieder. Auch die nachfolgenden Schüſſe verändern dann ihr Betragen nicht; ſie
ſcheinen vielmehr die Aufopferung der Andern zu erhöhen, welche immer näher und rückſichtsloſer
die Gefallenen klagend umfliegen. Jhre Geſelligkeit und gegenſeitige Freundſchaft zeigt ſich auch
oft wie bei den Unzertrennlichen: der eine putzt und kratzt den andern, und dieſer erwiedert dieſel-
ben Liebkoſungen; das Pärchen ſitzt immer dicht neben einander u. ſ. w.‟
„Schwerlich kann es einen auffallenderen Gegenſatz geben, als den raſchen Flug der Karolinen-
papageien, verglichen mit ihrem lahmen, unbehilflichen Gang zwiſchen den Zweigen und noch mehr
auf dem Boden. Jm Flug ähneln ſie ſehr den Tauben. Sie halten ſich in geſchloſſenen
Schwärmen und ſtürmen mit großer Schnelligkeit unter lautem und weitſchallendem, ſpechtartigem
Geſchrei dahin, gewöhnlich in einer geraden Linie, gelegentlich aber auch in ſehr anmuthig gewundenen
Schlangenlinien, welche ſie, wie es ſcheint, zu ihrem Vergnügen plötzlich und wiederholt verändern.‟
„Jhre Lieblingsbäume ſind die großen Sikomoren und Platanen, in deren Höhlungen ſie Her-
berge finden. Jhrer Dreißig und Vierzig und zuweilen, namentlich bei ſtrenger Kälte noch mehrere,
ſchlüpfen oft in dieſelbe Höhle. Hier hängen ſie ſich an den Seitenwänden wie die Spechte an, indem
ſie ſich mit den Klauen und dem Schnabel anklammern. Es ſcheint, daß ſie viel ſchlafen; wenigſtens
ziehen ſie ſich oft bei Tage in ihre Höhlen zurück, um einen kurzen Mittagsſchlummer zu halten.‟
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/80>, abgerufen am 23.11.2024.
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