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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

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Die Fänger. Singvögel. Würgerschnäpper.
dann, wenn er gerade dort unten eine Beute aufzunehmen hat; von eigentlichem Gehen ist keine
Rede. Auch behufs des Trinkens oder Badens braucht er seine Füße nicht; er besorgt diese Geschäfte
im Fliegen, nach Schwalbenart. Jm Gezweig beweist er nicht mehr Geschick als andere Vögel, welche
ungefähr dieselbe Lebensweise führen. Er wählt sich einen leicht zugänglichen Ast, fußt auf diesen
und versucht sich im Gleichgewicht zu halten; anderweitige Bewegungen vermag er nicht auszuführen.
Unter den Sinnen steht das große, immer lebhafte Auge unzweifelhaft oben an. Der Würger-
schnäpper gewahrt ein fliegendes Kerbthier schon in großer Entfernung, und sein Auge versagt ihm,
wie aus dem Vorhergesagten zu schließen, auch in der Dämmerung seine Dienste nicht. Daß das
Gehör kaum minder tüchtig ist, beweisen diese Vögel durch ihre Singfertigkeit und ein verhältniß-
mäßig bedeutendes Nachahmungsvermögen, welches man wenigstens bei einigen Arten beobachtet hat.
Die gewöhnliche Stimme der Würgerschnäpper ist ein lautes, unangenehmes, rauhes Pfeifen oder ein
eigenthümliches Geknarr, welches schwer wiederzugeben, aber so eigenthümlich sein soll, daß man es
niemals zu verkennen im Stande ist, nachdem man es einmal hörte. Das Geschrei des Bienenkönigs
hat Elliot durch die Silben "Tschirung, tschirung" auszudrücken versucht, den Ruf des afrikanischen
Würgerschnäpper gibt Vaillant mit "Pia griasch" wieder. Von der Königskrähe sagt Jerdon,
daß sie beständig "ihren wohlbekannten, etwas harten, aber fröhlichen Schrei" ausstoße. Wenn
jedoch die Brutzeit herannaht, singen die Männchen fast aller Arten in höchst angenehmer Weise: so
berichten übereinstimmend alle Beobachter. Jerdon sagt, daß manche Leute den Gesang der Königs-
krähe eintönig und unangenehm finden und den Vogel deshalb spottweise Nachtigall nennen; er aber
müsse bekennen, daß er gerade diesen Drongo, den Künder des Tages, immer gern gehört habe.
Vaillant vergleicht das Lied einer afrikanischen Art mit dem Gesang unserer Drossel, welche bekannt-
lich zu den besten Sängern zählt. Die Würgerschnäpper haben jedoch noch andere gute Eigenschaften.
Sie sind nicht blos geschwätzig, sondern auch lebendig, thätig und unter Umständen höchst muthig.
Die Königskrähe verdankt ihren Namen ihrer Gewohnheit, alle Krähen, aber auch alle Falken, welche
ihr Gebiet durchfliegen, anzugreifen und zu verfolgen. Zumal während der Brutzeit, wenn das
Weibchen auf den Eiern sitzt, legt das Männchen die größte Wachsamkeit und dabei eine bewunderungs-
würdige Kühnheit an den Tag. "Sobald eine Krähe oder ein Milan sich dem Nistbaume naht", so
erzählt Jerdon, "stürzt sich der kleine, kühne Drongo mit größter Entschiedenheit eilfertig auf den
Räuber und verfolgt ihn auf weithin. Jch habe allerdings niemals gesehen, daß er sich auf dem
Rücken eines Falken festsetzt und diesen mit dem Schnabel und den Klauen für einige Augenblicke bear-
beitet, wie es beobachtet zu haben Philipps versichert; wohl aber muß ich bestätigen, daß er sich den
Anschein gibt, als wolle er jenen streifen. Gelegentlich vereinigen sich wohl auch andere Drongos
mit dem ersten Angreifer, um den gemeinsamen Feind zu vertreiben." Auch andere Thiere werden
in ähnlicher Weise behelligt. So beobachtete Blyth, daß ein Drongo auf das kleine Palmen-
eichhorn stieß, und Gurney versichert, daß der Singdrongo ohne Besinnen die größten Raubvögel
angeht. Die Dreistigkeit der Würgerschnäpper erreicht den höchsten Grad, wenn einer von ihnen
eine unglückliche Eule oder irgend einen andern auffallenden unbehilflichen Vogel entdeckt hat. Der
freche Zwerg erhebt sich dann wiederholt rasch in die Luft und stößt von oben mit Heftigkeit hernieder,
dabei laute und rauhe Töne ausstoßend und den Schwanz abwechselnd breitend und zusammenlegend.
Daß sich die Kühnheit der Drongos auch im Zweikampf mit Nebenbuhlern zeigt, ist sehr erklärlich:
Jerdon beobachtete, daß zuweilen ihrer vier oder fünf, förmlich zu einem Knäuel geballt, am Boden
auf das heftigste mit einander kämpften.

Alle Würgerschnäpper scheinen sich ausschließlich von Kerbthieren zu nähren, und zwar sind es
vorzugsweise die Bienen und ihre Verwandten, denen sie nachstreben. Die großen Arten verzehren
auch Heuschrecken und Grillen, Wasserjungfern, Schmetterlinge und dergl.; die stechenden Kerbthiere
scheinen aber unter allen Umständen die bevorzugte Beute zu bilden. Daher kommt es denn auch,
daß die Würgerschnäpper nicht überall mit günstigen Augen angesehen werden, sondern als arge Räu-
ber verschrieen sind. Am Vorgebirge der guten Hoffnung nennt man sie geradezu Bienenfresser, und

Die Fänger. Singvögel. Würgerſchnäpper.
dann, wenn er gerade dort unten eine Beute aufzunehmen hat; von eigentlichem Gehen iſt keine
Rede. Auch behufs des Trinkens oder Badens braucht er ſeine Füße nicht; er beſorgt dieſe Geſchäfte
im Fliegen, nach Schwalbenart. Jm Gezweig beweiſt er nicht mehr Geſchick als andere Vögel, welche
ungefähr dieſelbe Lebensweiſe führen. Er wählt ſich einen leicht zugänglichen Aſt, fußt auf dieſen
und verſucht ſich im Gleichgewicht zu halten; anderweitige Bewegungen vermag er nicht auszuführen.
Unter den Sinnen ſteht das große, immer lebhafte Auge unzweifelhaft oben an. Der Würger-
ſchnäpper gewahrt ein fliegendes Kerbthier ſchon in großer Entfernung, und ſein Auge verſagt ihm,
wie aus dem Vorhergeſagten zu ſchließen, auch in der Dämmerung ſeine Dienſte nicht. Daß das
Gehör kaum minder tüchtig iſt, beweiſen dieſe Vögel durch ihre Singfertigkeit und ein verhältniß-
mäßig bedeutendes Nachahmungsvermögen, welches man wenigſtens bei einigen Arten beobachtet hat.
Die gewöhnliche Stimme der Würgerſchnäpper iſt ein lautes, unangenehmes, rauhes Pfeifen oder ein
eigenthümliches Geknarr, welches ſchwer wiederzugeben, aber ſo eigenthümlich ſein ſoll, daß man es
niemals zu verkennen im Stande iſt, nachdem man es einmal hörte. Das Geſchrei des Bienenkönigs
hat Elliot durch die Silben „Tſchirung, tſchirung‟ auszudrücken verſucht, den Ruf des afrikaniſchen
Würgerſchnäpper gibt Vaillant mit „Pia griaſch‟ wieder. Von der Königskrähe ſagt Jerdon,
daß ſie beſtändig „ihren wohlbekannten, etwas harten, aber fröhlichen Schrei‟ ausſtoße. Wenn
jedoch die Brutzeit herannaht, ſingen die Männchen faſt aller Arten in höchſt angenehmer Weiſe: ſo
berichten übereinſtimmend alle Beobachter. Jerdon ſagt, daß manche Leute den Geſang der Königs-
krähe eintönig und unangenehm finden und den Vogel deshalb ſpottweiſe Nachtigall nennen; er aber
müſſe bekennen, daß er gerade dieſen Drongo, den Künder des Tages, immer gern gehört habe.
Vaillant vergleicht das Lied einer afrikaniſchen Art mit dem Geſang unſerer Droſſel, welche bekannt-
lich zu den beſten Sängern zählt. Die Würgerſchnäpper haben jedoch noch andere gute Eigenſchaften.
Sie ſind nicht blos geſchwätzig, ſondern auch lebendig, thätig und unter Umſtänden höchſt muthig.
Die Königskrähe verdankt ihren Namen ihrer Gewohnheit, alle Krähen, aber auch alle Falken, welche
ihr Gebiet durchfliegen, anzugreifen und zu verfolgen. Zumal während der Brutzeit, wenn das
Weibchen auf den Eiern ſitzt, legt das Männchen die größte Wachſamkeit und dabei eine bewunderungs-
würdige Kühnheit an den Tag. „Sobald eine Krähe oder ein Milan ſich dem Niſtbaume naht‟, ſo
erzählt Jerdon, „ſtürzt ſich der kleine, kühne Drongo mit größter Entſchiedenheit eilfertig auf den
Räuber und verfolgt ihn auf weithin. Jch habe allerdings niemals geſehen, daß er ſich auf dem
Rücken eines Falken feſtſetzt und dieſen mit dem Schnabel und den Klauen für einige Augenblicke bear-
beitet, wie es beobachtet zu haben Philipps verſichert; wohl aber muß ich beſtätigen, daß er ſich den
Anſchein gibt, als wolle er jenen ſtreifen. Gelegentlich vereinigen ſich wohl auch andere Drongos
mit dem erſten Angreifer, um den gemeinſamen Feind zu vertreiben.‟ Auch andere Thiere werden
in ähnlicher Weiſe behelligt. So beobachtete Blyth, daß ein Drongo auf das kleine Palmen-
eichhorn ſtieß, und Gurney verſichert, daß der Singdrongo ohne Beſinnen die größten Raubvögel
angeht. Die Dreiſtigkeit der Würgerſchnäpper erreicht den höchſten Grad, wenn einer von ihnen
eine unglückliche Eule oder irgend einen andern auffallenden unbehilflichen Vogel entdeckt hat. Der
freche Zwerg erhebt ſich dann wiederholt raſch in die Luft und ſtößt von oben mit Heftigkeit hernieder,
dabei laute und rauhe Töne ausſtoßend und den Schwanz abwechſelnd breitend und zuſammenlegend.
Daß ſich die Kühnheit der Drongos auch im Zweikampf mit Nebenbuhlern zeigt, iſt ſehr erklärlich:
Jerdon beobachtete, daß zuweilen ihrer vier oder fünf, förmlich zu einem Knäuel geballt, am Boden
auf das heftigſte mit einander kämpften.

Alle Würgerſchnäpper ſcheinen ſich ausſchließlich von Kerbthieren zu nähren, und zwar ſind es
vorzugsweiſe die Bienen und ihre Verwandten, denen ſie nachſtreben. Die großen Arten verzehren
auch Heuſchrecken und Grillen, Waſſerjungfern, Schmetterlinge und dergl.; die ſtechenden Kerbthiere
ſcheinen aber unter allen Umſtänden die bevorzugte Beute zu bilden. Daher kommt es denn auch,
daß die Würgerſchnäpper nicht überall mit günſtigen Augen angeſehen werden, ſondern als arge Räu-
ber verſchrieen ſind. Am Vorgebirge der guten Hoffnung nennt man ſie geradezu Bienenfreſſer, und

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[714/0756] Die Fänger. Singvögel. Würgerſchnäpper. dann, wenn er gerade dort unten eine Beute aufzunehmen hat; von eigentlichem Gehen iſt keine Rede. Auch behufs des Trinkens oder Badens braucht er ſeine Füße nicht; er beſorgt dieſe Geſchäfte im Fliegen, nach Schwalbenart. Jm Gezweig beweiſt er nicht mehr Geſchick als andere Vögel, welche ungefähr dieſelbe Lebensweiſe führen. Er wählt ſich einen leicht zugänglichen Aſt, fußt auf dieſen und verſucht ſich im Gleichgewicht zu halten; anderweitige Bewegungen vermag er nicht auszuführen. Unter den Sinnen ſteht das große, immer lebhafte Auge unzweifelhaft oben an. Der Würger- ſchnäpper gewahrt ein fliegendes Kerbthier ſchon in großer Entfernung, und ſein Auge verſagt ihm, wie aus dem Vorhergeſagten zu ſchließen, auch in der Dämmerung ſeine Dienſte nicht. Daß das Gehör kaum minder tüchtig iſt, beweiſen dieſe Vögel durch ihre Singfertigkeit und ein verhältniß- mäßig bedeutendes Nachahmungsvermögen, welches man wenigſtens bei einigen Arten beobachtet hat. Die gewöhnliche Stimme der Würgerſchnäpper iſt ein lautes, unangenehmes, rauhes Pfeifen oder ein eigenthümliches Geknarr, welches ſchwer wiederzugeben, aber ſo eigenthümlich ſein ſoll, daß man es niemals zu verkennen im Stande iſt, nachdem man es einmal hörte. Das Geſchrei des Bienenkönigs hat Elliot durch die Silben „Tſchirung, tſchirung‟ auszudrücken verſucht, den Ruf des afrikaniſchen Würgerſchnäpper gibt Vaillant mit „Pia griaſch‟ wieder. Von der Königskrähe ſagt Jerdon, daß ſie beſtändig „ihren wohlbekannten, etwas harten, aber fröhlichen Schrei‟ ausſtoße. Wenn jedoch die Brutzeit herannaht, ſingen die Männchen faſt aller Arten in höchſt angenehmer Weiſe: ſo berichten übereinſtimmend alle Beobachter. Jerdon ſagt, daß manche Leute den Geſang der Königs- krähe eintönig und unangenehm finden und den Vogel deshalb ſpottweiſe Nachtigall nennen; er aber müſſe bekennen, daß er gerade dieſen Drongo, den Künder des Tages, immer gern gehört habe. Vaillant vergleicht das Lied einer afrikaniſchen Art mit dem Geſang unſerer Droſſel, welche bekannt- lich zu den beſten Sängern zählt. Die Würgerſchnäpper haben jedoch noch andere gute Eigenſchaften. Sie ſind nicht blos geſchwätzig, ſondern auch lebendig, thätig und unter Umſtänden höchſt muthig. Die Königskrähe verdankt ihren Namen ihrer Gewohnheit, alle Krähen, aber auch alle Falken, welche ihr Gebiet durchfliegen, anzugreifen und zu verfolgen. Zumal während der Brutzeit, wenn das Weibchen auf den Eiern ſitzt, legt das Männchen die größte Wachſamkeit und dabei eine bewunderungs- würdige Kühnheit an den Tag. „Sobald eine Krähe oder ein Milan ſich dem Niſtbaume naht‟, ſo erzählt Jerdon, „ſtürzt ſich der kleine, kühne Drongo mit größter Entſchiedenheit eilfertig auf den Räuber und verfolgt ihn auf weithin. Jch habe allerdings niemals geſehen, daß er ſich auf dem Rücken eines Falken feſtſetzt und dieſen mit dem Schnabel und den Klauen für einige Augenblicke bear- beitet, wie es beobachtet zu haben Philipps verſichert; wohl aber muß ich beſtätigen, daß er ſich den Anſchein gibt, als wolle er jenen ſtreifen. Gelegentlich vereinigen ſich wohl auch andere Drongos mit dem erſten Angreifer, um den gemeinſamen Feind zu vertreiben.‟ Auch andere Thiere werden in ähnlicher Weiſe behelligt. So beobachtete Blyth, daß ein Drongo auf das kleine Palmen- eichhorn ſtieß, und Gurney verſichert, daß der Singdrongo ohne Beſinnen die größten Raubvögel angeht. Die Dreiſtigkeit der Würgerſchnäpper erreicht den höchſten Grad, wenn einer von ihnen eine unglückliche Eule oder irgend einen andern auffallenden unbehilflichen Vogel entdeckt hat. Der freche Zwerg erhebt ſich dann wiederholt raſch in die Luft und ſtößt von oben mit Heftigkeit hernieder, dabei laute und rauhe Töne ausſtoßend und den Schwanz abwechſelnd breitend und zuſammenlegend. Daß ſich die Kühnheit der Drongos auch im Zweikampf mit Nebenbuhlern zeigt, iſt ſehr erklärlich: Jerdon beobachtete, daß zuweilen ihrer vier oder fünf, förmlich zu einem Knäuel geballt, am Boden auf das heftigſte mit einander kämpften. Alle Würgerſchnäpper ſcheinen ſich ausſchließlich von Kerbthieren zu nähren, und zwar ſind es vorzugsweiſe die Bienen und ihre Verwandten, denen ſie nachſtreben. Die großen Arten verzehren auch Heuſchrecken und Grillen, Waſſerjungfern, Schmetterlinge und dergl.; die ſtechenden Kerbthiere ſcheinen aber unter allen Umſtänden die bevorzugte Beute zu bilden. Daher kommt es denn auch, daß die Würgerſchnäpper nicht überall mit günſtigen Augen angeſehen werden, ſondern als arge Räu- ber verſchrieen ſind. Am Vorgebirge der guten Hoffnung nennt man ſie geradezu Bienenfreſſer, und

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 714. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/756>, abgerufen am 22.11.2024.