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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

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Leben der Würgerschnäpper.
nach Vaillant's Versicherung verdienen sie diesen Namen mit vollem Rechte. Letztgenannter Natur-
forscher gibt eine sehr lebendige Beschreibung der Art und Weise ihres Fangs. "Jn der Regel", sagt
er, "jagen die Würgerschnäpper | des Abends vor Sonnenuntergang und des Morgens vor Sonnenaufgang
den betriebsamen Kerbthieren nach. Zu diesem Endzweck vereinigen sich die Jnwohner eines Waldes
auf einem einzeln stehenden Baume, am liebsten auf einem abgestorbenen oder wenigstens auf einem
solchen, welcher viele dürre Aeste hat, und hier warten sie entweder die Rückkunft oder den
ersten Ausflug der Bienen ab, welche, honigbeladen, zu ihren Wohnbäumen im Walde zurück-
kehren oder von denselben herkommen. Es geht dann sehr lebendig und auch geräuschvoll in der
Nähe eines solchen Baumes zu, und Dies gewährt von fern gesehen ein sehr eigenthümliches
Schauspiel. Von ihm kann man sich einen Begriff machen, wenn man sich vorstellen will, daß
gegen dreißig Vögel ohne Unterlaß den Baum umfliegen und währenddem alle die vielen Schwen-
kungen ausführen und die verschiedenen Haken schlagen, welche der Fang der vor ihren wohlbekannten
Feinden flüchtenden Bienen nöthig macht. Einzelne Würgerschnäpper, welche ihre Beute fehlten,
stürzen sich sofort auf eine andere Biene und führen zuweilen fünf oder sechs prächtige Schwenkungen
nach einander aus, bald nach rechts, bald nach links, bald nach oben, bald nach unten sich wendend,
bis ihnen entweder der Fang geglückt oder sie ihrer Anstrengungen müde geworden sind. Jede Bewe-
gung fast wird mit lebhaftem Schreien begleitet, und alle Jagdgenossen einer Gesellschaft schreien zu
gleicher Zeit und in verschiedenen Tönen. ... Unter dem Baume selbst findet man die Ueberreste
der Mahlzeiten in reichlicher Menge, Bienen, denen nur eine Hälfte fehlt, andere, welche schon
gepackt noch zu Boden fielen und noch leben, abgerissene Flügel und dergl. Erst die Zeit,
in welcher die Raubvögel ihre Jagdflüge beginnen, endet die Arbeit der Drongos: die nächtlichen
Räuber nöthigen sie, von ihrem Werke abzulassen."

Beim Betrieb ihrer Jagd beweisen die Würgerschnäpper sehr viel Verstand. Vaillant ist über-
zeugt, daß sie die Zeit, in welcher die Bienen massenhaft zurückkehren, genau beachten; Gurney
beobachtete, daß jeder Steppenbrand sie von fernher herbeizieht. Sie wissen, daß das gefräßige Feuer,
welches den Graswald vernichtet, auch alle in ihm versteckten Kerbthiere auftreibt, kommen deshalb
herbei und halten, Dank ihrer Kühnheit, gute Ernte. Ohne Scheu vor den Flammen stürzen sie sich
durch den dichtesten Rauch und verfolgen noch wenige Fuß über den Flammen das einmal ins Auge
gefaßte Kerbthier. Philipps beobachtete eine eigenthümliche List der Drongos. Ein kleiner kerb-
thierfressender Vogel verfolgte eine große Heuschrecke, nach welcher auch eine Königskrähe schon ein
paarmal geschnappt hatte. Plötzlich erhob dieselbe den allen Vögeln wohlbekannten Warnungsruf,
welchen sie auszustoßen pflegen, wenn sich ein Raubvogel zeigt, unzweifelhaft nur in der Absicht, den
andern Verfolger des Kerbthieres zu verscheuchen. Die List glückte auch vollkommen; denn jener zog
ab, und die Königskrähe hatte wenige Augenblicke später die Heuschrecke in ihrem Magen.

Ueber das Brutgeschäft liegen verschiedene Berichte vor. Nach Jerdon fällt es, bei einigen
Arten wenigstens, in verschiedene Zeiten des Jahres. Die Königskrähe z. B. brütet in gewissen
Gegenden im März und April, in andern im August und September. Jerdon glaubt deshalb, daß
sie möglicherweise zwei Bruten im Jahre machen, während ich nach ähnlichen Erfahrungen während
meines Aufenthalts in Afrika überzeugt bin, daß Dies nicht der Fall ist, weil in allen Gleicherländern
die Brutzeit nicht mit derselben Regelmäßigkeit an bestimmte Monate gebunden ist, wie bei uns. Die
Nester, welche man bis jetzt gefunden hat, scheinen sich im wesentlichen zu ähneln. Sie werden in
ziemlicher Höhe über dem Boden erbaut, gewöhnlich gar nicht versteckt und deshalb auch dem Wind
und Wetter ausgesetzt, und zwar regelmäßig zwischen Astgabeln aufgehängt, nach Art unserer Pirol-
nester. Mit diesen zierlichen Bauten haben sie aber keine Aehnlichkeit; sie sind im Gegentheil höchst
leichtfertig aus wenigen kleinen Zweigen und Würzelchen zusammengebaut, oft nicht einmal im Jnnern
ausgefüttert, im günstigsten Falle mit einigen Haaren ausgelegt. Das Gelege besteht aus drei oder
vier Eiern, welche auf weißem oder röthlichweißem Grunde mit helleren oder dunkleren rothen und
braunen Punkten gefleckt sind. Das Männchen zeigt sich, wie schon bemerkt, während der Brutzeit

Leben der Würgerſchnäpper.
nach Vaillant’s Verſicherung verdienen ſie dieſen Namen mit vollem Rechte. Letztgenannter Natur-
forſcher gibt eine ſehr lebendige Beſchreibung der Art und Weiſe ihres Fangs. „Jn der Regel‟, ſagt
er, „jagen die Würgerſchnäpper | des Abends vor Sonnenuntergang und des Morgens vor Sonnenaufgang
den betriebſamen Kerbthieren nach. Zu dieſem Endzweck vereinigen ſich die Jnwohner eines Waldes
auf einem einzeln ſtehenden Baume, am liebſten auf einem abgeſtorbenen oder wenigſtens auf einem
ſolchen, welcher viele dürre Aeſte hat, und hier warten ſie entweder die Rückkunft oder den
erſten Ausflug der Bienen ab, welche, honigbeladen, zu ihren Wohnbäumen im Walde zurück-
kehren oder von denſelben herkommen. Es geht dann ſehr lebendig und auch geräuſchvoll in der
Nähe eines ſolchen Baumes zu, und Dies gewährt von fern geſehen ein ſehr eigenthümliches
Schauſpiel. Von ihm kann man ſich einen Begriff machen, wenn man ſich vorſtellen will, daß
gegen dreißig Vögel ohne Unterlaß den Baum umfliegen und währenddem alle die vielen Schwen-
kungen ausführen und die verſchiedenen Haken ſchlagen, welche der Fang der vor ihren wohlbekannten
Feinden flüchtenden Bienen nöthig macht. Einzelne Würgerſchnäpper, welche ihre Beute fehlten,
ſtürzen ſich ſofort auf eine andere Biene und führen zuweilen fünf oder ſechs prächtige Schwenkungen
nach einander aus, bald nach rechts, bald nach links, bald nach oben, bald nach unten ſich wendend,
bis ihnen entweder der Fang geglückt oder ſie ihrer Anſtrengungen müde geworden ſind. Jede Bewe-
gung faſt wird mit lebhaftem Schreien begleitet, und alle Jagdgenoſſen einer Geſellſchaft ſchreien zu
gleicher Zeit und in verſchiedenen Tönen. … Unter dem Baume ſelbſt findet man die Ueberreſte
der Mahlzeiten in reichlicher Menge, Bienen, denen nur eine Hälfte fehlt, andere, welche ſchon
gepackt noch zu Boden fielen und noch leben, abgeriſſene Flügel und dergl. Erſt die Zeit,
in welcher die Raubvögel ihre Jagdflüge beginnen, endet die Arbeit der Drongos: die nächtlichen
Räuber nöthigen ſie, von ihrem Werke abzulaſſen.‟

Beim Betrieb ihrer Jagd beweiſen die Würgerſchnäpper ſehr viel Verſtand. Vaillant iſt über-
zeugt, daß ſie die Zeit, in welcher die Bienen maſſenhaft zurückkehren, genau beachten; Gurney
beobachtete, daß jeder Steppenbrand ſie von fernher herbeizieht. Sie wiſſen, daß das gefräßige Feuer,
welches den Graswald vernichtet, auch alle in ihm verſteckten Kerbthiere auftreibt, kommen deshalb
herbei und halten, Dank ihrer Kühnheit, gute Ernte. Ohne Scheu vor den Flammen ſtürzen ſie ſich
durch den dichteſten Rauch und verfolgen noch wenige Fuß über den Flammen das einmal ins Auge
gefaßte Kerbthier. Philipps beobachtete eine eigenthümliche Liſt der Drongos. Ein kleiner kerb-
thierfreſſender Vogel verfolgte eine große Heuſchrecke, nach welcher auch eine Königskrähe ſchon ein
paarmal geſchnappt hatte. Plötzlich erhob dieſelbe den allen Vögeln wohlbekannten Warnungsruf,
welchen ſie auszuſtoßen pflegen, wenn ſich ein Raubvogel zeigt, unzweifelhaft nur in der Abſicht, den
andern Verfolger des Kerbthieres zu verſcheuchen. Die Liſt glückte auch vollkommen; denn jener zog
ab, und die Königskrähe hatte wenige Augenblicke ſpäter die Heuſchrecke in ihrem Magen.

Ueber das Brutgeſchäft liegen verſchiedene Berichte vor. Nach Jerdon fällt es, bei einigen
Arten wenigſtens, in verſchiedene Zeiten des Jahres. Die Königskrähe z. B. brütet in gewiſſen
Gegenden im März und April, in andern im Auguſt und September. Jerdon glaubt deshalb, daß
ſie möglicherweiſe zwei Bruten im Jahre machen, während ich nach ähnlichen Erfahrungen während
meines Aufenthalts in Afrika überzeugt bin, daß Dies nicht der Fall iſt, weil in allen Gleicherländern
die Brutzeit nicht mit derſelben Regelmäßigkeit an beſtimmte Monate gebunden iſt, wie bei uns. Die
Neſter, welche man bis jetzt gefunden hat, ſcheinen ſich im weſentlichen zu ähneln. Sie werden in
ziemlicher Höhe über dem Boden erbaut, gewöhnlich gar nicht verſteckt und deshalb auch dem Wind
und Wetter ausgeſetzt, und zwar regelmäßig zwiſchen Aſtgabeln aufgehängt, nach Art unſerer Pirol-
neſter. Mit dieſen zierlichen Bauten haben ſie aber keine Aehnlichkeit; ſie ſind im Gegentheil höchſt
leichtfertig aus wenigen kleinen Zweigen und Würzelchen zuſammengebaut, oft nicht einmal im Jnnern
ausgefüttert, im günſtigſten Falle mit einigen Haaren ausgelegt. Das Gelege beſteht aus drei oder
vier Eiern, welche auf weißem oder röthlichweißem Grunde mit helleren oder dunkleren rothen und
braunen Punkten gefleckt ſind. Das Männchen zeigt ſich, wie ſchon bemerkt, während der Brutzeit

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[715/0757] Leben der Würgerſchnäpper. nach Vaillant’s Verſicherung verdienen ſie dieſen Namen mit vollem Rechte. Letztgenannter Natur- forſcher gibt eine ſehr lebendige Beſchreibung der Art und Weiſe ihres Fangs. „Jn der Regel‟, ſagt er, „jagen die Würgerſchnäpper | des Abends vor Sonnenuntergang und des Morgens vor Sonnenaufgang den betriebſamen Kerbthieren nach. Zu dieſem Endzweck vereinigen ſich die Jnwohner eines Waldes auf einem einzeln ſtehenden Baume, am liebſten auf einem abgeſtorbenen oder wenigſtens auf einem ſolchen, welcher viele dürre Aeſte hat, und hier warten ſie entweder die Rückkunft oder den erſten Ausflug der Bienen ab, welche, honigbeladen, zu ihren Wohnbäumen im Walde zurück- kehren oder von denſelben herkommen. Es geht dann ſehr lebendig und auch geräuſchvoll in der Nähe eines ſolchen Baumes zu, und Dies gewährt von fern geſehen ein ſehr eigenthümliches Schauſpiel. Von ihm kann man ſich einen Begriff machen, wenn man ſich vorſtellen will, daß gegen dreißig Vögel ohne Unterlaß den Baum umfliegen und währenddem alle die vielen Schwen- kungen ausführen und die verſchiedenen Haken ſchlagen, welche der Fang der vor ihren wohlbekannten Feinden flüchtenden Bienen nöthig macht. Einzelne Würgerſchnäpper, welche ihre Beute fehlten, ſtürzen ſich ſofort auf eine andere Biene und führen zuweilen fünf oder ſechs prächtige Schwenkungen nach einander aus, bald nach rechts, bald nach links, bald nach oben, bald nach unten ſich wendend, bis ihnen entweder der Fang geglückt oder ſie ihrer Anſtrengungen müde geworden ſind. Jede Bewe- gung faſt wird mit lebhaftem Schreien begleitet, und alle Jagdgenoſſen einer Geſellſchaft ſchreien zu gleicher Zeit und in verſchiedenen Tönen. … Unter dem Baume ſelbſt findet man die Ueberreſte der Mahlzeiten in reichlicher Menge, Bienen, denen nur eine Hälfte fehlt, andere, welche ſchon gepackt noch zu Boden fielen und noch leben, abgeriſſene Flügel und dergl. Erſt die Zeit, in welcher die Raubvögel ihre Jagdflüge beginnen, endet die Arbeit der Drongos: die nächtlichen Räuber nöthigen ſie, von ihrem Werke abzulaſſen.‟ Beim Betrieb ihrer Jagd beweiſen die Würgerſchnäpper ſehr viel Verſtand. Vaillant iſt über- zeugt, daß ſie die Zeit, in welcher die Bienen maſſenhaft zurückkehren, genau beachten; Gurney beobachtete, daß jeder Steppenbrand ſie von fernher herbeizieht. Sie wiſſen, daß das gefräßige Feuer, welches den Graswald vernichtet, auch alle in ihm verſteckten Kerbthiere auftreibt, kommen deshalb herbei und halten, Dank ihrer Kühnheit, gute Ernte. Ohne Scheu vor den Flammen ſtürzen ſie ſich durch den dichteſten Rauch und verfolgen noch wenige Fuß über den Flammen das einmal ins Auge gefaßte Kerbthier. Philipps beobachtete eine eigenthümliche Liſt der Drongos. Ein kleiner kerb- thierfreſſender Vogel verfolgte eine große Heuſchrecke, nach welcher auch eine Königskrähe ſchon ein paarmal geſchnappt hatte. Plötzlich erhob dieſelbe den allen Vögeln wohlbekannten Warnungsruf, welchen ſie auszuſtoßen pflegen, wenn ſich ein Raubvogel zeigt, unzweifelhaft nur in der Abſicht, den andern Verfolger des Kerbthieres zu verſcheuchen. Die Liſt glückte auch vollkommen; denn jener zog ab, und die Königskrähe hatte wenige Augenblicke ſpäter die Heuſchrecke in ihrem Magen. Ueber das Brutgeſchäft liegen verſchiedene Berichte vor. Nach Jerdon fällt es, bei einigen Arten wenigſtens, in verſchiedene Zeiten des Jahres. Die Königskrähe z. B. brütet in gewiſſen Gegenden im März und April, in andern im Auguſt und September. Jerdon glaubt deshalb, daß ſie möglicherweiſe zwei Bruten im Jahre machen, während ich nach ähnlichen Erfahrungen während meines Aufenthalts in Afrika überzeugt bin, daß Dies nicht der Fall iſt, weil in allen Gleicherländern die Brutzeit nicht mit derſelben Regelmäßigkeit an beſtimmte Monate gebunden iſt, wie bei uns. Die Neſter, welche man bis jetzt gefunden hat, ſcheinen ſich im weſentlichen zu ähneln. Sie werden in ziemlicher Höhe über dem Boden erbaut, gewöhnlich gar nicht verſteckt und deshalb auch dem Wind und Wetter ausgeſetzt, und zwar regelmäßig zwiſchen Aſtgabeln aufgehängt, nach Art unſerer Pirol- neſter. Mit dieſen zierlichen Bauten haben ſie aber keine Aehnlichkeit; ſie ſind im Gegentheil höchſt leichtfertig aus wenigen kleinen Zweigen und Würzelchen zuſammengebaut, oft nicht einmal im Jnnern ausgefüttert, im günſtigſten Falle mit einigen Haaren ausgelegt. Das Gelege beſteht aus drei oder vier Eiern, welche auf weißem oder röthlichweißem Grunde mit helleren oder dunkleren rothen und braunen Punkten gefleckt ſind. Das Männchen zeigt ſich, wie ſchon bemerkt, während der Brutzeit

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 715. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/757>, abgerufen am 23.11.2024.