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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

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Die Fänger. Sperrvögel. Segler.
bis jetzt wohl einzig dasteht. Ganz gegen die Gewohnheit anderer verwandter Arten, an Fels- oder
Mauerwänden, in Spalten und Löchern u. s. w. des Gesteins zu nisten, wählt er freistehende Aeste,
hoch im Gipfel der Bäume, um sein Nest an dieselben anzubauen. Jst schon die Wahl eines solchen
Ortes für einen zur Familie der Segler gehörigen Vogel merkwürdig, so ist das Verhältniß in
der Größe zwischen Vogel, Nest und Ei noch viel auffallender. Das Nest erinnert durch seine mehr
oder weniger halbrunde Gestalt und die Weise, wie die dasselbe zusammensetzenden Stoffe unter ein-
ander verbunden sind, einigermaßen an die Nester der Salangane, ist jedoch viel kleiner und flacher,
als diese. Die von mir gemessenen Nester waren bei einer Tiefe von 10 MM. nicht über 30 bis
40 MM. breit. Das Nest ist stets an einem wagrechten, gewöhnlich kaum zolldicken Aste, der
zugleich die hintere Nestwand bildet, befestigt und stellt so zur Seite desselben einen ziemlich flachen,
länglich halbrunden Napf dar, eben groß genug, um das einzige Ei aufnehmen zu können. Die Nest-
wände sind äußerst dünn und zart, kaum dicker als Pergament. Sie bestehen aus Federn, einzelnen
Stückchen Baumflechten und kleinen Rindentheilen, welche Stoffe durch ein klebriges Bindemittel
zusammengeleimt sind, ohne Zweifel, ähnlich wie bei den Salanganen, dem Speichel des Thieres,
zumal auch bei den Baumseglern die Speicheldrüsen zur Zeit der Fortpflanzung auffallend anschwellen.
Die Kleinheit und Gebrechlichkeit des Nestes erlaubt dem brütenden Vogel nicht, sich auf dasselbe selbst
zu setzen; er sitzt vielmehr, wie ich dieses wiederholt beobachtet habe, auf dem Aste und bedeckt allein
mit dem Bauche das Nest und das in demselben befindliche Ei. Dieses entspricht, da es einen Längs-
durchmesser von 25 MM. und einen größten Querdurchmesser von 19 MM. hat, durchaus der
Größe des Vogels. Es ist von regelmäßiger, vollkommen ovaler Gestalt, so daß es nicht möglich ist,
ein spitzeres und stumpferes Ende an demselben zu erkennen. Seine Farbe ist ein sehr blasses Meer-
blau, welche Farbe nach dem Ausblasen noch blasser wird, und dann weiß, schwach ins Bläuliche spielend,
erscheint. Meinen Beobachtungen nach macht der Vogel jährlich zwei Bruten bald nach einander, die
erste im Mai oder Juni, die zweite bald nach der ersten, bedient sich jedoch nur selten ein und dessel-
ben Nestes."

"Das offenbare Mißverhältniß der Größe zwischen Vogel, Nest und Ei machte mich begierig,
das Junge zu beobachten, welches anscheinend wenige Tage nach dem Auskriechen aus dem Ei keinen
Platz mehr in dem kleinen, gebrechlichen Nest finden konnte. Jch ließ daher ein Paar des Vogels
ungestört sein Ei ausbrüten. So wie ich erwartet hatte, füllte das Junge schon nach wenigen Tagen
das Nest vollkommen aus und fand bald keinen Platz mehr in demselben. Es verließ also das Nest und
nahm dieselbe Stelle ein, die früher das brütende Weibchen eingenommen hatte, d. h. auf dem Aste,
an dessen Seite das Nest befestigt war, und ruhte nur mit seinem Bauche in demselben. Jn diesem
Zustande, hilflos auf dem Aste sitzend, würde das junge Geschöpf eine leichte Beute jedes Raubvogels,
der Krähen u. s. w. werden, wenn es sich nicht durch ein höchst eigenthümliches Benehmen, welches
einigermaßen an das der Rohrdommeln erinnert, den Augen dieser Räuber zu entziehen wüßte.
Abgesehen nämlich davon, daß das Junge die einmal eingenommene Stelle auf dem Aste vor dem
Neste nicht eher verläßt, als bis es völlig erwachsen ist, reckt es, sobald es etwas Verdächtiges oder ihm
Fremdes bemerkt, instinktmäßig den Hals in die Höhe, sträubt die Federn, kauert sich nieder, sodaß
von den Füßen nichts zu sehen ist, und sitzt völlig unbeweglich, sodaß man es, zumal auch sein dunkel-
grün, weiß und braun marmorirtes und geschecktes Gefieder mit der Farbe des meistens mit grünlich
weißen Flechten bedeckten Astes übereinstimmt, leicht übersieht. Ja selbst, als der Vogel erwachsen
war, und ich nun den Ast mit dem Neste abschneiden ließ, beobachtete er dasselbe Benehmen und saß,
ohne das mindeste Lebenszeichen von sich zu geben, unbeweglich still, während doch andere Vögel mit
hungrigem Geschrei die offenen Schnäbel jedem Besucher entgegenzustrecken pflegen."

Der Klecho kommt zwar überall auf Java vor, ist aber nirgends häufig. Seine geringe Ver-
mehrung macht Dies erklärlich.



Die Fänger. Sperrvögel. Segler.
bis jetzt wohl einzig daſteht. Ganz gegen die Gewohnheit anderer verwandter Arten, an Fels- oder
Mauerwänden, in Spalten und Löchern u. ſ. w. des Geſteins zu niſten, wählt er freiſtehende Aeſte,
hoch im Gipfel der Bäume, um ſein Neſt an dieſelben anzubauen. Jſt ſchon die Wahl eines ſolchen
Ortes für einen zur Familie der Segler gehörigen Vogel merkwürdig, ſo iſt das Verhältniß in
der Größe zwiſchen Vogel, Neſt und Ei noch viel auffallender. Das Neſt erinnert durch ſeine mehr
oder weniger halbrunde Geſtalt und die Weiſe, wie die daſſelbe zuſammenſetzenden Stoffe unter ein-
ander verbunden ſind, einigermaßen an die Neſter der Salangane, iſt jedoch viel kleiner und flacher,
als dieſe. Die von mir gemeſſenen Neſter waren bei einer Tiefe von 10 MM. nicht über 30 bis
40 MM. breit. Das Neſt iſt ſtets an einem wagrechten, gewöhnlich kaum zolldicken Aſte, der
zugleich die hintere Neſtwand bildet, befeſtigt und ſtellt ſo zur Seite deſſelben einen ziemlich flachen,
länglich halbrunden Napf dar, eben groß genug, um das einzige Ei aufnehmen zu können. Die Neſt-
wände ſind äußerſt dünn und zart, kaum dicker als Pergament. Sie beſtehen aus Federn, einzelnen
Stückchen Baumflechten und kleinen Rindentheilen, welche Stoffe durch ein klebriges Bindemittel
zuſammengeleimt ſind, ohne Zweifel, ähnlich wie bei den Salanganen, dem Speichel des Thieres,
zumal auch bei den Baumſeglern die Speicheldrüſen zur Zeit der Fortpflanzung auffallend anſchwellen.
Die Kleinheit und Gebrechlichkeit des Neſtes erlaubt dem brütenden Vogel nicht, ſich auf daſſelbe ſelbſt
zu ſetzen; er ſitzt vielmehr, wie ich dieſes wiederholt beobachtet habe, auf dem Aſte und bedeckt allein
mit dem Bauche das Neſt und das in demſelben befindliche Ei. Dieſes entſpricht, da es einen Längs-
durchmeſſer von 25 MM. und einen größten Querdurchmeſſer von 19 MM. hat, durchaus der
Größe des Vogels. Es iſt von regelmäßiger, vollkommen ovaler Geſtalt, ſo daß es nicht möglich iſt,
ein ſpitzeres und ſtumpferes Ende an demſelben zu erkennen. Seine Farbe iſt ein ſehr blaſſes Meer-
blau, welche Farbe nach dem Ausblaſen noch blaſſer wird, und dann weiß, ſchwach ins Bläuliche ſpielend,
erſcheint. Meinen Beobachtungen nach macht der Vogel jährlich zwei Bruten bald nach einander, die
erſte im Mai oder Juni, die zweite bald nach der erſten, bedient ſich jedoch nur ſelten ein und deſſel-
ben Neſtes.‟

„Das offenbare Mißverhältniß der Größe zwiſchen Vogel, Neſt und Ei machte mich begierig,
das Junge zu beobachten, welches anſcheinend wenige Tage nach dem Auskriechen aus dem Ei keinen
Platz mehr in dem kleinen, gebrechlichen Neſt finden konnte. Jch ließ daher ein Paar des Vogels
ungeſtört ſein Ei ausbrüten. So wie ich erwartet hatte, füllte das Junge ſchon nach wenigen Tagen
das Neſt vollkommen aus und fand bald keinen Platz mehr in demſelben. Es verließ alſo das Neſt und
nahm dieſelbe Stelle ein, die früher das brütende Weibchen eingenommen hatte, d. h. auf dem Aſte,
an deſſen Seite das Neſt befeſtigt war, und ruhte nur mit ſeinem Bauche in demſelben. Jn dieſem
Zuſtande, hilflos auf dem Aſte ſitzend, würde das junge Geſchöpf eine leichte Beute jedes Raubvogels,
der Krähen u. ſ. w. werden, wenn es ſich nicht durch ein höchſt eigenthümliches Benehmen, welches
einigermaßen an das der Rohrdommeln erinnert, den Augen dieſer Räuber zu entziehen wüßte.
Abgeſehen nämlich davon, daß das Junge die einmal eingenommene Stelle auf dem Aſte vor dem
Neſte nicht eher verläßt, als bis es völlig erwachſen iſt, reckt es, ſobald es etwas Verdächtiges oder ihm
Fremdes bemerkt, inſtinktmäßig den Hals in die Höhe, ſträubt die Federn, kauert ſich nieder, ſodaß
von den Füßen nichts zu ſehen iſt, und ſitzt völlig unbeweglich, ſodaß man es, zumal auch ſein dunkel-
grün, weiß und braun marmorirtes und geſchecktes Gefieder mit der Farbe des meiſtens mit grünlich
weißen Flechten bedeckten Aſtes übereinſtimmt, leicht überſieht. Ja ſelbſt, als der Vogel erwachſen
war, und ich nun den Aſt mit dem Neſte abſchneiden ließ, beobachtete er daſſelbe Benehmen und ſaß,
ohne das mindeſte Lebenszeichen von ſich zu geben, unbeweglich ſtill, während doch andere Vögel mit
hungrigem Geſchrei die offenen Schnäbel jedem Beſucher entgegenzuſtrecken pflegen.‟

Der Klecho kommt zwar überall auf Java vor, iſt aber nirgends häufig. Seine geringe Ver-
mehrung macht Dies erklärlich.



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[648/0684] Die Fänger. Sperrvögel. Segler. bis jetzt wohl einzig daſteht. Ganz gegen die Gewohnheit anderer verwandter Arten, an Fels- oder Mauerwänden, in Spalten und Löchern u. ſ. w. des Geſteins zu niſten, wählt er freiſtehende Aeſte, hoch im Gipfel der Bäume, um ſein Neſt an dieſelben anzubauen. Jſt ſchon die Wahl eines ſolchen Ortes für einen zur Familie der Segler gehörigen Vogel merkwürdig, ſo iſt das Verhältniß in der Größe zwiſchen Vogel, Neſt und Ei noch viel auffallender. Das Neſt erinnert durch ſeine mehr oder weniger halbrunde Geſtalt und die Weiſe, wie die daſſelbe zuſammenſetzenden Stoffe unter ein- ander verbunden ſind, einigermaßen an die Neſter der Salangane, iſt jedoch viel kleiner und flacher, als dieſe. Die von mir gemeſſenen Neſter waren bei einer Tiefe von 10 MM. nicht über 30 bis 40 MM. breit. Das Neſt iſt ſtets an einem wagrechten, gewöhnlich kaum zolldicken Aſte, der zugleich die hintere Neſtwand bildet, befeſtigt und ſtellt ſo zur Seite deſſelben einen ziemlich flachen, länglich halbrunden Napf dar, eben groß genug, um das einzige Ei aufnehmen zu können. Die Neſt- wände ſind äußerſt dünn und zart, kaum dicker als Pergament. Sie beſtehen aus Federn, einzelnen Stückchen Baumflechten und kleinen Rindentheilen, welche Stoffe durch ein klebriges Bindemittel zuſammengeleimt ſind, ohne Zweifel, ähnlich wie bei den Salanganen, dem Speichel des Thieres, zumal auch bei den Baumſeglern die Speicheldrüſen zur Zeit der Fortpflanzung auffallend anſchwellen. Die Kleinheit und Gebrechlichkeit des Neſtes erlaubt dem brütenden Vogel nicht, ſich auf daſſelbe ſelbſt zu ſetzen; er ſitzt vielmehr, wie ich dieſes wiederholt beobachtet habe, auf dem Aſte und bedeckt allein mit dem Bauche das Neſt und das in demſelben befindliche Ei. Dieſes entſpricht, da es einen Längs- durchmeſſer von 25 MM. und einen größten Querdurchmeſſer von 19 MM. hat, durchaus der Größe des Vogels. Es iſt von regelmäßiger, vollkommen ovaler Geſtalt, ſo daß es nicht möglich iſt, ein ſpitzeres und ſtumpferes Ende an demſelben zu erkennen. Seine Farbe iſt ein ſehr blaſſes Meer- blau, welche Farbe nach dem Ausblaſen noch blaſſer wird, und dann weiß, ſchwach ins Bläuliche ſpielend, erſcheint. Meinen Beobachtungen nach macht der Vogel jährlich zwei Bruten bald nach einander, die erſte im Mai oder Juni, die zweite bald nach der erſten, bedient ſich jedoch nur ſelten ein und deſſel- ben Neſtes.‟ „Das offenbare Mißverhältniß der Größe zwiſchen Vogel, Neſt und Ei machte mich begierig, das Junge zu beobachten, welches anſcheinend wenige Tage nach dem Auskriechen aus dem Ei keinen Platz mehr in dem kleinen, gebrechlichen Neſt finden konnte. Jch ließ daher ein Paar des Vogels ungeſtört ſein Ei ausbrüten. So wie ich erwartet hatte, füllte das Junge ſchon nach wenigen Tagen das Neſt vollkommen aus und fand bald keinen Platz mehr in demſelben. Es verließ alſo das Neſt und nahm dieſelbe Stelle ein, die früher das brütende Weibchen eingenommen hatte, d. h. auf dem Aſte, an deſſen Seite das Neſt befeſtigt war, und ruhte nur mit ſeinem Bauche in demſelben. Jn dieſem Zuſtande, hilflos auf dem Aſte ſitzend, würde das junge Geſchöpf eine leichte Beute jedes Raubvogels, der Krähen u. ſ. w. werden, wenn es ſich nicht durch ein höchſt eigenthümliches Benehmen, welches einigermaßen an das der Rohrdommeln erinnert, den Augen dieſer Räuber zu entziehen wüßte. Abgeſehen nämlich davon, daß das Junge die einmal eingenommene Stelle auf dem Aſte vor dem Neſte nicht eher verläßt, als bis es völlig erwachſen iſt, reckt es, ſobald es etwas Verdächtiges oder ihm Fremdes bemerkt, inſtinktmäßig den Hals in die Höhe, ſträubt die Federn, kauert ſich nieder, ſodaß von den Füßen nichts zu ſehen iſt, und ſitzt völlig unbeweglich, ſodaß man es, zumal auch ſein dunkel- grün, weiß und braun marmorirtes und geſchecktes Gefieder mit der Farbe des meiſtens mit grünlich weißen Flechten bedeckten Aſtes übereinſtimmt, leicht überſieht. Ja ſelbſt, als der Vogel erwachſen war, und ich nun den Aſt mit dem Neſte abſchneiden ließ, beobachtete er daſſelbe Benehmen und ſaß, ohne das mindeſte Lebenszeichen von ſich zu geben, unbeweglich ſtill, während doch andere Vögel mit hungrigem Geſchrei die offenen Schnäbel jedem Beſucher entgegenzuſtrecken pflegen.‟ Der Klecho kommt zwar überall auf Java vor, iſt aber nirgends häufig. Seine geringe Ver- mehrung macht Dies erklärlich.

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 648. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/684>, abgerufen am 22.11.2024.