"Das kleine Köpfchen gleicht", wie Naumann sagt, "nicht wie bei andern Eulen oder Käuzen einem Katzenkopfe, sondern mehr einem Affengesichtchen. Der Blick ist schlau und gutmüthig, während bei den Nachteulen ein schwermüthig schläfriges Wesen nicht zu verkennen ist. Sitzend sieht sie viel schlanker aus, als jeder andere Kauz. Der Flug ist rasch und gewandt, ebenfalls bogig, wie bei andern Käuzen."
Um die Zeit des Schnepfenstrichs schreitet die Zwergeule zur Fortpflanzung. Sie nistet in hohen Bäumen und in den Hochwaldungen an den Quellen der Donau, nach Heuglin auf riesigen Kiefern und Weißtannen, immer in bedeutender Höhe, in Spechthöhlen. Der Jäger, welcher auf Schnepfen ansteht, vernimmt dann den eigenthümlichen Paarungsruf, welcher, weil er im Jnnern der Höhle ausgestoßen wird, dumpf und hohl klingt, den Silben "Klululu" ungefähr vergleichbar. "Das Männchen ruft gewöhnlich zuerst zum Nestloche heraus, zieht sich dann weiter ins Jnnere des Baumes zurück und lockt von dort aus. Später verläßt es die Behausung, fliegt in fast senkrechter Richtung am Stamme herunter und streicht meist ganz niedrig, lautlos über die Triften und Schläge dahin." Mein Vater untersuchte ein leider verlassenes Nest, welches jedoch ganz unzweifelhaft der Zwergeule gehört hatte. Es war in der Höhlung einer Buche angelegt und bestand aus Mos und einigen dürren Buchenblättern, welche besser geordnet waren, als es bei andern Eulennestern der Fall ist. Die Eier kennzeichnen sich durch ihre geringe Größe. Sie sind etwa zolllang, länglichrund, sehr bauchig, dick und glattschalig, feinporig und weiß von Farbe.
Seitdem ich meines Vaters Schilderung des Gefangenlebens der Zwergeule kenne, ist es ein wahrer Herzenswunsch von mir geworden, einmal einen dieser niedlichen Vögel zu erhalten. Der in Rede stehende Gefangene wurde in einem geräumigen, aber wohlverwahrten Boden untergebracht. "Wenn ich hinauf kam", sagt mein Vater, "sah ich sie nie, und ich mußte lange suchen, ehe ich sie fand. Gewöhnlich steckte sie in einer Ecke oder da, wo über einander genagelte Breter am Giebel Vertiefungen bilden; in diese drückte sie sich so hinein, daß sie kaum zu finden war. Sie stand dabei ganz aufrecht, lehnte sich mit dem Rücken an die Wand an, machte ihren Körper durch Anlegung aller ihrer Federn ganz schmal, sträubte dabei die Seitenfedern des Kopfes, sodaß dieser breiter aussah, als der Leib und verhielt sich so ruhig, daß man ganz genau hinsehen mußte, um sie zu bemerken. Die Augen hatte sie dabei mehr geöffnet, als der rauchfüßige Kauz und immer starr nach Dem gerichtet, welcher in ihr Behältniß kam. Näherte man sich ihr, dann sträubte sie alle Federn, was diesem kleinen Thiere ganz sonderbar stand und sehr natürlich an den Frosch in der Fabel erinnerte. Sie knackte dabei immer von Zeit zu Zeit mit dem Schnabel und geberdete sich so drollig, daß man sie ohne Lachen nicht ansehen konnte. Wenn man sie in die Hand nahm, betrug sie sich nicht ungestüm und ver- wundete nicht mit den Fängen, biß aber mit dem Schnabel, was jedoch kaum fühlbar war. Den Tag über verhielt sie sich ganz ruhig; sobald aber die Sonne untergegangen war, wurde sie sehr munter und fing an zu schreien. Jhre Stimme hat große Aehnlichkeit mit der anderer junger Eulen und klang fast wie "Gieh" oder "Piep", langgezogen, aber sehr leise, nur auf etwa dreißig bis vierzig Schritte hörbar."
"Am Tage fraß sie nie, sondern nur abends und nachts. Mit einer großen oder zwei kleinen Mäusen oder einem Vogel von der Größe eines Sperlings hatte sie für die Nacht völlig genug."
"Dieses Thierchen machte mir ungemeine Freude; da ich es aber sehr abgezehrt und ermattet erhielt, so war es auch bei dem angemessensten Futter (es bekam lauter Mäuse und Vögel) nicht möglich, es am Leben zu erhalten. Mein Freund, der Förster Purgold zu Fröhlichenwiederkunft, unweit der Saale, hat vor mehreren Jahren eine Zwergeule ein ganzes Jahr lebendig in seinem Schlafzimmer gehabt und mir von ihr Folgendes erzählt."
"Jn der Jugend schrie und betrug sie sich auch wie die meinige. Sie saß den ganzen Tag unter dem Bette, um das Tageslicht nicht zu sehen und verhielt sich ganz ruhig. Als sie vermausert und also aus der Jugend getreten war, fing sie an, des Abends sehr stark "Dahit, dahit" zu schreien
Die Fänger. Raubvögel. Tageulen. Ohreulen.
„Das kleine Köpfchen gleicht‟, wie Naumann ſagt, „nicht wie bei andern Eulen oder Käuzen einem Katzenkopfe, ſondern mehr einem Affengeſichtchen. Der Blick iſt ſchlau und gutmüthig, während bei den Nachteulen ein ſchwermüthig ſchläfriges Weſen nicht zu verkennen iſt. Sitzend ſieht ſie viel ſchlanker aus, als jeder andere Kauz. Der Flug iſt raſch und gewandt, ebenfalls bogig, wie bei andern Käuzen.‟
Um die Zeit des Schnepfenſtrichs ſchreitet die Zwergeule zur Fortpflanzung. Sie niſtet in hohen Bäumen und in den Hochwaldungen an den Quellen der Donau, nach Heuglin auf rieſigen Kiefern und Weißtannen, immer in bedeutender Höhe, in Spechthöhlen. Der Jäger, welcher auf Schnepfen anſteht, vernimmt dann den eigenthümlichen Paarungsruf, welcher, weil er im Jnnern der Höhle ausgeſtoßen wird, dumpf und hohl klingt, den Silben „Klululu‟ ungefähr vergleichbar. „Das Männchen ruft gewöhnlich zuerſt zum Neſtloche heraus, zieht ſich dann weiter ins Jnnere des Baumes zurück und lockt von dort aus. Später verläßt es die Behauſung, fliegt in faſt ſenkrechter Richtung am Stamme herunter und ſtreicht meiſt ganz niedrig, lautlos über die Triften und Schläge dahin.‟ Mein Vater unterſuchte ein leider verlaſſenes Neſt, welches jedoch ganz unzweifelhaft der Zwergeule gehört hatte. Es war in der Höhlung einer Buche angelegt und beſtand aus Mos und einigen dürren Buchenblättern, welche beſſer geordnet waren, als es bei andern Eulenneſtern der Fall iſt. Die Eier kennzeichnen ſich durch ihre geringe Größe. Sie ſind etwa zolllang, länglichrund, ſehr bauchig, dick und glattſchalig, feinporig und weiß von Farbe.
Seitdem ich meines Vaters Schilderung des Gefangenlebens der Zwergeule kenne, iſt es ein wahrer Herzenswunſch von mir geworden, einmal einen dieſer niedlichen Vögel zu erhalten. Der in Rede ſtehende Gefangene wurde in einem geräumigen, aber wohlverwahrten Boden untergebracht. „Wenn ich hinauf kam‟, ſagt mein Vater, „ſah ich ſie nie, und ich mußte lange ſuchen, ehe ich ſie fand. Gewöhnlich ſteckte ſie in einer Ecke oder da, wo über einander genagelte Breter am Giebel Vertiefungen bilden; in dieſe drückte ſie ſich ſo hinein, daß ſie kaum zu finden war. Sie ſtand dabei ganz aufrecht, lehnte ſich mit dem Rücken an die Wand an, machte ihren Körper durch Anlegung aller ihrer Federn ganz ſchmal, ſträubte dabei die Seitenfedern des Kopfes, ſodaß dieſer breiter ausſah, als der Leib und verhielt ſich ſo ruhig, daß man ganz genau hinſehen mußte, um ſie zu bemerken. Die Augen hatte ſie dabei mehr geöffnet, als der rauchfüßige Kauz und immer ſtarr nach Dem gerichtet, welcher in ihr Behältniß kam. Näherte man ſich ihr, dann ſträubte ſie alle Federn, was dieſem kleinen Thiere ganz ſonderbar ſtand und ſehr natürlich an den Froſch in der Fabel erinnerte. Sie knackte dabei immer von Zeit zu Zeit mit dem Schnabel und geberdete ſich ſo drollig, daß man ſie ohne Lachen nicht anſehen konnte. Wenn man ſie in die Hand nahm, betrug ſie ſich nicht ungeſtüm und ver- wundete nicht mit den Fängen, biß aber mit dem Schnabel, was jedoch kaum fühlbar war. Den Tag über verhielt ſie ſich ganz ruhig; ſobald aber die Sonne untergegangen war, wurde ſie ſehr munter und fing an zu ſchreien. Jhre Stimme hat große Aehnlichkeit mit der anderer junger Eulen und klang faſt wie „Gieh‟ oder „Piep‟, langgezogen, aber ſehr leiſe, nur auf etwa dreißig bis vierzig Schritte hörbar.‟
„Am Tage fraß ſie nie, ſondern nur abends und nachts. Mit einer großen oder zwei kleinen Mäuſen oder einem Vogel von der Größe eines Sperlings hatte ſie für die Nacht völlig genug.‟
„Dieſes Thierchen machte mir ungemeine Freude; da ich es aber ſehr abgezehrt und ermattet erhielt, ſo war es auch bei dem angemeſſenſten Futter (es bekam lauter Mäuſe und Vögel) nicht möglich, es am Leben zu erhalten. Mein Freund, der Förſter Purgold zu Fröhlichenwiederkunft, unweit der Saale, hat vor mehreren Jahren eine Zwergeule ein ganzes Jahr lebendig in ſeinem Schlafzimmer gehabt und mir von ihr Folgendes erzählt.‟
„Jn der Jugend ſchrie und betrug ſie ſich auch wie die meinige. Sie ſaß den ganzen Tag unter dem Bette, um das Tageslicht nicht zu ſehen und verhielt ſich ganz ruhig. Als ſie vermauſert und alſo aus der Jugend getreten war, fing ſie an, des Abends ſehr ſtark „Dahit, dahit‟ zu ſchreien
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[604/0638]
Die Fänger. Raubvögel. Tageulen. Ohreulen.
„Das kleine Köpfchen gleicht‟, wie Naumann ſagt, „nicht wie bei andern Eulen oder Käuzen
einem Katzenkopfe, ſondern mehr einem Affengeſichtchen. Der Blick iſt ſchlau und gutmüthig, während
bei den Nachteulen ein ſchwermüthig ſchläfriges Weſen nicht zu verkennen iſt. Sitzend ſieht ſie viel
ſchlanker aus, als jeder andere Kauz. Der Flug iſt raſch und gewandt, ebenfalls bogig, wie bei
andern Käuzen.‟
Um die Zeit des Schnepfenſtrichs ſchreitet die Zwergeule zur Fortpflanzung. Sie niſtet in hohen
Bäumen und in den Hochwaldungen an den Quellen der Donau, nach Heuglin auf rieſigen Kiefern
und Weißtannen, immer in bedeutender Höhe, in Spechthöhlen. Der Jäger, welcher auf Schnepfen
anſteht, vernimmt dann den eigenthümlichen Paarungsruf, welcher, weil er im Jnnern der Höhle
ausgeſtoßen wird, dumpf und hohl klingt, den Silben „Klululu‟ ungefähr vergleichbar. „Das
Männchen ruft gewöhnlich zuerſt zum Neſtloche heraus, zieht ſich dann weiter ins Jnnere des Baumes
zurück und lockt von dort aus. Später verläßt es die Behauſung, fliegt in faſt ſenkrechter Richtung
am Stamme herunter und ſtreicht meiſt ganz niedrig, lautlos über die Triften und Schläge dahin.‟
Mein Vater unterſuchte ein leider verlaſſenes Neſt, welches jedoch ganz unzweifelhaft der Zwergeule
gehört hatte. Es war in der Höhlung einer Buche angelegt und beſtand aus Mos und einigen dürren
Buchenblättern, welche beſſer geordnet waren, als es bei andern Eulenneſtern der Fall iſt. Die Eier
kennzeichnen ſich durch ihre geringe Größe. Sie ſind etwa zolllang, länglichrund, ſehr bauchig, dick
und glattſchalig, feinporig und weiß von Farbe.
Seitdem ich meines Vaters Schilderung des Gefangenlebens der Zwergeule kenne, iſt es ein
wahrer Herzenswunſch von mir geworden, einmal einen dieſer niedlichen Vögel zu erhalten. Der in
Rede ſtehende Gefangene wurde in einem geräumigen, aber wohlverwahrten Boden untergebracht.
„Wenn ich hinauf kam‟, ſagt mein Vater, „ſah ich ſie nie, und ich mußte lange ſuchen, ehe ich ſie
fand. Gewöhnlich ſteckte ſie in einer Ecke oder da, wo über einander genagelte Breter am Giebel
Vertiefungen bilden; in dieſe drückte ſie ſich ſo hinein, daß ſie kaum zu finden war. Sie ſtand dabei
ganz aufrecht, lehnte ſich mit dem Rücken an die Wand an, machte ihren Körper durch Anlegung aller
ihrer Federn ganz ſchmal, ſträubte dabei die Seitenfedern des Kopfes, ſodaß dieſer breiter ausſah, als
der Leib und verhielt ſich ſo ruhig, daß man ganz genau hinſehen mußte, um ſie zu bemerken. Die
Augen hatte ſie dabei mehr geöffnet, als der rauchfüßige Kauz und immer ſtarr nach Dem gerichtet, welcher
in ihr Behältniß kam. Näherte man ſich ihr, dann ſträubte ſie alle Federn, was dieſem kleinen Thiere
ganz ſonderbar ſtand und ſehr natürlich an den Froſch in der Fabel erinnerte. Sie knackte dabei
immer von Zeit zu Zeit mit dem Schnabel und geberdete ſich ſo drollig, daß man ſie ohne Lachen
nicht anſehen konnte. Wenn man ſie in die Hand nahm, betrug ſie ſich nicht ungeſtüm und ver-
wundete nicht mit den Fängen, biß aber mit dem Schnabel, was jedoch kaum fühlbar war. Den Tag
über verhielt ſie ſich ganz ruhig; ſobald aber die Sonne untergegangen war, wurde ſie ſehr munter
und fing an zu ſchreien. Jhre Stimme hat große Aehnlichkeit mit der anderer junger Eulen und
klang faſt wie „Gieh‟ oder „Piep‟, langgezogen, aber ſehr leiſe, nur auf etwa dreißig bis vierzig
Schritte hörbar.‟
„Am Tage fraß ſie nie, ſondern nur abends und nachts. Mit einer großen oder zwei kleinen
Mäuſen oder einem Vogel von der Größe eines Sperlings hatte ſie für die Nacht völlig
genug.‟
„Dieſes Thierchen machte mir ungemeine Freude; da ich es aber ſehr abgezehrt und ermattet
erhielt, ſo war es auch bei dem angemeſſenſten Futter (es bekam lauter Mäuſe und Vögel) nicht
möglich, es am Leben zu erhalten. Mein Freund, der Förſter Purgold zu Fröhlichenwiederkunft,
unweit der Saale, hat vor mehreren Jahren eine Zwergeule ein ganzes Jahr lebendig in ſeinem
Schlafzimmer gehabt und mir von ihr Folgendes erzählt.‟
„Jn der Jugend ſchrie und betrug ſie ſich auch wie die meinige. Sie ſaß den ganzen Tag unter
dem Bette, um das Tageslicht nicht zu ſehen und verhielt ſich ganz ruhig. Als ſie vermauſert und
alſo aus der Jugend getreten war, fing ſie an, des Abends ſehr ſtark „Dahit, dahit‟ zu ſchreien
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 604. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/638>, abgerufen am 22.11.2024.
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