an. Die Verbindungsbeine zeigen außer den gewöhnlichen Gelenkungen an beiden Endpunkten noch eine dritte an der innern Seite mit dem Kehlbeine oder dem Schädelgrunde, welche von der vordern völlig getrennt ist und allein schon den Eulenschädel von jedem Falkenschädel unterscheidet. Das Brustbein hat bei den meisten Arten jederseits zwei häutige, bis zum Bauchrande herabreichende Stellen; die Gabel ist weniger gespreizt, schwächer und dünner, als bei den Falken. Die Wirbel- säule besteht aus elf Hals-, acht Rücken- und acht Schwanzwirbeln; die Rückenwirbel sind nie ver- wachsen. Die Knochen sind minder luftführend, als bei den Falken; der Oberschenkelknochen der Eulen nimmt niemals Luft auf; dagegen sind die Lufträume in der Hirnschale viel bedeutender, als bei andern Raubvögeln. Bei gewissen Eulen erreicht die Hirnschale einige Linien Dicke und erscheint schwammig. Der Rachen der Eulen ist sehr groß, der Schlund nicht kropfartig ausgebuchtet, der Magen häutig und sehr ausdehnbar, die Milz rundlich, die Leber in zwei gleich große und gleich geformte Lappen getheilt. Die Blinddärme sind lang und weit, wie bei keinem andern Raubvogel.
Nicht minder merkwürdig sind die Sinneswerkzeuge gebildet. Die Augen der Eulen sind aus- nehmend groß, die Hornhaut ist so stark gewölbt, daß sie einer Halbkugel gleichen. Die Seiten der harten Augenhaut, soweit der Knochenring sie einnimmt, sind sonderbar verlängert, wodurch der Knochenring kelch- oder röhrenförmig wird. Das Auge selbst ist innerlich ungemein beweglich, der Stern erweitert oder verengert sich bei jedem Athemzuge. Noch auffallender vielleicht erscheint uns das Ohr, wenigstens das einiger Eulen, weil eine ähnliche Bildung bei keinem Vogel weiter vorkommt. Die äußere Ohröffnung nämlich entspricht nur bei wenigen Eulen dem allgemeinen Gepräge; bei der Mehrzahl hingegen ist sie eine Falte, welche von oben nach unten sich um das Auge herumzieht und aufgeklappt werden kann. Dann entsteht eine sehr weite, durch die strahligen Federn ringsum noch vergrößerte Muschel, geeignet, den leisesten Schall aufzufangen und zu dem in der Tiefe liegenden Gehörgang zu leiten. "Die muskelkräftige Klappe öffnet sich", wie mein Vater sagt, "bei mehreren Arten, z. B. bei sämmtlichen Ohreulen, beim Nacht- und Rauchfußkauze und andern so weit, daß man bei aufgehobener Falte einen großen Theil des Auges liegen sieht." Auf die übrigen Merkmale brauchen wir nicht einzugehen, weil wir sie als minder bedeutsam betrachten dürfen.
Die Eulen sind Weltbürger in der vollsten Bedeutung des Wortes. Sie bewohnen alle Erd- theile, alle Gürtel der Breite wie der Höhe, alle Gegenden und alle Oertlichkeiten. Von den eisigen Ländern um den Nordpol an bis zu dem Gleicher hin und von der Seeküste bis zu 15,000 Fuß über das Meer sind sie beobachtet worden; ob sie im Himalaya nicht noch höher vorkommen, bleibt fraglich. Der Süden beherbergt selbstverständlich auch sie in größerer Artenzahl, als der Norden; dieser aber ist keineswegs arm an ihnen. Waldungen sind die eigentliche Heimstätte unserer Vögel; sie fehlen aber auch den Steppen, Wüsten und selbst dem pflanzenlosen Gebirge nicht und ebenso wenig den volksbelebten Ortschaften und Städten; denn sie finden überall Ruhe- und Versteckplätze, welche ihnen genügen, und hinlängliche Nahrung. Man nennt die Eulen auch Nachtraubvögel; der Ausdruck erfordert aber mindestens eine Erklärung. Allerdings beginnt die große Mehrzahl erst mit ein- tretender Dämmerung ihre Streifzüge; nicht wenige aber sind auch bei Tage thätig und keineswegs blos diejenigen, welche den nördlicheren Erdgürtel bewohnen, sondern auch solche, welche in den Gleicherländern leben. Gewisse Steppeneulen gehen selbst in der Mittagszeit ihrer Nahrung nach und Verwandte von ihnen treiben sich angesichts der Sonne munter in den schattigen Urwaldungen umher: sie sind bei Tage mindestens ebenso thätig wie bei Nacht. Letztere freilich ist und bleibt die Jagdzeit der Gesammtheit. Die Eulen sind zu nächtlichem Wirken im höchsten Grade geeignet. Jhr für kürzere Entfernungen überaus scharfes Auge, ihr außerordentlich feines Gehör, ihr weiches Gefieder befähigt sie noch während des Dunkels zu erfolgreicher Thätigkeit. Lautlos fliegen sie in nicht eben bedeutender Höhe über den Boden dahin; das Geräusch der eigenen Bewegung beein- trächtigt ihr Gehör nicht im Mindesten: sie vernehmen das leiseste Geräusch, das unbedeutendste Rascheln auf dem Boden; sie sehen ungeachtet des Dunkels das kleinste Säugethier. "Jch habe", sagt mein Vater, "bei zahmen Eulen, welche die Augen ganz geschlossen hatten und also völlig schliefen,
Allgemeines.
an. Die Verbindungsbeine zeigen außer den gewöhnlichen Gelenkungen an beiden Endpunkten noch eine dritte an der innern Seite mit dem Kehlbeine oder dem Schädelgrunde, welche von der vordern völlig getrennt iſt und allein ſchon den Eulenſchädel von jedem Falkenſchädel unterſcheidet. Das Bruſtbein hat bei den meiſten Arten jederſeits zwei häutige, bis zum Bauchrande herabreichende Stellen; die Gabel iſt weniger geſpreizt, ſchwächer und dünner, als bei den Falken. Die Wirbel- ſäule beſteht aus elf Hals-, acht Rücken- und acht Schwanzwirbeln; die Rückenwirbel ſind nie ver- wachſen. Die Knochen ſind minder luftführend, als bei den Falken; der Oberſchenkelknochen der Eulen nimmt niemals Luft auf; dagegen ſind die Lufträume in der Hirnſchale viel bedeutender, als bei andern Raubvögeln. Bei gewiſſen Eulen erreicht die Hirnſchale einige Linien Dicke und erſcheint ſchwammig. Der Rachen der Eulen iſt ſehr groß, der Schlund nicht kropfartig ausgebuchtet, der Magen häutig und ſehr ausdehnbar, die Milz rundlich, die Leber in zwei gleich große und gleich geformte Lappen getheilt. Die Blinddärme ſind lang und weit, wie bei keinem andern Raubvogel.
Nicht minder merkwürdig ſind die Sinneswerkzeuge gebildet. Die Augen der Eulen ſind aus- nehmend groß, die Hornhaut iſt ſo ſtark gewölbt, daß ſie einer Halbkugel gleichen. Die Seiten der harten Augenhaut, ſoweit der Knochenring ſie einnimmt, ſind ſonderbar verlängert, wodurch der Knochenring kelch- oder röhrenförmig wird. Das Auge ſelbſt iſt innerlich ungemein beweglich, der Stern erweitert oder verengert ſich bei jedem Athemzuge. Noch auffallender vielleicht erſcheint uns das Ohr, wenigſtens das einiger Eulen, weil eine ähnliche Bildung bei keinem Vogel weiter vorkommt. Die äußere Ohröffnung nämlich entſpricht nur bei wenigen Eulen dem allgemeinen Gepräge; bei der Mehrzahl hingegen iſt ſie eine Falte, welche von oben nach unten ſich um das Auge herumzieht und aufgeklappt werden kann. Dann entſteht eine ſehr weite, durch die ſtrahligen Federn ringsum noch vergrößerte Muſchel, geeignet, den leiſeſten Schall aufzufangen und zu dem in der Tiefe liegenden Gehörgang zu leiten. „Die muskelkräftige Klappe öffnet ſich‟, wie mein Vater ſagt, „bei mehreren Arten, z. B. bei ſämmtlichen Ohreulen, beim Nacht- und Rauchfußkauze und andern ſo weit, daß man bei aufgehobener Falte einen großen Theil des Auges liegen ſieht.‟ Auf die übrigen Merkmale brauchen wir nicht einzugehen, weil wir ſie als minder bedeutſam betrachten dürfen.
Die Eulen ſind Weltbürger in der vollſten Bedeutung des Wortes. Sie bewohnen alle Erd- theile, alle Gürtel der Breite wie der Höhe, alle Gegenden und alle Oertlichkeiten. Von den eiſigen Ländern um den Nordpol an bis zu dem Gleicher hin und von der Seeküſte bis zu 15,000 Fuß über das Meer ſind ſie beobachtet worden; ob ſie im Himalaya nicht noch höher vorkommen, bleibt fraglich. Der Süden beherbergt ſelbſtverſtändlich auch ſie in größerer Artenzahl, als der Norden; dieſer aber iſt keineswegs arm an ihnen. Waldungen ſind die eigentliche Heimſtätte unſerer Vögel; ſie fehlen aber auch den Steppen, Wüſten und ſelbſt dem pflanzenloſen Gebirge nicht und ebenſo wenig den volksbelebten Ortſchaften und Städten; denn ſie finden überall Ruhe- und Verſteckplätze, welche ihnen genügen, und hinlängliche Nahrung. Man nennt die Eulen auch Nachtraubvögel; der Ausdruck erfordert aber mindeſtens eine Erklärung. Allerdings beginnt die große Mehrzahl erſt mit ein- tretender Dämmerung ihre Streifzüge; nicht wenige aber ſind auch bei Tage thätig und keineswegs blos diejenigen, welche den nördlicheren Erdgürtel bewohnen, ſondern auch ſolche, welche in den Gleicherländern leben. Gewiſſe Steppeneulen gehen ſelbſt in der Mittagszeit ihrer Nahrung nach und Verwandte von ihnen treiben ſich angeſichts der Sonne munter in den ſchattigen Urwaldungen umher: ſie ſind bei Tage mindeſtens ebenſo thätig wie bei Nacht. Letztere freilich iſt und bleibt die Jagdzeit der Geſammtheit. Die Eulen ſind zu nächtlichem Wirken im höchſten Grade geeignet. Jhr für kürzere Entfernungen überaus ſcharfes Auge, ihr außerordentlich feines Gehör, ihr weiches Gefieder befähigt ſie noch während des Dunkels zu erfolgreicher Thätigkeit. Lautlos fliegen ſie in nicht eben bedeutender Höhe über den Boden dahin; das Geräuſch der eigenen Bewegung beein- trächtigt ihr Gehör nicht im Mindeſten: ſie vernehmen das leiſeſte Geräuſch, das unbedeutendſte Raſcheln auf dem Boden; ſie ſehen ungeachtet des Dunkels das kleinſte Säugethier. „Jch habe‟, ſagt mein Vater, „bei zahmen Eulen, welche die Augen ganz geſchloſſen hatten und alſo völlig ſchliefen,
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[587/0621]
Allgemeines.
an. Die Verbindungsbeine zeigen außer den gewöhnlichen Gelenkungen an beiden Endpunkten noch
eine dritte an der innern Seite mit dem Kehlbeine oder dem Schädelgrunde, welche von der vordern
völlig getrennt iſt und allein ſchon den Eulenſchädel von jedem Falkenſchädel unterſcheidet. Das
Bruſtbein hat bei den meiſten Arten jederſeits zwei häutige, bis zum Bauchrande herabreichende
Stellen; die Gabel iſt weniger geſpreizt, ſchwächer und dünner, als bei den Falken. Die Wirbel-
ſäule beſteht aus elf Hals-, acht Rücken- und acht Schwanzwirbeln; die Rückenwirbel ſind nie ver-
wachſen. Die Knochen ſind minder luftführend, als bei den Falken; der Oberſchenkelknochen der
Eulen nimmt niemals Luft auf; dagegen ſind die Lufträume in der Hirnſchale viel bedeutender, als
bei andern Raubvögeln. Bei gewiſſen Eulen erreicht die Hirnſchale einige Linien Dicke und erſcheint
ſchwammig. Der Rachen der Eulen iſt ſehr groß, der Schlund nicht kropfartig ausgebuchtet, der Magen
häutig und ſehr ausdehnbar, die Milz rundlich, die Leber in zwei gleich große und gleich geformte
Lappen getheilt. Die Blinddärme ſind lang und weit, wie bei keinem andern Raubvogel.
Nicht minder merkwürdig ſind die Sinneswerkzeuge gebildet. Die Augen der Eulen ſind aus-
nehmend groß, die Hornhaut iſt ſo ſtark gewölbt, daß ſie einer Halbkugel gleichen. Die Seiten der
harten Augenhaut, ſoweit der Knochenring ſie einnimmt, ſind ſonderbar verlängert, wodurch der
Knochenring kelch- oder röhrenförmig wird. Das Auge ſelbſt iſt innerlich ungemein beweglich, der
Stern erweitert oder verengert ſich bei jedem Athemzuge. Noch auffallender vielleicht erſcheint uns
das Ohr, wenigſtens das einiger Eulen, weil eine ähnliche Bildung bei keinem Vogel weiter vorkommt.
Die äußere Ohröffnung nämlich entſpricht nur bei wenigen Eulen dem allgemeinen Gepräge; bei der
Mehrzahl hingegen iſt ſie eine Falte, welche von oben nach unten ſich um das Auge herumzieht und
aufgeklappt werden kann. Dann entſteht eine ſehr weite, durch die ſtrahligen Federn ringsum noch
vergrößerte Muſchel, geeignet, den leiſeſten Schall aufzufangen und zu dem in der Tiefe liegenden
Gehörgang zu leiten. „Die muskelkräftige Klappe öffnet ſich‟, wie mein Vater ſagt, „bei mehreren
Arten, z. B. bei ſämmtlichen Ohreulen, beim Nacht- und Rauchfußkauze und andern ſo weit,
daß man bei aufgehobener Falte einen großen Theil des Auges liegen ſieht.‟ Auf die übrigen
Merkmale brauchen wir nicht einzugehen, weil wir ſie als minder bedeutſam betrachten dürfen.
Die Eulen ſind Weltbürger in der vollſten Bedeutung des Wortes. Sie bewohnen alle Erd-
theile, alle Gürtel der Breite wie der Höhe, alle Gegenden und alle Oertlichkeiten. Von den eiſigen
Ländern um den Nordpol an bis zu dem Gleicher hin und von der Seeküſte bis zu 15,000 Fuß über
das Meer ſind ſie beobachtet worden; ob ſie im Himalaya nicht noch höher vorkommen, bleibt
fraglich. Der Süden beherbergt ſelbſtverſtändlich auch ſie in größerer Artenzahl, als der Norden;
dieſer aber iſt keineswegs arm an ihnen. Waldungen ſind die eigentliche Heimſtätte unſerer Vögel;
ſie fehlen aber auch den Steppen, Wüſten und ſelbſt dem pflanzenloſen Gebirge nicht und ebenſo wenig
den volksbelebten Ortſchaften und Städten; denn ſie finden überall Ruhe- und Verſteckplätze, welche
ihnen genügen, und hinlängliche Nahrung. Man nennt die Eulen auch Nachtraubvögel; der Ausdruck
erfordert aber mindeſtens eine Erklärung. Allerdings beginnt die große Mehrzahl erſt mit ein-
tretender Dämmerung ihre Streifzüge; nicht wenige aber ſind auch bei Tage thätig und keineswegs
blos diejenigen, welche den nördlicheren Erdgürtel bewohnen, ſondern auch ſolche, welche in den
Gleicherländern leben. Gewiſſe Steppeneulen gehen ſelbſt in der Mittagszeit ihrer Nahrung nach
und Verwandte von ihnen treiben ſich angeſichts der Sonne munter in den ſchattigen Urwaldungen
umher: ſie ſind bei Tage mindeſtens ebenſo thätig wie bei Nacht. Letztere freilich iſt und bleibt die
Jagdzeit der Geſammtheit. Die Eulen ſind zu nächtlichem Wirken im höchſten Grade geeignet. Jhr
für kürzere Entfernungen überaus ſcharfes Auge, ihr außerordentlich feines Gehör, ihr weiches
Gefieder befähigt ſie noch während des Dunkels zu erfolgreicher Thätigkeit. Lautlos fliegen ſie in
nicht eben bedeutender Höhe über den Boden dahin; das Geräuſch der eigenen Bewegung beein-
trächtigt ihr Gehör nicht im Mindeſten: ſie vernehmen das leiſeſte Geräuſch, das unbedeutendſte
Raſcheln auf dem Boden; ſie ſehen ungeachtet des Dunkels das kleinſte Säugethier. „Jch habe‟, ſagt
mein Vater, „bei zahmen Eulen, welche die Augen ganz geſchloſſen hatten und alſo völlig ſchliefen,
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 587. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/621>, abgerufen am 22.11.2024.
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