zeigen sich in Pennsylvanien, New-York und andern nördlichen Staaten; sie aber sind ebenso gut als Verirrte anzusehen, wie diejenigen, welche in Europa erlegt wurden. Eigentlich seßhaft sind sie nur im Süden Nordamerikas, in Mejiko und Brasilien.
Der Schwalbenweih ist allbekannt; denn er weiß sich bemerklich zu machen und muß auch dem gleichgiltigsten Laien auffallen. Höchst selten sieht man ihn einzeln oder paarweise, gewöhnlich in zahlreichen Trupps in hoher Luft schwebend oder theilweise aufgebäumt auf einem einzeln stehenden Baume, welcher dem Schwarm abwechselnd zum Ruhesitze dient. Solche Flüge zählen zwanzig bis zweihundert Stück und der von ihnen erwählte Baum erhält durch die prächtigen und lebendigen Vögel einen wunderbaren Schmuck. "Der Flug des Schwalbenweihs", sagt Audubon, "ist überraschend schön und sehr anhaltend. Der Vogel bewegt sich durch die Luft mit solcher Leichtigkeit und Zierlichkeit, daß Jeder, welcher auch nur einigermaßen Vergnügen an Beobachtung der Vögel hat, von dem Schauspiel entzückt sein muß. Dahin gleitend erhebt sich der Weih in großen Kreisen zu unschätzbarer Höhe, nur mit dem tiefgegabelten Schwanze die Richtung des Fluges bestimmend, stößt dann plötzlich hernieder mit der Schnelligkeit des Blitzes, erhebt sich von neuem, segelt weg und ist bald außer Sicht. Ein anderes Mal sieht man einen Schwarm rund um einen Baum sich bewegen, in raschem Flug zwischen den Zweigen hindurch jagend oder den Stamm fast berührend und dabei Kerfe oder kleine Eidechsen, ihre Beute, ergreifen. Die Bewegungen der Vögel sind bewunderungs- würdig schnell und manchfaltig. Die tiefen Bogen, welche sie beschreiben, die plötzlichen Kreise und Querzüge und die außerordentliche Leichtigkeit, mit welcher sie die Luft zerschneiden, muß jeden Beobachter entzücken."
Die Nahrung des Schwalbenweihs besteht vorzugsweise, ja fast ausschließlich in Kerbthieren. Audubon ist der einzige Naturforscher, welcher angibt, daß der Vogel auch Eidechsen und Schlangen aufnimmt; alle übrigen Beobachter behaupten einstimmig, daß er nur auf Kerfe Jagd mache. Dies geschieht ganz in der Weise, wie Schwalben bei ihrer Jagd zu Werke gehen, nur mit dem Unterschiede, daß der Schwalbenweih seine Beute nicht mit dem Schnabel, sondern mit dem Fuß ergreift. "Bei unserer Reise durch die Berge", erzählt R. Owen, "sahen wir plötzlich einen großen Schwarm von Schwalbenweihen vor- und rückwärts durch die Luft gleiten, ganz niedrig über dem Wege dahin, welchen wir verfolgten. Manche von ihnen schwebten kaum zwölf Fuß über den Boden entlang. Der ganze Haufen hielt sich eng zusammen und erinnerte lebhaft an unsern Thurmsegler, wie er in geschlossenem Fluge unsere alten und hohen Gebäude umschwirrt. Die Schwingen waren gebreitet und der Schwalbenschwanz weit geöffnet. Die Vögel flogen nicht schnell, aber kräftig und stetig ohne jegliche sichtbare Bewegung der Flügel. Unser Erscheinen schien sie nicht im Geringsten zu behelligen, nicht einmal die Ausrufe des Entzückens, welche mein Gefährte laut werden ließ, alle seine Zeichen und Winke, welche ich umsonst zu verhindern suchte, machten die Falken unruhig. Einige zogen manchmal vier oder fünf Ellen an uns vorüber und gaben uns dabei die beste Gelegenheit, ihre Bewegungen genau zu beobachten. Dann und wann wurde ein Haupt langsam und anmuthig gedreht oder niedergebogen, dann zugleich der Fuß, welcher sich vorher zusammengekrampft und einen Gegenstand gefaßt hatte, vorgeschoben, sodaß er den bisher geschlossenen Schnabel berührte. Jn dieser Stellung verblieb der Weih aber nur einen Augenblick. Der Schnabel wurde geöffnet, die Beute verschluckt und das Haupt wieder erhoben. Diese Bewegung wiederholte nicht nur einer von den Raubvögeln, sondern die ganze Gesellschaft. Die Ursache wurde uns bald klar: die Schwalben- weihen machten Jagd auf eine prächtig gefärbte Bienenart, welche wir leider nicht näher bestimmen konnten."
Nicht blos die Forscher, sondern auch die Vögel kennen den Schwalbenweih als Kerbthierfresser, und einzelne von ihnen betrachten den Räuber deshalb mit schelen Augen als Beeinträchtiger ihres Gewerbes. "Wir sahen", theilt uns Burmeister mit, "einen Schwalbenweih, welcher von einem Tyrann (Saurophagus sulphuratus) verfolgt wurde. Dieser stieß unausgesetzt auf ihn herab und brachte den Falken in nicht geringe Verlegenheit. Der Tyrann hat auf den Falken eine wahre Wuth,
Die Fänger. Raubvögel. Weihen.
zeigen ſich in Pennſylvanien, New-York und andern nördlichen Staaten; ſie aber ſind ebenſo gut als Verirrte anzuſehen, wie diejenigen, welche in Europa erlegt wurden. Eigentlich ſeßhaft ſind ſie nur im Süden Nordamerikas, in Mejiko und Braſilien.
Der Schwalbenweih iſt allbekannt; denn er weiß ſich bemerklich zu machen und muß auch dem gleichgiltigſten Laien auffallen. Höchſt ſelten ſieht man ihn einzeln oder paarweiſe, gewöhnlich in zahlreichen Trupps in hoher Luft ſchwebend oder theilweiſe aufgebäumt auf einem einzeln ſtehenden Baume, welcher dem Schwarm abwechſelnd zum Ruheſitze dient. Solche Flüge zählen zwanzig bis zweihundert Stück und der von ihnen erwählte Baum erhält durch die prächtigen und lebendigen Vögel einen wunderbaren Schmuck. „Der Flug des Schwalbenweihs‟, ſagt Audubon, „iſt überraſchend ſchön und ſehr anhaltend. Der Vogel bewegt ſich durch die Luft mit ſolcher Leichtigkeit und Zierlichkeit, daß Jeder, welcher auch nur einigermaßen Vergnügen an Beobachtung der Vögel hat, von dem Schauſpiel entzückt ſein muß. Dahin gleitend erhebt ſich der Weih in großen Kreiſen zu unſchätzbarer Höhe, nur mit dem tiefgegabelten Schwanze die Richtung des Fluges beſtimmend, ſtößt dann plötzlich hernieder mit der Schnelligkeit des Blitzes, erhebt ſich von neuem, ſegelt weg und iſt bald außer Sicht. Ein anderes Mal ſieht man einen Schwarm rund um einen Baum ſich bewegen, in raſchem Flug zwiſchen den Zweigen hindurch jagend oder den Stamm faſt berührend und dabei Kerfe oder kleine Eidechſen, ihre Beute, ergreifen. Die Bewegungen der Vögel ſind bewunderungs- würdig ſchnell und manchfaltig. Die tiefen Bogen, welche ſie beſchreiben, die plötzlichen Kreiſe und Querzüge und die außerordentliche Leichtigkeit, mit welcher ſie die Luft zerſchneiden, muß jeden Beobachter entzücken.‟
Die Nahrung des Schwalbenweihs beſteht vorzugsweiſe, ja faſt ausſchließlich in Kerbthieren. Audubon iſt der einzige Naturforſcher, welcher angibt, daß der Vogel auch Eidechſen und Schlangen aufnimmt; alle übrigen Beobachter behaupten einſtimmig, daß er nur auf Kerfe Jagd mache. Dies geſchieht ganz in der Weiſe, wie Schwalben bei ihrer Jagd zu Werke gehen, nur mit dem Unterſchiede, daß der Schwalbenweih ſeine Beute nicht mit dem Schnabel, ſondern mit dem Fuß ergreift. „Bei unſerer Reiſe durch die Berge‟, erzählt R. Owen, „ſahen wir plötzlich einen großen Schwarm von Schwalbenweihen vor- und rückwärts durch die Luft gleiten, ganz niedrig über dem Wege dahin, welchen wir verfolgten. Manche von ihnen ſchwebten kaum zwölf Fuß über den Boden entlang. Der ganze Haufen hielt ſich eng zuſammen und erinnerte lebhaft an unſern Thurmſegler, wie er in geſchloſſenem Fluge unſere alten und hohen Gebäude umſchwirrt. Die Schwingen waren gebreitet und der Schwalbenſchwanz weit geöffnet. Die Vögel flogen nicht ſchnell, aber kräftig und ſtetig ohne jegliche ſichtbare Bewegung der Flügel. Unſer Erſcheinen ſchien ſie nicht im Geringſten zu behelligen, nicht einmal die Ausrufe des Entzückens, welche mein Gefährte laut werden ließ, alle ſeine Zeichen und Winke, welche ich umſonſt zu verhindern ſuchte, machten die Falken unruhig. Einige zogen manchmal vier oder fünf Ellen an uns vorüber und gaben uns dabei die beſte Gelegenheit, ihre Bewegungen genau zu beobachten. Dann und wann wurde ein Haupt langſam und anmuthig gedreht oder niedergebogen, dann zugleich der Fuß, welcher ſich vorher zuſammengekrampft und einen Gegenſtand gefaßt hatte, vorgeſchoben, ſodaß er den bisher geſchloſſenen Schnabel berührte. Jn dieſer Stellung verblieb der Weih aber nur einen Augenblick. Der Schnabel wurde geöffnet, die Beute verſchluckt und das Haupt wieder erhoben. Dieſe Bewegung wiederholte nicht nur einer von den Raubvögeln, ſondern die ganze Geſellſchaft. Die Urſache wurde uns bald klar: die Schwalben- weihen machten Jagd auf eine prächtig gefärbte Bienenart, welche wir leider nicht näher beſtimmen konnten.‟
Nicht blos die Forſcher, ſondern auch die Vögel kennen den Schwalbenweih als Kerbthierfreſſer, und einzelne von ihnen betrachten den Räuber deshalb mit ſchelen Augen als Beeinträchtiger ihres Gewerbes. „Wir ſahen‟, theilt uns Burmeiſter mit, „einen Schwalbenweih, welcher von einem Tyrann (Saurophagus sulphuratus) verfolgt wurde. Dieſer ſtieß unausgeſetzt auf ihn herab und brachte den Falken in nicht geringe Verlegenheit. Der Tyrann hat auf den Falken eine wahre Wuth,
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Die Fänger. Raubvögel. Weihen.
zeigen ſich in Pennſylvanien, New-York und andern nördlichen Staaten; ſie aber ſind ebenſo gut als
Verirrte anzuſehen, wie diejenigen, welche in Europa erlegt wurden. Eigentlich ſeßhaft ſind ſie nur
im Süden Nordamerikas, in Mejiko und Braſilien.
Der Schwalbenweih iſt allbekannt; denn er weiß ſich bemerklich zu machen und muß auch dem
gleichgiltigſten Laien auffallen. Höchſt ſelten ſieht man ihn einzeln oder paarweiſe, gewöhnlich in
zahlreichen Trupps in hoher Luft ſchwebend oder theilweiſe aufgebäumt auf einem einzeln ſtehenden
Baume, welcher dem Schwarm abwechſelnd zum Ruheſitze dient. Solche Flüge zählen zwanzig bis
zweihundert Stück und der von ihnen erwählte Baum erhält durch die prächtigen und lebendigen
Vögel einen wunderbaren Schmuck. „Der Flug des Schwalbenweihs‟, ſagt Audubon, „iſt
überraſchend ſchön und ſehr anhaltend. Der Vogel bewegt ſich durch die Luft mit ſolcher Leichtigkeit
und Zierlichkeit, daß Jeder, welcher auch nur einigermaßen Vergnügen an Beobachtung der Vögel hat,
von dem Schauſpiel entzückt ſein muß. Dahin gleitend erhebt ſich der Weih in großen Kreiſen zu
unſchätzbarer Höhe, nur mit dem tiefgegabelten Schwanze die Richtung des Fluges beſtimmend, ſtößt
dann plötzlich hernieder mit der Schnelligkeit des Blitzes, erhebt ſich von neuem, ſegelt weg und iſt
bald außer Sicht. Ein anderes Mal ſieht man einen Schwarm rund um einen Baum ſich bewegen,
in raſchem Flug zwiſchen den Zweigen hindurch jagend oder den Stamm faſt berührend und dabei
Kerfe oder kleine Eidechſen, ihre Beute, ergreifen. Die Bewegungen der Vögel ſind bewunderungs-
würdig ſchnell und manchfaltig. Die tiefen Bogen, welche ſie beſchreiben, die plötzlichen Kreiſe und
Querzüge und die außerordentliche Leichtigkeit, mit welcher ſie die Luft zerſchneiden, muß jeden
Beobachter entzücken.‟
Die Nahrung des Schwalbenweihs beſteht vorzugsweiſe, ja faſt ausſchließlich in Kerbthieren.
Audubon iſt der einzige Naturforſcher, welcher angibt, daß der Vogel auch Eidechſen und Schlangen
aufnimmt; alle übrigen Beobachter behaupten einſtimmig, daß er nur auf Kerfe Jagd mache. Dies
geſchieht ganz in der Weiſe, wie Schwalben bei ihrer Jagd zu Werke gehen, nur mit dem Unterſchiede,
daß der Schwalbenweih ſeine Beute nicht mit dem Schnabel, ſondern mit dem Fuß ergreift. „Bei
unſerer Reiſe durch die Berge‟, erzählt R. Owen, „ſahen wir plötzlich einen großen Schwarm von
Schwalbenweihen vor- und rückwärts durch die Luft gleiten, ganz niedrig über dem Wege dahin,
welchen wir verfolgten. Manche von ihnen ſchwebten kaum zwölf Fuß über den Boden entlang.
Der ganze Haufen hielt ſich eng zuſammen und erinnerte lebhaft an unſern Thurmſegler, wie er
in geſchloſſenem Fluge unſere alten und hohen Gebäude umſchwirrt. Die Schwingen waren gebreitet
und der Schwalbenſchwanz weit geöffnet. Die Vögel flogen nicht ſchnell, aber kräftig und ſtetig ohne
jegliche ſichtbare Bewegung der Flügel. Unſer Erſcheinen ſchien ſie nicht im Geringſten zu behelligen,
nicht einmal die Ausrufe des Entzückens, welche mein Gefährte laut werden ließ, alle ſeine Zeichen
und Winke, welche ich umſonſt zu verhindern ſuchte, machten die Falken unruhig. Einige zogen
manchmal vier oder fünf Ellen an uns vorüber und gaben uns dabei die beſte Gelegenheit, ihre
Bewegungen genau zu beobachten. Dann und wann wurde ein Haupt langſam und anmuthig
gedreht oder niedergebogen, dann zugleich der Fuß, welcher ſich vorher zuſammengekrampft und einen
Gegenſtand gefaßt hatte, vorgeſchoben, ſodaß er den bisher geſchloſſenen Schnabel berührte. Jn dieſer
Stellung verblieb der Weih aber nur einen Augenblick. Der Schnabel wurde geöffnet, die Beute
verſchluckt und das Haupt wieder erhoben. Dieſe Bewegung wiederholte nicht nur einer von den
Raubvögeln, ſondern die ganze Geſellſchaft. Die Urſache wurde uns bald klar: die Schwalben-
weihen machten Jagd auf eine prächtig gefärbte Bienenart, welche wir leider nicht näher beſtimmen
konnten.‟
Nicht blos die Forſcher, ſondern auch die Vögel kennen den Schwalbenweih als Kerbthierfreſſer,
und einzelne von ihnen betrachten den Räuber deshalb mit ſchelen Augen als Beeinträchtiger ihres
Gewerbes. „Wir ſahen‟, theilt uns Burmeiſter mit, „einen Schwalbenweih, welcher von einem
Tyrann (Saurophagus sulphuratus) verfolgt wurde. Dieſer ſtieß unausgeſetzt auf ihn herab und
brachte den Falken in nicht geringe Verlegenheit. Der Tyrann hat auf den Falken eine wahre Wuth,
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 496. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/528>, abgerufen am 22.11.2024.
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