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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

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Königs-, und Schwalbenweih.

Jn der Gefangenschaft wird der Königsweih ebenso zahm, als der Milan; er ist auch ebenso
genügsam und gewöhnlich ebenso verträglich, doch kommen Ausnahmen vor. "Jch hielt", erzählt
Berge, "längere Zeit einen Milan auf einer geräumigen Bühne. Diese mußten später zwei halb
erwachsene Katzen mit ihm theilen. Sie erhielten täglich Brod in Milch aufgequellt zur Nahrung.
Anfangs schien der Vogel seine Gesellschafter nicht zu beachten; bald aber verjagte er sie stets von
ihrem Futtergeschirr, wenn sie fressen wollten, und binnen kurzem steigerten sich diese Aeußerungen
des Neides so weit, daß der Königsweih alles Fleisch, welches er erhielt, unberührt ließ und täglich
zweimal den mit Brod und Milch gefüllten Katzenteller leerte. Schließlich mußte man die Katzen
entfernen, weil man befürchtete, daß sie verhungern würden. Während der ganzen Zeit genoß der
Vogel kein Fleisch; er duldete aber auch nicht, daß die Katzen dieses zu sich nahmen." Andere
Gefangene zeigten sich liebenswürdiger. "Einer meiner Bekannten", sagt Lenz, "besaß einen flügel-
lahmen Königsweih und ließ ihn im Garten frei gehen. Dort baute er ein Nest, legte zwei Eier und
brütete fleißig. Dies wiederholte der Vogel im nächsten Jahre und nun wurden ihm drei Hühnereier
untergelegt. Er brütete drei Küchlein aus, holte sie, so oft sie aus dem Neste liefen, mit dem
Schnabel zurück, stopfte sie unter sich und versuchte, sie mit Fleischstückchen zu füttern. Die Thierchen
gingen aber leider durch das viele Unterstopfen zu Grunde."

Unsere Milane gewähren mir wegen ihrer treuen Anhänglichkeit an ihre Bekannten und ihre
freundliche Begrüßung derselben viel Freude. Sie gehören entschieden zu den liebenswürdigsten aller
Raubvögel, welche der hamburger Thiergarten besitzt.



Der ausgezeichnetste aller Milane ist der Schwalbenweih (Nauclerus furcatus), ein bei aller
Einfachheit der Zeichnung prachtvoller Raubvogel Süd- und Mittelamerikas, welcher sich jedoch schon
wiederholt nach Europa verflogen und deshalb auch unter den Vögeln dieses Erdtheils aufgezählt
wird. Er ist ein in jeder Hinsicht auffallender Vogel. Der Leib ist kräftig, der Hals kurz, der Kopf
klein, aber lang, der Flügel schwalbenartig gebaut, sehr lang und sanft zugespitzt, in ihm die dritte
Schwinge die längste, der Schwanz außerordentlich lang und so tief gegabelt, daß die äußersten Federn
mehr als noch einmal so lang sind, als die mittelsten. Der Schnabel ist ziemlich lang, aber niedrig,
schon vom Grunde aus sanft herabgekrümmt, starkhakig, an der Schneide gerade, ohne Zahn oder
Ausschnitt, aber tief gespalten. Der Fuß ist kurz und klein, jedoch ziemlich kräftig; die kurzen Zehen
sind mit stark gekrümmten, äußerst spitzigen Nägeln bewehrt. Das Gefieder ist weich und großfedrig.
Bei dem alten Vogel ist das ganze Gefieder mit Ausnahme des Mantels und Schwanzes weiß; letztere
sind schwarz, metallischgrün glänzend. Die Armschwingen sind an der Jnnenfahne bis gegen die
Spitze hin reinweiß; bei der letzten Schwinge zeigt sich das Schwarz nur an der Spitze. Bei jungen
Vögeln bemerkt man am Nacken und Hinterkopf schwarze Federschäfte und zuweilen dunklere Schaft-
striche. Das Rückengefieder ist graulich und glanzlos, die unteren Deckfedern haben graue Spitzen,
und die letzten Armschwingen sind reinweiß. Das Auge ist kaffee- oder dunkelbraun, der Schnabel
schwarz, die Wachshaut blaugrau, der Fuß grünlichlichtblau, die Krallen sind lichthornfarben. Das
Männchen ist etwas kleiner als das Weibchen, am Rumpfe reiner weiß und auf den Flügeln glänzender
schwarz gefärbt. Die Länge beträgt 23 Zoll, die Breite 50 Zoll, der Fittig mißt 16 Zoll, die längste
Schwanzfeder 12 Zoll.

Jn ganz Südamerika von Südbrasilien an bis zu den südlich vereinigten Staaten ist der
Schwalbenweih ein überall vorkommender und stellenweise sehr häufiger Vogel. Die vereinigten
Staaten bewohnt er nur während der Sommermonate. Er erscheint nach Audubon in Louisiana
und Mississippi, wo er sehr häufig ist, mit Anfang Aprils in großen Scharen und verläßt das Land
wieder im September. Einzelne schweifen über die Grenzen ihres Verbreitungskreises hinaus und

Königs-, und Schwalbenweih.

Jn der Gefangenſchaft wird der Königsweih ebenſo zahm, als der Milan; er iſt auch ebenſo
genügſam und gewöhnlich ebenſo verträglich, doch kommen Ausnahmen vor. „Jch hielt‟, erzählt
Berge, „längere Zeit einen Milan auf einer geräumigen Bühne. Dieſe mußten ſpäter zwei halb
erwachſene Katzen mit ihm theilen. Sie erhielten täglich Brod in Milch aufgequellt zur Nahrung.
Anfangs ſchien der Vogel ſeine Geſellſchafter nicht zu beachten; bald aber verjagte er ſie ſtets von
ihrem Futtergeſchirr, wenn ſie freſſen wollten, und binnen kurzem ſteigerten ſich dieſe Aeußerungen
des Neides ſo weit, daß der Königsweih alles Fleiſch, welches er erhielt, unberührt ließ und täglich
zweimal den mit Brod und Milch gefüllten Katzenteller leerte. Schließlich mußte man die Katzen
entfernen, weil man befürchtete, daß ſie verhungern würden. Während der ganzen Zeit genoß der
Vogel kein Fleiſch; er duldete aber auch nicht, daß die Katzen dieſes zu ſich nahmen.‟ Andere
Gefangene zeigten ſich liebenswürdiger. „Einer meiner Bekannten‟, ſagt Lenz, „beſaß einen flügel-
lahmen Königsweih und ließ ihn im Garten frei gehen. Dort baute er ein Neſt, legte zwei Eier und
brütete fleißig. Dies wiederholte der Vogel im nächſten Jahre und nun wurden ihm drei Hühnereier
untergelegt. Er brütete drei Küchlein aus, holte ſie, ſo oft ſie aus dem Neſte liefen, mit dem
Schnabel zurück, ſtopfte ſie unter ſich und verſuchte, ſie mit Fleiſchſtückchen zu füttern. Die Thierchen
gingen aber leider durch das viele Unterſtopfen zu Grunde.‟

Unſere Milane gewähren mir wegen ihrer treuen Anhänglichkeit an ihre Bekannten und ihre
freundliche Begrüßung derſelben viel Freude. Sie gehören entſchieden zu den liebenswürdigſten aller
Raubvögel, welche der hamburger Thiergarten beſitzt.



Der ausgezeichnetſte aller Milane iſt der Schwalbenweih (Nauclerus furcatus), ein bei aller
Einfachheit der Zeichnung prachtvoller Raubvogel Süd- und Mittelamerikas, welcher ſich jedoch ſchon
wiederholt nach Europa verflogen und deshalb auch unter den Vögeln dieſes Erdtheils aufgezählt
wird. Er iſt ein in jeder Hinſicht auffallender Vogel. Der Leib iſt kräftig, der Hals kurz, der Kopf
klein, aber lang, der Flügel ſchwalbenartig gebaut, ſehr lang und ſanft zugeſpitzt, in ihm die dritte
Schwinge die längſte, der Schwanz außerordentlich lang und ſo tief gegabelt, daß die äußerſten Federn
mehr als noch einmal ſo lang ſind, als die mittelſten. Der Schnabel iſt ziemlich lang, aber niedrig,
ſchon vom Grunde aus ſanft herabgekrümmt, ſtarkhakig, an der Schneide gerade, ohne Zahn oder
Ausſchnitt, aber tief geſpalten. Der Fuß iſt kurz und klein, jedoch ziemlich kräftig; die kurzen Zehen
ſind mit ſtark gekrümmten, äußerſt ſpitzigen Nägeln bewehrt. Das Gefieder iſt weich und großfedrig.
Bei dem alten Vogel iſt das ganze Gefieder mit Ausnahme des Mantels und Schwanzes weiß; letztere
ſind ſchwarz, metalliſchgrün glänzend. Die Armſchwingen ſind an der Jnnenfahne bis gegen die
Spitze hin reinweiß; bei der letzten Schwinge zeigt ſich das Schwarz nur an der Spitze. Bei jungen
Vögeln bemerkt man am Nacken und Hinterkopf ſchwarze Federſchäfte und zuweilen dunklere Schaft-
ſtriche. Das Rückengefieder iſt graulich und glanzlos, die unteren Deckfedern haben graue Spitzen,
und die letzten Armſchwingen ſind reinweiß. Das Auge iſt kaffee- oder dunkelbraun, der Schnabel
ſchwarz, die Wachshaut blaugrau, der Fuß grünlichlichtblau, die Krallen ſind lichthornfarben. Das
Männchen iſt etwas kleiner als das Weibchen, am Rumpfe reiner weiß und auf den Flügeln glänzender
ſchwarz gefärbt. Die Länge beträgt 23 Zoll, die Breite 50 Zoll, der Fittig mißt 16 Zoll, die längſte
Schwanzfeder 12 Zoll.

Jn ganz Südamerika von Südbraſilien an bis zu den ſüdlich vereinigten Staaten iſt der
Schwalbenweih ein überall vorkommender und ſtellenweiſe ſehr häufiger Vogel. Die vereinigten
Staaten bewohnt er nur während der Sommermonate. Er erſcheint nach Audubon in Louiſiana
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wieder im September. Einzelne ſchweifen über die Grenzen ihres Verbreitungskreiſes hinaus und

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[495/0527] Königs-, und Schwalbenweih. Jn der Gefangenſchaft wird der Königsweih ebenſo zahm, als der Milan; er iſt auch ebenſo genügſam und gewöhnlich ebenſo verträglich, doch kommen Ausnahmen vor. „Jch hielt‟, erzählt Berge, „längere Zeit einen Milan auf einer geräumigen Bühne. Dieſe mußten ſpäter zwei halb erwachſene Katzen mit ihm theilen. Sie erhielten täglich Brod in Milch aufgequellt zur Nahrung. Anfangs ſchien der Vogel ſeine Geſellſchafter nicht zu beachten; bald aber verjagte er ſie ſtets von ihrem Futtergeſchirr, wenn ſie freſſen wollten, und binnen kurzem ſteigerten ſich dieſe Aeußerungen des Neides ſo weit, daß der Königsweih alles Fleiſch, welches er erhielt, unberührt ließ und täglich zweimal den mit Brod und Milch gefüllten Katzenteller leerte. Schließlich mußte man die Katzen entfernen, weil man befürchtete, daß ſie verhungern würden. Während der ganzen Zeit genoß der Vogel kein Fleiſch; er duldete aber auch nicht, daß die Katzen dieſes zu ſich nahmen.‟ Andere Gefangene zeigten ſich liebenswürdiger. „Einer meiner Bekannten‟, ſagt Lenz, „beſaß einen flügel- lahmen Königsweih und ließ ihn im Garten frei gehen. Dort baute er ein Neſt, legte zwei Eier und brütete fleißig. Dies wiederholte der Vogel im nächſten Jahre und nun wurden ihm drei Hühnereier untergelegt. Er brütete drei Küchlein aus, holte ſie, ſo oft ſie aus dem Neſte liefen, mit dem Schnabel zurück, ſtopfte ſie unter ſich und verſuchte, ſie mit Fleiſchſtückchen zu füttern. Die Thierchen gingen aber leider durch das viele Unterſtopfen zu Grunde.‟ Unſere Milane gewähren mir wegen ihrer treuen Anhänglichkeit an ihre Bekannten und ihre freundliche Begrüßung derſelben viel Freude. Sie gehören entſchieden zu den liebenswürdigſten aller Raubvögel, welche der hamburger Thiergarten beſitzt. Der ausgezeichnetſte aller Milane iſt der Schwalbenweih (Nauclerus furcatus), ein bei aller Einfachheit der Zeichnung prachtvoller Raubvogel Süd- und Mittelamerikas, welcher ſich jedoch ſchon wiederholt nach Europa verflogen und deshalb auch unter den Vögeln dieſes Erdtheils aufgezählt wird. Er iſt ein in jeder Hinſicht auffallender Vogel. Der Leib iſt kräftig, der Hals kurz, der Kopf klein, aber lang, der Flügel ſchwalbenartig gebaut, ſehr lang und ſanft zugeſpitzt, in ihm die dritte Schwinge die längſte, der Schwanz außerordentlich lang und ſo tief gegabelt, daß die äußerſten Federn mehr als noch einmal ſo lang ſind, als die mittelſten. Der Schnabel iſt ziemlich lang, aber niedrig, ſchon vom Grunde aus ſanft herabgekrümmt, ſtarkhakig, an der Schneide gerade, ohne Zahn oder Ausſchnitt, aber tief geſpalten. Der Fuß iſt kurz und klein, jedoch ziemlich kräftig; die kurzen Zehen ſind mit ſtark gekrümmten, äußerſt ſpitzigen Nägeln bewehrt. Das Gefieder iſt weich und großfedrig. Bei dem alten Vogel iſt das ganze Gefieder mit Ausnahme des Mantels und Schwanzes weiß; letztere ſind ſchwarz, metalliſchgrün glänzend. Die Armſchwingen ſind an der Jnnenfahne bis gegen die Spitze hin reinweiß; bei der letzten Schwinge zeigt ſich das Schwarz nur an der Spitze. Bei jungen Vögeln bemerkt man am Nacken und Hinterkopf ſchwarze Federſchäfte und zuweilen dunklere Schaft- ſtriche. Das Rückengefieder iſt graulich und glanzlos, die unteren Deckfedern haben graue Spitzen, und die letzten Armſchwingen ſind reinweiß. Das Auge iſt kaffee- oder dunkelbraun, der Schnabel ſchwarz, die Wachshaut blaugrau, der Fuß grünlichlichtblau, die Krallen ſind lichthornfarben. Das Männchen iſt etwas kleiner als das Weibchen, am Rumpfe reiner weiß und auf den Flügeln glänzender ſchwarz gefärbt. Die Länge beträgt 23 Zoll, die Breite 50 Zoll, der Fittig mißt 16 Zoll, die längſte Schwanzfeder 12 Zoll. Jn ganz Südamerika von Südbraſilien an bis zu den ſüdlich vereinigten Staaten iſt der Schwalbenweih ein überall vorkommender und ſtellenweiſe ſehr häufiger Vogel. Die vereinigten Staaten bewohnt er nur während der Sommermonate. Er erſcheint nach Audubon in Louiſiana und Miſſiſſippi, wo er ſehr häufig iſt, mit Anfang Aprils in großen Scharen und verläßt das Land wieder im September. Einzelne ſchweifen über die Grenzen ihres Verbreitungskreiſes hinaus und

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 495. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/527>, abgerufen am 22.11.2024.