Höchst belustigend ist die wirklich großartige Nahahmungsgabe des Hehers. Er ist ein Künstler in dieser Hinsicht, unter unsern Spottvögeln unzweifelhaft einer der begabtesten und unterhaltendsten. Sein gewöhnliches Geschrei ist ein kreischendes, abscheuliches "Rätsch" oder "Räh", der Angstruf ein kaum wohllautenderes "Käh oder kräh". Auch schreit er zuweilen wie eine Katze "Miau" und gar nicht selten spricht er, etwas bauchrednerisch zwar, aber doch recht deutlich das Wort "Margolf" aus. Mit diesen Naturlauten begnügt sich der Heher jedoch keineswegs; er stiehlt vielmehr alle Töne und Laute zusammen, welche er in seinem Gebiete hören kann. Den miauenden Ruf des Bussards gibt er auf das täuschendste und so regelmäßig wieder, daß man in Zweifel bleibt, ob er damit fremdes oder eigenes Gut zu Markte bringt. Für ersteres sprechen andere Beobachtungen. Man weiß, daß er die Laute nachahmte, welche das Scharfmachen einer Säge hervorbringt. Naumann hat einen das Wiehern eines Füllens bis zur völligen Täuschung nachahmen hören; andere haben sich im Krähen des Haushahnes und im Gackern des Huhnes mit Erfolg versucht. Die verschiedenen, hier und da auf- geschnappten Töne werden unter Umständen auch zu einem sonderbar schwatzenden Gesang verbunden, welcher bald mehr, bald minder wohllautend sein kann. "Einst im Herbste", erzählt Rosenheyn, "setzte ich mich, von der Jagd ermüdet, im Walde unter einer hohen Birke nieder und hing in Gedanken den Erlebnissen des Tages nach. Darin störte mich in nicht unangenehmer Weise das Gezwitscher eines Vogels. So spät im Jahre, dachte ich, und noch Gesang in dem schon ersterbendem Walde? Aber wer und wo ist der Sänger? Alle nahestehenden Bäume wurden durchmustert, ohne daß ich denselben entdecken konnte, und dennoch klangen immer kräftiger seine Töne. Jhre große Aehnlichkeit mit der Singweise einer Drossel führte mich auf den Gedanken, sie müsse es sein. Bald erschallten jedoch in kurz abgerissenen Sätzen auch minder volltönende Laute, als die ihrigen; es schien, als hätte sich ein unsichtbarer Sängerkreis in meiner Nähe gebildet. Jch vernahm z. B. ganz deutlich sowohl den pickenden Ton der Spechte, als den krächzenden der Elster; bald wiederum ließ der Würger sich hören, die Drossel, der Staar, ja selbst die Rake; alles mir wohlbekannte Laute. Endlich erblickte ich in bedeutender Höhe einen -- Heher! Er war es, welcher sich in diesen Nachahmungen versuchte."
Leider besitzt der Heher andere Eigenschaften, wodurch er sich die gewonnene Gunst des Menschen bald wieder verscherzt. Er ist nach allen genauen Beobachtungen der abscheulichste Nestzerstörer, welchen unsere Wälder aufzuweisen haben. Auch er ist ein Allesfresser im ausgedehntesten Sinne des Worts. Von der Maus oder dem jungen Vögelchen an bis zum kleinsten Kerbthiere ist kein Thier vor ihm gesichert, und ebenso wenig verschmäht er Früchte, Beeren und dergl. Jm Herbst bilden Eicheln, Bucheggern und Haselnüsse oft wochenlang seine Hauptnahrung. Die ersteren erweicht er in seinem Kropfe, speit sie dann aus und zerspaltet sie; die letzteren zerhämmert er mit seinem kräftigen Schna- bel, wenn auch nicht ganz ohne Mühe. Gelegentlich seiner Eicheldiebereien macht er sich in beschränk- tem Grade nützlich: er trägt zur Anpflanzung der Waldbäume bei. Jm übrigen aber ist er durchaus nicht nützlich, sondern nur schädlich. Lenz hält ihn für den Hauptvertilger der Kreuzottern und beschreibt in seinem vortrefflichen Buche, der "Schlangenkunde", in ausführlicher Weise, wie der Heher jungen Kreuzottern, so oft er ihrer habhaft werden kann, ohne Umstände den Kopf spaltet und sie dann mit großem Behagen frißt, wie er selbst die erwachsenen überwältigt, ohne sich selbst dem Giftzahne auszusetzen, indem er den Kopf des Lurches so sicher mit Schnabelhieben bearbeitet, daß die Kreuzotter bald das Bewußtsein verliert und durch einige rasch auf einander folgende Hiebe binnen wenigen Minuten getödtet wird. Unser Forscher stellt wegen dieser Heldenthaten den Eichelheher hoch und hat ihn sogar in einem recht hübschen Gedicht verherrlicht: aber -- so wenig wir dem Helden jenes Ge- dichts seinen Ruhm auch verkümmern wollen, die räuberische Thätigkeit gilt leider nicht dem gifti- gen Gewürm allein, sondern gewiß in noch viel höherem Grade dem nützlichen kleinen Geflügel. Seine Raubgier wird Groß und Klein gefährlich. Naumann's Bruder fand einen Eichelheher beschäftigt, eine alte Singdrossel abzuwürgen, die Mutter einer zahlreichen Kinderschar, welche sich, wie es schien, derselben zu Liebe aufgeopfert hatte, und derselbe Naturbeobachter traf später den Heher
Die Knacker. Rabenvögel. Baumkrähen.
Höchſt beluſtigend iſt die wirklich großartige Nahahmungsgabe des Hehers. Er iſt ein Künſtler in dieſer Hinſicht, unter unſern Spottvögeln unzweifelhaft einer der begabteſten und unterhaltendſten. Sein gewöhnliches Geſchrei iſt ein kreiſchendes, abſcheuliches „Rätſch‟ oder „Räh‟, der Angſtruf ein kaum wohllautenderes „Käh oder kräh‟. Auch ſchreit er zuweilen wie eine Katze „Miau‟ und gar nicht ſelten ſpricht er, etwas bauchredneriſch zwar, aber doch recht deutlich das Wort „Margolf‟ aus. Mit dieſen Naturlauten begnügt ſich der Heher jedoch keineswegs; er ſtiehlt vielmehr alle Töne und Laute zuſammen, welche er in ſeinem Gebiete hören kann. Den miauenden Ruf des Buſſards gibt er auf das täuſchendſte und ſo regelmäßig wieder, daß man in Zweifel bleibt, ob er damit fremdes oder eigenes Gut zu Markte bringt. Für erſteres ſprechen andere Beobachtungen. Man weiß, daß er die Laute nachahmte, welche das Scharfmachen einer Säge hervorbringt. Naumann hat einen das Wiehern eines Füllens bis zur völligen Täuſchung nachahmen hören; andere haben ſich im Krähen des Haushahnes und im Gackern des Huhnes mit Erfolg verſucht. Die verſchiedenen, hier und da auf- geſchnappten Töne werden unter Umſtänden auch zu einem ſonderbar ſchwatzenden Geſang verbunden, welcher bald mehr, bald minder wohllautend ſein kann. „Einſt im Herbſte‟, erzählt Roſenheyn, „ſetzte ich mich, von der Jagd ermüdet, im Walde unter einer hohen Birke nieder und hing in Gedanken den Erlebniſſen des Tages nach. Darin ſtörte mich in nicht unangenehmer Weiſe das Gezwitſcher eines Vogels. So ſpät im Jahre, dachte ich, und noch Geſang in dem ſchon erſterbendem Walde? Aber wer und wo iſt der Sänger? Alle naheſtehenden Bäume wurden durchmuſtert, ohne daß ich denſelben entdecken konnte, und dennoch klangen immer kräftiger ſeine Töne. Jhre große Aehnlichkeit mit der Singweiſe einer Droſſel führte mich auf den Gedanken, ſie müſſe es ſein. Bald erſchallten jedoch in kurz abgeriſſenen Sätzen auch minder volltönende Laute, als die ihrigen; es ſchien, als hätte ſich ein unſichtbarer Sängerkreis in meiner Nähe gebildet. Jch vernahm z. B. ganz deutlich ſowohl den pickenden Ton der Spechte, als den krächzenden der Elſter; bald wiederum ließ der Würger ſich hören, die Droſſel, der Staar, ja ſelbſt die Rake; alles mir wohlbekannte Laute. Endlich erblickte ich in bedeutender Höhe einen — Heher! Er war es, welcher ſich in dieſen Nachahmungen verſuchte.‟
Leider beſitzt der Heher andere Eigenſchaften, wodurch er ſich die gewonnene Gunſt des Menſchen bald wieder verſcherzt. Er iſt nach allen genauen Beobachtungen der abſcheulichſte Neſtzerſtörer, welchen unſere Wälder aufzuweiſen haben. Auch er iſt ein Allesfreſſer im ausgedehnteſten Sinne des Worts. Von der Maus oder dem jungen Vögelchen an bis zum kleinſten Kerbthiere iſt kein Thier vor ihm geſichert, und ebenſo wenig verſchmäht er Früchte, Beeren und dergl. Jm Herbſt bilden Eicheln, Bucheggern und Haſelnüſſe oft wochenlang ſeine Hauptnahrung. Die erſteren erweicht er in ſeinem Kropfe, ſpeit ſie dann aus und zerſpaltet ſie; die letzteren zerhämmert er mit ſeinem kräftigen Schna- bel, wenn auch nicht ganz ohne Mühe. Gelegentlich ſeiner Eicheldiebereien macht er ſich in beſchränk- tem Grade nützlich: er trägt zur Anpflanzung der Waldbäume bei. Jm übrigen aber iſt er durchaus nicht nützlich, ſondern nur ſchädlich. Lenz hält ihn für den Hauptvertilger der Kreuzottern und beſchreibt in ſeinem vortrefflichen Buche, der „Schlangenkunde‟, in ausführlicher Weiſe, wie der Heher jungen Kreuzottern, ſo oft er ihrer habhaft werden kann, ohne Umſtände den Kopf ſpaltet und ſie dann mit großem Behagen frißt, wie er ſelbſt die erwachſenen überwältigt, ohne ſich ſelbſt dem Giftzahne auszuſetzen, indem er den Kopf des Lurches ſo ſicher mit Schnabelhieben bearbeitet, daß die Kreuzotter bald das Bewußtſein verliert und durch einige raſch auf einander folgende Hiebe binnen wenigen Minuten getödtet wird. Unſer Forſcher ſtellt wegen dieſer Heldenthaten den Eichelheher hoch und hat ihn ſogar in einem recht hübſchen Gedicht verherrlicht: aber — ſo wenig wir dem Helden jenes Ge- dichts ſeinen Ruhm auch verkümmern wollen, die räuberiſche Thätigkeit gilt leider nicht dem gifti- gen Gewürm allein, ſondern gewiß in noch viel höherem Grade dem nützlichen kleinen Geflügel. Seine Raubgier wird Groß und Klein gefährlich. Naumann’s Bruder fand einen Eichelheher beſchäftigt, eine alte Singdroſſel abzuwürgen, die Mutter einer zahlreichen Kinderſchar, welche ſich, wie es ſchien, derſelben zu Liebe aufgeopfert hatte, und derſelbe Naturbeobachter traf ſpäter den Heher
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Höchſt beluſtigend iſt die wirklich großartige Nahahmungsgabe des Hehers. Er iſt ein Künſtler
in dieſer Hinſicht, unter unſern Spottvögeln unzweifelhaft einer der begabteſten und unterhaltendſten.
Sein gewöhnliches Geſchrei iſt ein kreiſchendes, abſcheuliches „Rätſch‟ oder „Räh‟, der Angſtruf
ein kaum wohllautenderes „Käh oder kräh‟. Auch ſchreit er zuweilen wie eine Katze „Miau‟ und
gar nicht ſelten ſpricht er, etwas bauchredneriſch zwar, aber doch recht deutlich das Wort „Margolf‟
aus. Mit dieſen Naturlauten begnügt ſich der Heher jedoch keineswegs; er ſtiehlt vielmehr alle Töne
und Laute zuſammen, welche er in ſeinem Gebiete hören kann. Den miauenden Ruf des Buſſards
gibt er auf das täuſchendſte und ſo regelmäßig wieder, daß man in Zweifel bleibt, ob er damit fremdes
oder eigenes Gut zu Markte bringt. Für erſteres ſprechen andere Beobachtungen. Man weiß, daß
er die Laute nachahmte, welche das Scharfmachen einer Säge hervorbringt. Naumann hat einen das
Wiehern eines Füllens bis zur völligen Täuſchung nachahmen hören; andere haben ſich im Krähen des
Haushahnes und im Gackern des Huhnes mit Erfolg verſucht. Die verſchiedenen, hier und da auf-
geſchnappten Töne werden unter Umſtänden auch zu einem ſonderbar ſchwatzenden Geſang verbunden,
welcher bald mehr, bald minder wohllautend ſein kann. „Einſt im Herbſte‟, erzählt Roſenheyn,
„ſetzte ich mich, von der Jagd ermüdet, im Walde unter einer hohen Birke nieder und hing in Gedanken
den Erlebniſſen des Tages nach. Darin ſtörte mich in nicht unangenehmer Weiſe das Gezwitſcher
eines Vogels. So ſpät im Jahre, dachte ich, und noch Geſang in dem ſchon erſterbendem Walde?
Aber wer und wo iſt der Sänger? Alle naheſtehenden Bäume wurden durchmuſtert, ohne daß ich
denſelben entdecken konnte, und dennoch klangen immer kräftiger ſeine Töne. Jhre große Aehnlichkeit
mit der Singweiſe einer Droſſel führte mich auf den Gedanken, ſie müſſe es ſein. Bald erſchallten
jedoch in kurz abgeriſſenen Sätzen auch minder volltönende Laute, als die ihrigen; es ſchien, als hätte
ſich ein unſichtbarer Sängerkreis in meiner Nähe gebildet. Jch vernahm z. B. ganz deutlich ſowohl
den pickenden Ton der Spechte, als den krächzenden der Elſter; bald wiederum ließ der Würger
ſich hören, die Droſſel, der Staar, ja ſelbſt die Rake; alles mir wohlbekannte Laute. Endlich
erblickte ich in bedeutender Höhe einen — Heher! Er war es, welcher ſich in dieſen Nachahmungen
verſuchte.‟
Leider beſitzt der Heher andere Eigenſchaften, wodurch er ſich die gewonnene Gunſt des Menſchen
bald wieder verſcherzt. Er iſt nach allen genauen Beobachtungen der abſcheulichſte Neſtzerſtörer,
welchen unſere Wälder aufzuweiſen haben. Auch er iſt ein Allesfreſſer im ausgedehnteſten Sinne des
Worts. Von der Maus oder dem jungen Vögelchen an bis zum kleinſten Kerbthiere iſt kein Thier vor
ihm geſichert, und ebenſo wenig verſchmäht er Früchte, Beeren und dergl. Jm Herbſt bilden Eicheln,
Bucheggern und Haſelnüſſe oft wochenlang ſeine Hauptnahrung. Die erſteren erweicht er in ſeinem
Kropfe, ſpeit ſie dann aus und zerſpaltet ſie; die letzteren zerhämmert er mit ſeinem kräftigen Schna-
bel, wenn auch nicht ganz ohne Mühe. Gelegentlich ſeiner Eicheldiebereien macht er ſich in beſchränk-
tem Grade nützlich: er trägt zur Anpflanzung der Waldbäume bei. Jm übrigen aber iſt er durchaus
nicht nützlich, ſondern nur ſchädlich. Lenz hält ihn für den Hauptvertilger der Kreuzottern und
beſchreibt in ſeinem vortrefflichen Buche, der „Schlangenkunde‟, in ausführlicher Weiſe, wie der Heher
jungen Kreuzottern, ſo oft er ihrer habhaft werden kann, ohne Umſtände den Kopf ſpaltet und ſie dann
mit großem Behagen frißt, wie er ſelbſt die erwachſenen überwältigt, ohne ſich ſelbſt dem Giftzahne
auszuſetzen, indem er den Kopf des Lurches ſo ſicher mit Schnabelhieben bearbeitet, daß die Kreuzotter
bald das Bewußtſein verliert und durch einige raſch auf einander folgende Hiebe binnen wenigen
Minuten getödtet wird. Unſer Forſcher ſtellt wegen dieſer Heldenthaten den Eichelheher hoch und hat
ihn ſogar in einem recht hübſchen Gedicht verherrlicht: aber — ſo wenig wir dem Helden jenes Ge-
dichts ſeinen Ruhm auch verkümmern wollen, die räuberiſche Thätigkeit gilt leider nicht dem gifti-
gen Gewürm allein, ſondern gewiß in noch viel höherem Grade dem nützlichen kleinen Geflügel.
Seine Raubgier wird Groß und Klein gefährlich. Naumann’s Bruder fand einen Eichelheher
beſchäftigt, eine alte Singdroſſel abzuwürgen, die Mutter einer zahlreichen Kinderſchar, welche ſich,
wie es ſchien, derſelben zu Liebe aufgeopfert hatte, und derſelbe Naturbeobachter traf ſpäter den Heher
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 380. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/408>, abgerufen am 23.11.2024.
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