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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

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Eichelheher.
als eifrigen und geschickten Jäger junger Rebhühner an. Trinthammer und der jüngere Homeyer
verdammen den Heher ebenso, wie Lenz ihn hochpreist. "Was treibt dieser fahrende Ritter", sagt
Ersterer, "dieser verschmitzte Bursche, der schmucke Vertreter der Galgenvögelgesellschaft, die ganze
Brutzeit hindurch? Von Baum zu Baum, von Busch zu Busch schweifend, ergattert er die Nester,
säuft er die Eier aus, verschlingt er die nackten Jungen mit Haut und Haar und hascht und zerfleischt
er die ausgeflogenen Gelbschnäbel, welche noch unbeholfen und ungewitzigt ihn zu nahe kommen lassen.
Der Sperber und die drei Würger unserer Wälder sind zwar ebenfalls schlimme Gesellen, aber sie
alle zusammen hausen noch lange nicht so arg unter den Sängern des Waldes, als der Heher. Er ist der
Neunmalneuntödter, der Würger in des Wortes eigentlicher Bedeutung und als solcher geschmückt
mit Federbusch und Achselbändern. Was jene übrig gelassen haben, was Jltissen und Wieseln entrinnt,
wird sicher ihm zur Beute. Wo dieser Strauchmörder überhand nimmt, da ist an ein Aufkommen der
Brut durchaus nicht mehr zu denken. Meine Beschuldigung ist gewiß nicht zu hart; zum Beweis sei hier
ein schlagendes Beispiel seiner Frechheit angeführt. Seit einer Reihe von Jahren kam während der
Brutzeit fast jeden Morgen ein Heher in meinen Hausgarten, stöberte dort, wie in den anstoßenden
Gärten, Baumgruppen und Strauchwerk durch und zerstörte sofort die ausgekundeten Nester. Auf einem
meiner Bäume hatte von lange her ein Edelfink und im Stachelbeerengebüsch eine Klappergras-
mücke
genistet. Sie konnten beide kein Gehecke mehr aufbringen und zogen sich endlich ganz hinweg.
Endlich machte der Räuber, dessen unwillkommenes Erscheinen mir jedesmal durch das Gebahren aller
befiederten Beisassen verrathen war, sein ausgezeichnetes Meisterstück. Er verfolgte junge Roth-
schwänzchen
und kaperte eines von ihnen nach dem andern weg, so daß in Kurzem keine Spur der
niedlichen Vögelchen zu sehen war. Ein andermal zerrte er aus einem Loche in der Brandmauer
meines Nachbars einen halbflüggen Spatz hervor und zerlegte ihn ganz gemüthlich auf dem nächsten
Baume, bei welchem Frevel die Alten nebst ihrer Sippschaft ein gewaltiges Zetermordio erhoben, ja
sogar kühn auf den Räuber lospickten. Dies brachte ihn jedoch ebenso wenig, als mein Schelten und
Hutschwenken, außer Fassung; denn nach gehaltenem Fleischschmause fraß er noch zum Nachtische einige
Kirschen und flog dann hohnschreiend in sein Leibgehege zurück. -- Wenn es dem Forstwirth lieb ist,
daß die kleinen Waldvögel verwüstende Raupen ablesen, was Menschenhände keineswegs zu Stande
bringen können, so wird es ihm ebenso warm am Herzen liegen müssen, auch den geschwornen Erbfeind
dieser freundlichen Raupenleser, den blutgierigen Heher, in gesetzlicher Ordnung zu halten und
ihm zu gebieten, bis hierher und nicht weiter."

Jch muß mich, so gern ich den Heher im Walde sehe, der Ansicht Trinthammer's vollständig
anschließen und will nur noch hinzufügen, daß die hauptsächlichsten Dienste, welche er zu leisten ver-
mag, durch den Bussard viel besser und vollständiger ausgeführt werden, während dieser die kleinen
nützlichen Vögel kaum behelligt.

Das Brutgeschäft des Hehers fällt in die ersten Frühlingsmonate. Jm März beginnt das Paar
mit dem Bau des Nestes; Anfangs April pflegt das Gelege vollständig zu sein. Das Nest steht selten
hoch über dem Boden, bald im Wipfel eines niederen Baumes, bald im Wipfel eines höheren, bald
nahe am Schafte, bald außen in den Zweigen. Es ist nicht besonders groß, zu unterst aus zarten,
dünnen Reisern, dann aus Haidekraut und trockenen Stengeln erbaut, innen mit feinen Würzelchen
sehr hübsch ausgelegt. Die fünf bis sieben Eier sind auf schmuziggelbweißem oder weißgrünlichem
Grunde überall mit graubraunen Tüpfeln und Punkten gezeichnet, am stumpfen Ende gewöhnlich
kranzartig. Nach etwa sechszehntägiger Bebrütung entschlüpfen ihnen die Jungen, welche zunächst mit
Räupchen und Larven, Käfern und anderen Kerbthieren, Würmern u. dgl., später aber vorzugsweise
mit jungen Vögeln aufgefüttert werden. Ungestört brütet der Heher nur einmal im Jahre.

Als schlimmster Feind des Hehers ist wohl der Habicht anzusehen, nächst ihm der Sperber.
Der erstere überwältigt den Heher leicht, der letztere erst nach langem Kampfe. Wir haben wiederholt
Sperber und Heher erhalten, welche bei einem derartigen Kampf sich in einander verkrallt und ver-
bissen hatten, zu Boden gestürzt und so gefangen worden waren. Bei seinem Ausfliegen nach einzeln

Eichelheher.
als eifrigen und geſchickten Jäger junger Rebhühner an. Trinthammer und der jüngere Homeyer
verdammen den Heher ebenſo, wie Lenz ihn hochpreiſt. „Was treibt dieſer fahrende Ritter‟, ſagt
Erſterer, „dieſer verſchmitzte Burſche, der ſchmucke Vertreter der Galgenvögelgeſellſchaft, die ganze
Brutzeit hindurch? Von Baum zu Baum, von Buſch zu Buſch ſchweifend, ergattert er die Neſter,
ſäuft er die Eier aus, verſchlingt er die nackten Jungen mit Haut und Haar und haſcht und zerfleiſcht
er die ausgeflogenen Gelbſchnäbel, welche noch unbeholfen und ungewitzigt ihn zu nahe kommen laſſen.
Der Sperber und die drei Würger unſerer Wälder ſind zwar ebenfalls ſchlimme Geſellen, aber ſie
alle zuſammen hauſen noch lange nicht ſo arg unter den Sängern des Waldes, als der Heher. Er iſt der
Neunmalneuntödter, der Würger in des Wortes eigentlicher Bedeutung und als ſolcher geſchmückt
mit Federbuſch und Achſelbändern. Was jene übrig gelaſſen haben, was Jltiſſen und Wieſeln entrinnt,
wird ſicher ihm zur Beute. Wo dieſer Strauchmörder überhand nimmt, da iſt an ein Aufkommen der
Brut durchaus nicht mehr zu denken. Meine Beſchuldigung iſt gewiß nicht zu hart; zum Beweis ſei hier
ein ſchlagendes Beiſpiel ſeiner Frechheit angeführt. Seit einer Reihe von Jahren kam während der
Brutzeit faſt jeden Morgen ein Heher in meinen Hausgarten, ſtöberte dort, wie in den anſtoßenden
Gärten, Baumgruppen und Strauchwerk durch und zerſtörte ſofort die ausgekundeten Neſter. Auf einem
meiner Bäume hatte von lange her ein Edelfink und im Stachelbeerengebüſch eine Klappergras-
mücke
geniſtet. Sie konnten beide kein Gehecke mehr aufbringen und zogen ſich endlich ganz hinweg.
Endlich machte der Räuber, deſſen unwillkommenes Erſcheinen mir jedesmal durch das Gebahren aller
befiederten Beiſaſſen verrathen war, ſein ausgezeichnetes Meiſterſtück. Er verfolgte junge Roth-
ſchwänzchen
und kaperte eines von ihnen nach dem andern weg, ſo daß in Kurzem keine Spur der
niedlichen Vögelchen zu ſehen war. Ein andermal zerrte er aus einem Loche in der Brandmauer
meines Nachbars einen halbflüggen Spatz hervor und zerlegte ihn ganz gemüthlich auf dem nächſten
Baume, bei welchem Frevel die Alten nebſt ihrer Sippſchaft ein gewaltiges Zetermordio erhoben, ja
ſogar kühn auf den Räuber lospickten. Dies brachte ihn jedoch ebenſo wenig, als mein Schelten und
Hutſchwenken, außer Faſſung; denn nach gehaltenem Fleiſchſchmauſe fraß er noch zum Nachtiſche einige
Kirſchen und flog dann hohnſchreiend in ſein Leibgehege zurück. — Wenn es dem Forſtwirth lieb iſt,
daß die kleinen Waldvögel verwüſtende Raupen ableſen, was Menſchenhände keineswegs zu Stande
bringen können, ſo wird es ihm ebenſo warm am Herzen liegen müſſen, auch den geſchwornen Erbfeind
dieſer freundlichen Raupenleſer, den blutgierigen Heher, in geſetzlicher Ordnung zu halten und
ihm zu gebieten, bis hierher und nicht weiter.‟

Jch muß mich, ſo gern ich den Heher im Walde ſehe, der Anſicht Trinthammer’s vollſtändig
anſchließen und will nur noch hinzufügen, daß die hauptſächlichſten Dienſte, welche er zu leiſten ver-
mag, durch den Buſſard viel beſſer und vollſtändiger ausgeführt werden, während dieſer die kleinen
nützlichen Vögel kaum behelligt.

Das Brutgeſchäft des Hehers fällt in die erſten Frühlingsmonate. Jm März beginnt das Paar
mit dem Bau des Neſtes; Anfangs April pflegt das Gelege vollſtändig zu ſein. Das Neſt ſteht ſelten
hoch über dem Boden, bald im Wipfel eines niederen Baumes, bald im Wipfel eines höheren, bald
nahe am Schafte, bald außen in den Zweigen. Es iſt nicht beſonders groß, zu unterſt aus zarten,
dünnen Reiſern, dann aus Haidekraut und trockenen Stengeln erbaut, innen mit feinen Würzelchen
ſehr hübſch ausgelegt. Die fünf bis ſieben Eier ſind auf ſchmuziggelbweißem oder weißgrünlichem
Grunde überall mit graubraunen Tüpfeln und Punkten gezeichnet, am ſtumpfen Ende gewöhnlich
kranzartig. Nach etwa ſechszehntägiger Bebrütung entſchlüpfen ihnen die Jungen, welche zunächſt mit
Räupchen und Larven, Käfern und anderen Kerbthieren, Würmern u. dgl., ſpäter aber vorzugsweiſe
mit jungen Vögeln aufgefüttert werden. Ungeſtört brütet der Heher nur einmal im Jahre.

Als ſchlimmſter Feind des Hehers iſt wohl der Habicht anzuſehen, nächſt ihm der Sperber.
Der erſtere überwältigt den Heher leicht, der letztere erſt nach langem Kampfe. Wir haben wiederholt
Sperber und Heher erhalten, welche bei einem derartigen Kampf ſich in einander verkrallt und ver-
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[381/0409] Eichelheher. als eifrigen und geſchickten Jäger junger Rebhühner an. Trinthammer und der jüngere Homeyer verdammen den Heher ebenſo, wie Lenz ihn hochpreiſt. „Was treibt dieſer fahrende Ritter‟, ſagt Erſterer, „dieſer verſchmitzte Burſche, der ſchmucke Vertreter der Galgenvögelgeſellſchaft, die ganze Brutzeit hindurch? Von Baum zu Baum, von Buſch zu Buſch ſchweifend, ergattert er die Neſter, ſäuft er die Eier aus, verſchlingt er die nackten Jungen mit Haut und Haar und haſcht und zerfleiſcht er die ausgeflogenen Gelbſchnäbel, welche noch unbeholfen und ungewitzigt ihn zu nahe kommen laſſen. Der Sperber und die drei Würger unſerer Wälder ſind zwar ebenfalls ſchlimme Geſellen, aber ſie alle zuſammen hauſen noch lange nicht ſo arg unter den Sängern des Waldes, als der Heher. Er iſt der Neunmalneuntödter, der Würger in des Wortes eigentlicher Bedeutung und als ſolcher geſchmückt mit Federbuſch und Achſelbändern. Was jene übrig gelaſſen haben, was Jltiſſen und Wieſeln entrinnt, wird ſicher ihm zur Beute. Wo dieſer Strauchmörder überhand nimmt, da iſt an ein Aufkommen der Brut durchaus nicht mehr zu denken. Meine Beſchuldigung iſt gewiß nicht zu hart; zum Beweis ſei hier ein ſchlagendes Beiſpiel ſeiner Frechheit angeführt. Seit einer Reihe von Jahren kam während der Brutzeit faſt jeden Morgen ein Heher in meinen Hausgarten, ſtöberte dort, wie in den anſtoßenden Gärten, Baumgruppen und Strauchwerk durch und zerſtörte ſofort die ausgekundeten Neſter. Auf einem meiner Bäume hatte von lange her ein Edelfink und im Stachelbeerengebüſch eine Klappergras- mücke geniſtet. Sie konnten beide kein Gehecke mehr aufbringen und zogen ſich endlich ganz hinweg. Endlich machte der Räuber, deſſen unwillkommenes Erſcheinen mir jedesmal durch das Gebahren aller befiederten Beiſaſſen verrathen war, ſein ausgezeichnetes Meiſterſtück. Er verfolgte junge Roth- ſchwänzchen und kaperte eines von ihnen nach dem andern weg, ſo daß in Kurzem keine Spur der niedlichen Vögelchen zu ſehen war. Ein andermal zerrte er aus einem Loche in der Brandmauer meines Nachbars einen halbflüggen Spatz hervor und zerlegte ihn ganz gemüthlich auf dem nächſten Baume, bei welchem Frevel die Alten nebſt ihrer Sippſchaft ein gewaltiges Zetermordio erhoben, ja ſogar kühn auf den Räuber lospickten. Dies brachte ihn jedoch ebenſo wenig, als mein Schelten und Hutſchwenken, außer Faſſung; denn nach gehaltenem Fleiſchſchmauſe fraß er noch zum Nachtiſche einige Kirſchen und flog dann hohnſchreiend in ſein Leibgehege zurück. — Wenn es dem Forſtwirth lieb iſt, daß die kleinen Waldvögel verwüſtende Raupen ableſen, was Menſchenhände keineswegs zu Stande bringen können, ſo wird es ihm ebenſo warm am Herzen liegen müſſen, auch den geſchwornen Erbfeind dieſer freundlichen Raupenleſer, den blutgierigen Heher, in geſetzlicher Ordnung zu halten und ihm zu gebieten, bis hierher und nicht weiter.‟ Jch muß mich, ſo gern ich den Heher im Walde ſehe, der Anſicht Trinthammer’s vollſtändig anſchließen und will nur noch hinzufügen, daß die hauptſächlichſten Dienſte, welche er zu leiſten ver- mag, durch den Buſſard viel beſſer und vollſtändiger ausgeführt werden, während dieſer die kleinen nützlichen Vögel kaum behelligt. Das Brutgeſchäft des Hehers fällt in die erſten Frühlingsmonate. Jm März beginnt das Paar mit dem Bau des Neſtes; Anfangs April pflegt das Gelege vollſtändig zu ſein. Das Neſt ſteht ſelten hoch über dem Boden, bald im Wipfel eines niederen Baumes, bald im Wipfel eines höheren, bald nahe am Schafte, bald außen in den Zweigen. Es iſt nicht beſonders groß, zu unterſt aus zarten, dünnen Reiſern, dann aus Haidekraut und trockenen Stengeln erbaut, innen mit feinen Würzelchen ſehr hübſch ausgelegt. Die fünf bis ſieben Eier ſind auf ſchmuziggelbweißem oder weißgrünlichem Grunde überall mit graubraunen Tüpfeln und Punkten gezeichnet, am ſtumpfen Ende gewöhnlich kranzartig. Nach etwa ſechszehntägiger Bebrütung entſchlüpfen ihnen die Jungen, welche zunächſt mit Räupchen und Larven, Käfern und anderen Kerbthieren, Würmern u. dgl., ſpäter aber vorzugsweiſe mit jungen Vögeln aufgefüttert werden. Ungeſtört brütet der Heher nur einmal im Jahre. Als ſchlimmſter Feind des Hehers iſt wohl der Habicht anzuſehen, nächſt ihm der Sperber. Der erſtere überwältigt den Heher leicht, der letztere erſt nach langem Kampfe. Wir haben wiederholt Sperber und Heher erhalten, welche bei einem derartigen Kampf ſich in einander verkrallt und ver- biſſen hatten, zu Boden geſtürzt und ſo gefangen worden waren. Bei ſeinem Ausfliegen nach einzeln

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 381. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/409>, abgerufen am 22.11.2024.