Jm Südosten unseres Vaterlandes kommt zuweilen eine unserem Heher sehr nahe verwandte Art der Sippe vor, welche sich hauptsächlich durch schwarze Kopfzeichnung unterscheidet und in Nordwest- asien zu Hause ist. Andere ebenfalls wenig verschiedene Arten bewohnen Mittel- und Nordostasien.
Mit Ausnahme der nördlichsten Theile Europas findet sich der Eichelheher in allen Waldungen dieses Erdtheils und außerdem noch in ganz Mittelasien und in Nordwestafrika. Jn Deutschland ist er überall zu finden, in den tieferen Waldungen ebensowohl, wie in den Vor- und Feldhölzern, im Nadelwalde fast ebenso häufig, wie im Laubwalde. Er hält sich im Frühjahr paarweise, während des ganzen übrigen Jahres aber in Familien und Trupps zusammen und streicht in beschränkter Weise hin und her. Da, wo es keine Eichen gibt, verläßt er die Gegend zuweilen wochen-, ja selbst monate- lang; im allgemeinen aber dürfte er nur an wenig Orten vermißt werden. Er ist ein unruhiger,
[Abbildung]
Der Eichelheher (Garrulus glandarius).
lebhafter, listiger, ja äußerst verschlagener Vogel, welcher durch sein Treiben viel Vergnügen, aber auch viel Aerger gewährt. Zu seiner Belustigung und Unterhaltung nimmt er die manchfaltigsten Stellungen an; auch ahmt er die verschiedensten Stimmen nach. Er ist höchst gewandt im Gezweig und auch ziemlich geschickt auf dem Boden. Sein Flug aber ist schwerfällig, und Dies ist auch der Grund, weshalb er ungern freie Strecken überfliegt. Wo er nur irgend kann, hält er sich an die Gebüsche, und bei seinen Flügen über offene Gegenden benutzt er jeden Baum, um sich zu decken; denn er lebt in beständiger Furcht vor den Raubvögeln, welche ihm nur im Walde nicht beizukommen wissen, ihn aber bei länger währendem Fluge sofort ergreifen. Naumann schreibt dieser Furcht und wohl mit vollem Rechte eine Eigenheit des sonst so geselligen Vogels zu, daß er nämlich, wenn er über Feld fliegt, sich niemals truppweise zusammenhält, sondern immer nur einzeln, einer in weitem Abstand hinter dem andern, dahinzieht.
Eichelheher.
Jm Südoſten unſeres Vaterlandes kommt zuweilen eine unſerem Heher ſehr nahe verwandte Art der Sippe vor, welche ſich hauptſächlich durch ſchwarze Kopfzeichnung unterſcheidet und in Nordweſt- aſien zu Hauſe iſt. Andere ebenfalls wenig verſchiedene Arten bewohnen Mittel- und Nordoſtaſien.
Mit Ausnahme der nördlichſten Theile Europas findet ſich der Eichelheher in allen Waldungen dieſes Erdtheils und außerdem noch in ganz Mittelaſien und in Nordweſtafrika. Jn Deutſchland iſt er überall zu finden, in den tieferen Waldungen ebenſowohl, wie in den Vor- und Feldhölzern, im Nadelwalde faſt ebenſo häufig, wie im Laubwalde. Er hält ſich im Frühjahr paarweiſe, während des ganzen übrigen Jahres aber in Familien und Trupps zuſammen und ſtreicht in beſchränkter Weiſe hin und her. Da, wo es keine Eichen gibt, verläßt er die Gegend zuweilen wochen-, ja ſelbſt monate- lang; im allgemeinen aber dürfte er nur an wenig Orten vermißt werden. Er iſt ein unruhiger,
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Der Eichelheher (Garrulus glandarius).
lebhafter, liſtiger, ja äußerſt verſchlagener Vogel, welcher durch ſein Treiben viel Vergnügen, aber auch viel Aerger gewährt. Zu ſeiner Beluſtigung und Unterhaltung nimmt er die manchfaltigſten Stellungen an; auch ahmt er die verſchiedenſten Stimmen nach. Er iſt höchſt gewandt im Gezweig und auch ziemlich geſchickt auf dem Boden. Sein Flug aber iſt ſchwerfällig, und Dies iſt auch der Grund, weshalb er ungern freie Strecken überfliegt. Wo er nur irgend kann, hält er ſich an die Gebüſche, und bei ſeinen Flügen über offene Gegenden benutzt er jeden Baum, um ſich zu decken; denn er lebt in beſtändiger Furcht vor den Raubvögeln, welche ihm nur im Walde nicht beizukommen wiſſen, ihn aber bei länger währendem Fluge ſofort ergreifen. Naumann ſchreibt dieſer Furcht und wohl mit vollem Rechte eine Eigenheit des ſonſt ſo geſelligen Vogels zu, daß er nämlich, wenn er über Feld fliegt, ſich niemals truppweiſe zuſammenhält, ſondern immer nur einzeln, einer in weitem Abſtand hinter dem andern, dahinzieht.
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Eichelheher.
Jm Südoſten unſeres Vaterlandes kommt zuweilen eine unſerem Heher ſehr nahe verwandte Art
der Sippe vor, welche ſich hauptſächlich durch ſchwarze Kopfzeichnung unterſcheidet und in Nordweſt-
aſien zu Hauſe iſt. Andere ebenfalls wenig verſchiedene Arten bewohnen Mittel- und Nordoſtaſien.
Mit Ausnahme der nördlichſten Theile Europas findet ſich der Eichelheher in allen Waldungen
dieſes Erdtheils und außerdem noch in ganz Mittelaſien und in Nordweſtafrika. Jn Deutſchland iſt
er überall zu finden, in den tieferen Waldungen ebenſowohl, wie in den Vor- und Feldhölzern, im
Nadelwalde faſt ebenſo häufig, wie im Laubwalde. Er hält ſich im Frühjahr paarweiſe, während des
ganzen übrigen Jahres aber in Familien und Trupps zuſammen und ſtreicht in beſchränkter Weiſe
hin und her. Da, wo es keine Eichen gibt, verläßt er die Gegend zuweilen wochen-, ja ſelbſt monate-
lang; im allgemeinen aber dürfte er nur an wenig Orten vermißt werden. Er iſt ein unruhiger,
[Abbildung Der Eichelheher (Garrulus glandarius).]
lebhafter, liſtiger, ja äußerſt verſchlagener Vogel, welcher durch ſein Treiben viel Vergnügen, aber
auch viel Aerger gewährt. Zu ſeiner Beluſtigung und Unterhaltung nimmt er die manchfaltigſten
Stellungen an; auch ahmt er die verſchiedenſten Stimmen nach. Er iſt höchſt gewandt im Gezweig
und auch ziemlich geſchickt auf dem Boden. Sein Flug aber iſt ſchwerfällig, und Dies iſt auch der
Grund, weshalb er ungern freie Strecken überfliegt. Wo er nur irgend kann, hält er ſich an die
Gebüſche, und bei ſeinen Flügen über offene Gegenden benutzt er jeden Baum, um ſich zu decken; denn
er lebt in beſtändiger Furcht vor den Raubvögeln, welche ihm nur im Walde nicht beizukommen wiſſen,
ihn aber bei länger währendem Fluge ſofort ergreifen. Naumann ſchreibt dieſer Furcht und wohl
mit vollem Rechte eine Eigenheit des ſonſt ſo geſelligen Vogels zu, daß er nämlich, wenn er über Feld
fliegt, ſich niemals truppweiſe zuſammenhält, ſondern immer nur einzeln, einer in weitem Abſtand
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 379. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/407>, abgerufen am 22.11.2024.
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