Vögeln sahen wir hier häufig auf der Spitze der höchsten Bäume den scharlachrothen Vogel im hellen Sonnenlichte glänzen, wo er sich prachtvoll gegen den blauen Himmel malte, und waren entzückt von diesem Anblick."
Nicht selten nahen sich die Tangaras aber auch den Pflanzerwohnungen und kommen selbst in die Gärten herein, gewöhnlich als ungebetene Gäste, welche von Beeren und Früchten oder auch wohl den Flachsknoten ihren Zoll erheben. Sie sind nirgends häufig, werden aber überall bemerkt: der Sommerrothvogel ist eine in ganz Amerika bekannte Erscheinung. Seinen Namen führt er, weil sein Aufenthalt in den vereinigten Staaten nur etwa vier Monate beträgt. Er erscheint im Monat Mai und verläßt das Land wieder in der Mitte des Septembers. "Um diese Zeit", sagt Audubon, "würde es schwer sein, ein einziges Paar Tangaras zu entdecken." Die scharlachrothe Tangara erscheint etwas früher, bereits im April, und verläßt das Land auch später.
Der Sommerrothvogel wandert bei Tage, die Scharlachtangara bei Nacht, hoch über die Wälder dahinstreifend, wobei beide oft ihren Lockton ausstoßen: -- zwei einfache Silben, welche Wilson durch "Tschip Tschurr", Audubon durch "Tschiki, Tschuki, tschuk" wiedergibt. Es scheint, daß sie sich auch auf dem Zuge kaum zu Gesellschaften vereinigen, sondern selbst während der Reise ihr einsames Leben fortführen. Die Scharlachtangara ist nach den Angaben des Prinzen von Wied auch in Brasilien ein häufiger Vogel, möglicherweise jedoch nur während der Wintermonate, welche sie unter dem milden Himmel des Südens verbringt.
Das Betragen dieser Tangaras muß sehr einförmig sein, weil keiner von den gedachten Forschern etwas Ausführliches zu erzählen weiß. Sie sprechen von der Pracht des Gefieders, von dem reizen- den Anblick, welchen die Vögel gewähren, entschuldigen sie wegen ihrer Gesangsarmuth und sagen höchstens noch, wie Wilson, daß sie bescheidene, zurückgezogene, friedliche Vögel seien. "Der Flug", berichtet Audubon, "geschieht in einer gleitenden Weise, wenn sie durch den Wald ziehen, gewöhnlich zwischen den Wipfelzweigen der Bäume dahin." Auf den Boden herab kommen sie selten; er bietet ihnen auch die gesuchte Speise nicht. Jm Gezweig bewegen sie sich wenig, und nur selten zeigen sie eine gewisse Lebhaftigkeit, indem sie sich aufrichten, mit den Flügeln schlagen und dabei ihre einfachen Töne ausstoßen. Oefters sieht man sie einem vorüberziehenden Kerbthiere zu Liebe sich erheben, dieses fliegend verfolgen und wo möglich im Fluge fangen; denn zeitweilig besteht ihre Nahrung, wie die der meisten Verwandten, fast ausschließlich aus Kerbthieren. Wilson fand ihren Magen gefüllt mit den Ueberresten der Bienen.
Das Nest ist ein schlechter Bau, welcher in den untern Zweigen eines Baumes angelegt wird, gewöhnlich in einer Astgabel. Die Tangaras scheinen sich keine große Mühe zu geben, es zu verber- gen. Prinz von Wied versichert, daß ein weiblicher Vogel, den er brütend fand, "höchst gemüthlich sitzen blieb" und dem Forscher seine Betrachtungen ganz in der Nähe gestattete. Oft sieht man das Nest auf Zweigen über befahrenen Wegen, in den Wäldern gewöhnlich auf den Bäumen, welche eine offene Stelle umgeben. Trockene Halme und Wurzeln bilden die Außenwandungen, feineres Gras den Ausbau. Es ist so wenig auf den Zweigen befestigt, daß man es durch Schütteln leicht herunter- werfen kann.
Das Gelege besteht aus vier oder fünf Eiern von lichtblauer oder dunkelgrünlichblauer Farbe, welche bei den Scharlachtangaras mit röthlichblauen und lichtpurpurnen Punkten getüpfelt sind. Beide Geschlechter brüten zwölf Tage und füttern auch gemeinschaftlich die Jungen auf, hauptsächlich mit Kerbthieren. Jm Anfang des Juni sieht man die ersten ausgeflogenen Jungen in Gesellschaft ihrer Eltern, mit denen sie sich bis zur Zugzeit zusammenhalten.
Wilson erzählt eine hübsche Geschichte von der Elternliebe unserer Vögel: "Eines Tages fing ich eine junge Scharlachtangara, welche erst vor wenig Tagen ihr Nest verlassen hatte. Jch trug sie eine halbe Meile weit mit mir weg, steckte sie in einen Käfig und hing diesen im Garten ohnweit eines Gelbvogel-Nestes auf, in welchem ich Junge wußte, hoffend, daß die Gelbvögel sich des Fremdlings annehmen würden. Die arme Waise aber wurde, ungeachtet ihres kläglichen Geschreies, gänzlich
Die Knacker. Sperlingsvögel. Tangaras.
Vögeln ſahen wir hier häufig auf der Spitze der höchſten Bäume den ſcharlachrothen Vogel im hellen Sonnenlichte glänzen, wo er ſich prachtvoll gegen den blauen Himmel malte, und waren entzückt von dieſem Anblick.‟
Nicht ſelten nahen ſich die Tangaras aber auch den Pflanzerwohnungen und kommen ſelbſt in die Gärten herein, gewöhnlich als ungebetene Gäſte, welche von Beeren und Früchten oder auch wohl den Flachsknoten ihren Zoll erheben. Sie ſind nirgends häufig, werden aber überall bemerkt: der Sommerrothvogel iſt eine in ganz Amerika bekannte Erſcheinung. Seinen Namen führt er, weil ſein Aufenthalt in den vereinigten Staaten nur etwa vier Monate beträgt. Er erſcheint im Monat Mai und verläßt das Land wieder in der Mitte des Septembers. „Um dieſe Zeit‟, ſagt Audubon, „würde es ſchwer ſein, ein einziges Paar Tangaras zu entdecken.‟ Die ſcharlachrothe Tangara erſcheint etwas früher, bereits im April, und verläßt das Land auch ſpäter.
Der Sommerrothvogel wandert bei Tage, die Scharlachtangara bei Nacht, hoch über die Wälder dahinſtreifend, wobei beide oft ihren Lockton ausſtoßen: — zwei einfache Silben, welche Wilſon durch „Tſchip Tſchurr‟, Audubon durch „Tſchiki, Tſchuki, tſchuk‟ wiedergibt. Es ſcheint, daß ſie ſich auch auf dem Zuge kaum zu Geſellſchaften vereinigen, ſondern ſelbſt während der Reiſe ihr einſames Leben fortführen. Die Scharlachtangara iſt nach den Angaben des Prinzen von Wied auch in Braſilien ein häufiger Vogel, möglicherweiſe jedoch nur während der Wintermonate, welche ſie unter dem milden Himmel des Südens verbringt.
Das Betragen dieſer Tangaras muß ſehr einförmig ſein, weil keiner von den gedachten Forſchern etwas Ausführliches zu erzählen weiß. Sie ſprechen von der Pracht des Gefieders, von dem reizen- den Anblick, welchen die Vögel gewähren, entſchuldigen ſie wegen ihrer Geſangsarmuth und ſagen höchſtens noch, wie Wilſon, daß ſie beſcheidene, zurückgezogene, friedliche Vögel ſeien. „Der Flug‟, berichtet Audubon, „geſchieht in einer gleitenden Weiſe, wenn ſie durch den Wald ziehen, gewöhnlich zwiſchen den Wipfelzweigen der Bäume dahin.‟ Auf den Boden herab kommen ſie ſelten; er bietet ihnen auch die geſuchte Speiſe nicht. Jm Gezweig bewegen ſie ſich wenig, und nur ſelten zeigen ſie eine gewiſſe Lebhaftigkeit, indem ſie ſich aufrichten, mit den Flügeln ſchlagen und dabei ihre einfachen Töne ausſtoßen. Oefters ſieht man ſie einem vorüberziehenden Kerbthiere zu Liebe ſich erheben, dieſes fliegend verfolgen und wo möglich im Fluge fangen; denn zeitweilig beſteht ihre Nahrung, wie die der meiſten Verwandten, faſt ausſchließlich aus Kerbthieren. Wilſon fand ihren Magen gefüllt mit den Ueberreſten der Bienen.
Das Neſt iſt ein ſchlechter Bau, welcher in den untern Zweigen eines Baumes angelegt wird, gewöhnlich in einer Aſtgabel. Die Tangaras ſcheinen ſich keine große Mühe zu geben, es zu verber- gen. Prinz von Wied verſichert, daß ein weiblicher Vogel, den er brütend fand, „höchſt gemüthlich ſitzen blieb‟ und dem Forſcher ſeine Betrachtungen ganz in der Nähe geſtattete. Oft ſieht man das Neſt auf Zweigen über befahrenen Wegen, in den Wäldern gewöhnlich auf den Bäumen, welche eine offene Stelle umgeben. Trockene Halme und Wurzeln bilden die Außenwandungen, feineres Gras den Ausbau. Es iſt ſo wenig auf den Zweigen befeſtigt, daß man es durch Schütteln leicht herunter- werfen kann.
Das Gelege beſteht aus vier oder fünf Eiern von lichtblauer oder dunkelgrünlichblauer Farbe, welche bei den Scharlachtangaras mit röthlichblauen und lichtpurpurnen Punkten getüpfelt ſind. Beide Geſchlechter brüten zwölf Tage und füttern auch gemeinſchaftlich die Jungen auf, hauptſächlich mit Kerbthieren. Jm Anfang des Juni ſieht man die erſten ausgeflogenen Jungen in Geſellſchaft ihrer Eltern, mit denen ſie ſich bis zur Zugzeit zuſammenhalten.
Wilſon erzählt eine hübſche Geſchichte von der Elternliebe unſerer Vögel: „Eines Tages fing ich eine junge Scharlachtangara, welche erſt vor wenig Tagen ihr Neſt verlaſſen hatte. Jch trug ſie eine halbe Meile weit mit mir weg, ſteckte ſie in einen Käfig und hing dieſen im Garten ohnweit eines Gelbvogel-Neſtes auf, in welchem ich Junge wußte, hoffend, daß die Gelbvögel ſich des Fremdlings annehmen würden. Die arme Waiſe aber wurde, ungeachtet ihres kläglichen Geſchreies, gänzlich
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0212"n="192"/><fwplace="top"type="header">Die Knacker. Sperlingsvögel. Tangaras.</fw><lb/>
Vögeln ſahen wir hier häufig auf der Spitze der höchſten Bäume den ſcharlachrothen Vogel im hellen<lb/>
Sonnenlichte glänzen, wo er ſich prachtvoll gegen den blauen Himmel malte, und waren entzückt von<lb/>
dieſem Anblick.‟</p><lb/><p>Nicht ſelten nahen ſich die Tangaras aber auch den Pflanzerwohnungen und kommen ſelbſt in<lb/>
die Gärten herein, gewöhnlich als ungebetene Gäſte, welche von Beeren und Früchten oder auch<lb/>
wohl den Flachsknoten ihren Zoll erheben. Sie ſind nirgends häufig, werden aber überall bemerkt:<lb/>
der Sommerrothvogel iſt eine in ganz Amerika bekannte Erſcheinung. Seinen Namen führt er, weil<lb/>ſein Aufenthalt in den vereinigten Staaten nur etwa vier Monate beträgt. Er erſcheint im Monat<lb/>
Mai und verläßt das Land wieder in der Mitte des Septembers. „Um dieſe Zeit‟, ſagt <hirendition="#g">Audubon,</hi><lb/>„würde es ſchwer ſein, ein einziges Paar Tangaras zu entdecken.‟ Die ſcharlachrothe Tangara<lb/>
erſcheint etwas früher, bereits im April, und verläßt das Land auch ſpäter.</p><lb/><p>Der Sommerrothvogel wandert bei Tage, die Scharlachtangara bei Nacht, hoch über die Wälder<lb/>
dahinſtreifend, wobei beide oft ihren Lockton ausſtoßen: — zwei einfache Silben, welche <hirendition="#g">Wilſon</hi><lb/>
durch „Tſchip Tſchurr‟, <hirendition="#g">Audubon</hi> durch „Tſchiki, Tſchuki, tſchuk‟ wiedergibt. Es ſcheint, daß ſie<lb/>ſich auch auf dem Zuge kaum zu Geſellſchaften vereinigen, ſondern ſelbſt während der Reiſe ihr einſames<lb/>
Leben fortführen. Die Scharlachtangara iſt nach den Angaben des <hirendition="#g">Prinzen von Wied</hi> auch in<lb/>
Braſilien ein häufiger Vogel, möglicherweiſe jedoch nur während der Wintermonate, welche ſie unter<lb/>
dem milden Himmel des Südens verbringt.</p><lb/><p>Das Betragen dieſer Tangaras muß ſehr einförmig ſein, weil keiner von den gedachten Forſchern<lb/>
etwas Ausführliches zu erzählen weiß. Sie ſprechen von der Pracht des Gefieders, von dem reizen-<lb/>
den Anblick, welchen die Vögel gewähren, entſchuldigen ſie wegen ihrer Geſangsarmuth und ſagen<lb/>
höchſtens noch, wie <hirendition="#g">Wilſon,</hi> daß ſie beſcheidene, zurückgezogene, friedliche Vögel ſeien. „Der Flug‟,<lb/>
berichtet <hirendition="#g">Audubon,</hi>„geſchieht in einer gleitenden Weiſe, wenn ſie durch den Wald ziehen, gewöhnlich<lb/>
zwiſchen den Wipfelzweigen der Bäume dahin.‟ Auf den Boden herab kommen ſie ſelten; er bietet<lb/>
ihnen auch die geſuchte Speiſe nicht. Jm Gezweig bewegen ſie ſich wenig, und nur ſelten zeigen ſie<lb/>
eine gewiſſe Lebhaftigkeit, indem ſie ſich aufrichten, mit den Flügeln ſchlagen und dabei ihre einfachen<lb/>
Töne ausſtoßen. Oefters ſieht man ſie einem vorüberziehenden Kerbthiere zu Liebe ſich erheben, dieſes<lb/>
fliegend verfolgen und wo möglich im Fluge fangen; denn zeitweilig beſteht ihre Nahrung, wie die der<lb/>
meiſten Verwandten, faſt ausſchließlich aus Kerbthieren. <hirendition="#g">Wilſon</hi> fand ihren Magen gefüllt mit den<lb/>
Ueberreſten der Bienen.</p><lb/><p>Das Neſt iſt ein ſchlechter Bau, welcher in den untern Zweigen eines Baumes angelegt wird,<lb/>
gewöhnlich in einer Aſtgabel. Die Tangaras ſcheinen ſich keine große Mühe zu geben, es zu verber-<lb/>
gen. <hirendition="#g">Prinz von Wied</hi> verſichert, daß ein weiblicher Vogel, den er brütend fand, „höchſt gemüthlich<lb/>ſitzen blieb‟ und dem Forſcher ſeine Betrachtungen ganz in der Nähe geſtattete. Oft ſieht man das<lb/>
Neſt auf Zweigen über befahrenen Wegen, in den Wäldern gewöhnlich auf den Bäumen, welche eine<lb/>
offene Stelle umgeben. Trockene Halme und Wurzeln bilden die Außenwandungen, feineres Gras<lb/>
den Ausbau. Es iſt ſo wenig auf den Zweigen befeſtigt, daß man es durch Schütteln leicht herunter-<lb/>
werfen kann.</p><lb/><p>Das Gelege beſteht aus vier oder fünf Eiern von lichtblauer oder dunkelgrünlichblauer Farbe,<lb/>
welche bei den Scharlachtangaras mit röthlichblauen und lichtpurpurnen Punkten getüpfelt ſind. Beide<lb/>
Geſchlechter brüten zwölf Tage und füttern auch gemeinſchaftlich die Jungen auf, hauptſächlich mit<lb/>
Kerbthieren. Jm Anfang des Juni ſieht man die erſten ausgeflogenen Jungen in Geſellſchaft ihrer<lb/>
Eltern, mit denen ſie ſich bis zur Zugzeit zuſammenhalten.</p><lb/><p><hirendition="#g">Wilſon</hi> erzählt eine hübſche Geſchichte von der Elternliebe unſerer Vögel: „Eines Tages fing<lb/>
ich eine junge Scharlachtangara, welche erſt vor wenig Tagen ihr Neſt verlaſſen hatte. Jch trug ſie<lb/>
eine halbe Meile weit mit mir weg, ſteckte ſie in einen Käfig und hing dieſen im Garten ohnweit eines<lb/><hirendition="#g">Gelbvogel-Neſtes</hi> auf, in welchem ich Junge wußte, hoffend, daß die Gelbvögel ſich des Fremdlings<lb/>
annehmen würden. Die arme Waiſe aber wurde, ungeachtet ihres kläglichen Geſchreies, gänzlich<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[192/0212]
Die Knacker. Sperlingsvögel. Tangaras.
Vögeln ſahen wir hier häufig auf der Spitze der höchſten Bäume den ſcharlachrothen Vogel im hellen
Sonnenlichte glänzen, wo er ſich prachtvoll gegen den blauen Himmel malte, und waren entzückt von
dieſem Anblick.‟
Nicht ſelten nahen ſich die Tangaras aber auch den Pflanzerwohnungen und kommen ſelbſt in
die Gärten herein, gewöhnlich als ungebetene Gäſte, welche von Beeren und Früchten oder auch
wohl den Flachsknoten ihren Zoll erheben. Sie ſind nirgends häufig, werden aber überall bemerkt:
der Sommerrothvogel iſt eine in ganz Amerika bekannte Erſcheinung. Seinen Namen führt er, weil
ſein Aufenthalt in den vereinigten Staaten nur etwa vier Monate beträgt. Er erſcheint im Monat
Mai und verläßt das Land wieder in der Mitte des Septembers. „Um dieſe Zeit‟, ſagt Audubon,
„würde es ſchwer ſein, ein einziges Paar Tangaras zu entdecken.‟ Die ſcharlachrothe Tangara
erſcheint etwas früher, bereits im April, und verläßt das Land auch ſpäter.
Der Sommerrothvogel wandert bei Tage, die Scharlachtangara bei Nacht, hoch über die Wälder
dahinſtreifend, wobei beide oft ihren Lockton ausſtoßen: — zwei einfache Silben, welche Wilſon
durch „Tſchip Tſchurr‟, Audubon durch „Tſchiki, Tſchuki, tſchuk‟ wiedergibt. Es ſcheint, daß ſie
ſich auch auf dem Zuge kaum zu Geſellſchaften vereinigen, ſondern ſelbſt während der Reiſe ihr einſames
Leben fortführen. Die Scharlachtangara iſt nach den Angaben des Prinzen von Wied auch in
Braſilien ein häufiger Vogel, möglicherweiſe jedoch nur während der Wintermonate, welche ſie unter
dem milden Himmel des Südens verbringt.
Das Betragen dieſer Tangaras muß ſehr einförmig ſein, weil keiner von den gedachten Forſchern
etwas Ausführliches zu erzählen weiß. Sie ſprechen von der Pracht des Gefieders, von dem reizen-
den Anblick, welchen die Vögel gewähren, entſchuldigen ſie wegen ihrer Geſangsarmuth und ſagen
höchſtens noch, wie Wilſon, daß ſie beſcheidene, zurückgezogene, friedliche Vögel ſeien. „Der Flug‟,
berichtet Audubon, „geſchieht in einer gleitenden Weiſe, wenn ſie durch den Wald ziehen, gewöhnlich
zwiſchen den Wipfelzweigen der Bäume dahin.‟ Auf den Boden herab kommen ſie ſelten; er bietet
ihnen auch die geſuchte Speiſe nicht. Jm Gezweig bewegen ſie ſich wenig, und nur ſelten zeigen ſie
eine gewiſſe Lebhaftigkeit, indem ſie ſich aufrichten, mit den Flügeln ſchlagen und dabei ihre einfachen
Töne ausſtoßen. Oefters ſieht man ſie einem vorüberziehenden Kerbthiere zu Liebe ſich erheben, dieſes
fliegend verfolgen und wo möglich im Fluge fangen; denn zeitweilig beſteht ihre Nahrung, wie die der
meiſten Verwandten, faſt ausſchließlich aus Kerbthieren. Wilſon fand ihren Magen gefüllt mit den
Ueberreſten der Bienen.
Das Neſt iſt ein ſchlechter Bau, welcher in den untern Zweigen eines Baumes angelegt wird,
gewöhnlich in einer Aſtgabel. Die Tangaras ſcheinen ſich keine große Mühe zu geben, es zu verber-
gen. Prinz von Wied verſichert, daß ein weiblicher Vogel, den er brütend fand, „höchſt gemüthlich
ſitzen blieb‟ und dem Forſcher ſeine Betrachtungen ganz in der Nähe geſtattete. Oft ſieht man das
Neſt auf Zweigen über befahrenen Wegen, in den Wäldern gewöhnlich auf den Bäumen, welche eine
offene Stelle umgeben. Trockene Halme und Wurzeln bilden die Außenwandungen, feineres Gras
den Ausbau. Es iſt ſo wenig auf den Zweigen befeſtigt, daß man es durch Schütteln leicht herunter-
werfen kann.
Das Gelege beſteht aus vier oder fünf Eiern von lichtblauer oder dunkelgrünlichblauer Farbe,
welche bei den Scharlachtangaras mit röthlichblauen und lichtpurpurnen Punkten getüpfelt ſind. Beide
Geſchlechter brüten zwölf Tage und füttern auch gemeinſchaftlich die Jungen auf, hauptſächlich mit
Kerbthieren. Jm Anfang des Juni ſieht man die erſten ausgeflogenen Jungen in Geſellſchaft ihrer
Eltern, mit denen ſie ſich bis zur Zugzeit zuſammenhalten.
Wilſon erzählt eine hübſche Geſchichte von der Elternliebe unſerer Vögel: „Eines Tages fing
ich eine junge Scharlachtangara, welche erſt vor wenig Tagen ihr Neſt verlaſſen hatte. Jch trug ſie
eine halbe Meile weit mit mir weg, ſteckte ſie in einen Käfig und hing dieſen im Garten ohnweit eines
Gelbvogel-Neſtes auf, in welchem ich Junge wußte, hoffend, daß die Gelbvögel ſich des Fremdlings
annehmen würden. Die arme Waiſe aber wurde, ungeachtet ihres kläglichen Geſchreies, gänzlich
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/212>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.