Alle Waldungen der mittleren Küstenstrecken Brasiliens beherbergen die Schmucktangara in zahl- reicher Menge. Nach Norden hin verbreitet sie sich vom Amazonenstrom bis über Guiana. Sie liebt die lichten Waldungen und die Pflanzungen, hält sich hier aber immer einzeln oder paarweise. Beweg- lich und munter, belebt sie alle Gebüsche der abwechselnd offenen Gegenden, nähert sich den menschlichen Wohnungen, ist nicht scheu und besucht besonders gern die Orangen- und Fruchtbäume in der Absicht, sie zu plündern. Die gewöhnliche Stimme ist ein einfacher Lockton; das Männchen läßt aber in der Paarungszeit auch einen kurzen, leisen Gesang vernehmen. Das Nest wird in einem dichten Busch oder niederen Baum angelegt und ähnelt in seinem ganzen Bau dem unseres Grünlings.
Auf dieses Wenige beschränken sich die Angaben, welche mir zu Gebote stehen.
Weit besser sind wir über die in Nordamerika vorkommenden Arten der Familie unterrichtet, Dank der Beobachtung eines Wilson, Audubon, Prinz von Wied und anderer Forscher. Wir haben es hier hauptsächlich mit zwei Arten zu thun, welche beide der Sippe der Feuertangaras (Pyranga) angehören. Die hierher zu zählenden Vögel sind schlank gebaut, ihre spitzen Flügel mäßig lang, beinahe bis zur Mitte des mittellangen, abgerundeten Schwanzes reichend; der Schnabel ist dick, kegelförmig, aber etwas gewölbt, am Mundrande stark eingebogen, in der Mitte des Oberkieferrandes zackig ausgebogen, an der Spitze fast gerade, mit kaum sichtbaren Spuren einer Kerbe. Das Gefieder ist derb und glatt, beim Männchen gewöhnlich roth, beim Weibchen regelmäßig gelb.
Der Flachsvogel der Amerikaner (Pyranga rubra) ist die am häufigsten vorkommende und am weitesten verbreitete Art der beiden erwähnten. Die Länge beträgt 61/2 Zoll, die Breite 101/2 Zoll, der Fittig mißt gegen 4, der Schwanz 23/4 Zoll. Das Männchen im Hochzeitskleide ist bald beschrie- ben. Ein prachtvolles Scharlachroth bildet die Grundfärbung, von welcher die tiefschwarzen Flügel und der ebenso gefärbte Schwanz lebhaft abstechen. Dieses Roth wird hervorgebracht durch die Spitzen der Federn; denn die Wurzeltheile sind weiß. Beim lebenden Vogel sieht man von den letzteren Nichts; beim ausgestopften hingegen schimmert die lichte Färbung häufig durch das Roth, und Dies ist der Grund, weshalb der Flachsfink im Leben um so viel schöner aussieht, als sein künstlich zubereiteter Balg. Bald nach der Brütezeit legt das Männchen sein Prachtkleid ab und erscheint dann in dem ein- fachen Gewande des Weibchens, welches auf der Oberseite zeisiggrün, auf der unteren gelblichgrün ist. Die Mauser beginnt bereits im August, und durch sie erhält das Männchen zunächst ein Uebergangs- kleid, welches sehr schön roth und grün gefleckt ist und es ebenfalls recht nett kleidet.
Der Sommerrothvogel oder die eigentliche Feuertangara (Pyranga aestiva) ist etwas größer als ihre Verwandte, 63/4--71/4 Zoll lang, 11 Zoll breit und ebenfalls roth, auf den Flügeln und Schwanz, aber nicht schwarz, sondern hellbräunlich zinnoberroth, wie das ganze Kleid überhaupt sanfter gefärbt ist. Das Weibchen ist olivengrün, auf Kopf und Hals bräunlich überlaufen, auf der Unterseite gelb, längs der Mitte der Brust und des Unterleibes röthlich überlaufen. Sehr alte Weib- chen erhalten zuweilen ein Kleid, welches dem des männlichen Vogels ähnelt; sie werden "hahn- federig", wie der Vogelkundige zu sagen pflegt. Auch das Männchen dieser Tangara nimmt nach der Brutzeit die Tracht des Weibchens an, und die jungen Männchen ähneln der Mutter.
Hinsichtlich der Lebensweise ähneln sich beide Feuertangaras sehr. Sie bewohnen die an verschie- denen Baumarten reichen, großartigen Wälder Amerikas und leben hier, still und zurückgezogen, paar- weise. Gewöhnlich sieht man sie hoch oben auf den Spitzen der Bäume.
"Als wir im Frühjahre 1834", sagt der Prinz, "den Missouri wieder hinabreisten und im Monat Mai die großen geschlossenen Waldungen des untern Missouri erreichten, durchstreiften wir jene hohen, geschlossenen und wild gedrängten Forsten von mancherlei Baumarten, wo eine einsame Ruhe herrschte und mancherlei fremdartige Vögelstimmen sich vernehmen ließen. Unter zahlreichen
Schmucktangara. Flachsvogel. Feuertangara.
Alle Waldungen der mittleren Küſtenſtrecken Braſiliens beherbergen die Schmucktangara in zahl- reicher Menge. Nach Norden hin verbreitet ſie ſich vom Amazonenſtrom bis über Guiana. Sie liebt die lichten Waldungen und die Pflanzungen, hält ſich hier aber immer einzeln oder paarweiſe. Beweg- lich und munter, belebt ſie alle Gebüſche der abwechſelnd offenen Gegenden, nähert ſich den menſchlichen Wohnungen, iſt nicht ſcheu und beſucht beſonders gern die Orangen- und Fruchtbäume in der Abſicht, ſie zu plündern. Die gewöhnliche Stimme iſt ein einfacher Lockton; das Männchen läßt aber in der Paarungszeit auch einen kurzen, leiſen Geſang vernehmen. Das Neſt wird in einem dichten Buſch oder niederen Baum angelegt und ähnelt in ſeinem ganzen Bau dem unſeres Grünlings.
Auf dieſes Wenige beſchränken ſich die Angaben, welche mir zu Gebote ſtehen.
Weit beſſer ſind wir über die in Nordamerika vorkommenden Arten der Familie unterrichtet, Dank der Beobachtung eines Wilſon, Audubon, Prinz von Wied und anderer Forſcher. Wir haben es hier hauptſächlich mit zwei Arten zu thun, welche beide der Sippe der Feuertangaras (Pyranga) angehören. Die hierher zu zählenden Vögel ſind ſchlank gebaut, ihre ſpitzen Flügel mäßig lang, beinahe bis zur Mitte des mittellangen, abgerundeten Schwanzes reichend; der Schnabel iſt dick, kegelförmig, aber etwas gewölbt, am Mundrande ſtark eingebogen, in der Mitte des Oberkieferrandes zackig ausgebogen, an der Spitze faſt gerade, mit kaum ſichtbaren Spuren einer Kerbe. Das Gefieder iſt derb und glatt, beim Männchen gewöhnlich roth, beim Weibchen regelmäßig gelb.
Der Flachsvogel der Amerikaner (Pyranga rubra) iſt die am häufigſten vorkommende und am weiteſten verbreitete Art der beiden erwähnten. Die Länge beträgt 6½ Zoll, die Breite 10½ Zoll, der Fittig mißt gegen 4, der Schwanz 2¾ Zoll. Das Männchen im Hochzeitskleide iſt bald beſchrie- ben. Ein prachtvolles Scharlachroth bildet die Grundfärbung, von welcher die tiefſchwarzen Flügel und der ebenſo gefärbte Schwanz lebhaft abſtechen. Dieſes Roth wird hervorgebracht durch die Spitzen der Federn; denn die Wurzeltheile ſind weiß. Beim lebenden Vogel ſieht man von den letzteren Nichts; beim ausgeſtopften hingegen ſchimmert die lichte Färbung häufig durch das Roth, und Dies iſt der Grund, weshalb der Flachsfink im Leben um ſo viel ſchöner ausſieht, als ſein künſtlich zubereiteter Balg. Bald nach der Brütezeit legt das Männchen ſein Prachtkleid ab und erſcheint dann in dem ein- fachen Gewande des Weibchens, welches auf der Oberſeite zeiſiggrün, auf der unteren gelblichgrün iſt. Die Mauſer beginnt bereits im Auguſt, und durch ſie erhält das Männchen zunächſt ein Uebergangs- kleid, welches ſehr ſchön roth und grün gefleckt iſt und es ebenfalls recht nett kleidet.
Der Sommerrothvogel oder die eigentliche Feuertangara (Pyranga aestiva) iſt etwas größer als ihre Verwandte, 6¾—7¼ Zoll lang, 11 Zoll breit und ebenfalls roth, auf den Flügeln und Schwanz, aber nicht ſchwarz, ſondern hellbräunlich zinnoberroth, wie das ganze Kleid überhaupt ſanfter gefärbt iſt. Das Weibchen iſt olivengrün, auf Kopf und Hals bräunlich überlaufen, auf der Unterſeite gelb, längs der Mitte der Bruſt und des Unterleibes röthlich überlaufen. Sehr alte Weib- chen erhalten zuweilen ein Kleid, welches dem des männlichen Vogels ähnelt; ſie werden „hahn- federig‟, wie der Vogelkundige zu ſagen pflegt. Auch das Männchen dieſer Tangara nimmt nach der Brutzeit die Tracht des Weibchens an, und die jungen Männchen ähneln der Mutter.
Hinſichtlich der Lebensweiſe ähneln ſich beide Feuertangaras ſehr. Sie bewohnen die an verſchie- denen Baumarten reichen, großartigen Wälder Amerikas und leben hier, ſtill und zurückgezogen, paar- weiſe. Gewöhnlich ſieht man ſie hoch oben auf den Spitzen der Bäume.
„Als wir im Frühjahre 1834‟, ſagt der Prinz, „den Miſſouri wieder hinabreiſten und im Monat Mai die großen geſchloſſenen Waldungen des untern Miſſouri erreichten, durchſtreiften wir jene hohen, geſchloſſenen und wild gedrängten Forſten von mancherlei Baumarten, wo eine einſame Ruhe herrſchte und mancherlei fremdartige Vögelſtimmen ſich vernehmen ließen. Unter zahlreichen
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[191/0211]
Schmucktangara. Flachsvogel. Feuertangara.
Alle Waldungen der mittleren Küſtenſtrecken Braſiliens beherbergen die Schmucktangara in zahl-
reicher Menge. Nach Norden hin verbreitet ſie ſich vom Amazonenſtrom bis über Guiana. Sie liebt
die lichten Waldungen und die Pflanzungen, hält ſich hier aber immer einzeln oder paarweiſe. Beweg-
lich und munter, belebt ſie alle Gebüſche der abwechſelnd offenen Gegenden, nähert ſich den menſchlichen
Wohnungen, iſt nicht ſcheu und beſucht beſonders gern die Orangen- und Fruchtbäume in der Abſicht,
ſie zu plündern. Die gewöhnliche Stimme iſt ein einfacher Lockton; das Männchen läßt aber in der
Paarungszeit auch einen kurzen, leiſen Geſang vernehmen. Das Neſt wird in einem dichten Buſch
oder niederen Baum angelegt und ähnelt in ſeinem ganzen Bau dem unſeres Grünlings.
Auf dieſes Wenige beſchränken ſich die Angaben, welche mir zu Gebote ſtehen.
Weit beſſer ſind wir über die in Nordamerika vorkommenden Arten der Familie unterrichtet,
Dank der Beobachtung eines Wilſon, Audubon, Prinz von Wied und anderer Forſcher. Wir
haben es hier hauptſächlich mit zwei Arten zu thun, welche beide der Sippe der Feuertangaras
(Pyranga) angehören. Die hierher zu zählenden Vögel ſind ſchlank gebaut, ihre ſpitzen Flügel mäßig
lang, beinahe bis zur Mitte des mittellangen, abgerundeten Schwanzes reichend; der Schnabel iſt dick,
kegelförmig, aber etwas gewölbt, am Mundrande ſtark eingebogen, in der Mitte des Oberkieferrandes
zackig ausgebogen, an der Spitze faſt gerade, mit kaum ſichtbaren Spuren einer Kerbe. Das Gefieder
iſt derb und glatt, beim Männchen gewöhnlich roth, beim Weibchen regelmäßig gelb.
Der Flachsvogel der Amerikaner (Pyranga rubra) iſt die am häufigſten vorkommende und am
weiteſten verbreitete Art der beiden erwähnten. Die Länge beträgt 6½ Zoll, die Breite 10½ Zoll,
der Fittig mißt gegen 4, der Schwanz 2¾ Zoll. Das Männchen im Hochzeitskleide iſt bald beſchrie-
ben. Ein prachtvolles Scharlachroth bildet die Grundfärbung, von welcher die tiefſchwarzen Flügel
und der ebenſo gefärbte Schwanz lebhaft abſtechen. Dieſes Roth wird hervorgebracht durch die Spitzen
der Federn; denn die Wurzeltheile ſind weiß. Beim lebenden Vogel ſieht man von den letzteren
Nichts; beim ausgeſtopften hingegen ſchimmert die lichte Färbung häufig durch das Roth, und Dies iſt
der Grund, weshalb der Flachsfink im Leben um ſo viel ſchöner ausſieht, als ſein künſtlich zubereiteter
Balg. Bald nach der Brütezeit legt das Männchen ſein Prachtkleid ab und erſcheint dann in dem ein-
fachen Gewande des Weibchens, welches auf der Oberſeite zeiſiggrün, auf der unteren gelblichgrün iſt.
Die Mauſer beginnt bereits im Auguſt, und durch ſie erhält das Männchen zunächſt ein Uebergangs-
kleid, welches ſehr ſchön roth und grün gefleckt iſt und es ebenfalls recht nett kleidet.
Der Sommerrothvogel oder die eigentliche Feuertangara (Pyranga aestiva) iſt etwas
größer als ihre Verwandte, 6¾—7¼ Zoll lang, 11 Zoll breit und ebenfalls roth, auf den Flügeln
und Schwanz, aber nicht ſchwarz, ſondern hellbräunlich zinnoberroth, wie das ganze Kleid überhaupt
ſanfter gefärbt iſt. Das Weibchen iſt olivengrün, auf Kopf und Hals bräunlich überlaufen, auf der
Unterſeite gelb, längs der Mitte der Bruſt und des Unterleibes röthlich überlaufen. Sehr alte Weib-
chen erhalten zuweilen ein Kleid, welches dem des männlichen Vogels ähnelt; ſie werden „hahn-
federig‟, wie der Vogelkundige zu ſagen pflegt. Auch das Männchen dieſer Tangara nimmt nach
der Brutzeit die Tracht des Weibchens an, und die jungen Männchen ähneln der Mutter.
Hinſichtlich der Lebensweiſe ähneln ſich beide Feuertangaras ſehr. Sie bewohnen die an verſchie-
denen Baumarten reichen, großartigen Wälder Amerikas und leben hier, ſtill und zurückgezogen, paar-
weiſe. Gewöhnlich ſieht man ſie hoch oben auf den Spitzen der Bäume.
„Als wir im Frühjahre 1834‟, ſagt der Prinz, „den Miſſouri wieder hinabreiſten und im
Monat Mai die großen geſchloſſenen Waldungen des untern Miſſouri erreichten, durchſtreiften wir
jene hohen, geſchloſſenen und wild gedrängten Forſten von mancherlei Baumarten, wo eine einſame
Ruhe herrſchte und mancherlei fremdartige Vögelſtimmen ſich vernehmen ließen. Unter zahlreichen
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/211>, abgerufen am 24.11.2024.
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