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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

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Die Knacker. Sperlingsvögel. Sperlinge.

Die Anhänglichkeit des Sperlings an die Wohnung des Menschen ist merkwürdig. Er nistet
stets in unmittelbarer Nähe der Ortschaften, bezüglich in den Häusern selbst und macht vonhieraus
höchstens Ausflüge ins Freie, ganz nach Art der Hausvögel; wird aber ein neues Haus gebaut, so
siedelt er gewiß sich an. Nur wenige Dörfer gibt es, in welchen kein Sperling vorkommt; es sind
immer Walddörfer, welche keine Felder haben. Jm Thüringerwalde gibt es mehrere solcher Ort-
schaften, in denen seit Menschengedenken kein Sperling vorgekommen, und auch alle Versuche, sie dort
ansässig zu machen, gescheitert sind. Die Abhängigkeit des Vogels vom Menschen ist also nur eine
bedingte; denn der Sperling verlangt weniger nach der Gesellschaft seiner Gastfreunde, als vielmehr
nach einem Orte, wo er sich ohne Sorge ernähren kann.

Unser Hausspatz ist ein äußerst geselliger Vogel. Er trennt sich blos während der Brutzeit in
Paare, ohne jedoch deshalb aus dem Gemeinverband zu scheiden. Oft brütet ein Paar dicht neben
dem andern, und die Männchen suchen, so eifersüchtig sie sonst sind, auch wenn ihr Weibchen brütend
auf den Eiern sitzt, immer die Gesellschaft von ihres Gleichen auf. Die Jungen schlagen sich sofort
nach ihrem Ausfliegen mit andern in Trupps zusammen, welche bald zu Flügen anwachsen. Sobald
die Alten ihr Brutgeschäft hinter sich haben, finden auch sie sich wieder bei diesen Flügen ein und
theilen nunmehr mit ihnen Freud und Leid. So lange es Getreide auf den Feldern gibt oder über-
haupt, so lange es grün draußen ist, fliegen die Schwärme vom Dorfe aus alltäglich nach der Flur
hinaus, um dort sich Futter zu suchen, kehren aber jedes Mal wieder nach dem Dorfe zurück. Hier
halten sie ihre Mittagsruhe in dichten Baumkronen oder noch lieber in Hecken, und hier versammeln
sie sich abends unter großem Geschrei, Gelärm und Gezänk, entweder auf dicht belaubten Bäumen
oder später in Scheunen, Schuppen und andern Gebäuden, welche Orte ihnen zur Nachtherberge wer-
den müssen. Jm Winter bereiten sich die klugen Geschöpfe förmliche Betten, weich und warm ausge-
fütterte Nester nämlich, in denen sie sich verkriechen, jedenfalls in der Absicht, gegen die Kälte sich zu
schützen. Zu gleichem Zwecke wählen sich andere Schornsteine zur Nachtherberge, ganz unbekümmert
darum, daß der Rauch ihr Gefieder berußt und schwärzt.

Das ganze Leben des Spatzes beweist, daß er einer der klügsten Vögel ist, welchen wir haben.
"Jm Thun und Treiben unseres Sperlings", sagt Naumann in seinem unübertrefflichen Werke
über die Vögel Deutschlands, "den man bald einen Schelm, bald einen Dieb schilt, den man grund-
häßlich findet und mit aller möglichen Verachtung behandelt, zeigt sich dem einfachen Beobachter vor
Allem ein im Widerspruch stehendes Verhältniß der Körperkräfte zu den Geistesfähigkeiten. Seine
Körperbewegungen sind in der That etwas plump oder ziemlich ungeschickt, während seine Klugheit
Alles übertrifft, was man in der Art kennt und seinem Scharfblicke Nichts entgehet, was ihm nützen
oder seine Sicherheit irgend gefährden könnte. Auch bei aufgeblähetem Gefieder, in trüber Laune kann
das kleine Auge den listigen, verschlagenen Sinn nicht bergen. Er merkt es bald, wo er friedlich ge-
duldet wird, scheint da zutraulicher, vergißt sich aber dessenungeachtet nie so weit, daß ihm Sorglosigkeit
einstens schaden könnte. Hat er aber vollends schon Nachstellungen erfahren, so ist er immerwährend
auf seiner Hut. Das ungewöhnliche Oeffnen eines Fensters, das scharfe Anblicken von einer ihm ver-
dächtigen Person, das Zielen nach ihm, auch mit einem blosen Stocke, setzt ihn augenblicklich in Angst
und Schrecken und macht ihn fliehen. -- So sehr er sich gezwungen sieht, die menschliche Gesellschaft zu
suchen, so ist Dies doch nie auf Kosten seiner Freiheit geschehen. Die Nähe des Menschen hat ihn
nicht, wie unsere Feldtaube, allmählich zähmen können; sie hat im Gegentheil auf ihn gewirkt, ihn
nur noch listiger, verschlagener, mißtrauischer gemacht. Man hat unzählige Beweise seiner Schlauheit
und Jedermann kann sich leicht und bald, so oft er will, davon überzeugen. Welcher Ausbildung sein
Ueberlegungsvermögen, sein Verstand fähig ist, zeigen die ganz alten Vögel, im Gegensatz von den
unerfahrnen Jungen, bei welchen sich diese Kräfte erst nach und nach entwickeln."

"Jn der Stellung des Sperlings liegt, trotz der etwas plumpen oder unbehilflichen Gestalt,
etwas Keckes. Der Schwanz wird immer erhaben getragen und öfters damit gewippt oder gezuckt;
aber der stets hüpfende Gaug auf dem Erdboden ist schwerfällig, doch manchmal schnell genug; die

Die Knacker. Sperlingsvögel. Sperlinge.

Die Anhänglichkeit des Sperlings an die Wohnung des Menſchen iſt merkwürdig. Er niſtet
ſtets in unmittelbarer Nähe der Ortſchaften, bezüglich in den Häuſern ſelbſt und macht vonhieraus
höchſtens Ausflüge ins Freie, ganz nach Art der Hausvögel; wird aber ein neues Haus gebaut, ſo
ſiedelt er gewiß ſich an. Nur wenige Dörfer gibt es, in welchen kein Sperling vorkommt; es ſind
immer Walddörfer, welche keine Felder haben. Jm Thüringerwalde gibt es mehrere ſolcher Ort-
ſchaften, in denen ſeit Menſchengedenken kein Sperling vorgekommen, und auch alle Verſuche, ſie dort
anſäſſig zu machen, geſcheitert ſind. Die Abhängigkeit des Vogels vom Menſchen iſt alſo nur eine
bedingte; denn der Sperling verlangt weniger nach der Geſellſchaft ſeiner Gaſtfreunde, als vielmehr
nach einem Orte, wo er ſich ohne Sorge ernähren kann.

Unſer Hausſpatz iſt ein äußerſt geſelliger Vogel. Er trennt ſich blos während der Brutzeit in
Paare, ohne jedoch deshalb aus dem Gemeinverband zu ſcheiden. Oft brütet ein Paar dicht neben
dem andern, und die Männchen ſuchen, ſo eiferſüchtig ſie ſonſt ſind, auch wenn ihr Weibchen brütend
auf den Eiern ſitzt, immer die Geſellſchaft von ihres Gleichen auf. Die Jungen ſchlagen ſich ſofort
nach ihrem Ausfliegen mit andern in Trupps zuſammen, welche bald zu Flügen anwachſen. Sobald
die Alten ihr Brutgeſchäft hinter ſich haben, finden auch ſie ſich wieder bei dieſen Flügen ein und
theilen nunmehr mit ihnen Freud und Leid. So lange es Getreide auf den Feldern gibt oder über-
haupt, ſo lange es grün draußen iſt, fliegen die Schwärme vom Dorfe aus alltäglich nach der Flur
hinaus, um dort ſich Futter zu ſuchen, kehren aber jedes Mal wieder nach dem Dorfe zurück. Hier
halten ſie ihre Mittagsruhe in dichten Baumkronen oder noch lieber in Hecken, und hier verſammeln
ſie ſich abends unter großem Geſchrei, Gelärm und Gezänk, entweder auf dicht belaubten Bäumen
oder ſpäter in Scheunen, Schuppen und andern Gebäuden, welche Orte ihnen zur Nachtherberge wer-
den müſſen. Jm Winter bereiten ſich die klugen Geſchöpfe förmliche Betten, weich und warm ausge-
fütterte Neſter nämlich, in denen ſie ſich verkriechen, jedenfalls in der Abſicht, gegen die Kälte ſich zu
ſchützen. Zu gleichem Zwecke wählen ſich andere Schornſteine zur Nachtherberge, ganz unbekümmert
darum, daß der Rauch ihr Gefieder berußt und ſchwärzt.

Das ganze Leben des Spatzes beweiſt, daß er einer der klügſten Vögel iſt, welchen wir haben.
„Jm Thun und Treiben unſeres Sperlings‟, ſagt Naumann in ſeinem unübertrefflichen Werke
über die Vögel Deutſchlands, „den man bald einen Schelm, bald einen Dieb ſchilt, den man grund-
häßlich findet und mit aller möglichen Verachtung behandelt, zeigt ſich dem einfachen Beobachter vor
Allem ein im Widerſpruch ſtehendes Verhältniß der Körperkräfte zu den Geiſtesfähigkeiten. Seine
Körperbewegungen ſind in der That etwas plump oder ziemlich ungeſchickt, während ſeine Klugheit
Alles übertrifft, was man in der Art kennt und ſeinem Scharfblicke Nichts entgehet, was ihm nützen
oder ſeine Sicherheit irgend gefährden könnte. Auch bei aufgeblähetem Gefieder, in trüber Laune kann
das kleine Auge den liſtigen, verſchlagenen Sinn nicht bergen. Er merkt es bald, wo er friedlich ge-
duldet wird, ſcheint da zutraulicher, vergißt ſich aber deſſenungeachtet nie ſo weit, daß ihm Sorgloſigkeit
einſtens ſchaden könnte. Hat er aber vollends ſchon Nachſtellungen erfahren, ſo iſt er immerwährend
auf ſeiner Hut. Das ungewöhnliche Oeffnen eines Fenſters, das ſcharfe Anblicken von einer ihm ver-
dächtigen Perſon, das Zielen nach ihm, auch mit einem bloſen Stocke, ſetzt ihn augenblicklich in Angſt
und Schrecken und macht ihn fliehen. — So ſehr er ſich gezwungen ſieht, die menſchliche Geſellſchaft zu
ſuchen, ſo iſt Dies doch nie auf Koſten ſeiner Freiheit geſchehen. Die Nähe des Menſchen hat ihn
nicht, wie unſere Feldtaube, allmählich zähmen können; ſie hat im Gegentheil auf ihn gewirkt, ihn
nur noch liſtiger, verſchlagener, mißtrauiſcher gemacht. Man hat unzählige Beweiſe ſeiner Schlauheit
und Jedermann kann ſich leicht und bald, ſo oft er will, davon überzeugen. Welcher Ausbildung ſein
Ueberlegungsvermögen, ſein Verſtand fähig iſt, zeigen die ganz alten Vögel, im Gegenſatz von den
unerfahrnen Jungen, bei welchen ſich dieſe Kräfte erſt nach und nach entwickeln.‟

„Jn der Stellung des Sperlings liegt, trotz der etwas plumpen oder unbehilflichen Geſtalt,
etwas Keckes. Der Schwanz wird immer erhaben getragen und öfters damit gewippt oder gezuckt;
aber der ſtets hüpfende Gaug auf dem Erdboden iſt ſchwerfällig, doch manchmal ſchnell genug; die

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[156/0176] Die Knacker. Sperlingsvögel. Sperlinge. Die Anhänglichkeit des Sperlings an die Wohnung des Menſchen iſt merkwürdig. Er niſtet ſtets in unmittelbarer Nähe der Ortſchaften, bezüglich in den Häuſern ſelbſt und macht vonhieraus höchſtens Ausflüge ins Freie, ganz nach Art der Hausvögel; wird aber ein neues Haus gebaut, ſo ſiedelt er gewiß ſich an. Nur wenige Dörfer gibt es, in welchen kein Sperling vorkommt; es ſind immer Walddörfer, welche keine Felder haben. Jm Thüringerwalde gibt es mehrere ſolcher Ort- ſchaften, in denen ſeit Menſchengedenken kein Sperling vorgekommen, und auch alle Verſuche, ſie dort anſäſſig zu machen, geſcheitert ſind. Die Abhängigkeit des Vogels vom Menſchen iſt alſo nur eine bedingte; denn der Sperling verlangt weniger nach der Geſellſchaft ſeiner Gaſtfreunde, als vielmehr nach einem Orte, wo er ſich ohne Sorge ernähren kann. Unſer Hausſpatz iſt ein äußerſt geſelliger Vogel. Er trennt ſich blos während der Brutzeit in Paare, ohne jedoch deshalb aus dem Gemeinverband zu ſcheiden. Oft brütet ein Paar dicht neben dem andern, und die Männchen ſuchen, ſo eiferſüchtig ſie ſonſt ſind, auch wenn ihr Weibchen brütend auf den Eiern ſitzt, immer die Geſellſchaft von ihres Gleichen auf. Die Jungen ſchlagen ſich ſofort nach ihrem Ausfliegen mit andern in Trupps zuſammen, welche bald zu Flügen anwachſen. Sobald die Alten ihr Brutgeſchäft hinter ſich haben, finden auch ſie ſich wieder bei dieſen Flügen ein und theilen nunmehr mit ihnen Freud und Leid. So lange es Getreide auf den Feldern gibt oder über- haupt, ſo lange es grün draußen iſt, fliegen die Schwärme vom Dorfe aus alltäglich nach der Flur hinaus, um dort ſich Futter zu ſuchen, kehren aber jedes Mal wieder nach dem Dorfe zurück. Hier halten ſie ihre Mittagsruhe in dichten Baumkronen oder noch lieber in Hecken, und hier verſammeln ſie ſich abends unter großem Geſchrei, Gelärm und Gezänk, entweder auf dicht belaubten Bäumen oder ſpäter in Scheunen, Schuppen und andern Gebäuden, welche Orte ihnen zur Nachtherberge wer- den müſſen. Jm Winter bereiten ſich die klugen Geſchöpfe förmliche Betten, weich und warm ausge- fütterte Neſter nämlich, in denen ſie ſich verkriechen, jedenfalls in der Abſicht, gegen die Kälte ſich zu ſchützen. Zu gleichem Zwecke wählen ſich andere Schornſteine zur Nachtherberge, ganz unbekümmert darum, daß der Rauch ihr Gefieder berußt und ſchwärzt. Das ganze Leben des Spatzes beweiſt, daß er einer der klügſten Vögel iſt, welchen wir haben. „Jm Thun und Treiben unſeres Sperlings‟, ſagt Naumann in ſeinem unübertrefflichen Werke über die Vögel Deutſchlands, „den man bald einen Schelm, bald einen Dieb ſchilt, den man grund- häßlich findet und mit aller möglichen Verachtung behandelt, zeigt ſich dem einfachen Beobachter vor Allem ein im Widerſpruch ſtehendes Verhältniß der Körperkräfte zu den Geiſtesfähigkeiten. Seine Körperbewegungen ſind in der That etwas plump oder ziemlich ungeſchickt, während ſeine Klugheit Alles übertrifft, was man in der Art kennt und ſeinem Scharfblicke Nichts entgehet, was ihm nützen oder ſeine Sicherheit irgend gefährden könnte. Auch bei aufgeblähetem Gefieder, in trüber Laune kann das kleine Auge den liſtigen, verſchlagenen Sinn nicht bergen. Er merkt es bald, wo er friedlich ge- duldet wird, ſcheint da zutraulicher, vergißt ſich aber deſſenungeachtet nie ſo weit, daß ihm Sorgloſigkeit einſtens ſchaden könnte. Hat er aber vollends ſchon Nachſtellungen erfahren, ſo iſt er immerwährend auf ſeiner Hut. Das ungewöhnliche Oeffnen eines Fenſters, das ſcharfe Anblicken von einer ihm ver- dächtigen Perſon, das Zielen nach ihm, auch mit einem bloſen Stocke, ſetzt ihn augenblicklich in Angſt und Schrecken und macht ihn fliehen. — So ſehr er ſich gezwungen ſieht, die menſchliche Geſellſchaft zu ſuchen, ſo iſt Dies doch nie auf Koſten ſeiner Freiheit geſchehen. Die Nähe des Menſchen hat ihn nicht, wie unſere Feldtaube, allmählich zähmen können; ſie hat im Gegentheil auf ihn gewirkt, ihn nur noch liſtiger, verſchlagener, mißtrauiſcher gemacht. Man hat unzählige Beweiſe ſeiner Schlauheit und Jedermann kann ſich leicht und bald, ſo oft er will, davon überzeugen. Welcher Ausbildung ſein Ueberlegungsvermögen, ſein Verſtand fähig iſt, zeigen die ganz alten Vögel, im Gegenſatz von den unerfahrnen Jungen, bei welchen ſich dieſe Kräfte erſt nach und nach entwickeln.‟ „Jn der Stellung des Sperlings liegt, trotz der etwas plumpen oder unbehilflichen Geſtalt, etwas Keckes. Der Schwanz wird immer erhaben getragen und öfters damit gewippt oder gezuckt; aber der ſtets hüpfende Gaug auf dem Erdboden iſt ſchwerfällig, doch manchmal ſchnell genug; die

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/176>, abgerufen am 27.04.2024.