stehen Urtheile, die später bei Andern Enttäuschungen hervorrufen. So wenig wie alle Häuflinge und Nachtigallen oder alle zahmen Kanarienvögel gleich gute Schläger sind, darf man Dies von den wilden fordern. Auch unter ihnen gibt es stärkere und schwächere; das aber ist unsere ent- schiedene Ansicht, die Nachtigallentöne oder sogenannte Rollen, jene zur Seele dringenden tiefen Brusttöne haben wir nie schöner vortragen hören, als von wilden Kanarienvögeln und einigen zah- men der Jnseln, die bei jenen in der Lehre gewesen. Nie werden wir in dieser Hinsicht die Leistun- gen eines wundervoll hochgelben Männchens von Gran-Canaria, welches wir als Geschenk eines Freundes eine Zeitlang besaßen, zu vergessen im Stande sein. Am meisten möge man sich hüten, den Naturgesang des Kanarienvogels nach dem oft stümperhaften sehr jung gefangener, die im Käfig ohne guten Vorschläger aufwuchsen, zu beurtheilen."
"Der Flug des Kanarienvogels gleicht dem des Hänflings. Er ist etwas wellenförmig und geht meist in mäßiger Höhe von Baum zu Baum, wobei, wenn der Vogel schwarmweise fliegt, die Glieder der Gesellschaft sich nicht dicht an einander drängen, sondern jeder sich in einer kleinen Ent- fernung von seinem Nachbar hält und dabei einen abgebrochenen, oft wiederholten Lockruf hören läßt. Die Scharen, in die sie sich außer der Paarungszeit zusammenthun, sind zahlreich, lösen sich aber den größten Theil des Jahres hindurch in kleinere Flüge auf, welche an geeigneten Orten ihrer Nahrung nachgehen und sehr häufig längere Zeit auf der Erde verweilen, vor Sonnenuntergang aber sich gern wieder zusammenthun und eine gemeinschaftliche Nachtherberge suchen." --
"Der Fang dieser Thierchen ist sehr leicht, zumal gehen die Jungen fast in jede Falle, sobald nur ein Lockvogel ihrer Art daneben steht: ein Beweis mehr für die große Geselligkeit der Art. Jch habe sie in Canaria sogar einzeln in Schlagnetzen, deren Locker nur Hänflinge und Stieglitze waren, sich fangen sehen. Gewöhnlich bedient man sich, um ihrer habhaft zu werden, auf den Kanaren eines Schlagbauers, der aus zwei seitlichen Abtheilungen besteht, den eigentlichen Fallen mit aufstellbarem Trittholz, getrennt durch den mitten inne befindlichen Käfig, in welchem der Lockvogel sitzt. Dieser Fang wird in baumreichen Gegenden, wo Wasser in der Nähe ist, betrieben und ist in den frühen Morgenstunden am ergiebigsten. Er ist, wie wir aus eigener Anschauung wissen, ungemein an- ziehend, da er dem im Gebüsch versteckten Vogelsteller Gelegenheit gibt, die Kanarienvögel in größter Nähe zu beobachten und sich ihrer anmuthigen Bewegungen und Sitten ungesehen zu erfreuen. Wir haben auf diese Weise binnen wenigen Stunden 16 bis 20 Stück, eins nach dem andern, fangen sehen; die Mehrzahl davon waren indeß noch unvermauserte Junge. Besäße man, was nicht der Fall ist, auf den Jnseln ordentlich eingerichtete Vogelherde, so würde der Ertrag natürlich noch ein weit loh- nenderer sein."
"Wir haben Kanarienwildlinge genug in der Gefangenschaft beobachtet und mitunter deren ein bis anderthalb Dutzend auf einmal besessen. Der Preis junger, bereits ausgeflogener Vögel pflegt in Santa Cruz, wenn man mehrere auf einmal nimmt, etwa 21/2 Sgr. für das Stück zu betragen. Frisch gefangene alte Männchen werden mit 10 Sgr. bezahlt. Jn Canaria sind, trotz der daselbst herrschenden größeren Billigkeit, die Preise um vieles höher, was allein schon hinreichen würde, ihre größere Selten- heit daselbst darzuthun."
"Es sind unruhige Vögel, die längere Zeit brauchen, ehe sie ihre angeborne Wildheit ablegen, und sich, besonders in engen Käfigen zu mehreren zusammengesperrt, das Gefieder leicht zerstoßen. Sie schnä- beln sich sehr gern unter einander, und die jungen Männchen geben sich binnen kurzem durch ein fort- gesetztes lautes Zwitschern zu erkennen. Meine Vögel fingen in der zweiten Hälfte des August zu mausern an; einige unter ihnen hatten indeß noch im Dezember den Federwechsel nicht vollständig bewerkstelligt. Wahrscheinlich sind diese die am spätesten Ausgeflogenen gewesen. Das helle Gelb- grün zeigt sich zuerst an der Brust. Kaum gibt es einen weichlicheren Körnerfresser. Man verliert die meisten an Krämpfen, deren zweiter oder dritter Anfall mit dem Tode zu endigen pflegt. Wer diese Vögel über See mit sich nehmen will, wird wohl thun, sich längere Zeit vor der Abreise mit we- nigstens der doppelten Anzahl von denen, die er wünscht, zu versorgen und dieselbe in einem jener
Kanarienvogel.
ſtehen Urtheile, die ſpäter bei Andern Enttäuſchungen hervorrufen. So wenig wie alle Häuflinge und Nachtigallen oder alle zahmen Kanarienvögel gleich gute Schläger ſind, darf man Dies von den wilden fordern. Auch unter ihnen gibt es ſtärkere und ſchwächere; das aber iſt unſere ent- ſchiedene Anſicht, die Nachtigallentöne oder ſogenannte Rollen, jene zur Seele dringenden tiefen Bruſttöne haben wir nie ſchöner vortragen hören, als von wilden Kanarienvögeln und einigen zah- men der Jnſeln, die bei jenen in der Lehre geweſen. Nie werden wir in dieſer Hinſicht die Leiſtun- gen eines wundervoll hochgelben Männchens von Gran-Canaria, welches wir als Geſchenk eines Freundes eine Zeitlang beſaßen, zu vergeſſen im Stande ſein. Am meiſten möge man ſich hüten, den Naturgeſang des Kanarienvogels nach dem oft ſtümperhaften ſehr jung gefangener, die im Käfig ohne guten Vorſchläger aufwuchſen, zu beurtheilen.‟
„Der Flug des Kanarienvogels gleicht dem des Hänflings. Er iſt etwas wellenförmig und geht meiſt in mäßiger Höhe von Baum zu Baum, wobei, wenn der Vogel ſchwarmweiſe fliegt, die Glieder der Geſellſchaft ſich nicht dicht an einander drängen, ſondern jeder ſich in einer kleinen Ent- fernung von ſeinem Nachbar hält und dabei einen abgebrochenen, oft wiederholten Lockruf hören läßt. Die Scharen, in die ſie ſich außer der Paarungszeit zuſammenthun, ſind zahlreich, löſen ſich aber den größten Theil des Jahres hindurch in kleinere Flüge auf, welche an geeigneten Orten ihrer Nahrung nachgehen und ſehr häufig längere Zeit auf der Erde verweilen, vor Sonnenuntergang aber ſich gern wieder zuſammenthun und eine gemeinſchaftliche Nachtherberge ſuchen.‟ —
„Der Fang dieſer Thierchen iſt ſehr leicht, zumal gehen die Jungen faſt in jede Falle, ſobald nur ein Lockvogel ihrer Art daneben ſteht: ein Beweis mehr für die große Geſelligkeit der Art. Jch habe ſie in Canaria ſogar einzeln in Schlagnetzen, deren Locker nur Hänflinge und Stieglitze waren, ſich fangen ſehen. Gewöhnlich bedient man ſich, um ihrer habhaft zu werden, auf den Kanaren eines Schlagbauers, der aus zwei ſeitlichen Abtheilungen beſteht, den eigentlichen Fallen mit aufſtellbarem Trittholz, getrennt durch den mitten inne befindlichen Käfig, in welchem der Lockvogel ſitzt. Dieſer Fang wird in baumreichen Gegenden, wo Waſſer in der Nähe iſt, betrieben und iſt in den frühen Morgenſtunden am ergiebigſten. Er iſt, wie wir aus eigener Anſchauung wiſſen, ungemein an- ziehend, da er dem im Gebüſch verſteckten Vogelſteller Gelegenheit gibt, die Kanarienvögel in größter Nähe zu beobachten und ſich ihrer anmuthigen Bewegungen und Sitten ungeſehen zu erfreuen. Wir haben auf dieſe Weiſe binnen wenigen Stunden 16 bis 20 Stück, eins nach dem andern, fangen ſehen; die Mehrzahl davon waren indeß noch unvermauſerte Junge. Beſäße man, was nicht der Fall iſt, auf den Jnſeln ordentlich eingerichtete Vogelherde, ſo würde der Ertrag natürlich noch ein weit loh- nenderer ſein.‟
„Wir haben Kanarienwildlinge genug in der Gefangenſchaft beobachtet und mitunter deren ein bis anderthalb Dutzend auf einmal beſeſſen. Der Preis junger, bereits ausgeflogener Vögel pflegt in Santa Cruz, wenn man mehrere auf einmal nimmt, etwa 2½ Sgr. für das Stück zu betragen. Friſch gefangene alte Männchen werden mit 10 Sgr. bezahlt. Jn Canaria ſind, trotz der daſelbſt herrſchenden größeren Billigkeit, die Preiſe um vieles höher, was allein ſchon hinreichen würde, ihre größere Selten- heit daſelbſt darzuthun.‟
„Es ſind unruhige Vögel, die längere Zeit brauchen, ehe ſie ihre angeborne Wildheit ablegen, und ſich, beſonders in engen Käfigen zu mehreren zuſammengeſperrt, das Gefieder leicht zerſtoßen. Sie ſchnä- beln ſich ſehr gern unter einander, und die jungen Männchen geben ſich binnen kurzem durch ein fort- geſetztes lautes Zwitſchern zu erkennen. Meine Vögel fingen in der zweiten Hälfte des Auguſt zu mauſern an; einige unter ihnen hatten indeß noch im Dezember den Federwechſel nicht vollſtändig bewerkſtelligt. Wahrſcheinlich ſind dieſe die am ſpäteſten Ausgeflogenen geweſen. Das helle Gelb- grün zeigt ſich zuerſt an der Bruſt. Kaum gibt es einen weichlicheren Körnerfreſſer. Man verliert die meiſten an Krämpfen, deren zweiter oder dritter Anfall mit dem Tode zu endigen pflegt. Wer dieſe Vögel über See mit ſich nehmen will, wird wohl thun, ſich längere Zeit vor der Abreiſe mit we- nigſtens der doppelten Anzahl von denen, die er wünſcht, zu verſorgen und dieſelbe in einem jener
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Kanarienvogel.
ſtehen Urtheile, die ſpäter bei Andern Enttäuſchungen hervorrufen. So wenig wie alle Häuflinge
und Nachtigallen oder alle zahmen Kanarienvögel gleich gute Schläger ſind, darf man Dies von
den wilden fordern. Auch unter ihnen gibt es ſtärkere und ſchwächere; das aber iſt unſere ent-
ſchiedene Anſicht, die Nachtigallentöne oder ſogenannte Rollen, jene zur Seele dringenden tiefen
Bruſttöne haben wir nie ſchöner vortragen hören, als von wilden Kanarienvögeln und einigen zah-
men der Jnſeln, die bei jenen in der Lehre geweſen. Nie werden wir in dieſer Hinſicht die Leiſtun-
gen eines wundervoll hochgelben Männchens von Gran-Canaria, welches wir als Geſchenk eines
Freundes eine Zeitlang beſaßen, zu vergeſſen im Stande ſein. Am meiſten möge man ſich hüten,
den Naturgeſang des Kanarienvogels nach dem oft ſtümperhaften ſehr jung gefangener, die im
Käfig ohne guten Vorſchläger aufwuchſen, zu beurtheilen.‟
„Der Flug des Kanarienvogels gleicht dem des Hänflings. Er iſt etwas wellenförmig und
geht meiſt in mäßiger Höhe von Baum zu Baum, wobei, wenn der Vogel ſchwarmweiſe fliegt, die
Glieder der Geſellſchaft ſich nicht dicht an einander drängen, ſondern jeder ſich in einer kleinen Ent-
fernung von ſeinem Nachbar hält und dabei einen abgebrochenen, oft wiederholten Lockruf hören läßt.
Die Scharen, in die ſie ſich außer der Paarungszeit zuſammenthun, ſind zahlreich, löſen ſich aber den
größten Theil des Jahres hindurch in kleinere Flüge auf, welche an geeigneten Orten ihrer Nahrung
nachgehen und ſehr häufig längere Zeit auf der Erde verweilen, vor Sonnenuntergang aber ſich gern
wieder zuſammenthun und eine gemeinſchaftliche Nachtherberge ſuchen.‟ —
„Der Fang dieſer Thierchen iſt ſehr leicht, zumal gehen die Jungen faſt in jede Falle, ſobald nur
ein Lockvogel ihrer Art daneben ſteht: ein Beweis mehr für die große Geſelligkeit der Art. Jch habe
ſie in Canaria ſogar einzeln in Schlagnetzen, deren Locker nur Hänflinge und Stieglitze waren,
ſich fangen ſehen. Gewöhnlich bedient man ſich, um ihrer habhaft zu werden, auf den Kanaren eines
Schlagbauers, der aus zwei ſeitlichen Abtheilungen beſteht, den eigentlichen Fallen mit aufſtellbarem
Trittholz, getrennt durch den mitten inne befindlichen Käfig, in welchem der Lockvogel ſitzt. Dieſer
Fang wird in baumreichen Gegenden, wo Waſſer in der Nähe iſt, betrieben und iſt in den frühen
Morgenſtunden am ergiebigſten. Er iſt, wie wir aus eigener Anſchauung wiſſen, ungemein an-
ziehend, da er dem im Gebüſch verſteckten Vogelſteller Gelegenheit gibt, die Kanarienvögel in größter
Nähe zu beobachten und ſich ihrer anmuthigen Bewegungen und Sitten ungeſehen zu erfreuen. Wir
haben auf dieſe Weiſe binnen wenigen Stunden 16 bis 20 Stück, eins nach dem andern, fangen ſehen;
die Mehrzahl davon waren indeß noch unvermauſerte Junge. Beſäße man, was nicht der Fall iſt,
auf den Jnſeln ordentlich eingerichtete Vogelherde, ſo würde der Ertrag natürlich noch ein weit loh-
nenderer ſein.‟
„Wir haben Kanarienwildlinge genug in der Gefangenſchaft beobachtet und mitunter deren ein
bis anderthalb Dutzend auf einmal beſeſſen. Der Preis junger, bereits ausgeflogener Vögel pflegt in
Santa Cruz, wenn man mehrere auf einmal nimmt, etwa 2½ Sgr. für das Stück zu betragen. Friſch
gefangene alte Männchen werden mit 10 Sgr. bezahlt. Jn Canaria ſind, trotz der daſelbſt herrſchenden
größeren Billigkeit, die Preiſe um vieles höher, was allein ſchon hinreichen würde, ihre größere Selten-
heit daſelbſt darzuthun.‟
„Es ſind unruhige Vögel, die längere Zeit brauchen, ehe ſie ihre angeborne Wildheit ablegen, und
ſich, beſonders in engen Käfigen zu mehreren zuſammengeſperrt, das Gefieder leicht zerſtoßen. Sie ſchnä-
beln ſich ſehr gern unter einander, und die jungen Männchen geben ſich binnen kurzem durch ein fort-
geſetztes lautes Zwitſchern zu erkennen. Meine Vögel fingen in der zweiten Hälfte des Auguſt zu
mauſern an; einige unter ihnen hatten indeß noch im Dezember den Federwechſel nicht vollſtändig
bewerkſtelligt. Wahrſcheinlich ſind dieſe die am ſpäteſten Ausgeflogenen geweſen. Das helle Gelb-
grün zeigt ſich zuerſt an der Bruſt. Kaum gibt es einen weichlicheren Körnerfreſſer. Man verliert
die meiſten an Krämpfen, deren zweiter oder dritter Anfall mit dem Tode zu endigen pflegt. Wer
dieſe Vögel über See mit ſich nehmen will, wird wohl thun, ſich längere Zeit vor der Abreiſe mit we-
nigſtens der doppelten Anzahl von denen, die er wünſcht, zu verſorgen und dieſelbe in einem jener
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/141>, abgerufen am 28.11.2024.
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